Kapitel 3 - Hilfe
Wie verrückt laufe ich die Gasse hinter dem Restaurant auf und ab. Ich verstehe noch immer nicht, was da drinnen, geschweige, was mit mir passiert ist. Es passierte alles so furchtbar schnell. Aber was soll ich jetzt tun? Meine Freunde sind nicht mehr sie selbst, sie sind zu kaltherzigen Mördern geworden. Ich frage mich daher, wird das auch mir widerfahren? Ich kann einfach nicht mehr klar denken. Vielleicht sollte ich erst einmal nach Hause gehen. Wenn die Polizei mich hier aufgabeln würde, wäre das katastrophal. Eilig verlasse ich die Gasse. Bei der Hauptstraße angekommen, fallen mir links bereits die Polizeiautos auf, welche meinen Herzschlag in die Höhe treiben. Alles ist abgesperrt. Ich muss hier weg, denn je länger ich hier bleibe, desto riskanter wird es. Etwas panisch schwinge ich mir die Kapuze auf, stecke meine Hände in die Hosentaschen und laufe los.
Nach etwas weg durchströmt ein beklemmendes Gefühl meine Brust. Der Gedanke, Elisa und die anderen über mein Handy anzuschreiben, kommt in mir hoch. Wie angewurzelt bleibe ich auf dem Gehweg stehen. Der Gedanke gibt mir Hoffnung, Hoffnung darauf, dass das alles nie passiert ist und es meinen Freunden noch immer gut geht. Doch im nächsten Moment läuft mir ein eiskalter Schauer den Rücken herunter. Ich habe keine Vorstellung davon, wie sie antworten könnten oder ob sie es überhaupt würden. Vielleicht sollte ich das erst einmal nicht tun. Ich sollte mich wirklich erst einmal nach Hause begeben, vor allem ist mir das Wetter auch viel zu warm.
Als ich gefühlt vom Schweiß durchnässt zu Hause ankomme, krame ich aus meinem Rucksack den Haustürschlüssel. Wie aus dem Nichts muss ich sofort lächeln. Denn jedes Mal, wenn ich meinen Schlüsselanhänger sehe, schleicht sich ein breites Grinsen in mein Gesicht. Schließlich hängt ein kleiner Panda an meinem Schlüssel und ich liebe Pandas wirklich so sehr, sie wirken auf mich immer so unbeschwert und friedlich, das sind wirklich schöne Wesen, sie haben es echt viel einfacher als wir Menschen.
Vorsichtig beginne ich jetzt die Haustür aufzuschließen, das Klicken des Schlosses ist so laut wie immer, egal wie sehr ich versuche leise zu sein. Nachdem ich die Tür aufgeschlossen habe, drücke ich sie langsam auf und schleiche mich vorsichtig, wie ein Ninja über die Türschwelle. Mit Fingerspitzengefühl drücke ich die Tür hinter mir zu und lasse sie vorsichtig ins Schloss fallen. Erleichtert atme ich auf und ziehe meine Schuhe aus.
,,Noah, komm mal bitte her", ruft plötzlich eine Stimme nach mir.
Was zum, wie konnte sie? Oh Mann, das hat mir jetzt echt noch gefehlt. Ich habe wirklich keine Kraft mehr, wie soll ich jetzt auch noch mit meinen Eltern reden, die haben doch bestimmt von dem Vorfall Wind bekommen. Mit verdrehten Augen seufze ich kurz vor mich hin und begebe mich schleppend in die Richtung vom Wohnzimmer. Ich öffne die angelehnte Tür und gebe ein leises Hallo von mir, und dann, wie aus dem Nichts stehen plötzlich meine Eltern direkt vor mir. Mit großen Augen sehe ich nur, wie meine Eltern ihre Arme öffnen und mich fest an sich heranziehen und umschließen. Meine Eltern schnüren mir dabei gefühlt die Kehle zu. Ich bekomme kaum noch Luft, was ist denn nur los? Sie umarmen mich nie derartig stark, sie müssen es einfach mitbekommen haben.
,,M-a-m-aaa S-to-pp", gebe ich keuchend von mir, beim Versuch mich aus dieser Umarmung zu befreien. Ich tätschle dabei immer wieder meinen Eltern auf dem Rücken herum. Mit aller Kraft gelingt es mir dann aber und ich entkomme zum Boden.
