36. Abschluss

Harry drehte sich auf die Seite und stieß gegen einen warmen Körper, den er nun schläfrig umschlang. Er gähnte herzhaft und streckte sich kurz. Dracos Kopf schmiegte sich an seinen und Harry spürte dessen Atem an seiner Stirn, fühlte das gleichmäßige Heben und Senken seines Brustkorbes und begann, ihm mit ein wenig fahrigen Bewegungen liebevoll über die Seite zu streicheln.

Dracos Lippen pressten sich auf Harrys Stirn und er vergrub seine Nase kurz im dichten, schwarzen Haar. „Guten Morgen", nuschelte er und lächelte. Er war gewiss kein Morgenmensch, doch neben Harry aufzuwachen war definitiv eines der besten Dinge, die er kannte.

„Morgen", nuschelte Harry zurück, blinzelte müde, hob seinen Kopf und küsste Draco sanft auf den Mund. Er liebte es, wenn sie beide gerade erst erwacht und noch so träge und unkoordiniert waren. Er liebte es, sich dann noch einmal an den Blonden zu kuscheln und zu dösen. Das waren unheimlich ruhige und friedliche Momente, die Harry völlig unbekannt gewesen waren, bevor er mit Draco zusammengekommen war. Dafür genoss er sie nun umso mehr.

„Heute ist der Abschlussball", sagte Draco leise und Harry lächelte.

„Stimmt." Er begann, über seine Brust zu streicheln.

„Und?", fragte Draco flüsternd und küsste Harrys Haar. „Freust du dich schon?"

„Hm", machte Harry und dachte einen Augenblick lang darüber nach. „Irgendwie schon, aber irgendwie... hab ich auch Angst", gab er zu.

„Warum?"

„Ich weiß nicht. Eine Ära geht zu Ende. Hogwarts war so lange mein Zuhause und plötzlich nicht mehr hier zu sein, wird total schlimm, glaube ich." Harry schluckte, als würde ihm all das erst jetzt bewusst werden, dabei hatte er in den vergangenen Wochen über kaum etwas anderes nachgedacht, als darüber, Hogwarts für immer zu verlassen. „Und ich hab Angst, dass das mit uns nicht klappt." Er senkte den Kopf ein wenig, er schämte sich, diesen Gedanken zuzugeben. „Wenn wir uns nicht mehr täglich sehen, verlierst du vielleicht das Interesse an mir. Vielleicht lernst du andere Leute kennen und-"

Weiter kam Harry nicht, denn Draco unterbrach ihn sanft. „Harry", sagte er leise und fasste an seine Wange. Sie sahen sich an, und während Harry die Sorge ins Gesicht geschrieben stand, lächelte Draco. „Ich war mir noch nie in meinem Leben so sicher, dass etwas klappen wird, wie jetzt. Glaub mir." Er strich ihm zärtlich mit dem Daumen über die Wange. „Ich freue mich so sehr auf unsere Zukunft. Nur wir beide", flüsterte er und seine grauen Augen durchbohrten Harry. „Wir können tun und lassen, was wir wollen, es wird niemanden interessieren. Ich kann diese Freiheit wirklich kaum erwarten."

Harry lächelte automatisch. Er verspürte so viel Respekt und Stolz für Draco, dass seine Augen beinahe feucht wurden. Der Slytherin hatte seine Mutter verloren, dann seinen Vater, und trotzdem war er tausendmal mutiger, als Harry. Trotz all dem schaffte er es, positiv in die Zukunft zu sehen und Harry damit zu stärken. Der Schwarzhaarige fühlte Wärme in seinem Inneren, dann ein angenehmes Kribbeln. Er beugte sich zu Draco, ihm fielen die Augen zu und als er ihn küsste, polterte sein Herz los, so sehr liebte er ihn. Draco schlang seine Arme um Harrys Körper, zog ihn auf sich und küsste ihn gleich wieder.

„Du hast recht", flüsterte Harry gegen Dracos Lippen. „Das wird genial." Er lächelte, küsste ihn zärtlich und wisperte: „Ich liebe dich."

