33. Konfrontation
Abgesehen davon, dass die Prüfungen immer näher rückten, war Harry und Draco nicht entgangen, dass sich ihre „Freundschaft" langsam in der Schule herumgesprochen hatte. Es gab kaum jemanden, der nicht über sie tuschelte, doch das war durchaus absehbar gewesen. Immer öfter suchte Draco die Nähe von Harry, Hermine und Ron, weil er entweder schulische Fragen hatte, oder aber einen Plan mit ihnen austüftelte, wie es mit Isaac und seinem Vater weitergehen sollte. Er wurde von Harry und Hermine offen empfangen, und auch Ron wurde in seiner Gegenwart immer entspannter - was man von dem Rest der Gryffindors nicht behaupten konnte, denn sobald Draco sich an ihren Tisch setzte, standen die meisten auf, um sich etwas weiter weg zu setzen.
Harry und Draco ließen keinerlei Nähe in der Öffentlichkeit zu. Zu groß war das Risiko, dass es doch jemand seinem Vater stecken könnte. „Wenn ihm jemand das Leben zerstört, dann will ich schon selbst derjenige sein, der ihm diese Nachricht überbringt", hatte er eines Tages grinsend gesagt und Harry hatte ihn leise lachend mit dem Ellenbogen angerempelt.
An diesem Abend, als die beiden sich sanft küssend im Bett hin und her wälzten, legte Draco Harry plötzlich beide Hände sanft auf die Brust und flüsterte etwas atemlos: „Ich werde mit meinem Vater sprechen. Wegen Isaac. Ich muss versuchen, sie irgendwie wieder zusammenzubringen." Er zuckte kurz mit den Schultern. „Es wird vermutlich nicht funktionieren, aber dann habe ich es wenigstens versucht."
Harry streichelte ihm durchs Haar. „Bist du ganz sicher?" Draco nickte, also seufzte Harry leise. „In Ordnung. Aber du gehst nicht alleine, hörst du? Ich komme mit und bleibe im Verborgenen, damit mich niemand sieht, doch wenn was sein sollte, dann bin ich da. Okay?" Als Draco nicht antwortete, umfasste Harry sein Gesicht liebevoll und fragte noch einmal: „Okay?"
Nun nickte Draco, jedoch ohne ihn anzusehen, und Harrys Herz zog sich kurz zusammen. Dracos Vorhaben fühlte sich nicht gut an.
Dass sein Gefühl nicht unbegründet war, zeigte sich gleich am nächsten Morgen. Als Harry aufwachte - es war ein Samstag - war Dracos Seite im Bett neben ihm leer und schon längst kalt. Er war sofort hellwach, sprang aus dem Bett und suchte zunächst einmal nach irgendeiner Nachricht von ihm, doch er fand keine. In Windeseile machte er sich im Bad fertig, um sich gleich darauf auf den Weg zu den Orten zu machen, an denen er Draco am häufigsten antraf. Er suchte in der Großen Halle, auf dem Astronomieturm, in der Nähe des Slytherin-Gemeinschaftsraumes, doch nirgendwo war eine Spur von ihm. Die Sucherei hatte ihn viel Zeit gekostet.
Harry schluckte schwer, als er zur Malfoy Manor apparierte. Das Anwesen war riesengroß und eigentlich sogar recht schön, doch Harrys Erinnerungen an seinen letzten Besuch hier waren alles andere als positiv. Mittlerweile hatte sich der Himmel zusammengezogen und die dunklen Wolken ließen kaum Licht hindurch. Harry trug seinen Tarnumhang und schlich sich nun in die Nähe des Hauses. Seinen Zauberstab hielt er dabei fest umklammert. Adrenalin schoss durch seinen Körper; er war zu allem bereit. Es war nicht schwer herauszufinden, wo sich Lucius Malfoy aufhalten musste, denn nur aus wenigen Fenstern drang Licht. Harry schlich von Fenster zu Fenster, sah in jedes hinein, bis er schließlich fündig wurde. Doch was er sah, gefiel ihm absolut nicht. Draco stand in der Mitte des Wohnzimmers und wurde von seinem Vater umkreist. Er konnte nicht verstehen, was gesprochen wurde, also lief er weiter, um einen Weg ins Haus zu finden. Die Lösung war so einfach, dass Harry sich kurz fragte, ob Draco es möglicherweise sogar inszeniert hatte - denn die Terrassentür war nur leicht angelehnt, sodass Harry sich spielend leicht ins Innere des Hauses schmuggeln konnte, ohne dass ihn jemand bemerkte.
