Kapitel 5
In tiefem schweigen, räumten wir die Tischdecken in die Wäsche. Sie waren nicht nur durch den Boden dreckig geworden, sondern auch durch die schmutzige Arbeitskleidung. Jin stand währenddessen am Tresen und kritzelte auf einem Stück Papier herum. Am Ende zerknüllte er es und schmiss es mit einem seufzen in den Mülleimer. Namjoon und ich standen nebeneinander und damit direkt vor Jin. Aus irgendeinem Grund konnte er Namjoon nicht ins Gesicht sehen. Wie auch immer beide in diese Situation geraten waren, ich musste es aufjedenfall wissen.
Angestrengt hielt sich Jin eine Hand an den Kopf und massierte sich damit die Schläfen.
„Wir haben keine neue Ware. Das heißt wir können heute nicht alles verkaufen und könnten heute einige Kundenwünsche nicht erfüllen."
Seine Augen schlossen sich für einen Moment, ehe er sie wieder auf mich richtete.
„Hope, wir haben etwas weniger als eine Stunde um wenigstens die Kleinigkeiten noch zu backen. Du hast mir oft beim Backen zugesehen, kannst du mir bitte helfen?"
Es war eigenartig, Jin so ausgelaugt zu sehen. Seine Energie schien fort zu sein und Namjoon starrte die ganze Zeit nur in die Leere. Wären mehr Arbeiter angestellt, hätte ich Jin nachhause geschickt, um sich auszuruhen. Aber alleine und mit Namjoon konnte ich leider nichts bewerkstelligen.
„Klar helfe ich dir," nickte ich ihm zu und begab mich direkt in Richtung Küche. Ein leises „Bis bald," hallte hinter meinem Rücken wider. Namjoon hatte an diesem Tag nicht mitgeholfen und ich würde bald herausfinden wieso!
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Die Schicht war beendet. Beinahe. Ein letzter Kunde saß an seinem Tisch und aß das letzte Stück Schokokuchen, was noch übrig war. Er ließ sich wirklich Zeit, sodass ich einfach nur noch am Tresen lehnte und darauf wartete, dass er fertig gegessen hat und ich endlich zu Namjoon gehen konnte. Ich beobachtete ihn quasi beim Essen. Nun ja. Ein schlechtes Seitenprofil hatte er nicht. Schwarze Haare, starke Arme und der dunkle Anzug umschmeichelte geradezu seine Figur. Er schob sich eine weitere Gabel des Kuchens in den Mund und kaute dieses nochmal gründlichst durch.
Wenn der so weiter macht stehe ich bis morgen noch hier.
„Ist der immer noch da?" Jin kam aus der Küche und gesellte sich zu mir. Seine Arme stützte er dabei, wie ich, auf dem Tresen ab und starrte auf den jungen Mann. Nickend seufzte ich einmal. Dieser Mensch zieht bestimmt hier ein.
In dem Moment viel mir wieder das Thema vom Morgen ein. Vielleicht würde ich bereits ein bisschen was von Seokjin erfahren.
„Ich habe eine Frage,"setzte ich ganz vorsichtig an," Was ist eigentlich gestern mit euch beiden passiert?"
Der Ältere schluckte einmal, wenn ich mich nicht irrte, war sogar ein leichter rosa Schimmer auf seinen Wangen zu erkennen.
„Es ist nichts passiert, wieso fragst du?"
Seine Stimme klang nervös, seine Haltung wurde verspannt.
Selbst wenn ich ihn ausgequetscht hätte, er sollte es mir aus freien Stücken erzählen und es nicht hinterher bereuen. Also ließ ich es dabei mit einem:"War nur eine Frage."
Irgendwann ist dieser Mann endlich gegangen und ich machte mich, nach der Verabschiedung mit Jin, auf den Weg zu meinem besten Freund. Er wohnte ein bisschen weiter weg als ich, also bin ich erst nach 15 Minuten schnellem Laufen bei ihm angekommen. Auch wenn er das Geld für nicht nur eine Villa besaß, lebte er in einem gemütlichen, kleinen Häuschen mit zwei Stockwerken. Vielleicht hätte ich ihm bescheid geben sollen,dass ich jetzt vorbei kommen würde. Ich drückte auf die Klingel und wartete einen Moment. Kurz darauf vernahm man Schritte, die sich auf die Tür zu bewegten und diese öffneten.
