8. Hagrid

„Einhorn-Horn-Pulver?" Hagrid zog die buschigen Augenbrauen zusammen. „Wofür brauchst du das, Harry?"

„Das kann ich dir nicht sagen, aber es ist wirklich wichtig."

„Harry, steckst du in Schwierigkeiten?" Der Riese war sofort alarmiert. Er kannte Harry inzwischen gut genug.

„Nein, keine Sorge."

„Wirklich nicht? Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst."

Der Schwarzhaarige lächelte. „Ich weiß, Danke Hagrid. Aber mach dir wirklich keine Sorgen. Das Pulver ist nicht für mich."

„Für wen dann?" Nun schien er verdutzt.

„Das kann ich dir nicht sagen", wiederholte er.

„Warum nicht?"

„Weil ich es der Person versprochen habe."

Als Hagrid noch immer zögerte, seufzte Harry leise. „Hagrid, du vertraust mir doch, oder?"

„Natürlich vertraue ich dir, Harry. Du musst nur wissen, diese Zutat ist äußerst selten und dementsprechend kostbar."

„Ich weiß, das habe ich gelesen. Aber ich habe auch gelesen, dass damit nichts Schlechtes hervorgerufen werden kann, also besteht doch keine Gefahr, oder?"

„Mit jeder Zutat kann man Unfug treiben. Auf die Mischung kommt es an." Hagrid schien mit sich zu ringen und lieferte Harry somit die Gewissheit, dass er tatsächlich in Besitz dieses Pulvers war. „Vertraust du der Person, die diese Zutat braucht?", fragte der Wildhüter - und Harry zögerte eine Sekunde zu lange. Diese Frage lockte ihn in die Falle. Vertraute er Draco Malfoy? Vertraute er wirklich darauf, dass Draco mit dieser Zutat keine Dummheiten anstellte, sondern sie wirklich für seine Mutter brauchte? Er biss sich auf die Unterlippe und Hagrid verschränkte die Arme vor der Brust. Er schüttelte bloß den Kopf, woraufhin Harry die Schultern hängen ließ.

„Malfoy bat mich darum, dich nach der Zutat zu fragen", gab er schließlich leise zu und sah Hagrid an.

„Malfoy? Draco Malfoy? Warum denn das?"

Harry zuckte etwas hilflos mit den Schultern. „Ich weiß nur, dass seine Mutter krank ist und scheinbar ist es etwas Ernstes. Ich denke, dass er die Zutat dafür braucht; vielleicht will er einen Trank für sie brauen."

„Dass seine Mutter krank ist, habe ich auch gehört. Was hat sie?"

„Ich weiß es nicht. Er wollte es mir nicht sagen."

„Hm", machte Hagrid und zupfte sich nachdenklich am Bart. „Wie kommt er darauf, gerade dich danach zu fragen? Nichts für Ungut, Harry, aber ihr seid nicht unbedingt die besten Freunde."

„Ich habe ihm meine Hilfe angeboten und er meinte, ich sollte dich fragen, weil wir beide Freunde sind." Harry zeigte zwischen Hagrid und sich hin und her und lächelte ihn hoffnungsvoll an.

Der Wildhüter rang erneut mit sich und seufzte schließlich. „Tut mir echt leid, Harry, aber ich kann das nicht machen. Ich besitze ein wenig Einhorn-Horn-Pulver, aber wenn Malfoy es benutzt, um schlimme Dinge damit zu machen, bekomme ich mächtige Schwierigkeiten mit Dumbledore." Er machte eine resignierende Geste. „Ich kann dir nicht helfen, Harry, bitte entschuldige."

Auch Harry seufzte nun leise. „Ich hab's mir schon fast gedacht. Trotzdem danke, Hagrid." Er stand auf, verabschiedete sich und wandte sich zum Gehen.