,,Mama, Papa, was ist denn los mit euch? Ich konnte kaum noch Atmen?", frage ich sie
aufgebracht, während ich mit meiner Hand über meinen Hals streiche und hastig nach Luft schnappe. Kurz darauf bemerke ich jedoch die besorgten Blicke, vor allem meiner Mama kommen fast die Tränen.
,,Mama, was ist denn los? Ich wollte nicht laut werden, aber die Umarmung war eben wirklich viel zu fest", spreche ich ruhig zu ihr, während ich meine Hand auf ihren Arm lege.
,,Schatz, hast du die Nachrichten noch nicht gesehen? In dem Restaurant, wo du heute mit deinen Freunden warst, gab es einen schlimmen Vorfall, und... und... ich hatte Angst, dass..."
Wie aus Reflex nehme ich meine Mama fest in den Arm, als sie beginnt zu stottern. Ich kann es ja verstehen, wem würde es nicht so ergehen. Das im Restaurant war echt schrecklich, noch immer sehe ich Elisa blutverschmiert und entstellt vor meinen Augen. Es war grauenhaft, aber es wäre besser, wenn ich lüge, denn sonst würden sich meine Eltern nur noch mehr um mich sorgen.
Diese Umarmung tut tatsächlich echt gut und gibt mir gerade ein schönes Gefühl der Geborgenheit, was ich echt nach dem Vorfall im Restaurant vorhin brauche, doch irgendwas stimmt nicht. Nein, nicht schon wieder. Alles um mich herum wird plötzlich ganz still, als würde die Zeit stehen bleiben. Ich halte immer noch meine Mama fest im Arm, mein Herz beginnt dabei immer schneller zu schlagen. Ein roter Schleier legt sich auf meine Sicht, während meine Lungen sich immer mehr verengen und auch meine Atmung außer Kontrolle gerät. Ich kann fühlen, wie das Blut durch die Adern meiner Mutter pumpt und ihr Herzschlag durch meinen Kopf hallt. Mich überkommt eine merkwürdige Lust... es ist eine Lust nach... nach... Blut.
Es ist, als würde ich die Kontrolle über meinen Körper verlieren, meine Muskeln verkrampfen, die Lust nach Blut wird immer stärker. Plötzlich fängt meine Mutter an zu wackeln, doch ich bin wie erstarrt. Ein immer mehr erdrückendes Gefühl überkommt mich und die Nähe meiner Mutter fühlt sich immer intensiver an. Ich spüre, wie sie sich krampfhaft von mir wegreißen will. Aber ich bin wie in Trance, meine Gedanken rasen förmlich. Sie sagen, lass sie los, aber es geht nicht, es ist, als wäre ich paralysiert. Plötzlich dringt eine Stimme in meine Gedanken, sie wird immer lauter, begleitet von einem immer lauter werdenden Schrei, bis ich meinen Namen höre.
Mir wird plötzlich wieder ganz klar, ein übles Gefühl überkommt mich, mein Magen verkrampft sich und ein trockenes Gefühl breitet sich in meinem Mund aus. Ich versuche tief durchzuatmen, um das Gefühl der Übelkeit zu unterdrücken, aber es wird immer schlimmer. Meine Hände zittern wie verrückt, und ein Druck breitet sich in meinem Kopf aus, bis ich plötzlich ein kurzes Gefühl von Schwerelosigkeit verspüre und meine Sicht dabei wieder klarer wird und ich wahrnehme, wie ich mich immer mehr von meinen Eltern entferne und nur noch ein lautes Knallen höre. Für einen Moment fühle ich mich benommen, doch dann tritt ein unangenehmes, drückendes und stechendes Gefühl hinter mir auf. Je stärker es wird, desto mehr merke ich, was es ist.
,,Ahhh", schreie ich auf. Mein Rücken schmerzt unerwartet qualvoll, dass ich nur noch meine Hand auf ihn lege. Was ist gerade passiert, was habe ich getan? Ich spüre den Schmerz überall. Dieses Gefühl zieht sich bis in meinen Kopf. Mit meiner anderen Hand halte ich mir nun den Hinterkopf fest und blicke nach vorne. Schnell nehme ich einen verängstigten Gesichtsausdruck meiner Mutter wahr, welche ein paar Meter vor mir steht. Ihr Gesicht ist von Tränen überströmt, mein Vater hält sie fest und schaut mich dabei zornig an. Aber auch in ihm ist eine Art Furcht zu erkennen. Was ist denn eben passiert? Was habe ich nur getan? Und warum habe ich solche Kopfschmerzen?
