Kapitel 2

Ein neuer wunderschöner Morgen war angebrochen. Die Vögel zwitscherten und mein Wecker klingelte nicht. Das ich das nochmal miterleben würde, hätte ich auch nicht gedacht. Trotzdem war ich schon vor Zehn auf den Beinen und habe mich fertig gemacht. Nach langem Grübeln gestern Abend, hatte ich mich dazu entschlossen wandern zu gehen.Früher war dies mein Hobby, aber seit ich arbeiten musste war ich einfach nicht mehr dazu gekommen. Strahlend trat ich aus meinem Haus und machte mich auf den Weg in die Berge. Hier unten war es angenehm warm, doch dort oben konnte man deutlich eine Schneedecke erkennen. Für Notfälle hatte ich mein Handy eingesteckt. In meinem Rucksack waren außerdem noch ein paar wärmerer Klamotten, da ich diese jetzt noch nicht anziehen konnte.

Nach ein paar Kilometern spürte ich langsam wie es kälter wurde. Selbst der Anstieg wurde immer steiler und ich konnte genau den Übergang von Frühling und Winter ausmachen. Immer weiter bestieg ich den Berg. Ich kam immer höher. Mein Atem machte sich in Form von kleinen Wölkchen in der Luft sichtbar. Nach ungefähr einer Stunde fand ich einen Baum, der Haufenweise Schnee auf seinen Ästen gelagert hatte. Wie eine Mutter schützten diese die kleine Grasfläche darunter. Trotz der Kälte erwärmte sich mein Herz bei diesem wunderschönen Anblick. Als wäre man durch einen Vorhang getreten, der den Winter abschirmt. Staunend setzte ich mich in das flauschige Gras. Es war der perfekte Platz für eine Pause. Oder um einfach für immer dort sitzen zu bleiben. Seufzend schloss ich meine Augen, während sich mein Körper an den harten Stamm lehnte.

Wäre gerade Namjoon hier, was würde er wohl tun?

Ausversehen die Schneedecke von den Ästen reißen und das Gras wieder in den ewigen Winterschlaf versetzen, schoss es aus meinem Unterbewusstsein hervor und ließ mich grinsen.

Was Namjoon und Jin wohl gerade taten?

Plötzlich wurde mir die Mütze vom Kopf gerissen und schreckte mich somit aus meinen Gedanken. Meine Augen öffneten sich und ich sah mich um. Niemand war in meinem Sichtfeld und Fußspuren konnte ich auch nicht im Schnee erkennen. Verwirrt legte ich den Kopf schief, als ein kleiner Haufen Schnee auf meinem Kopf und teils auf meine Schulter fiel. War es Nervosität oder Angst? Jedenfalls machte sich ein ungutes Gefühl in mir breit. Wie in Zeitlupe hob ich meinen Blick, nur um im nächsten Moment zusammen zu zucken. Ich kann mich noch genau an diesen Moment erinnern. Mein Herz hämmerte in meiner Brust, während meine Augen einen jungen Mann fixierten, der kaum einen Meter über mir auf einem Ast saß, mit meiner Mütze in der Hand. Mir fiel direkt sein weißes Haar und die blasse Haut auf. Seine Klamotten bestanden aus einem halb zerrissenem weißen T-Shirt und einer ebenso weißen Jeans. In dem Moment kam es mir so vor, als würde ich Kontakt zu einer anderen Spezies aufnehmen. Es war seltsam einen Mann im Shirt hier in der Kälte herumlaufen zu sehen und doch brachte ich in dem ersten Moment kein Wort heraus. Seine blasse Hand inspizierte beinahe jeden Winkel meiner dunklen Mütze.

„Noch nie eine Mütze gesehen?" scherzte ich und versuchte den ersten Kontakt aufzubauen.

Sein Blick löste sich von dem Wollfetzen und neigte sich zu mir herab. Kurz stockte mir der Atem. Seine Augen hatten weder eine Pupille, noch eine Iris. Sie waren nur in ein extrem helles weiß getaucht, welches beinahe zuleuchten schien.

Ist das ein Scherz? Oder hatte ich Halluzinationen von der Kälte bekommen?

Der Mann inspizierte mich von oben bis unten. Sein emotionsloses Gesicht zeigte dabei nicht die kleinste Regung.

„Ähm. Darf ich fragen wer du bist?"