Hagrid war nicht wohl bei dem Gedanken, Harry abzuweisen. Er hatte schon so oft Harrys Hilfe benötigt und dieser hatte ihn nie hängen lassen. Jetzt wäre endlich eine Gelegenheit gekommen, sich zu revanchieren, und Hagrid tat es nicht. Was, wenn Malfoy die Zutat wirklich dringend für seine kranke Mutter benötigte und Hagrid war derjenige, an dem das alles nun scheitern würde? Und war Harry nicht jemand, der ein gutes Gespür für Gefahr hatte? Wenn Malfoy wirklich nichts Gutes im Schilde führen würde, dann würde Harry das gewiss spüren, doch er war bereit gewesen, Hagrid nach der Zutat zu fragen. Wenn Hagrid Malfoy auch nicht über den Weg traute - Harry vertraute er umso mehr. Trotzdem konnte es nicht schaden, auf Nummer sicher zu gehen.

„Hör mal, Harry", begann Hagrid daher, bevor Harry seine Hütte verlassen konnte, „wenn Draco die Zutat wirklich so dringend braucht, dann soll er vorbeikommen, in Ordnung? Wenn er mir erklärt, was er damit vorhat, bekommt er sie. Das soll keine Erpressung sein, und ich weiß, dass es möglicherweise ein privates Thema für ihn ist, aber ich muss es wissen, bevor ich ihm helfe. Verstehst du?"

Ein Lächeln breitete sich auf Harrys Gesicht aus. „Ja, das verstehe ich gut. Ich werde ihm Bescheid sagen. Danke, Hagrid."

-

Am nächsten Tag schlich sich Harry in seiner Freistunde in den Krankenflügel. Er hatte in Erfahrung bringen können, wann genau Draco entlassen wurde und fing ihn vor dem Krankenzimmer ab. Der Slytherin war sichtlich überrascht, als er Harry vor der Tür warten sah. Der Blonde hatte einen Becher mit einigen Tabletten in der Hand, sowie einen Krankenschein. Er war aufgrund der leichten Gehirnerschütterung sicher noch ein paar Tage krankgeschrieben. Bei dem Gedanken daran, wie schwer Harry ihn mit der Explosion versehentlich verletzt hatte, wurde ihm schon wieder ganz mulmig zumute.

„Was machst du denn hier?", fragte Draco etwas verdutzt, jedoch nicht so bissig, wie sonst. Dann hoben sich seine Augenbrauen. „Warst du schon bei Hagrid?"

„Ja. Er hat tatsächlich Einhorn-Horn-Pulver, aber er wollte es mir nicht geben. Ich musste ihm verraten, dass du es brauchst, und er wollte wissen, wofür. Als ich ihm das auch nicht sagen konnte, meinte er, du sollst zu ihm kommen und ihn aufklären, dann würde er dir etwas von dem Pulver abgeben", erklärte Harry wahrheitsgemäß.

Draco stöhnte genervt. „Ich hatte gehofft, dass ich eben genau da drumherum komme." Er begann, sich auf der Unterlippe herumzukauen. Automatisch fiel Harrys Blick auf seine Lippen, und irgendetwas in seinem Inneren zog sich kurz zusammen, sodass er den Blick rasch wieder abwendete. „Danke trotzdem fürs Fragen", sagte er dann plötzlich und ging.

Harry folgte ihm sofort. „Willst du denn nicht zu Hagrid gehen?", fragte er verwirrt.

„Hm", machte der Slytherin und es klang etwas abwertend. „Ich glaube nicht."

„Warum nicht?"

„Weil ich keine Lust habe, irgendeinem verrückten Waldmenschen etwas Persönliches von mir zu erzählen." Er verzog das Gesicht.

