Kapitel 4 - Die Nacht
,,Hey Aiden, als ich deinen Post gerade gelesen habe, konnte ich kaum glauben, dass das, was mit dir geschehen ist, heute auch mir passiert ist. Ich habe wirklich Angst davor, denn ich habe bereits meine Mutter verletzt, als ich die Kontrolle verloren habe. Meine Freunde sind auch zu Monstern geworden, und ich verstehe nicht, warum ich nicht zu einem Monster wurde. Da dein Post von gestern war, hast du wahrscheinlich nur noch sechs Tage zu leben. Ich hoffe sehr, dass du noch nicht die Hoffnung aufgegeben hast. Bitte schreib mir zurück, ich möchte dich treffen, ich brauche deine Hilfe."
Hoffnungsvoll drücke ich die Enter-Taste auf meinem Computer. Entspannt lehne ich mich in meinem Stuhl zurück. Ich fühle mich sehr erleichtert, und auch mein Herzschlag wird immer ruhiger. Doch plötzlich spüre ich, wie sich aus dem Nichts eine unruhige Energie in meinem Körper ausbreitet. Mein Bauch beginnt zu kribbeln, und meine Gedanken rasen. Ich muss zugeben, ich bin gerade sehr aufgeregt. Ich hoffe so sehr, dass er mir antwortet. Er könnte vielleicht meine Rettung sein, aber ich bezweifle, dass er heute noch antworten wird. Es ist bereits 21 Uhr, und ich sollte mich langsam schlafen legen. Meine Eltern sollte ich auch erstmal meiden. Am besten halte ich weiterhin die Tür verschlossen, wer weiß, was passiert, wenn sie plötzlich hereinkommen. Ich möchte ihnen nämlich nicht noch mehr Schaden zufügen, als ich es ohnehin schon getan habe. Ich atme noch einmal tief ein und aus, dann lasse ich den PC herunterfahren und schalte den Bildschirm aus.
Mit einem kraftvollen Schwung stehe ich vom Stuhl auf und ziehe mich bis auf die Unterwäsche aus. Als ich im Bett liege, fühle ich mich wie in einer weichen Wolke gebettet, die mich sanft umhüllt. Das leise Rascheln der Bettdecke gibt mir das Gefühl, mich endlich vollkommen entspannen zu können. Ich drehe mich auf die Seite und schließe meine Augen. Ich bin nun ganz allein, eine Aura der Ruhe umgibt mich und verleiht mir ein Gefühl von Frieden. Die Ereignisse des Tages schießen mir durch den Kopf, und ich versinke in meinen Gedanken. Ich habe zwar Ruhe, aber meine Gedanken drängen immer mehr hervor, und es sind keine guten.
Dieser Tag war wirklich hart, er fühlte sich an wie der größte Albtraum, den ich je hatte. Es ist, als hätte ich mein Leben und meine Freunde verloren. Ganz ehrlich, ich kann doch nie wieder meinen Eltern ansatzweise in die Augen schauen. Ich würde nur meine blutverschmierten Hände und die Wunde meiner Mutter vor mir sehen. Ein bedrückendes Gefühl überkommt mich, die Schuldgefühle sind erdrückend, und ein schmerzendes Gefühl breitet sich in meiner Brust aus. Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen. Ich kann mir das niemals verzeihen, was ich meiner Mama angetan habe. Meine Augen füllen sich für einen Moment wieder mit Tränen, sie rollen mir unaufhaltsam über die Wangen, und ein leises Schluchzen überkommt mich. Vielleicht wache ich ja morgen auf, als wäre nichts gewesen.