„Ich liebe dich auch", flüsterte Draco mit geschlossenen Augen, umfasste Harrys Gesicht mit einer Hand und kostete abermals von seinen Lippen. Zwei Herzen schlugen wild und unkontrolliert umher - und nichts hatte sich je besser angefühlt.

-

Harry und Draco hatten beschlossen, sich erst in einigen Stunden beim Schulball wiederzusehen. Beide mussten noch ihre restlichen Sachen zusammenpacken, da sie am darauffolgenden Nachmittag abreisen würden. Harry hatte erstaunlich wenig zu packen, daher verbrachte er die restliche Zeit damit, Ron und Hermine abwechselnd auf die Nerven zu gehen. Er war hibbelig und nervös, und war sich nicht ganz sicher, ob es sich gut oder schlecht anfühlte. Hin und wieder drehte sich sein Magen um und ihm wurde schlecht, weil er dann daran dachte, dass dies die letzte Nacht in Hogwarts sein würde. Im nächsten Moment freute er sich unendlich auf seine Zukunft mit Draco und darauf, ihn noch viel besser kennenzulernen, als er es ohnehin schon getan hatte. Sie würden all ihre Pläne gemeinsam machen und das waren äußerst gute Aussichten, die Harry sofort lächeln ließen.

Der Schwarzhaarige beschloss schließlich, Ron und Hermine in Ruhe packen zu lassen und schlenderte stattdessen ziellos durchs Schloss, nahm sich Zeit, Abschied zu nehmen. Seine Finger berührten die kühlen Steine der Wände, er besah sich die unzähligen Portraits, beobachtete die Schüler, die allesamt aufgeregt waren und sich auf den Abschlussball freuten, und fand sich letztlich vor Hagrids Hütte wieder.

„Harry!" Der Wildhüter grinste breit, schloss den Gryffindor in die Arme und ging einen Schritt zur Seite, damit er hineingehen konnte. „Ich dachte schon, du kommst nicht mehr."

„Ich würde doch nie gehen, ohne mich von dir zu verabschieden, Hagrid." Harry sah sich in seiner Hütte um, als würde er sie zum ersten Mal sehen. In Wahrheit wollte er sich nur jedes Detail ganz genau einprägen. Er setzte sich auf einen der Sessel und nahm wenig später dankbar die dampfende Tasse Tee von Hagrid an.

„Wie geht es Draco?", fragte der Wildhüter, als er sich Harry gegenüber gesetzt hatte und an seinem Tee nippte.

„Es geht ihm zum Glück wieder gut." Harry lächelte. „Merlin sei Dank."

Hagrid nickte nachdenklich. „Sehr mutig, was ihr da gemacht habt. Die Sache mit Lucius."

„Ja." Harry seufzte kaum hörbar. „Wenn es nur nicht in die völlig falsche Richtung gegangen wäre. Nun hat Draco nicht nur seine Mutter, sondern auch seinen Vater verloren." Der Schwarzhaarige senkte den Kopf.

„Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende." Hagrid sah ihn ernst an. „Als ich gehört habe, was passiert ist, habe ich keine Sekunde lang daran gezweifelt, dass das alles genau so kommen sollte, Harry", gab Hagrid zu. „Ich halte nichts von Lucius Malfoy und seinen Erziehungsmethoden. Seiner Art, Draco seine Liebe zu zeigen." Der Riese schüttelte beinahe angewidert den Kopf. „Es ist ein Wunder, dass sich Draco trotz dieser jahrelangen Gehirnwäsche einigermaßen normal entwickelt hat." Plötzlich lachte er leise. „Auch wenn wir wohl alle bis vor einiger Zeit noch dachten, dass es nicht so wäre, hm?" Er zwinkerte Harry zu und dieser lachte ebenfalls und nickte zustimmend. Hagrid hatte Recht. Draco hatte sich gut gemacht, wenn man bedachte, unter welchem Einfluss er seit seiner Geburt stand. Das gleiche könnte man jedoch auch von Harry behaupten. Bei den Dursleys aufzuwachsen war eine einzige Belastungsprobe. Noch heute war Harry dankbar dafür, stets seinen eigenen Kopf und - vor allem - sein Herz benutzt zu haben. Für Harry waren die Dursleys eher ein abschreckendes Beispiel dafür gewesen, wie er niemals sein wollte. Vielleicht war es für Draco genauso auch mit seinem Vater gewesen, auch wenn er ihm in seiner Kindheit lange genug nachgeeifert hatte.