Der Weißhaarige legte nur seinen Kopf schief, ehe er von seinem Ast heruntersprang und elegant neben mir auf dem Boden aufkam. Nervös rutschte ich auf der kleinen Grasfläche herum. Der Mann, er konnte kaum Älter als 20 sein, kniete sich vor mich. In einer ähnlichen Art, wie die Affen laufen, stützte er seine Handflächen auf den Boden und sah mir in die Augen.

„Wenn du nicht reden möchtest ist auch ok. Mein Name ist Jung Hoseok. Verstehst du?" versuchte ich wieder Kontakt mit ihm aufzubauen. Doch er legte wieder nur einfach seinen Kopf schief. Die Mütze in seiner Hand hob er wieder an und krabbelte ein Stückchen auf mich zu. Mein Herz fing wieder an zu rasen. Dieser seltsame Mensch oder was auch immer er war, machten mich extrem nervös. Aus Angst kniff ich meine Augen zu. Was wenn er ein Kannibale war und er mich jetzt essen würde?

Übelkeit stieg in mir auf, als ich an diese Monster dachte, die sich wie Schweine selbst fraßen.

Eine leichte Berührung an meinem Kopf ließ mich zusammenzucken. Sanft fuhren mir dünne Finger durch die Haare und dann spürte ich den Stoff meiner Mütze. Er hatte sie mir wieder angezogen. Nervös betrachtete ich die dünne Gestalt, die vor mir im Gras hockte und mich ohne eine Gefühlsregung ansah. Sein Mund öffnete sich.

„Yo.."

Sein Versuch zu sprechen endete in einem krächzen. Der Mann räusperte sich kurz und machte dann einen neuen Ansatz.

„Yoongi."

Seine Stimme war tief und jagte mir einen Schauer über den Rücken. Er klang so, als hätte er Ewigkeiten nicht mehr gesprochen.

Als er mich einfach nur anstarrte, dachte ich, dass er vielleicht auf eine Reaktion meinerseits wartete.

„Oh. Äh. Du bist Yoongi?"

Yoongi deutete ein nicken an, dann zeigte er auf meinen dunklen Freund auf meinem Kopf.

„Das?"

Mit einer Hand zeigte ich ebenfalls auf das wollige Objekt seiner Begierde. Ich nahm sie ab und fing an zu erklären.

„Das hier. Das ist eine Mütze. Hast du wirklich noch nie eine gesehen?"
Das vorhin sollte eigentlich nur ein Scherz sein. Trotzdem fühlte ich Mitleid, dass ich ihn verletzt haben könnte.
„Willst du mal selber aufsetzen?" lächelte ich und krabbelte auf ihn zu.

Doch Yoongi wich vor mir zurück. Ein kleiner Stich durchfuhr mein Herz. Mir war noch nie jemand begegnet, der Angst vor mir hatte, wegen einer Wollmütze. Oder einfach generell Angst vor mir hatte. Beruhigend versuchte ich auf ihn einzureden.

„Das ist nur eine Mütze. Die kann deinen Kopf wärmen. Frierst du denn nicht?"

Wiederlegte er den Kopf schief und seine blassen Lippen versuchten wieder Worte zu formen.

„Wärmen?"

Er wiederholte die Worte und selbst wenn er dabei keinen Ausdruck im Gesicht hatte, konnte ich klar erkennen, dass er keine Ahnung hatte wovon ich gerade gesprochen hatte. Nur wie sollte ich ihm wärme erklären? Erklärt mal einem Blinden was Farbe ist, dann fühlt ihr euch wie ich mich gerade.

„Es ist schwer es dir zu erklären. Probier es doch einfach mal aus."

Wieder krabbelte ich ein bisschen auf ihn zu. Yoongi machte wieder den Ansatz zurück zu weichen, doch diesmal sprach ich weiter mit ihm.

„Ganz ruhig. Ich möchte dir nur meine Mütze aufsetzen. Oder möchtest du es selber machen?"

Meine Hand zitterte leicht. Die Kälte und diese gesamte Situation machten mir einfach zu schaffen. Was war Yoongi? Und was war mit ihm passiert, dass er so war, wie er war?

Nach einigen Anläufen, kam ich endlich nah genug an ihn ran. Vorsichtig hob ich die Mütze an, um sie ihm langsam auf die weiße Haarpracht zu setzen. Ich spürte diese weißen Augen auf mir. Sie inspizierten genau was ich tat, wie ein scheues Tier, dass bei dem kleinsten Anzeichen die Flucht ergreifen würde.

Die Mütze saß und ich entfernte meine Hände, um das vollbrachte Werk zu betrachten. Es sah irgendwie aus, als wäre er ein Geist. Mit dieser Mütze war er so auffällig.

