Rotes Blut
Unruhig lief die Prinzessin in ihrem Turmzimmer auf und ab. Drei Tage waren nun schon vergangen, seit die Krähen sich in gen Norden aufgemacht hatten. Der Prinzessin blieb weiterhin nichts als das Warten. Einige der Krähen, die zurückgeblieben waren brachten ihr immer wieder zu essen, sodass sie das Zimmer nicht zu verlassen brauchte. Somit ging ihr Wiederstand, ihr Kampf gegen den schwarzen Ritter weiter, der es, seit die Magie in diesem alten Gemäuer erwacht war, nicht mehr gewagt hatte an ihrer Tür um Einlass zu fordern.
Immer wieder wandte sich die Prinzessin dem Fenster zu. Sah hinaus in den Himmel und sog begierig die sonnenwarme Luft ein. Die letzten Nächte hatten ihr keinen Schlaf verschafft. Unruhig hatte sie sich in den federweichen Laken gewälzt und ihrem stetigen Herzschlag gelauscht, zu dem sich eine leise Melodie gesellt hatte. Stundenlang hatte sie ihr gelauscht und sich langsam in den Schlaf geträumt.
Nächtelang verlor sie sich in Traumfetzen, die ihr nichts anderes zeigten als wunderschöne Landschaften, die unter ihr dahinzogen. Energisch wischte die Prinzessin die ihr lästigen Gedanken fort und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Fenster zu. In nicht allzu weiter Entfernung, flogen ein paar Krähen, lieferten sich eine wilde Jagd um die Zinnen der Feste. Ausgelassen flogen sie durcheinander, legten die Flügel an, schossen in die Tiefe und schnellten sogleich wieder empor, um sich der nächsten wilden Jagd anzuschließen. Verschwimmende schwarze Punkte vor einem unendlichen Blau. Einen Moment lang konnte die Krähenprinzessin alles vergessen, verlor sie sich in dem Schauspiel, das die Krähen ihr boten.
Eine der Krähen löste sich aus den ausgelassen kreisendem Schwarm und flog auf das hohe Bogenfenster zu. Sie spannte die Schwingen weit auf, setzte zur Landung an. Ihre Krallen waren nur noch eine Daumenbreite vom Fenstersims entfernt, als ein Sirren ertönte. Wie ein wütender Hornissenschwarm schwoll es immer weiter an.
Die Krähe zuckte, taumelnd kam sie auf dem Sims auf. Sofort war die Prinzessin bei ihr und hielt sie fest, bewahrte sie vor einem Sturz in die schwindelerregende Tiefe. Warme, klebrige Tropfen benetzten die Hände der Prinzessin. Erschrocken zuckte sie zurück. Blut klebte an ihren Fingerspitzen. Rubinrotes Blut, feucht schimmernd. Entsetzt sah sie in die immer glasiger werdenden Augen der Krähe, sah wie das Leben in ihnen langsam erlosch und einer glanzlosen Schwärze wich. Tränen strömten ihr über die Wangen, kleine kristallklare Perlen, die auf dem Boden zersprangen. Immer wieder strich sie schluchzend durch das totenstarre Gefieder des Vogels, bis ihre Finger etwas berührten. Etwas hartes, kaltes. Fremd in diesem kleinen Vogelkörper.
Es war ein Bolzen, solch einer, wie man ihn in Armbrüste einspannte.
"Nein", flüsterte die Prinzessin. Schwankend richtete sie sich auf und wankte zum Fenster. Sie sah hinunter. Mitten im Burghof stand der schwarze Ritter, mit einer Armbrust in der behandschuten Hand. Stählernd funkelte bereits ein neuer Bolzen im Sehenengespann, bereit erneut den Tod zu bringen. "Nein!", schrie die Prinzessin. Sie schleuderte es dem Ritter entgegen, wünschte sich, er würde durch ihren bloßen Zorn in Flammen aufgehen und wie eine lodernde Feuerseule über den Burghof wandeln, bis nichts als graue Asche von im übrig blieb. Doch ihre Wünsche wurden nicht erhört.
Hoch aufgerichtet stand der Ritter im Hof und blickte zu ihr hinauf. "Ihr solltet besser auf eure gefiederten Freunde Acht geben. Es kann allzu leicht vorkommen, dass sich ein Pfeil verirrt.", drang seine Stimme dröhnend zu ihr hinauf. Hasserfüllt blickte sie in an. Mit aller Kraft schlug sie das Fenster zu, sodass das Glas leise klirrte. Schluchzend ließ sie sich zu Boden sinken, zog den Leichnam der Krähe auf ihren Schoß und ließ ihre Haare wie einen Schleier über ihn gleiten. In ihrem Herzen aber lieferten sich die Trauer und grenzenlose Wut einen langen Kampf.
Die Wut gewann und aus ihr spross ein feuriger Hass. Die Prinzessin schwor sich das dieser Hass der Untergang des Ritters sein würde.
Ich glaube das ist bis jetzt das längste Kapitel.
Das erste Blut wurde vergossen. Wie es wohl weiter geht? Ihr wedet es bald erfahren. Vielen Dank fürs Lesen.
Erdsee
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