Harry blieb abrupt stehen. „Rede nicht so über Hagrid, er ist einer der besten Menschen, die ich kenne." Er funkelte den Slytherin wütend an, doch als Draco, der ebenfalls stehengeblieben war, ihn nur ausdruckslos ansah, atmete Harry noch einmal tief durch und beschloss, noch einen letzten Versuch zu starten. „Hör mal, Hagrid ist bereit, dir zu helfen", sagte er sanft. „Dass er dafür wissen muss, wofür du die Zutat brauchst, ist doch verständlich. Außerdem kannst du ihm absolut vertrauen. Er wird es niemandem weitererzählen, dafür würde ich meine Hand ins Feuer legen."

Draco zögerte. Er schien es sich noch einmal zu überlegen.

„Ich kann mitkommen, wenn du möchtest", schlug Harry ihm dann vor. „Heute nach der Schule?"

Der Slytherin sah Harry einen Moment lang an, als würde er versuchen herauszufinden, ob er ihm wirklich trauen konnte. Schließlich gab er sich geschlagen. „Na schön. Okay." Er zuckte mit den Schultern, tat nun so, als wäre es ihm egal. „Heute Abend nach dem Unterricht draußen vorm Eingang?"

Harry nickte. „Ja, geht klar. Bis dann!"

„Bis dann."

Ihre Wege trennten sich. Für den Rest des Tages hatte Harry enorme Schwierigkeiten, sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Tatsächlich war Draco noch krankgeschrieben, denn er erschien bei keiner einzigen Stunde. Harry kam gar nicht von dem Gedanken weg, dass er sich tatsächlich mit Draco Malfoy verabredet hatte. Das würde zwar garantiert eine absolut einmalige Sache bleiben, aber dennoch hätte er nie gedacht, dass es einmal dazu kommen würde. Er verschwieg sein Vorhaben vor Ron und Hermine. Nicht, weil es ihm unangenehm war, sondern vielmehr weil er nicht wollte, dass sie den Grund für ihr Treffen erfuhren. Draco wollte nicht, dass irgendjemand erfuhr, wofür er diese Zutat brauchte, also hätte Harry es niemandem erklären können und so schwieg er lieber von Anfang an. Es war leicht, sich eine Ausrede auszudenken - und ohnehin schienen Ron und Hermine auch mal froh über etwas Zweisamkeit zu sein, weshalb sie Harrys Abwesenheit nach der Schule nicht weiter hinterfragten.

Als Harry sich schließlich auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt machte, klopfte sein Herz ungewöhnlich heftig. Er war nervös. Und noch nervöser wurde er, als er Draco an der steinernen Mauer gegenüber des Schuleingangs lehnen sah. Er hatte auf seine Robe verzichtet, trug stattdessen lediglich ein weißes Hemd mit der Slytherin-Krawatte und eine dunkelgrüne Hose. Seine weißblonden Haare waren zurückgegelt, jedoch nicht ganz so streng wie sonst, sodass ihm ein paar Strähnen ins Gesicht fielen. Harry fand, dass er gut aussah. Draco hatte sich zu einem wirklich gutaussehenden Kerl entwickelt. Er war groß und schlank, mit sportlicher Figur. Noch während Harry über Dracos Körperbau philosophierte und ihn mit seinem eigenen verglich, bewegten sich seine Beine ganz automatisch auf ihn zu.

„Na, Potter?" Draco grinste ein wenig und Harry spürte, dass er errötete, was ihm furchtbar peinlich war.

„Hi", sagte er knapp. „Wollen wir?" Er wandte sich schnell von ihm ab, als Draco nickte. Sie machten sich auf den Weg zu Hagrids Hütte. Das war ein Fußmarsch von etwa zehn Minuten.

„Geht's dir etwas besser?", fragte Harry auf halbem Weg. Es fühlte sich seltsam an, neben Draco herzulaufen. In all den Jahren hatten sie noch nie irgendetwas gemeinsam gemacht. Sie hatten immer nur gegeneinander agiert.

„Ja." Draco ließ seinen Blick in die Ferne schweifen.

„Wie lange bist du krankgeschrieben?"

„Nur noch morgen."

Harry nickte, auch wenn Draco nicht hinsah. Er folgte dem Blick des Slytherin, als dieser murmelte: „Ich bin ewig nicht mehr hier gewesen."