,,Mama, Papa, was ist passiert? Mein Rücken und mein Kopf, es schmerzt alles so unerträglich."
,,Dein Rücken schmerzt unerträglich? Weißt Du eigentlich, was Du Deiner Mutter angetan hast? Halte Dich bloß fern von uns, geh sofort auf Dein Zimmer. Wir reden später nochmal darüber. Sei froh, wenn wir die Polizei nicht rufen."
In einem wirklich ernsten Ton schreit mich mein Vater an und zeigt mit seinem Finger zum Flur. Was ich auch getan habe, es muss schrecklich sein. Mit aller Kraft versuche ich mich langsam an der Wand hoch zu raffen. Der rote Schimmer in meinen Augen ist beinahe verschwunden und das Gefühl der Kontrolle kehrt langsam zurück. Meine Beine fühlen sich an wie Pudding, ich bekomme kaum Halt auf ihnen. Nachdem ich endlich stehe, gerate ich schnell ins Taumeln und stütze mich wieder an der Wand ab. Dabei hebe ich meine Hand zum Gesicht und sehe etwas, was mein Herz schneller schlagen lässt. Wie in Schockstarre schaue ich auf meine Hand. Sie ist mit Blut bedeckt, selbst unter meinen Fingernägeln befindet sich Blut. Was habe ich nur getan? Oh nein, der Blutrausch von vorhin. Geschockt neige ich langsam meinen Kopf hoch. Ich zittere am ganzen Körper und fixiere meine Mutter. Auf dem Boden hinter ihr sehe ich eine Pfütze... es ist... oh nein.
"M-a-ma, was ha-b-b-b-e ich ge-tan?", frage ich mit zittriger Stimme meine Mutter. Ein unkontrolliertes Schluchzen durchdringt dabei meinen Körper. Ich habe meiner Mutter wehgetan, sie so zu sehen zerreißt mir das Herz. Meine Brust fühlt sich immer enger an, als würde jemand sie zusammendrücken. Wie konnte ich das nur tun, ich habe eben die Kontrolle über meinen ganzen Körper verloren. Noch immer höre ich es in meinem Kopf rufen, Blut, Blut, Blut. Krampfhaft versuche ich, meine Tränen zurückzuhalten, doch es gelingt mir nicht. Meine Tränen rollen mir über die Wangen und brennen wie Feuer. Auch das Blut meiner Mama kann ich bis hier riechen, es treibt mein Blut immer mehr in Wallung.
,,Was Du getan hast?" Schreit mein Vater mich an. Er dreht meine Mutter mit dem Rücken zu mir und zieht langsam ihr Oberteil hoch. Je höher er das Shirt schiebt, desto mehr sehe ich, wie ihr Rücken mit Blut bedeckt ist. Als das Shirt dann bei ihrem Nacken ankommt, sehe ich es. Zwischen ihren Schulterblättern klafft ein tiefes Loch in ihrer Haut. Immer mehr Blut fließt daraus. Ihre Wunde, ich spüre, wie sie pocht. Was habe ich nur getan? Wie konnte ich meiner Mutter so etwas antun? Ich bin ein echtes Monster. Das ist alles die Schuld von diesem Kellner. Wieso passiert mir das alles. Ich will mein altes Leben zurück. Ich will meine Freunde zurück. Alles. Schnell drücke ich mich mit einer Hand von der Wand ab und laufe aus dem Wohnzimmer. Tränen überströmt rufe ich zu meinen Eltern: ,,Es tut mir so leid, verzeiht mir."
Schnell begebe ich mich die Treppen hoch. Oben angekommen stürme ich in das Badezimmer und wasche mir hektisch das Blut von den Händen. Nachdem ich fertig bin verlasse ich es wieder und begebe mich zu meinen Zimmer. Ich betrete es, verschließe hinter mir die Tür und gehe direkt an meinen Schreibtisch. Reflexartig halte ich mir nur noch die Hände vor die Augen, während ich am ganzen Leib zittere. Warum hätte ich nicht einfach im Restaurant sterben können? Warum musste ich zu so etwas werden, und warum bin ich überhaupt noch hier? Meine einzigen Freunde, die ich hatte, sind verschwunden. Aber warum kann ich mich dagegen wehren? Warum übernimmt es nicht endlich meinen Verstand? Was ist bei mir anders als bei den anderen? Ich verstehe das alles nicht, ich vermisse die drei so sehr. Mein Leben wird nie wieder normal sein, auch meine Eltern, sie hassen mich jetzt bestimmt und denken ich sei ein Monster. Vielleicht sollte ich echt einfach... nein, Noah, stopp. Reiß Dich verdammt nochmal zusammen. Selbstmord ist auch nicht die Lösung, oder vielleicht doch? Nein, das hätte Elisa nicht gewollt. Das hätten sie alle nicht gewollt. Doch dann schießt mir eine Idee durch den Kopf, welche meine Tränen stoppen lässt. Wie erleuchtet schaue ich nach vorn und strecke meine Hand reflexartig zum PC aus und schalte ihn an. Mit der anderen Hand schalte ich den Bildschirm an. Was ist, wenn ich nicht der Einzige bin, der sich dagegen wehren kann? Vielleicht gibt es noch andere? Irgendwas muss es geben, ich kann nicht der einzigen sein. Mit großer Hoffnung öffne ich Google und gebe etwas in die Suchleiste ein...