Auf leisen Sohlen, gut versteckt unter seinem Tarnumhang, näherte er sich dem Wohnzimmer.
„Du hast dich an den Deal zu halten, Draco. Es gibt keine Ausnahmen." Lucius hielt seinen Zauberstab in der Hand. Dracos war noch in seiner Hosentasche. Er zeigte keinerlei Angst, hielt den Kopf oben und sah seinem Vater fest in die Augen. Lucius' laute Schritte hallten im Raum wider.
Einen Augenblick lang schwieg Draco, dann ließ er die Bombe platzen. „Ich habe deinen Bruder ausfindig gemacht."
Lucius blieb abrupt stehen und drehte sich zu Draco um. Dieser verzog keine Miene. Harry hatte ihn noch nie so gesehen.
„Wie bitte?", fragte Lucius und hob beide Augenbrauen. Er trat näher zu seinem Sohn.
„Ich habe Kontakt zu meinem Onkel aufgenommen. Zu deinem Bruder", wiederholte er, ohne ihn anzusehen.
Lucius hingegen durchbohrte Draco beinahe mit seinem Blick. „Ich habe keinen Bruder", zischte er bedrohlich. Harry umfasste seinen Zauberstab stärker.
Nun sah Draco seinen Vater an. „Isaac Malfoy", sagte er und hielt Lucius' kühlem Blick eisern stand. Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass Lucius plötzlich ausholte und ihm eine schallende Ohrfeige verpasste. Harry zuckte unter seinem Umhang heftig zusammen und hätte seine Tarnung beinahe entlarvt, doch der richtige Moment war noch nicht gekommen. Er schlug sich die Hand vor den Mund, um zu verhindern, dass auch nur ein einziger Ton von ihm zu hören war. Er stand dicht gegen die Wand gepresst und konnte zu seinem großen Erschrecken beobachten, dass Draco kaum reagierte. Er drehte bloß ganz kurz den Kopf weg, sah seinen Vater dann aber wieder an, als wäre nichts geschehen. Harrys Kehle schnürte sich zu. Er musste sich längst an Ohrfeigen gewöhnt haben.
„Erwähne diesen Namen nie wieder, hast du verstanden?", flüsterte Lucius seinem Sohn zu, und als dieser nicht reagierte, griff der Ältere grob an sein Kinn, um Dracos Kopf zu sich zu drehen. „Hast du verstanden?", knurrte er abermals, doch Draco wand sich aus dem festen Griff und stolperte ein paar Schritte rückwärts. Seine Hand zuckte ganz kurz zu seinem Zauberstab, doch er ergriff ihn nicht. „Ich kann den Deal nicht erfüllen", sagte er plötzlich mit fester Stimme - und Harry konnte nicht anders, als tiefsten Respekt für ihn zu empfinden. Draco war viel, viel mutiger, als er je gedacht hätte.
„Was soll das bedeuten?" Lucius ging erneut auf Draco zu, doch dieser wich seinem Vater mit langsamen Schritten aus, wohlbedacht darauf, ihm nicht den Rücken zuzukehren.
„Es ist nicht möglich, mich an das Abkommen zu halten", wiederholte Draco. Er rang kurz nach Atem, was darauf schließen ließ, dass sein Herz ebenso wild schlug, wie auch Harrys. „Aber vielleicht kann Isaac es."
