Kapitel 15 - Die Nacht
Plötzlich bleibt die Zeit stehen, habe ich ihn das wirklich gerade gefragt? Oh nein, was wird er jetzt wohl sagen? Auch sein Blick wirkt gar nicht mehr gut auf mich. Doch dann sehe ich wie seine Augen immer mehr anfangen zu strahlen. Auch ein Lächeln zieht sich durch sein Gesicht.
,,Ja, das will ich", flüstert Aiden glücklich zu mir, dabei fallen dann auch schon die ersten Tränen. Wie aus dem Nichts zieht er mich fest an sich ran. Es macht mich gerade so glücklich, dass er Ja gesagt hat, selbst mir kommen ein paar Tränen. Es ist wirklich das schönste Gefühl überhaupt, mit ihm die Zeit zu verbringen. Selbst wenn die nächsten Tage, die letzten unseres Lebens sein könnten, freue ich mich dennoch jeden einzelnen letzten Tag mit ihm zu verbringen, ich kann mir einfach nichts Schöneres vorstellen, als mit ihm die letzten Augenblicke meines Lebens zu verbringen. Mit diesem schönen Gedanken versuche ich jetzt fest in Aiden seinen Armen einzuschlafen. Er umgibt mich mit einer warmen Aura und seinen Atem auf meinen Lippen zu spüren, lässt meinen ganzen Körper kribbeln. Ich schließe nur noch meine Augen und lasse mich fallen. Sein schöner Geruch zieht in meine Nase und auch sein Herz schlägt im Einklang mit meinem.
Ich spüre langsam, wie ich einschlafe, seine Arme halten mich fest, als würde er mich nie wieder loslassen wollen. Ich fühle mich geborgen und vollkommen, als ob ich das Gefühl des Kuschelns mit ihm für immer festhalten könnte. Nun werde ich immer müder, ich kann spüren, wie ich friedlich in einen tiefen, ruhigen und erholsamen Schlaf gleite.
Gefühlt keinen Moment später durchdringt ein schrilles Geräusch die friedliche Stille und setzt sich in meinen Ohren fest. Dieser Klang fühlt sich unangenehm und scharf an und scheint durch meinen Körper zu vibrieren.
Ich spüre, wie meine Muskeln sich verkrampfen und mein Herzschlag sich beschleunigt, als mich dieses Geräusch aus meinem Schlaf reißt. Meine Augen springen auf und versuchen die Umgebung zu erfassen, doch dann hört plötzlich das schrille Geräusch wieder auf. Ich sehe mich hektisch um und sehe Aiden, wie er sein Handy festhält. Schnell realisiere ich, dass es der Wecker war, welcher mich aus dem Schlaf gerissen hat. Ich kann immer mehr Gedanken fassen. Sie sagen mir nur, dass es so weit ist, denn es ist dunkel, die Nacht ist angebrochen. Das heißt, die Zeit ist gekommen. Wir müssen zum Restaurant.
Mein Blick schweift nun zu Aiden. Ich sehe, wie er da sitzt und starr auf sein Handy schaut. Selbst die Wecker-App hat er noch immer offen. Es ist, als wäre er in Trance. Vorsichtig nähere ich mich ihm und streichle ihm am Arm, dabei lege ich meinen Kopf auf seine Schulter.
,,Hey, ist alles gut bei dir?", frage ich vorsichtig.
Aus dem Nichts schreckt er hoch.
,,Oh, hey, hast du etwas gesagt?", fragt er ganz erschrocken. Er wirkt komplett nervös auf mich, als würde ihm etwas stark belasten, das sehe ich auch in seinen Augen. Seine Pupillen sind geweitet und zucken immer wieder. Er versucht auch immer wieder seinen Blick von mir abzuwenden, was ihm aber nicht gelingt.
Daraufhin nehme ich das Handy aus seiner Hand, lege es zur Seite und setze mich vor ihm hin. Ich bemerke, dass selbst seine Hände zittern, weshalb ich sie beide in meine nehme.