„Ich freu mich übrigens sehr für euch", holte Hagrid ihn aus seinen Gedanken. Harry errötete automatisch ein wenig und sah den Wildhüter kurz ein wenig verwirrt an, sodass dieser mit den Schultern zuckte und murmelte: „Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass ihr euch sehr gerne habt. Dich selbst konnte ich ja nicht fragen, du warst in den vergangenen Wochen durchgehend im Krankenflügel." Er grinste verschmitzt.

Harry kratzte sich nervös am Hinterkopf und schmunzelte. „Heißt das Vögelchen Hermine?"

Hagrid nickte und lachte leise. „Aber ich habe sie ausgequetscht, sonst hätte sie gewiss nichts verraten."

„Keine Sorge." Harry grinste. „Ich hätte es dir spätestens jetzt erzählt."

„Ich freu mich für euch", wiederholte Hagrid, lächelte warm und hob seine Teetasse, als würde er ihm zuprosten.

-

Die Vorbereitungen in der Großen Halle waren so gut wie abgeschlossen und für Harry wurde es allmählich Zeit, sich umzuziehen. In etwa einer halben Stunde würden sie alle zum Abendessen in der Großen Halle eintreffen. Ein letztes Mal wurde der Hauspokal verliehen und nach dem Essen war eine pompöse Feier für den Abschlussjahrgang geplant. Darauf freute Harry sich am meisten. Er war noch nie auf einer richtigen Party gewesen.

Der Gryffindor trug einen eleganten, schwarzen Anzug mit einem weißen Hemd darunter, welches er nicht ganz bis obenhin zugeknöpft hatte, damit es nicht so steif wirkte. Zwar fühlte er sich eher, als würde er auf eine Hochzeit gehen - und zwar als der Bräutigam - doch Hermine versicherte ihm, dass er todschick aussähe. Hermine selbst trug ein lachsfarbenes, bodenlanges Abendkleid - sie sah wunderschön aus. Ihre Hochsteckfrisur rundete das perfekte Bild ab. Als Ron sie sah, blieb ihm der Mund offen stehen, er starrte sie lange Zeit an, bevor er unzusammenhängende Wortfetzen vor sich hinstammelte, die sich anhörten wie: „Womit hab ich bloß so eine Frau verdient?" Der Rothaarige trug ebenfalls einen Anzug, einen Dunkelblauen, der ihm jedoch ein wenig zu groß war. Es war ein alter Anzug von einem seiner Brüder, einen Neuen konnte sich die Familie derzeit nicht leisten. Nun zupfte Ron nervös an sich herum und versuchte, den Anzug in Form zu bringen, wollte er doch vor seiner Freundin wenigstens annähernd gut aussehen. Hermine, die lächelnd auf ihn zuging, nahm ihm diese Angst, indem sie ihre Arme um seinen Hals legte und ihn küsste. „Du siehst wunderschön aus", flüsterte Ron.