Sie schwiegen, bis sie bei Hagrids Hütte angekommen waren. Harry klopfte an die Tür und hoffte inständig, dass Hagrid überhaupt da war. Er hatte ihn gar nicht vorwarnen können, dass er mit Draco vorbeikommen würde. Glücklicherweise öffnete er wenige Sekunden später die Tür. „Hi, Hagrid." Harry hob kurz seine Hand. Der Wildhüter lächelte Harry zu - und sein Lächeln fror kurz ein, als dieser einen Schritt zur Seite ging und Hagrid Draco entdeckte. Als Hagrid kurz zu Harry sah, warf dieser ihm einen vielsagenden Blick zu, der Hagrid dazu veranlasste, sein Lächeln wieder aufzusetzen. „Hallo ihr zwei", sagte er freundlich und hielt seine Tür weit auf. „Kommt rein, kommt rein."

Harry ging voraus und Draco heftete sich rasch an dessen Fersen. Ein seltsam würziger Geruch schlug ihnen entgegen. Während Harry sich schon längst an die strengen Düfte in Hagrids Hütte gewöhnt hatte, verzog Draco kurz das Gesicht. Als sie im Wohnzimmer angelangt waren, ertönte plötzlich ein lautes Knurren, kurz darauf eine Mischung aus Gebell und Vogelgekreisch. Draco machte einen erschrockenen Satz zur Seite und stieß dabei gegen Harry, der instinktiv seinen Arm berührte.

„Minnie!" Hagrids tiefe Stimme erfüllte den Raum und ließ Draco abermals zusammenzucken. „Wirst du wohl still sein, Minnie?" Hagrid hob tadelnd seinen Finger.

Erst jetzt hatte Draco das Tier entdeckt, welches ihn angeknurrt hatte - jedoch hatte er nicht die leiseste Ahnung, was genau es war. Eine seltsame Mischung aus einem kleinen Hund, mit Schnurrhaaren und Federn anstelle von Fell. Dracos Mund klappte auf. „Was ist denn das?" Er zeigte auf das Tier, welches sofort wieder zu knurren begann, sodass Draco seinen Finger rasch zurückzog.

„Das ist Minnie. Ist sie nicht wunderschön?" Hagrid lächelte stolz, ging in die Hocke und lockte Minnie zu sich. Er streichelte das Tierchen liebevoll und säuselte: „Ja eine Feine bist du, eine ganz Liebe, mein Minnie-Mäuschen!"

Harry, der Dracos Arm mittlerweile wieder losgelassen hatte, lachte leise und setzte sich auf einen von Hagrids gemütlichen Sesseln. Er kannte Minnie schon seit knapp einem Jahr. Hagrid hatte lange Zeit behauptet, sie wäre ihm zugelaufen, bis er sich irgendwann verplappert hatte und herauskam, dass er Minnie im Verbotenen Wald halbtot gefunden und wieder aufgepäppelt hatte. Wenn Dumbledore das erfahren würde, dann würde Minnie ihm wieder weggenommen werden, weil keiner wusste, was für ein Wesen sie war und ob sie nicht doch gefährlich werden konnte. Es war für Harry, Hermine und Ron aber selbstverständlich gewesen, dass sie niemandem verraten würden, wie Hagrid wirklich an Minnie gekommen war.

„Setz dich, Mal- äh, Draco." Hagrid kratzte sich nervös am Kopf und zeigte auf den Sessel neben Harry.

Draco inspizierte den Sessel kurz und setzte sich dann. Selbst ein Blinder hätte gesehen, wie verkrampft er war.

„Wollt ihr einen Tee?"

„Lieber ein Glas Wasser", sagte Harry und lächelte. Für Tee war es ihm etwas zu warm an diesem Tag.

„Und du?", fragte Hagrid an Draco gewandt.