,,Aiden, was ist denn los? Rede mit mir. Ich sehe doch, dass es dir nicht gut geht."
Ehe Aiden antworten kann, kommen ihm die Tränen. Seit gestern verschlechtert sich immer wieder sein Zustand. Ich habe das Gefühl, dass ihm alles zu viel wird. Ich wusste, dass es eine schlechte Idee ist mit dem Restaurant. Ich kann ihn einfach nicht mitnehmen, aber ich will ihn auch nicht hier lassen. Ach, verdammt, was mache ich jetzt? Das ist nur noch eine Zwickmühle. Ich möchte doch nur eine Lösung finden und uns ein langes Leben bescheren. Ach scheiß darauf. Ich scheiße erstmal auf den Plan. Ich muss ihm helfen. Er geht vor. Ich muss mir wohl etwas anderes einfallen lassen. Solange es Aiden nicht gut geht, ist mir alles egal. Da zählt nur noch er.
,,Es ist wegen des Restaurants, oder? Du kannst ehrlich sein, ich bin für dich da."
Ehrlich nickt er und verschließt seine Augen. Die Tränen laufen unter seinen Augenlidern entlang. Ich kann nicht anders, als ihn wieder in den Arm zu nehmen. Ich kann ihn einfach nicht leiden sehen. Er braucht mich gerade mehr denn je. Ich habe schon ein Gefühl, was in ihm vorgehen könnte.
,,Es ist einfach alles...", bricht er kurz wimmernd ab. ,,Weißt du, mit dir ist es so schön... Ich mag mir nicht vorstellen, was ohne dich wäre. Ich habe eine riesige Angst vor übermorgen. Ich will einfach nicht, dass es mit uns endet. Du bedeutest mir sehr viel und das, was wir haben, ist zu schön, um es enden zu lassen... Das andere Problem ist, ich dachte, ich könnte es, aber... ich kann nicht ins Restaurant... seitdem du die Idee hervorgebracht hast... lässt sie mein Herz rasen... ich bekomme meinen ex Partner nicht mehr aus dem Kopf... ich sehe ihn nur noch vor mir, wie er brutal ermordet wurde... es hat mich so zerrissen... Ich kann nicht zum Restaurant... egal, ob es ein anderes ist... die Erinnerung hat sich so in meinen Kopf gebrannt... ich... ich... Ich kann nicht... er verfolgt mich in meinen Träumen... Überall... bitte hilf mir... lass es bitte einfacher werden... tue das bitte... ich kann einfach nicht mehr... ich habe keine Kraft mehr..."
Arm in Arm sitze ich mit ihm da. Er schluchzt und zittert vor Kummer am ganzen Leib, ich kann spüren, wie seine feuchten Tränen auf meiner Haut landen. Aiden so zu sehen macht mich wirklich traurig, ich kann auch meine Tränen nicht zurückhalten, ich verstehe ihn leider zu gut und ich wünschte, ich könnte etwas gegen seinen Herzschmerz tun. Dabei kann ich eigentlich nichts tun, um seinen Schmerz zu lindern, was mich echt zerreißt. Ich will ihn am liebsten nie wieder loslassen. Ich drücke ihn noch enger an mich und streichle sanft über seinen Rücken. Ich spüre, wie schnell sein Herz schlägt, ich merke aber auch, wie sein Atem stockt vor Schluchzen.
,,Ich bin bei dir, hab keine Angst, ich verstehe dich. Das ist bedauerlicherweise alles andere als einfach, aber was auch passieren mag, wir stehen das zusammen durch. Und auch wenn das Ende nah zu sein mag, ist es noch weiter weg, als du denkst. Und den Restaurantbesuch lassen wir auch ins Wasser fallen, mach dir darum keine Sorgen mehr. Jetzt gibt es nur noch dich und mich. Und weißt du was? Ich liebe dich so wie du bist und ich werde ewig bei dir bleiben."