Langsam schaffe ich es, meinen lauten Gedanken zu entkommen, dass nichts mehr als nur Ruhe vorhanden ist. Doch keinen Moment später höre ich von draußen ein leichtes Knallen. Neugierig setze ich mich auf und schaue aus dem Fenster. Ich sehe, wie mein Vater meiner Mutter ins Auto hilft, eine Decke umgibt ihren Rücken. Das Gefühl, dass sie ins Krankenhaus fahren würden, ist groß, aber es ist besser so. So kann heute Nacht niemandem etwas passieren, und morgen, ich weiß auch nicht. Ich hoffe nur, dass mir dieser Aiden antwortet, und vielleicht können wir uns auch treffen. Vielleicht nehme ich mir ab morgen ein Hotelzimmer, das wäre besser.
Als meine Eltern die Ausfahrt hinunterfahren, begebe ich mich zurück unter die Decke. Das Gefühl der Geborgenheit, das von der Decke ausgeht, lässt mich Stück für Stück alle Sorgen und Ängste vergessen. Meine Augenlider werden immer schwerer, und ich merke, wie ich langsam in einen tiefen Schlaf gleite, wobei mein Herzschlag immer langsamer wird. Als ich denke, ich könnte in Ruhe einschlafen, überkommt mich aus heiterem Himmel ein merkwürdiges Gefühl. Es ist, als würde mich jemand beobachten. Ich öffne wieder meine Augen, richte mich auf und sehe mich um. Doch ich sehe nichts. Aber dann überkommt mich ein kalter Schauer. Ich schaue langsam hinter mich und bemerke das offene Fenster, aus dem kalte Luft in mein Zimmer strömt. Ich packe den Fenstergriff und verschließe das Fenster wieder. Doch irgendwas stimmt nicht. Ich kann mich nicht daran erinnern, das Fenster geöffnet zu haben. Als meine Augen zu meinem Wecker schweifen, der die Uhrzeit rot leuchtend anzeigt, sehe ich, dass es gerade mal 21:26 Uhr ist. Ich richte meinen Blick wieder hoch und sehe mich erneut um. Warum habe ich das Gefühl, als wäre jemand bei mir?
Nach einem Moment der Stille ertönt ein raschelndes Geräusch in meinem Zimmer. Mein Puls schießt rasend schnell in die Höhe, ich starre nur noch wie eingefroren vor mich hin. Die Luft wird immer knapper, und es ist, als würde sich ein Band um meine Brust ziehen, das immer enger wird. Zitternd drehe ich meinen Kopf in die Richtung, aus der das Geräusch kommt. Ich entdecke beim Computer eine dunkle, unheimliche Gestalt, die mich dort mit rot pulsierenden Augen anstarrt. Gefürchtet greife ich nach meinem Kissen und presse es umklammernd an meine Brust. Verdammt, was ist das? Es bewegt sich nicht mal, es starrt mich die ganze Zeit nur an.
,,Hallo, wer ist da?" frage ich vorsichtig, während ich mich immer mehr an mein Kissen klammere.
Jedoch kommt nur ein diabolisches Lachen zurück.
,,Oh, Noah, dachtest du wirklich, du würdest uns so einfach davonkommen? Ich weiß schließlich, wo du wohnst. Wir haben unsere ganze Zukunft bereits geplant, diese Pläne willst du doch nicht einfach wegwerfen, oder?" fragt das Wesen teuflisch.
,,Elisa, bist du es?" frage ich zitternd, während ich beginne, mich langsam zu bewegen. Vorsichtig setze ich einen Fuß auf den Boden und schiebe die Decke beiseite. Daraufhin setze ich auch den anderen Fuß auf den Boden. Ich behalte das Wesen dabei weiterhin im Auge und begebe mich Schritt für Schritt Richtung Tür. Hektisch taste ich bei der Tür an der Wand herum, da ich leider nichts anderes sehe als diesen bedrohlichen Blick. Wo verdammt ist dieser blöde Schalter? Der Blick des Wesens macht mich immer nervöser, es spannt mich richtig auf die Folter. Doch dann kommt erleichterung in mir hoch als ich endlich den Schalter fühlen kann. Doch dieses Gefühl des Lichtschalters an meiner Hand lässt mein Herz höher schlagen. Ich bekomme etwas Angst beim Gedanken, den Schalter zu drücken, aber was habe ich denn für eine Wahl? Egal, es wird schon schiefgehen.