„Auch gerne ein Glas Wasser", sagte er etwas zögerlich.

Hagrid nickte und ging in die Küche. Währenddessen sah Draco sich um. Lediglich Minnie war noch wachsamer; sie hielt den vermeintlichen „Eindringling" ganz genau im Blick. Harry musste lächeln, denn Draco wirkte beinahe schüchtern, wie er sich verstohlen umschaute, und auch etwas verloren in dem großen Sessel. Minnie war von ihrem Platz aufgestanden und steuerte auf Harry zu. Als sie an Draco vorbeilief, knurrte sie abermals, bevor sie dem Gryffindor auf den Schoß sprang, und sich ausgiebig streicheln ließ.

Hagrid brachte ein Tablett mit zwei Gläsern Wasser, einen Tee für sich selbst und eine Schüssel mit Keksen. Draco nahm das Wasserglas dankbar an sich, trank hastig einen Schluck und klammerte sich dann etwas hilflos daran fest. Ab und zu trommelten seine Finger nervös gegen das Glas.

„Du weißt ja, warum wir hier sind", sagte Harry und machte somit den Anfang für das Gespräch. Er strich Minnie sanft über den Kopf. Ihm entging nicht, dass Draco ihn dabei beobachtete.

„Richtig", sagte Hagrid und sah den Slytherin an. „Harry erzählte mir, du brauchst Einhorn-Horn-Pulver."

„Ja, genau." Draco nickte.

„Wofür brauchst du es?"

Draco rutschte kurz auf dem Sessel hin und her. „Für meine Mutter. Sie ist krank." Seine Finger kratzten kurz am Glas. „Wir waren vor kurzem bei einem Heiler, der sich bereit erklärte, einen speziellen Trank für sie herzustellen. Dazu fehlt uns nur noch diese Zutat." Sein Bein wippte nervös auf und ab. „Es gibt keine Garantie dafür, dass der Trank wirklich hilft, aber... es ist unsere letzte Möglichkeit und wir wollen es versuchen." Er schluckte hörbar.

Harry senkte den Blick. Das klang gar nicht gut.

Hagrid nahm ihm die Frage aus dem Mund: „Was genau hat sie?" Der Wildhüter legte den Kopf schief, sein Blick war sanft.

Der Blonde schüttelte den gesenkten Kopf. „Die Ärzte wissen es nicht. Sie vermuten eine Muggelkrankheit namens Krebs." Er schnaubte abfällig. „Ich glaube nicht, dass es eine Krankheit mit einem solchen Namen gibt."

Hagrid und Harry tauschten einen kurzen Blick aus. Harrys Herz pochte unruhig, als er sich leise räusperte. „Doch, die gibt es." Er sah Draco traurig an.

„Aber... sie ist eine Reinblüterin", sagte Draco stolz und reckte das Kinn in die Höhe.

„Und dennoch ist sie ein Mensch, Draco", sagte Hagrid sanft.

„Aber..." Draco schluckte, fühlte sich in die Ecke gedrängt. „Die Malfoys kriegen keine Muggelkrankheiten!"

„Sag, hattest du schon einmal einen Schnupfen, Draco? Eine Erkältung im Winter?" Hagrid nippte kurz an seiner Teetasse. Seine Augen fixierten den Slytherin und diesem dämmerte allmählich, worauf der Wildhüter hinaus wollte. Dem Blonden blieb nichts anderes übrig, als den Kopf zu senken und tief durchzuatmen.

Harry blickte ihn mitleidsvoll an. Am liebsten hätte er ihm eine Hand auf die Schulter gelegt, doch er traute sich nicht.

„Vielleicht hilft der Trank ja", sagte Harry nach einem kurzen Augenblick des Schweigens. Matte, graue Augen legten sich auf seine, doch Harry hielt dem Blick tapfer stand und lächelte aufmunternd. „Ein Versuch ist es wert, was meinst du, Hagrid?"