Harry, der sich unbewusst ebenfalls am Anzug herumzupfte, lächelte. Ron und Hermine waren ein wundervolles Paar. Er selbst konnte es kaum erwarten, Draco zu sehen. Der Slytherin sah ja ohnehin schon immer aus, wie aus dem Ei gepellt, kaum vorstellbar, wie gut er bei seinem Abschlussball aussehen würde. Harry schluckte, rannte mit einem Mal nach oben ins Badezimmer und kontrollierte zum hundertsten Mal seine Frisur. Er beäugte das Parfum in seinem Kulturbeutel, nahm das kleine Fläschchen zur Hand und seufzte leise. Das Parfum hatte er sich extra für diesen Anlass gekauft, es roch wirklich gut, doch nun fürchtete er, dass es einfach zu viel sein könnte. Eigentlich war er für all das gar nicht der Typ. Resigniert sah er an sich hinunter, er kam sich verkleidet vor, seine Haare waren ein hoffnungsloser Fall und auch das teuerste Parfum würde diese Katastrophe nicht mehr retten können. Dennoch nahm er den Deckel des kleinen Fläschchens ab und sprühte sich ein wenig Parfum auf. Hoffentlich fand Draco es nicht abstoßend.

„Harry?" Ron stand plötzlich in der Tür des Badezimmers. „Du siehst gut aus, glaub mir." Der Rothaarige grinste verschmitzt und verschränkte die Arme vor der Brust. „Malfoy wird hingerissen sein."

Augenblicklich schoss Harry Hitze in die Wangen und er wendete sich rasch von Ron ab. Dass er seine Nervosität anschließend überspielen wollte, indem er sich abermals an den schwarzen Haarsträhnen zupfte, war nicht seine beste Idee. Ron lachte leise. „Ich hab dich noch nie so nervös erlebt. Nicht einmal beim Trimagischen Turnier."

„Ich bin gar nicht nervös", log Harry und grinste unsicher. „Lass uns gehen."

Als sie in der Großen Halle ankamen, war diese bereits gut gefüllt. Die meisten Schüler standen in den Gängen herum, sodass sich Harry, Ron und Hermine mühsam an ihnen vorbeidrücken mussten, um zu ihrem Sitzplatz am Tisch zu gelangen. Harrys Blick schweifte unaufhörlich durch die Menge, er war auf der Suche nach Draco, doch in der dichten Schülermasse konnte er ihn nicht entdecken. Sie setzten sich und Harry kaute sich nervös an der Unterlippe herum. Er saß mit dem Rücken zum Slytherin-Tisch, weshalb er sich nun alle fünf Sekunden umdrehte, bis Hermine und Ron einen vielsagenden Blick austauschten und ihn grinsend musterten. Wieder errötete Harry und senkte etwas beschämt den Kopf. Sie unterhielten sich über das Schuljahr und nippten an ihrem Kürbissaft. Immer mehr Schüler setzten sich nun ebenfalls auf ihre Plätze und auch die Lehrer waren inzwischen eingetroffen. Harry zwang sich dazu, sich nicht ständig nach Draco umzusehen - bis Hermine sich grinsend zu ihm beugte und flüsterte: „Schau mal, wer da gekommen ist."

Harrys Augen blitzten auf, er drehte sich ruckartig um - und da stand er, am Tisch der Slytherins. Die blonden Haare waren akkurat zurückgekämmt, der schwarze Anzug saß perfekt und sein Gesicht war so makellos, als wäre er eine Wachsfigur. Harrys Herzschlag verdoppelte sich, als sich ihre Blicke trafen und Draco ihn anlächelte. Automatisch lächelte Harry zurück. Er konnte seinen Blick kaum von ihm abwenden, so wunderschön sah er aus. Erst als Draco sich hinsetzte und ein Gespräch mit Goyle begann, drehte sich Harry wieder zu seinen Freunden um. Hermine schmunzelte. „Er sieht toll aus."

In diesem Jahr wurde die Reihenfolge der Abschlussfeier erstmals geändert, sodass es erst das Festessen gab, anschließend wurde der Hauspokal überreicht und dann begann auch schon die Party. In den Jahren zuvor hatte man feststellen müssen, dass sich niemand mehr konzentrierte, sobald der Hauspokalgewinner feststand, also hatte man es für sinnvoller gehalten, erst in Ruhe zu essen. Harry war das alles völlig gleich, er bekam kaum einen Bissen herunter, obwohl das Essen herrlich duftete und wirklich gut aussah. Dennoch war er froh, als die Tische endlich mit Hilfe von Magie abgeräumt wurden und Dumbledore nach vorne zu seinem Pult trat, um seine quälend lange Abschlussrede zu halten.