Ein Klicken ertönt, und das Licht aus der Deckenlampe erstrahlt im ganzen Raum. Noch immer fixiere ich meine Augen auf das Wesen. Doch als das grelle Licht mich blendet, sehe ich kurz darauf das Wesen nicht mehr. Gefürchtet schaue ich mich panisch im ganzen Zimmer um, doch das Wesen, das eben noch in der Dunkelheit lauerte, ist wie vom Erdboden verschluckt. Doch dann überkommt mich ein merkwürdiges Gefühl, ein kühler Atem streicht über meinen Nacken.
,,Noah... ich bin es... haha."
Eine Stimme flüstert mir teuflisch ins Ohr. Langsam drehe ich mich in die Richtung des Geflüsters. Das Zittern in meinen Händen wird immer stärker. Als ich mich jedoch umgedreht habe, sehe ich nichts weiter als meine weiße, von Postern geschmückte Wand. Nachdem sich mein Körper wieder beruhigt hat, drehe ich mich wieder um. Doch dann werde ich plötzlich wie aus dem Nichts mit einer enormen Kraft nach vorne geschubst. Ich bekomme kaum etwas mit, ich sehe nur, wie ich mich immer mehr dem Schreibtisch nähere und es schließlich knallt. Ich liege wie gelähmt am Boden und kann mich kaum bewegen. Regungslos beobachte ich, wie sich das Wesen auf mich zubewegt. Je näher es kommt, desto nervöser werde ich, selbst meine Nackenhaare stellen sich blitzschnell auf. Knallrote Augen mustern mich ab, ich erkenne, dass es Elisa ist, aber wie ist sie nur hereingekommen? Ich bin mir sicher, dass das Fenster noch zu war, als meine Eltern weggefahren sind. Elisa nähert sich mir immer mehr, ihr teuflisches Grinsen reicht bis zum Horizont. Mein Atem beginnt zu stocken, und meine Hände werden immer feuchter.
Mittlerweile ist sie direkt vor mir, ihr Gesicht kommt meinem immer näher. Ihr Atem riecht nach Schwefel und Schimmel. Was hat sie verdammt nochmal zu sich genommen?
Sie in diesem Zustand vor mir zu sehen ist grauenhaft, denn ihr mittlerweile vertrocknetes und tot aussehendes Gesicht löst in mir ein Gefühl von Ekel aus, welches meinen Magen verkrampfen lässt. Mir wird gerade speiübel, und ich spüre, wie meine Kehle immer trockener wird.
,,Haha Noah... komm, schließe dich uns an... ich brauche dich zurück, mein Schatz... sonst wirst du sterben... falls ich dich nicht vorher aufschlitze, ahaha."
Verstörend spricht Elisa zu mir. Sie ist so verändert, ihre Art und ihr Lächeln sind von der Lust des Folterns erfüllt und brennen sich in meinen Kopf. Das schöne Gesicht, das ich einst kannte, war erloschen. Den Gedanken an meine Freundin, die ich liebte, kann ich einfach nicht mehr ertragen. Ich beginne jetzt schon zu vergessen, wie sie war, wenn ich darüber nachdenke, was sie jetzt ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass wir kein halbes Jahr zusammen waren, aber trotzdem, ich habe sie geliebt, und das ist einfach nur furchtbar.
,,Ach, weißt du was, Noah", flüstert Elisa, während sie beginnt, mit ihren Krallen sich in meine Wangen zu bohren und mein Blut zu kosten. ,,Ich töte dich einfach jetzt, ich werde dich aufschlitzen und dich wie ein Schwein ausbluten lassen, haha."