,,Gruseliger Kellner hat mich verflucht."
Gott klingt das dämlich, kein normaler Mensch googelt sowas. Aber andererseits, wer hat schon die Situation von einem Kellner verflucht zu werden. Hmm, mal sehen. Verzweifelt und aufgewühlt durchsuche ich nun das Internet.
,,Der Butler Band eins, jetzt bestellen für 19,99€"
,,Kellner wurde in Los Angeles bei einem Überfall ermordet."
,,Kellner erhielt ersten Platz bei einem Marathon."
,,Spuk im Speisesaal! Finde den Kellner, der das Geistermenü serviert hat."
Was ist denn das für ein Spiel? Also ich finde hier echt die merkwürdigsten Seiten. Aber nichts, was mir wirklich hilft, verdammt. Vielleicht versuche ich was anderes, Gott, das ist ja noch dämlicher, was ich jetzt eingebe.
,,Ich will niemanden töten und jemanden das Gesicht stehlen. Ich will aber auch nicht sterben. Hilfe bitte."
Als ich das eingebe, rechne ich nicht damit, etwas zu finden, und lehne mich seufzend zurück. Doch dann erblicke ich plötzlich einen Facebookpost, welcher meine Aufmerksamkeit blitzschnell auf sich zieht.
,,Hast Du einen gruseligen Kellner getroffen, welcher Dich verflucht hat? Dann schreib mir bitte, wir haben nicht viel Zeit." Wie gebannt starre ich auf den Link. Ich öffne ihn ohne zu zögern und finde noch mehr Informationen. Dieser Beitrag ist von gestern.
,,Hallo Mitmenschen, ich schreibe hier, weil ich Hilfe brauche. Ich weiß nicht, mit wem ich reden soll. Jeder würde mich für verrückt halten, aber ich weiß nicht, was ich tun soll, geschweige, was mit mir passiert ist. Ich glaube, ich bin verflucht. Ein Kellner in schwarz-weiß gekleidet, hat mir ein Getränk gegeben, das mich und ein paar andere verändert hat. Er versprach uns, für immer gesund zu bleiben, aber das, was dann geschah, wollte ich ganz und gar nicht. Ich glaubte nicht einmal an diesen Spuk mit ewiger Gesundheit. Ich dachte, es soll ein Scherz sein. Noch dazu war ich als Einziger anders. Ich wurde nicht zu einem Monster wie die anderen, und was dann passierte, war grauenhaft. Ich kann das hier wirklich nicht hineinschreiben, denn sonst wird dieser Post noch gelöscht, aber es war wirklich grauenhaft. Wenn Du das hier liest und Dir dasselbe widerfahren ist, bitte, verdammt nochmal bitte, schreib mir. Uns läuft die Zeit davon. Ich habe nur noch sieben Tage Zeit. Ich will noch nicht sterben. Ich habe solche Angst davor, ich will noch so vieles erleben, ich will heiraten, alles. Mein Name ist Aiden und nicht wundern, dieser Post ist anonym, dennoch habe ich es so eingestellt, dass Du mir schreiben kannst. Und wie gesagt, bitte schreib mir, wenn es Dir auch so ergeht, denn die Uhr tickt."
Richtig geschockt sitze ich vor dem Bildschirm. Meine Augen und Lippen werden ganz trocken, während mein Herz immer schneller schlägt. Ich bin tatsächlich nicht alleine. Langsam gehe ich mit meinem Cursor auf den Schreib-Button. Meine Hand zittert ohne Ende. Es wirkt wie ein Traum, doch dann passiert es. Ich mache einen Linksklick...
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