Harry, der nun seitlich zum Tisch der Slytherins saß, blickte mehrmals verstohlen zu Draco hinüber, doch dieser schien viel konzentrierter zu sein, als er, denn er folgte Dumbledores Rede aufmerksam - ganz im Gegensatz zu Harry. Erst als die Hauspunkte aufgezählt wurden, hörte er wieder hin. Da Harry in diesem Jahr endlich den alles entscheidenden Kampf gegen Voldemort gewonnen hatte, war es keine große Überraschung, dass sich Gryffindor an der Spitze aller Häuser befand. Als der Schulleiter Hufflepuff auf dem letzten und Ravenclaw auf dem vorletzten Platz verkündete, wuchs die Spannung trotzdem an. Harry biss sich auf die Unterlippe und sah zu seinen Mitschülern, die ebenso nervös schienen - obwohl das Ergebnis so offensichtlich war. Dumbledore zog die Verkündung des Gewinners unnötig in die Länge, doch schließlich war es soweit: „Und der Gewinner, mit satten 755 Punkten..." Er sah zu Harry und schmunzelte. „Gryffindor!"

Tosender Jubel zog sich durch die Große Halle, die Schüler warfen in die Luft, was sie in die Finger bekamen und fielen sich in die Arme, so auch Harry, Ron und Hermine. Die Große Halle wurde innerhalb eines Wimpernschlages mit Gryffindor-Flaggen geschmückt, die von der Decke hingen, und plötzlich regnete rot-gelbes Konfetti auf sie herab. Harry blinzelte zur Decke hinauf, lachte glücklich und wurde auch von seinen anderen Mitschülern in die Arme gezogen, immerhin hatten sie ihm den Sieg zu verdanken. Als er einen Blick zu Draco wagte, bot sich ihm ein anderes Bild, als erwartet. Anstatt, wie üblich nach solchen Ereignissen, zu schmollen und beleidigt die Arme zu verschränken, lächelte der Slytherin nun und nickte ihm leicht zu, als sich ihre Blicke trafen. Harrys Herz machte einen Sprung.

Endlich verkündete Dumbledore, dass es nun Zeit zum Feiern wäre. Während der erste Jahrgang ins Bett geschickt wurde, befahl der Schulleiter den anderen Schülern, sich zu erheben. Kaum war das geschehen, verpufften die großen Tische und Bänke im Nichts, das Licht wurde gedimmt, das Party-Buffet eröffnet und laute Musik ertönte, die die Schüler sofort zum Tanzen animierte. Harry bekam das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht, die ganze Stimmung war absolut ansteckend. Noch bevor er erneut nach Draco Ausschau halten konnte, wurde er wieder von seinen Mitschülern in Beschlag genommen, sodass er sich erst einmal eine Weile lang unterhielt, bis Ron und Hermine mit drei Bechern zurückkamen. „Bowle", kommentierte Hermine, als Harry seinen Becher entgegengenommen hatte. Kurz darauf verzogen alle drei gleichzeitig das Gesicht und sahen sich ungläubig an.

„Da ist Alkohol drin, oder?", flüsterte Harry und Ron brach in schallendes Gelächter aus. „Aber sowas von!", rief der Rothaarige, stieß mit seinen Freunden an und nahm einen weiteren, großen Schluck.

Auch Harry grinste breit. „Waren das Fred und George?"

„Ich hab keinen Schimmer." Ron grinste. „Das wird ein lustiger Abend."

Hermine rang mit sich. Unter allen anderen Umständen hätte sie es sofort gepetzt, dass Alkohol in der Bowle war, doch sie wollte ihren Jungs - und jedem anderen - nicht den Spaß verderben, also stellte sie ihr Getränk beiseite und schwieg. Etwa drei Becher später wurde sie schließlich von Ron auf die Tanzfläche gezogen, von der sie eine ganze Zeit lang nicht mehr herunterkamen.