Als ich spüre, dass seine Tränen plötzlich nicht mehr auf meine Haut fallen, entferne ich mich wieder aus der Umarmung und sehe ihm in seine glasigen Augen, welche von den ganzen Tränen verklebt sind. Vorsichtig streiche ich ihm die Tränen von den Wangen, ich weiß, dass er das mag, wenn ich das tue, denn er muss wie beim letzten Mal auch dieses Mal wieder etwas grinsen.
,,Danke das du für mich da bist Noah. Ich kann immer noch nicht glauben, welches Glück ich mit dir habe. Ich liebe es, wie du mich immer aufheitern und beschützen kannst. Ich möchte jedoch immer noch nicht aufgeben. Du hast mir in den letzten Tagen gezeigt, wie schön das Leben sein kann. Und auch wenn es schwer ist und mich diese Erinnerungen an Jon quälen, will ich die Chance auf eine schöne Zukunft mit dir nicht verwerfen. Ich komme mit zum Restaurant, keine Diskussion. Wenn es am Ende aber doch nicht geht, warte ich in der Gasse hinter dem Restaurant. Egal was du sagst, du kannst mir das nicht ausreden. Das ist mein letztes Wort."
Ich habe keine Ahnung, was gerade passiert, aber selbst wenn es Aiden so schlecht geht, nimmt er allen Mut zusammen und wirkt so selbstsicher. Ich hatte tatsächlich vor etwas zu der Sache zu sagen, aber es wird wohl nichts bringen, wenn er schon sagt, dass ich es ihm nicht ausreden könne. Ich kann immer noch Furcht in seinen Augen sehen, aber ich sehe auch Selbstbewusstsein und Mut. Okay, dann gehen wir wohl doch gleich los. Aber ich finde es echt wundervoll, was er eben gesagt hat. Ich freue mich, dass ich ihm so viel bedeute. Er will wirklich eine schöne Zukunft mit mir und das treibt ihn bestimmt an. Ich nicke ihm nur noch zu, stehe auf und strecke ihm lächelnd meine Hand aus.
,,Na komm, lass es uns wagen. Lass uns eine Lösung für unser Problem finden, zusammen."
Schnell greift er nach meiner Hand und zieht sich kraftvoller an ihr hoch als erwartet. Denn direkt spüre ich seine weichen Lippen auf meinen, als er vor mir steht. Seine Lippen lassen meine Lippen immer kribbeln. Dieses Kribbeln lässt immer einen wohligen Schauer durch meinen Körper fahren. Nachdem wir uns geküsst haben, ziehen wir uns beide dunkle Kleidung an. Daraufhin bückt sich Aiden zum Boden und gibt mir den leeren Rucksack, den ich mir sofort aufsetze.
"Hast du alles?"
,,Ja, habe ich, aber eigentlich bist du das Einzige, was ich überhaupt brauche", spricht Aiden leicht, errötet und reibt sich dabei über den Nacken. Das ist gerade echt süß, ich meine, dass er noch immer bei mir rot wird. Das ist echt knuffig. Wir sind zusammen, da braucht er doch nicht mehr rot zu werden.
Daraufhin nehme ich fest seine Hand. Wir nicken uns nur noch bereitwillig zu und verlassen zusammen den Spielplatz. Als wir endlich den Waldrand erreichen, ertönen wieder diese städtischen Geräusche. Es war im Wald so ruhig gewesen und hier hören wir wieder den alltäglichen Verkehr, es fühlt sich komisch an wieder hier zu sein. Es ist aber auch irgendwie schade, diesen ruhigen Ort verlassen zu müssen, aber dieser Ort bringt uns nichts, wenn wir keinen Weg zum Überleben finden. Daraufhin begeben wir uns nun auf den gepflasterten Fußgängerweg. Wir hören wie die Steine unter unseren Füßen einer nach dem anderen knirschen. Wir bemerken auch, wie anders die Luft hier ist. Sie ist alles andere als klar und hier riecht es auch nicht mehr nach frischem Gras, nein, hier riecht es nach Abgasen. Tja, willkommen zurück in der traurigen Wirklichkeit. Zügig gehen wir schnell und zielsicher los. Wir bleiben aber vorsichtig, um nicht gesehen zu werden. Ich muss aber sagen, es ist sehr ruhig auf den Straßen.
