𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟒.𝟐: 𝐁𝐥𝐚𝐮𝐞𝐬 𝐁𝐥𝐮𝐭

Links neben Cedric standen weitere Ritter, aufgestellt in einer Reihe an der Wand, und ganz am Ende der Halle gegenüber des Throns war die imposante Tür, welche zu beiden Seiten aufging. Sie bestand aus schwerem, dunklen Edelkastanienholz und wurde vor langer Zeit angefertigt. Sie zeigte einen der vergangenen Könige, auf dessen Schulter ein Rabe saß, vom Kopf bis zur Hüfte. Ein breites, stabil aussehendes Brett stand an der Wand angelehnt und riegelte im Notfall neben dem Türschloss das Tor zusätzlich ab.

Cedrics Blick schweifte weiter durch die gigantische Halle und blieb an den hohen Fenstern, die jeweils parallel zu einander liefen und mit vielen bunten Bildern versehen waren, hängen. Jedes Fenster stellte einen wichtigen, historischen Punkt für Elidors Geschichte künstlerisch dar. So symbolisierte ein Fenster den Sieg über das kleinste Königreich Lavandor. Raigans Urgroßvater hob siegreich sein Schwert und wies mit dessen Spitze auf die glühende Sonne, das Wappenmotiv Lavandors. Ein anderes Fenster zeigte, wie der ehemalige König Siridean den alten Gott, Oslas, zum Tode verurteilte. Er hatte sein Schwert in die Brust eines alten, von einem hellen Schein umgebenen Mannes gestochen.
Das neueste und definitiv dynamischste Bild stellte den Kampf zwischen Raigan und Norvik dar, die beide ihre Schwerter erhoben hatten und sich die Klingen in der Luft trafen.

Plötzlich öffnete sich der Eingang, beide Flügel auffaltend, und Ritter traten schnellen Schrittes ein. Sofort verstummte die Feierlichkeit, jeder Ritter stand regungslos an der Wand, Arme am Körper anliegend und Beine zusammengedrückt. Die Neuankömmlinge rückten in den Mittelpunkt und liefen zügig den scharlachroten Teppich, der von Tür bis zum Thron führte, entlang. Kurz vor König Raigan machten sie Halt, verbeugten sich demütigst synchron wie auf einem stillen Kommando und nahmen nach dem Aufrichten ihre schwarzen Helme ab und klemmten sie unter ihre Arme.

Es waren vier an der Zahl. Cedric erkannte den größten von ihnen, der vor den anderen stand, sofort. Es war Sir Kilian, der öfters kleine Trupps im Auftrag des Königs anführte. Er war ein hochgewachsener, dürrer Mann mit langem Kinn und markanten Gesichtszügen. Cedric hielt Sir Kilian für eine Schlange, um genau zu sein, eine Würgeschlange. Trotz der schlanken Statur brodelte eine unberechenbare Bärenkraft in dem Ritter, was sein großer Vorteil war. Niemand rechnete mit solcher Stärke. Doch außer roher Kraft, mit der er gesegnet worden schien, fielen seine anderen Fähigkeiten eher gering aus. Grips schien bei ihm völlig verloren gegangen zu sein.

König Raigan IV von Elidor betrachtete den kleinen Trupp von seinem Thron hinab, breitete seine Arme aus als wolle er beten und erhob säuselnd die Stimme: „Meine Ritter, war Eurer Auftrag erfolgreich?" Die typische Willkommensfloskel, dachte Cedric. Sir Kilian und seine drei Ritter hatten die Anordnung erhalten, eine Ioskas, die laut Augenzeuge bei dem Buchdrucker hier in Edato hauste, findig zu machen und ins Schloss zu bringen. Das keine junge Dame mit rotem Haar bei den vier Rittern war, durfte selbst dem scharfsichtigen Regenten nicht entgangen sein. Daher vermutete Cedric, dass es zu ungeplanten Problemen kam. Ob der König dies gutheißen würde?

Es war die Würgeschlange, die Bericht erstattete. „Eure königliche Hoheit", setzte er an und senkte den Blickkontakt um Raigan Respekt zu erweisen. „Wir trafen wie erwartet gegen Dämmerung ein, ohne viel Aufmerksamkeit in der Stadt zu erregen. Die meisten Leute waren schon daheim und wir hatten daher einen freien Weg vor uns. Hätten wir Leute getroffen, was wir zum Glück nicht haben, hätten wir ihnen irgendeine Lüge darbieten müssen."