Die dunkle Holztür schob sich auf und zeigte Namjoon, mit verstrubbelten Haaren und geröteten Wangen. Selbst auf unsere Entfernung, konnte ich die leichte Alkoholfahne ausmachen.
Mein Herz wurde schwer.Mein bester Freund greift nur selten zur Flasche. Das einzig Positive daran war, dass er vermutlich jetzt mehr reden würde.
Ohne ein Wort zu sagen trat er zur Seite, damit ich sein Haus betreten konnte.
Alles in seinem Haus war modern eingerichtet. Von Möbeln, Teppichen, Gemälden und Figuren. Alles hatte seinen Platz.
Namjoon führte mich durch den Flur und bog nach links in sein Wohnzimmer ab. Während er sich kraftlos auf das Sofa fallen ließ, betrachtete ich Wortlos die Flaschen an Alkohol auf dem Holztischchen. Eine war geleert und eine aufgebrochen. Es standen aber mindestens noch 3 weitere mit Alkohol gefüllte Flaschen neben dem Sofa.
„Namjoon," fing ich vorsichtig an.
Ich machte mir wirklich sorgen um ihn. Er musste jetzt einfach mal mit der Geschichte rausrücken.
Bevor ich wieder zum reden ansetzen konnte, legte Namjoon einen Arm über seine Augen und fing selber an zu sprechen:" Ich habs verbockt, Hoseok."
„Was hast du verbockt? Erzähl doch erstmal was mit euch gestern passiert ist."
Ich setzte mich neben ihn auf das helle Sofa.
Kurz darauf sprudelte es nur so aus ihm heraus. Er erzählte alles, jedes Detail, bis er bei meiner Entdeckung der beiden an kam.
„Ich bin in ihn Verliebt," beendete er seine Geschichte.
Seine Position hatte sich während des erzählens mehrmals geändert, sodass er von seinem Sitz-stil eher wie der Asi von nebenan aussah.
Seine Augen waren gerötet und er schien krampfhaft gegen seine Tränen zu kämpfen. Dennoch verstand ich sein Problem nicht ganz. Er liebt Jin. Wo lag das Problem? Hatte dieser ihn etwa nach dem Aufwachen in die Friendzone geschickt?
„Erkläre mir nochmal bitte, warum du hier sitzt und dich bemitleidest."
„Weil ich ihn verloren habe!" sprach Namjoon mit erhobener Stimme.
Sein Kopf hob sich kurz an, ehe er wieder auf die Rücklehne des Sofas fiel.
„Wann hat er dir bitte gesagt, dass er dich nicht mag? Aish. Du machst es dir nur selbst so kompliziert. Generell verstehe ich diese ganze Sache gerade nicht. Du solltest eher Planen wie du ihn für dich gewinnen kannst. Er hat dich doch in der Nacht auch nicht abgelehnt. Wozu betrinkst du dich hier? Kauf einfach ein paar Blumen und bring sie ihm Morgen!"
Aus irgendeinem Grund regte mich dieser Moment auf. Er flennte ohne Grund hier rum. So war er noch nie gewesen. Sonst musste er mir immer Ratschläge erteilen und jetzt saß ich hier und regte mich über seine Dummheit auf.
Erst jetzt bemerkte ich,dass ich während meiner Rede aufgesprungen, und in Namjoons Wohnzimmer Kreise gedreht hatte.
Mein bester Freund starrte mich aus großen Augen heraus an. Sein Mund war geöffnet und die Flasche, die er bis eben in der Hand hielt, rollt auf den Boden.
„Tut mir leid. Ach Namjoon."
Langsam wurde ich auch müde und ließ mich genauso kraftlos, wie meine zwei Freunde, auf den Boden fallen. Angestrengt massierte ich mir die Schläfen.
„Ich bin Müde, weißt du? Ich möchte dir gerne helfen, aber der Tag war lang für mich und ich kann nicht richtig denken."
Mein Kopf tat bereits wegen der vielen Gedanken weh. Die Sache mit Namjoon und Seokjin machte mich bereits schon fertig. Dann noch die ständigen Gedanken an Yoongi, der allein auf diesem Berg in einer Höhle hockte.