Harry nutzte die Gelegenheit, um endlich nach Draco zu suchen. Die gesamte Große Halle war rappelvoll, er drückte sich außen an der Wand entlang, bis hin zum Tisch der Slytherins, doch er konnte den Blonden nirgendwo entdecken. Suchend scannten seine Augen die Umgebung ab. Wo könnte er nur sein? Hatte er die Feier möglicherweise schon wieder verlassen? Harry zog die Augenbrauen kurz verwundert zusammen. Das konnte er sich nicht vorstellen. Vorbei am Buffet ging er geradewegs auf die Tanzfläche zu. Die laute Musik wummerte in seinen Ohren, die bunten Lichter strahlten in abwechselnden Farben auf ihn hinab und immer wieder musste er tanzende Paare sanft zur Seite schieben, um sich einen Weg hindurch zu bahnen. Von einigen Mitschülern wurde er zum Tanzen animiert, doch er hob beschwichtigend die Hände und setzte seinen Weg möglichst schnell fort. Seine Augen huschten von einem Punkt zum nächsten, das Gedränge schien immer enger zu werden und noch immer konnte er Draco nirgendwo entdecken. Resigniert steuerte er auf den Rand der Halle zu, weg von der Tanzfläche, als er sanft am Arm gepackt wurde. Er fuhr herum und blickte geradewegs in Dracos Gesicht. Sein Herz machte einen Satz und automatisch begann er zu lächeln.

„Hey!" Harry blickte ihm in die leuchtenden, grauen Augen, in denen sich die aufblitzenden Lichter reflektierten. „Ich hab dich schon gesucht." Er grinste.

Draco lächelte, er sagte nichts. Sein Blick glitt flüchtig über Harrys Anzug, und auch der Gryffindor hatte rasch an dem Blonden heruntergeschaut. Er sah wirklich unglaublich gut aus; Anzüge standen ihm ebenso gut, wie legere Kleidung. Als Draco einen weiteren Schritt auf ihn zuging und ihm nun auffällig nahe war, wurde Harry ein wenig nervös. Während er kurz nach links und rechts schaute, lagen Dracos Augen ruhig und sanft auf dem Schwarzhaarigen. Er streckte seine Hand aus und berührte Harrys linken Oberarm. Harrys Herz geriet leicht ins Stocken, er erwiderte Dracos Blick und plötzlich schien es nur noch sie beide zu geben. Alles andere konnte spielend leicht ausgeblendet werden; die laute Musik störte nicht mehr, die grelle Lichtshow um sie herum dimmte sich automatisch auf ein angenehmes Level und der Einzige, der jetzt noch in Harrys Fokus stand, war Draco.

Der Slytherin rückte noch ein wenig näher an ihn und nun lagen beide Hände auf Harrys Oberarmen. Wie von selbst streckte der Schwarzhaarige seine Hände nach Draco aus, berührte die Seiten seines Anzugs auf beinahe ehrfürchtige Art und Weise und sah zu ihm, wobei er ein wenig hochschauen musste.

„Du siehst gut aus", raunte Draco schließlich gerade so laut, dass Harry es trotz der Musik verstehen konnte.

Er war froh, dass es zu dunkel war, um die leichte Röte auf seinem Gesicht zu erkennen. „Du auch." Er lächelte, hielt seinen Blick eisern auf die grauen Augen gerichtet.

Draco beugte sich ein Stück hinab zu ihm. „Bist du bereit für den nächsten Schritt?", flüsterte er ihm ins Ohr, wobei der Gryffindor eine Gänsehaut bekam - und obgleich Harry sich nicht ganz sicher war, was genau Draco mit dem „nächsten Schritt" meinte, nickte er.

Dracos Hände fuhren hinauf zu seinen Schultern, dann legten sich seine angenehm kühlen Hände zärtlich an Harrys Wangen. Sein Daumen strich hauchzart über die leicht erhitzte Haut und Harry musste dem Drang widerstehen, einfach die Augen zu schließen.