Auch der Herrscher schien zu merken, dass sich der Ritter um Hals und Kragen redete. Er presste die Lippen aufeinander und seine Hände verkrampften sich. Nachdem der Ritter weiterhin von ihrer guten, unentdeckten Reise erzählte, schien Raigan die Geduld zu platzen. Sein Lächeln versteifte sich, verwandelte sich gar in eine zornige Grimasse. Auf einmal erhob sich König Raigan IV von Elidor. „Schweigt!", zischte er gebieterisch und der Ritter verstummte augenblicklich.

„Meint Ihr, ich würde nicht sehen, dass Euer Auftrag ein Misserfolg war? Meint Ihr, Ihr könntet mir eine geschwätzige Geschichte auftischen?" Es waren mehr Feststellungen als wirkliche Fragen. In der Halle herrschte ein bedrücktes Schweigen. Niemand wagte es, etwas zu erwidern oder traute sich, mit einer Wimper zu zucken. Niemand wollte es sich mit dem König verspaßen. Die eiserne Kälte, die von dem Regenten ausging, war überall in der Halle spürbar und löste bei Cedric ein Schaudern aus.

Die Ritter hinter Sir Kilian duckten sich schützend, die Schlange neigte nur noch tiefer seinen Kopf. Cedric erspähte das leichte Zittern an Kilians Händen oder bildete er sich das nur ein? Als Sir Kilian seine Stimme wiedergefunden hatte, waren seine nächsten Worte sorgsam gewählt: »Der Buchdrucker ist schlimm erkrankt. Sehr ansteckend, laut dem jungen Mann.« Er versuchte sichtlich das Zittern in der Stimme zu unterdrücken, was ihm aber nicht ganz gelang.

Der König hingegen horchte bei diesen Worten interessiert auf, in den kalten Augen ein Funkeln, das Cedric nicht recht deuten konnte. War es Mitgefühl? Sicher nicht, denn König Raigan hatte ein eisiges Herz, das schon viel zu lange in der Kälte vor sich hin fror. Das einstige Feuer, dass das Herz des Regenten zum Tauen gebracht hatte, war Königin Anwen gewesen und diese war leider tot.

»Welcher Mann?«, wollte Raigan kühl wissen und schien genervt, dem Ritter alles aus der Nase ziehen zu müssen. »Der Lehrling von Galahad, Eure königliche Majestät.«
»Sonst ist Euch nichts ungewöhnliches aufgefallen?« Sir Kilian überlegte fieberhaft und Cedric konnte beinahe die Zahnräder im
Schlangengehirn rattern hören. Sie knirschten und arbeiteten auf Hochtouren. Wie schon erwähnt, viel Kraft aber wenig Hirn.

Nach einiger Zeit schüttelte der Ritter schließlich bedächtig den Kopf. »Nein, es war alles...« er machte ein Pause und seine Augen flackerten hin und her. Ihm schien doch noch etwas eingefallen zu sein. „Da war noch eine dritte Person!«
»Galahad vermute ich?«
»Nein, es war eine Frau. Sie trug ein Kleid und eine Heilermaske.«

Cedric musste sich beherrschen, bei den Worten nicht in lautes Gelächter auszubrechen. Das war mal wieder typisch Kilians scharfe Schlussfolgerung: Es war eine Frau, weil sie ein Kleid trug. An diesem Bild gab es für den hochgewachsenen Ritter nichts zu rütteln. Unter anderen Umständen hätte Cedric den anderen damit jetzt aufgezogen, aber die Situation war alles andere als spaßig.

Der König ließ sich wieder auf den Thron nieder und hob eine seiner grauen Augenbraue. »Eine Frau als Arzt?", fragte er scharf nach und zog die Luft ein. „Sowas gibt's doch nicht!«
Jetzt meldete sich ein anderer Ritter zu Wort: »Ja, aber so wars!« Der Ritter neben ihm nickte eifrig. König Raigan schien der ganzen Sachen nicht allzu viel Glauben zu schenken. Selbst Cedric konnte es sich nur schwer vorstellen: Eine Frau als Arzt? Wo gab es denn sowas?

Gefällt euch der Dialog? Ist er verständlich? Nicht ganz so langweilig? Könnt ihr die Reaktionen bzw Stimmungen der Charaktere nachvollziehen?

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