Aufeinmal schlangen sich zwei starke Arme um meinen Körper und zogen mich näher zu Namjoon. Er umarmte mich. Genauso wie er, brauchte ich diesen Moment der Ruhe,um einfach wieder runter zukommen. Wir waren beide aufgebracht, auch wenn es bei ihm mehr unnötiger Herkunft gewesen ist. Mit geschlossenen Augen erwiderte ich diese Umarmung. Wir verharrten so einige Zeit, ehe Namjoons leise Stimme die Stille unterbrach:" Es tut mir leid. Du hast recht."
Bevor wir uns los ließen gab ich ein:" Ich weiß," von mir.
Ein leichtes Grinsen huschte über meine Lippen. Er ist und bleibt mein bester Freund. Diesen Platz konnte ihm einfach keiner nehmen.
„Wie wärs. Ich helfe dir mit Jin und dafür lässt du mich bei dir übernachten und einen Film gucken."
Nun legte sich auf Namjoons Gesicht ebenfalls ein Lächeln, ehe er antwortete:" Nur wenn du mich mit gucken lässt."
„Deal."
So war unsere Pyjama Party entstanden. Da ich nur meine Arbeitsklamotten dabei hatte, lieh mir Namjoon ein Schlafshirt und kurz darauf saßen wir fertig vor dem Fernseher und sahen uns einen Film an. Natürlich hatte ich vorher alle Flaschen weggeräumt und sie durch normale Getränke ersetzt.
Nach ungefähr der Hälfte des Films fragte mich Namjoon:" Wie ist eigentlich dein freier Tag gelaufen?"
Stimmt. Er hatte mir von Jin erzählt, jetzt war ich dran ihm von Yoongi zu erzählen.
Bevor ich anfing zu erzählen, setzte ich mich aufrecht hin, um ihn richtig ansehen zu können.
„Ich habe jemanden getroffen und ich glaube.... Ich glaube, dass mit ihm irgendwas nicht stimmt."
Mein bester Freund sah mich verwirrt an. Ich konnte mir bereits in Gedanken ausmalen, was er mich fragen wollte.
„Er ist in einfachen Klamotten herumgelaufen. Außerdem war er komplett weiß. Seine Haare, seine Haut, seine Augen. Oh seine Augen. Du hättest sie sehen müssen. Weder eine Pupille, noch eine Iris. Yoongi hat mich echt fasziniert."
Keine Ahnung wie mich Namjoon in dem Moment angesehen hat. Ich war in Erinnerungen versunken. An seine faszinierenden Augen. Seine unmenschliche Fähigkeit, Schnee bewegen zu können und seine anfänglich raue Stimme, als wäre er gerade erst aus dem Winterschlaf erwacht.
„M-Moment mal. Seine Augen sind komplett weiß? Hör bitte auf so dämlich zu grinsen. Ist Yoongi sein Name? Wie kann er da oben bitte so lange überleben? Hoseok!"
Namjoon wedelte mit einer Hand vor meinen Augen herum, der Film war nun Nebensache.
„Ja und keine Ahnung.Er konnte den Schnee unter mir anheben Namjoon! Er hat mir so geholfen über den Schnee laufen zu können. Achja! Weißt du was? Erkannte weder eine Mütze, noch ein Handy..."
Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Wir hatten zusammen ein Foto gemacht!
Wie von der Tarantel gestochen sprang ich auf und rannte zu meinen Arbeitsklamotten. Aus einer der Taschen fischte ich schließlich das kleine Elektrogerät und rannte zurück zu meinem besten Freund. Viel zu glücklich hielt ich ihm unser Bild unter die Nase.
„Jetzt sag ja nicht,dass er dich nicht fasziniert!"
Seine Kinnlade war wahrscheinlich schon auf der anderen Seite des Planeten angekommen und seine Augen so groß wie Ufos. Ein paar Mal rieb er sich die Augen,um sicher zu gehen, dass das was er gerade sah, keine Halluzination war.
„Hoseok! Er hätte dich umbringen können!" war schließlich das erste, was er zu sagen hatte.
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Da ist also jemand nicht von Yoongi begeistert.
Hoffentlich wird Namjoon keinen Fehler machen und so seinen Besten Freund verlieren.
Und hoffen wir mal, dass er es sich nicht mit Jin verscherzt.
Ich habe wirklich hart mit mir gekämpft, ob ich heute noch ein Kapitel hochlade. Und hier ist es.
Wie immer, hoffe ich, dass es dir gefallen hat.
Wir sehen uns im nächsten Kapitel
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