Hagrid nickte langsam und sah zwischen Harry und Draco hin und her. „Das denke ich auch." Er stand auf und ging in einen anderen Raum, wo er hörbar in einem Schrank herumkramte. Wenig später kam er wieder, mit einer kleinen Phiole in der Hand. „Das hier ist reinstes Einhorn-Horn-Pulver", erklärte er an Draco gewandt. „Es ist sehr kostbar. Ich weiß nicht, wie viel der Heiler davon benötigt, doch wenn noch etwas übrig bleibt, hätte ich den Rest gerne zurück, in Ordnung?" Damit überreichte er Draco die Phiole.

„Natürlich." Draco nickte und besah sich das Pulver. „Vielen Dank." Er sah Hagrid aufrichtig an und dieser nickte lächelnd. „Ich wünsche deiner Mutter, dass der Trank helfen wird."

Als die beiden auf dem Weg zurück nach Hogwarts waren, schwiegen sie. Harry hatte das Bedürfnis, etwas zu sagen, doch er wusste nicht was. Draco wirkte sehr betrübt, er ging mit leicht hängenden Schultern neben Harry entlang. Seine Miene war unergründlich. Obwohl er das Pulver bekommen hatte und das gleichzeitig eine neue - eine letzte - Chance für seine Mutter war, schienen Hagrid und Harry ihm die Illusion, es gäbe keine solche Krankheit und seine Mutter könnte sie ohnehin nicht bekommen, genommen zu haben. Er war auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt und Harry schämte sich, ihm möglicherweise wertvolle Hoffnungen zerstört zu haben. Er brauchte jetzt vor allem eines: Kraft.

Der Gryffindor räusperte sich leise. „Das mit dem Trank hört sich ziemlich vielversprechend an, oder?"

Draco sah kurz auf. „Ja", erwiderte er knapp und schwieg wieder.

Harry biss sich kurz auf die Unterlippe und überlegte, noch etwas zu sagen, entschied sich dann aber doch dagegen. Was hätte er auch sagen sollen? Unter allen anderen Umständen hätte er nun versucht, Draco zu trösten, doch er war nicht der Richtige dafür. Sie waren sich nicht nah genug; sie waren keine Freunde. Den Slytherin zu trösten, musste jemand anderes übernehmen - und Harry hoffte inständig, dass Draco so jemanden hatte.

Vor dem Schloss blieben sie nur kurz stehen. „Danke für deine Hilfe", sagte Draco, rang sich mühsam ein Lächeln ab, nickte ihm noch einmal zu und nachdem Harry ein knappes „kein Problem" gemurmelt hatte, ging er hinein.

Später im Bett wälzte sich der Schwarzhaarige unruhig von einer Seite auf die andere. Er ließ den Abend noch einmal Revue passieren und erst dabei wurde ihm klar, wie persönlich Draco vor ihm und Hagrid gesprochen hatte. Und dass er erstmals wirklich Emotionen gezeigt hatte, wenn auch nur ganz kurz. Es war unverkennbar, dass Draco seine Mutter liebte und sich um sie sorgte. Umso schwerer war die Vorstellung, dass sie möglicherweise unheilbar krank war. Harry fuhr sich angestrengt über die Augen. Der Gedanke, Draco könnte seine Mutter verlieren, bereitete ihm Bauchschmerzen. Die Eltern zu verlieren, das wünschte man niemandem, nicht einmal seinem schlimmsten Feind. Harry wollte nicht, dass Draco so etwas durchleben musste. Er konnte nur hoffen, dass der Trank wirklich helfen würde.

Erst, als er schon fast eingeschlafen war, schob sich ein völlig anderes Bild in seine Gedanken zurück. Die Nacht am See, als er Draco beobachtet hatte. Manchmal kam es ihm so vor, als hätte er das alles nur geträumt. Mit dem Gedanken, dass der Slytherin in dieser Nacht ausgesehen hatte, wie ein magisches Wesen, schlief Harry schließlich ein.

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