,,Ahhh nein", schreie ich wie verrückt am Spieß. Ich halte meine Arme in Elisas Richtung und fuchtle vor ihr hin und her. Meine Augen fixieren nur noch ihre Bewegungen. Wie in Zeitlupe nähert sich ihre Hand, die sie gerade von hinten ausholt. Dabei schlage und schreie ich weiterhin um mich.
Ein paar Sekunden später bricht jedoch eine merkwürdige Stille ein. Was ist passiert, bin ich tot? Es ist auf einmal so ruhig. Vorsichtig öffne ich mein Augen einen Spalt. Was zum... Ich öffne sofort beide Augen und lege meine Arme ab. Oh verdammt, das war alles nur ein kranker Alptraum. Ein erleichterndes Gefühl breitet sich in mir aus, die Furcht von eben ist wie verschwunden. Schweiß durchnässt sitze ich aufgesetzt im Bett, ruhig atme ich ein und aus. Meine Augen schweifen wieder zum Wecker. Es ist 5:36 Uhr. Vor Erleichterung reibe ich mir mit meinen Händen übers Gesicht. Ich bin so froh, dass das nur ein Alptraum war. Auch mein Puls wird immer ruhiger. Ich glaube, schlafen wird wohl nichts mehr, es ist schließlich schon Morgens, und ich bin komplett durchgeschwitzt. Außerdem habe ich keine Lust auf noch einen Alptraum, darauf kann ich gerne verzichten. Hmm, ob mir wohl Aiden schon geantwortet hat?
Wie ein kleines Kind schaue ich mit großen Augen zum Computer. Rasant springe ich vom Bett auf und laufe zum Stuhl. Ich setze mich hin, schalte den Computer und Bildschirm an und lasse sie beide hochfahren. Gebannt sitze ich vor dem Bildschirm, meine Hände zittern. Ich beiße mir auf die Unterlippe und beobachte ungeduldig das Windows-Ladesymbol. Ich muss mir wirklich mal Facebook auf mein Handy laden, das dauert echt immer ewig. Während ich ungeduldig am warten bin, rasen meine Gedanken wie wild durch meinen Kopf. Ich hoffe so sehr, dass er geantwortet hat. Ich habe ihm so viel zu erzählen, und er bestimmt auch mir. Ich hoffe nur, dass ich ihm wirklich vertrauen kann.
Und dann ertönt es, das heilige Geräusch eines hochgefahrenen PCs. Ah, endlich ist er hochgefahren. Schnell logge ich mich ein und gehe auf Facebook. Komm schon, bitte hab geschrieben,
,,Ja verdammt!", rufe ich aus Versehen laut und schlage mit meiner linken Hand auf den Tisch. Echt keine Ahnung, warum ich mich so freue. Oben rechts in der Ecke sehe ich dann auch die Nachricht auftauchen. Ich halte die Spannung kaum aus.
,,Hey Noah, danke nochmal, dass du mir geschrieben hast. Ich bin ehrlich, ich habe echt Angst. Ich fühle mich so alleine und weiß nicht, wohin. Als ich deine Nachricht gelesen hatte, hoffte ich so sehr, dass du echt bist. Wir müssen nämlich dringend eine Lösung finden, da ich ehrlich gesagt noch nicht sterben will, auch wenn das egoistisch klingt. Aber ich möchte noch so viel erleben, ich möchte heiraten, in ein Haus ziehen, die Welt bereisen, alles. Ich will einfach die begrenzte Zeit, die ich auf diesem Planeten habe, in vollen Zügen genießen. Und ich halte das alles nicht mehr aus, vor allem nicht alleine. Daher bitte ich dich, triff mich beim alten Spielplatz im Wald. Da können wir zumindest niemanden verletzen. Komm einfach vorbei, es ist egal wann, selbst wenn es mitten in der Nacht ist. Ich bin tatsächlich seit gestern Nachmittag hier. Ich weiß einfach nicht mehr, wohin. Ich bin verzweifelt und will nicht mehr alleine sein, vor allem, weil ich nicht weiß, was mein Körper als Nächstes tut."
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