„Ganz sicher?", fragte Draco leise und sein Lächeln ließ Harrys Knie weich werden.

„Ganz sicher", erwiderte Harry, der nun wusste, wie der nächste Schritt aussah.

Kühle Finger legten sich in seinen Nacken, fuhren ihm sanft durch die Haare, dann überbrückte Draco den restlichen Abstand zwischen ihnen und küsste ihn. Ein angenehmes Kribbeln wanderte Harrys Wirbelsäule hinauf, als sich bereits nach kürzester Zeit von allen Seiten dumpfes Gemurmel und Geflüster in seine Ohren drängte. Er spürte, dass Draco eine Hand auf seinen Rücken schob und ihn noch ein wenig näher zu sich zog, ohne den Kuss zu lösen. Die Sekunden vergingen. Harry umschlang Dracos Körper, vertiefte den nächsten Kuss und löste sich erst wieder von ihm, als er Luft holen musste. Sein Herz raste und er schluckte nervös, als sie sich in die Augen sahen, doch Draco lächelte bloß liebevoll und strich ihm noch einmal sanft über die Wange.

„Lass uns was trinken gehen", schlug er vor und Harry nickte eifrig. „Auf jeden Fall."

Draco ging voraus. Beiden entging nicht, dass sämtliche Schüler, die um sie herum standen, sie anstarrten. Ihre Gespräche waren verstummt. Einige drehten sich rasch wieder weg, nahmen ihre Unterhaltungen wieder auf und taten so, als hätten sie nichts gesehen, andere hingegen konnten ihren Blick partout nicht abwenden. Es fühlte sich gleichermaßen aufregend, wie auch unangenehm an. Draco war entweder ein hervorragender Schauspieler, oder er spürte tatsächlich nicht die geringste Anspannung, denn er fasste hinter sich, ergriff Harrys Hand, umschloss sie sanft und zog ihn mit sich durch die dichte Schülermenge, bis hin zum Buffet mit der Bowle, wo auch Ron und Hermine standen, um sich eine kleine Pause vom Tanzen zu gönnen.

Während Draco ihnen mit einer Kelle etwas von der Bowle in Becher schöpfte, beugte sich Harry grinsend zu seinen Freunden und sagte leise: „Die Katze ist aus dem Sack." Eine Redewendung der Muggel, die er von Hermine gelernt hatte. Die junge Hexe sah ihn überrascht an, dann begann sie zu strahlen. „Wirklich? Herzlichen Glückwunsch, ich bin stolz auf euch", sagte sie glücklich und legte Harry eine Hand auf den Arm.

Ron zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. „Hä? Welche Katze?"

Harry und Hermine prusteten los, und während Harry einen Becher Bowle von Draco annahm, flüsterte Hermine ihrem Freund zu, dass sie es ihm später erklären würde.

Sie hoben ihre Becher, hielten sie aneinander und Hermine grinste: „Auf die Zukunft!"

„Auf die Zukunft!", wiederholten Harry, Ron und Draco, stießen feierlich an und tranken einen großen Schluck. Der Alkohol erwärmte Harrys Inneres und es fühlte sich herrlich an. Er lauschte einer lustigen Geschichte von Hermine und Ron, lehnte sich lächelnd gegen Draco, und als dieser seinen Arm um ihn legte, ihn sanft zu sich zog und auf die Stirn küsste, wusste er, dass er absolut alles richtig gemacht hatte. Jede Entscheidung, die er in seinem Leben getroffen hatte, hatte letztendlich dazu geführt, dass sie nun hier zusammen standen und eine gemeinsame Zukunft kaum erwarten konnten. Er fühlte Dracos warmen Atem in seinem Haar, als dieser über einen Witz von Hermine lachte, spürte dessen sanften Griff an seiner Schulter und erlaubte es sich, für einen kurzen Moment die Augen zu schließen und diesen perfekten Moment für die Ewigkeit einzufangen.

ENDE.

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