Yoongi fasste sich an den Kopf.

„Mütze,"murmelte er dabei.

Wieso auch immer, aber Stolz durchfuhr mich, weil ich ihm beigebracht hatte was eine Mütze ist.

Zufrieden grinste ich ihn an. Natürlich hatte ich viele Fragen. Aber gleichzeitig war ich auch froh, dass er anscheinend kein Wesen war, was mich umbringen würde. Jedenfalls wirkte er noch nicht so. Seine Hand senkte sich wieder auf den Boden und er sah mir in die Augen. Mir fiel auf, wie schmächtig er eigentlich war. Genau wie seine Finger. Sie striffen durch das Gras, als würde es ihn beruhigen. Oder so etwas in der Art.

„Sag mal, was ist eigentlich mit dir passiert? Und wieso bist du hier oben?"

Kurz verengten sich seine Augen. Seine Aura schien sich zu verdunkeln und mir wurde bewusst, dass ich gerade einen wunden Punkt getroffen hatte. Beschwichtigend hob ich meine Hände und meinte:"Du musst mir nicht antworten, wenn du das nicht möchtest."

Kurz schloss ich die Augen, bevor ich wieder zum Reden ansetzte:" Darf ich fragen wo du lebst? Hast du ein Zuhause?"

Yoongi legte den Kopf schief. Seine Augen wanderten noch einmal über meinen Körper, ehe er einfach auf stand und aus der kleinen Öffnung, wo der Schnee keinen Halt an den Ästen gefunden hatte, heraustrat.

Verdattert blieb ich auf meinem Punkt sitzen. Fragen schossen mir durch den Kopf. War ich etwa unhöflich? Hatte er kein Zuhause und ich habe dafür gesorgt, dass er sich unbehaglich fühlt?

Doch die tiefe Stimme riss mich aus meinen Gedanken und das Lächeln auf meinem Gesicht kehrte zurück.

„Folg mir."

Ich sprang ihm schon quasi hinterher und hätte dabei beinahe einen der mit Schnee bedeckten Äste gerammt. So viel zum Thema Namjoon hätte diesen schönen Ort zerstört.

Der kalte Wind peitschte in mein Gesicht und traf mich für einen Moment unvorbereitet. Vorhin hatte noch die Sonne geschienen.

Mit einer Hand, die ich als Schutz etwas über meine Augen hielt, suchte ich nach meiner Entdeckung namens Yoongi. Nein. Das klang nicht gut. Ich konnte nicht über eine andere Bezeichnung nachdenken, denn meine Augen erspähten den weißen Mann, wie er leichtfüßig über den Pulverschnee lief. Mit großen Schritten versuchte ich ihm zu folgen, doch um so weiter ich kam, desto tiefer versank ich im Schnee. Irgendwann reichte er mir bis zur Hüfte. Völlig außer Puste rief ich:" Yoongi! Warte mal! Ich brauch.. ne Pause!"

Mein Herz klopfte vor Anstrengung und meine Knochen schmerzten. Wie spät war es überhaupt? Wenn ich vor der Dunkelheit zurück sein wollte, müsste ich mich beeilen.

Eine blasse Hand streckte sich mir entgegen, was mich aufschauen ließ. Auf dem Schnee stand Yoongi wie Jesus auf Wasser.

Sein Blick war auf mich gerichtet. Sein Kopf legte sich schief, als er mein kleines Elend erblickte, als würde er meine Schwierigkeiten nicht verstehen können. Yoongi streckte eine seiner blassen Hände in meine Richtung. Ein weißer Schimmer legte sich um diese, der wie Rauchschwaden um seine Hand zu tanzen schien. Der Schnee unter meinen Füßen drückte mich nach oben, weshalb ich beinahe das Gleichgewicht verlor, und im nächsten Moment stand ich, wie Yoongi, auf dem glitzernden Pulverschnee, und er seine Hand wieder sinken ließ.

„Wie hast du das gemacht?" fragte ich nach gefühlten Stunden der Stille, in denen meine Augen immer noch vor Staunen weit aufgerissen waren.

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Hui. Mich hat es ja wirklich in den Fingern gejuckt, das Kapitel schon gestern hochzuladen, aber dank meines Jobs wurde ich dann abgelenkt.

Du kannst gerne Feedback da lassen ^^

So. Das war's dann auch. Das nächste Kapitel erscheint dann wieder nächsten Sonntag. Bis dann

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