Nachdem wir eine Weile gelaufen sind, ertönt plötzlich eine ohrenbetäubende Sirene, die mein Trommelfell durchdringt. Das Geräusch ist so laut, dass es meine Gedanken sofort zum Stillstand bringt. Es fühlt sich an, als würde die Sirene direkt in meinem Kopf klingen und alle Gedanken übertönen. Meine Augen suchen schnell nach der Quelle des Geräuschs. Aiden schaut sich hektisch um, dabei gerät er leicht in Panik, da er schon ahnt, was es sein könnte. Und dann sehen wir es. Ich sehe, wie ein Streifenwagen mit quietschenden Reifen um die Ecke biegt und direkt auf uns zufährt. Ich spüre wie das Adrenalin durch meinen Körper schießt und meine verschwitzten Hände sich zu Fäusten ballen. Verdammt, wir dürfen nicht gesehen werden.
,,Komm Aiden hier hinter den Zaun, schnell, da dürften sie uns nicht sehen."
Schnell klettern wir ohne zu Zögern über den Zaun. Dass es ein fremdes Grundstück ist, ist uns egal. Es ist glaube auch nur ein Familienhaus, daher halb so schlimm. Aiden nickt mir zu und bleibt ruhig. Mit leiser Atmung warten wir hinter dem Zaun. Dabei verschmelzen sich unsere Blicke, als diese sich kreuzen. Ich kann sehen, wie es ihm geht, aber er sieht bestimmt auch, was in mir vor sich geht, denn in diesem Moment bin ich auch etwas panisch, selbst wenn ich das nicht wirklich zeige, geschweige denn darüber nachdenke. Wir versuchen uns ganz kleinzumachen und warten nur noch darauf, dass die Sirene des Polizeiautos an uns vorbeihuscht. In diesem Moment scheint die Zeit stillzustehen. Nach einem Moment ist es dann so weit und das Geräusch fliegt an uns vorbei und man ist das laut. Kurz darauf blicke ich vorsichtig am Zaun hervor, um zu schauen, ob die Polizei noch da ist.
,,Okay, komm, die Luft ist rein", flüstere ich erleichtert zu Aiden. Hand in Hand klettern wir nun über den Zaun zurück und gehen weiter. Meine Sinne sind mittlerweile auf höchste Alarmstufe geschaltet, wir müssen jetzt noch wachsamer sein, als wir es eh schon waren. Vorsichtig überqueren wir die Straße zur anderen Seite. Ich spüre wie stark Aiden seine Hand zittert. Ich sehe zu ihm rüber und frage ihn: ,,Ist bei dir alles gut? Ich weiß, es ist nicht einfach, aber es ist nicht mehr weit. Zusammen schaffen wir das, wir beeilen uns auch."
,,Ja es ist alles gut... es ist nur... ich hatte eben etwas Angst bekommen, mehr ist es nicht..."
Er ist wirklich so stark, ich frage mich wirklich wie er das macht. Wachsam begeben wir uns weiter durch die Dunkelheit. Es wird hier draußen nämlich immer ruhiger und das Restaurant ist zum Glück auch nicht mehr weit.
Plötzlich spüre ich eine Leere in meiner Hand. Ich halte an und sehe hinter mich. Aiden hat sich von mir gelöst und steht vor etwas, er steht vor einer Laterne und starrt sie an. Etwas verwundert gehe ich zu ihm rüber.
,,Stimmt etwas nicht? Warum bist du stehen geblieben?"
Doch Aiden antwortet nicht, er starrt weiter vor sich hin. Ein wenig fürchte ich mich gerade, mir stockt der Atem und auch mein Herz schlägt schneller. Als ich nun hinter ihm stehe, dreht er sich zu mir um.
,,Noah... ich glaube, wir müssen noch mehr aufpassen... schau... das ist wirklich ganz übel..."
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