Plötzlich schwang Lucius seinen Zauberstab und Sekunden später stoben lila Funken aus seinem Zauberstab. Draco wurde getroffen, flog mit gewaltiger Wucht durch die Luft und stieß mit dem Rücken gegen die Wand hinter sich. Als er am Boden ankam, konnte er sich gerade noch abfangen, doch sein Keuchen verriet, dass er Schmerzen hatte. Harry presste sich näher gegen die Wand. Lange würde er sich das nicht mehr mit ansehen.
„Was soll das heißen, du kannst dich nicht an das Abkommen halten?!", donnerte Lucius nun so laut, dass selbst Harry zusammenzuckte.
Draco kämpfte sich zurück auf die Beine. Nun lag seine Hand an seinem Zauberstab. Als sein Vater näher auf ihn zukam, zog er den Zauberstab aus seiner Tasche und umfasste ihn mit leicht zittrigen Fingern. Noch hielt er ihn unten. „Ich habe einen Partner gefunden", sagte Draco nun leise. Seine Stimme klang rau. Er schluckte.
Lucius zog die Augenbrauen zusammen. „Wen?", knurrte er.
Harry machte sich bereit. Er näherte sich den beiden mit leisen Schritten, behielt seinen Tarnumhang jedoch noch an. Als Draco nicht antwortete, baute sich sein Vater eindrucksvoll vor ihm auf. „Wer ist es?", fragte er abermals.
Nun hob Draco den Blick, sah seinen Vater an und sagte: „Harry Potter."
Auf Lucius' Gesicht spielten sich in diesem Augenblick so viele verschiedene Emotionen ab, dass Draco beim besten Willen nicht einschätzen konnte, wie er reagieren würde. Er befeuchtete sich die trockenen Lippen und schluckte nervös. Er ahnte nicht, dass Harry gleich neben ihnen stand und bereit war, jederzeit einzugreifen.
„Das ist nicht wahr", brachte Lucius schließlich hervor und ging zwei Schritte zurück. „Was soll das?"
Dracos Herz raste. „Ich liebe ihn", sagte er leise und hob sofort den Zauberstab, um sich verteidigen zu können. Doch Lucius regte sich nicht. Er starrte ihn bloß an, so lange, bis sich Dracos Nervosität ins Unendliche gesteigert hatte.
„Du liebst einen Mann", schlussfolgerte Lucius ausdruckslos. Seine Augen waren glasig und blickten durch ihn hindurch.
„Ja." Draco machte den großen Fehler und ließ seinen Zauberstab ein kleines Stückchen sinken. Sein Vater war so ruhig, dass er davon ausging, keiner allzu großen Gefahr mehr ausgesetzt zu sein.
Wie furchtbar er sich irren sollte, zeigte sich nur wenige Sekunden später. Lucius' Gesicht wandelte sich zu einer wutentbrannten Maske, er hob seinen Arm über den Kopf und wollte gerade einen Zauber aussprechen und auf seinen Sohn abfeuern, da tauchte Harry unter seinem Umhang hervor und rief: „Expelliarmus!" Lucius' Zauberstab flog ein paar Meter weit.
Draco riss die Augen auf. „Harry!"
Harrys Augen huschten kurz zu seinem Freund, hefteten sich dann jedoch wieder auf Lucius, der ihn ungläubig anstarrte. „Mr. Potter", sagte er überrascht und hob beide Augenbrauen. „Wie sind Sie in mein Haus gekommen?" Lucius ging auf ihn zu und Harry wich ihm aus, indem er rückwärts in Richtung Draco ging, bis er schließlich schützend vor ihm stand, den Zauberstab noch immer auf Lucius gerichtet. Er antwortete nicht, sondern rief stattdessen: „Sie würden Ihren eigenen Sohn töten, oder?"
„Schwachsinn!", presste Lucius hervor. Er hatte die Zähne fest aufeinander gebissen und sein Kiefer mahlte unruhig. Plötzlich wandelte sich sein Gesichtsausdruck und er lächelte beinahe. „Das gilt jedoch nicht unbedingt für Sie, Mr. Potter", sagte er leise. Dann, binnen weniger Sekunden, stürzte er sich mit einem großen Satz in Richtung seines Zauberstabes. Harry feuerte einen erneuten „Expelliarmus" auf ihn, doch leider etwas zu früh, sodass er wirkungslos war und stattdessen lediglich wertvolle Zeit verloren ging. Während die Funken noch verpufften, hatte Lucius seinen Zauberstab aufgehoben und begann, einen Zauber nach dem anderen auf Harry abzufeuern. Es waren unerwartet starke Zauber; Harry hatte Mühe, sie abzuwehren. Noch immer stand er vor Draco, achtete gut darauf, dass ihn keiner dieser Zauber traf, während er sich mit Lucius duellierte. Seine Wut wuchs, sodass es ihm schließlich sogar gelang, auch Lucius anzugreifen. Hinter ihm ging ein Bild zu Bruch und fiel von der Wand.
„Du wagst es, mich in meinem eigenen Haus anzugreifen?", knurrte Lucius, feuerte weitere Zauber auf Harry und drängte ihn langsam aber sicher von Draco weg.
„Sie lassen mir keine Wahl", brachte Harry angestrengt hervor, legte nun deutlich mehr Kraft in seine Zauber, sodass auch Lucius allmählich zu kämpfen hatte, ihn abzuwehren. Mittlerweile war die Einrichtung stark demoliert. Rauch hatte sich im Zimmer ausgebreitet und erschwerte die Sicht zunehmend. Harry hatte seinen Platz vor Draco verlassen müssen, doch er hielt ihn stets im Augenwinkel.
„Sie wissen, dass das mit meinem Sohn keine Zukunft hat!", rief Lucius plötzlich aus, während er ihn weiter angriff. „Sie haben schon so viele Familien zerstört und nun auch noch unsere!" Seine Stimme war ein lautes Grollen.
Seine Worte brachten Harry ganz kurz aus dem Konzept. Es waren nur wenige Sekunden, doch sie reichten aus. Harry wurde von einem von Lucius' Zaubern getroffen, prallte heftig gegen den Kamin hinter sich und kam leise keuchend auf dem Boden an. Sofort stand er wieder auf, doch da war Draco auch schon bei ihm. Er hielt ihn am Arm fest, sah ihn ganz kurz an, ehe er sich zu seinem Vater drehte und nun ebenfalls seinen Zauberstab auf ihn richtete. Zwei gegen einen.
„Draco, du wagst es...", keuchte Lucius mit großen Augen und sah zwischen ihnen hin und her.
Draco schluckte. Es vergingen ein paar Sekunden, in denen sich Stille über sie alle ausbreitete. Dann ergriff der junge Malfoy leise das Wort. „Vater." Er ging einen Schritt auf ihn zu. Harry wollte ihn zurückhalten, doch er ließ seine Hand wieder sinken, behielt stattdessen Lucius ganz genau im Auge. „Ich erwarte nicht von dir, dass du das hier verstehst", sagte er leise und ging noch einen Schritt auf ihn zu. „Ich erwarte auch nicht, dass du es akzeptierst. Aber wenn ich mich zwischen dir und Harry entscheiden muss, dann wird die Wahl auf Harry fallen."
Harrys Herz stolperte in seinem Brustkorb. Draco war wirklich viel mutiger, als er in Erinnerung hatte. Als kleiner Junge war er immerhin ein echter Feigling gewesen.
Lucius brauchte einen Augenblick, um reagieren zu können. „Du würdest dich gegen deine Familie stellen?"
„Wenn es nicht anders geht, ja." Draco schluckte. „Aber das muss nicht sein, Vater. Es muss nicht soweit kommen."
Lucius schwieg, begann dann, langsam den Kopf zu schütteln. Er holte tief Luft, atmete sie zitternd wieder aus und flüsterte: „Du bringst Schande über unsere Familie."
Noch bevor einer von ihnen reagieren konnte, hatte Lucius einen gewaltigen Zauber mitten auf die Brust seines Sohnes abgefeuert. Draco wurde gegen Harry geschleudert. Der Blonde spürte noch, wie Harry ihn abfing, doch dann wurde alles um ihn herum schwarz. Er hörte nicht mehr, dass Harry schrie.
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