"Ihr alle mit diesen Armbändern"
Ich atme tief durch und durchdenke meine Worte. Ich habe mich in deinen Bruder verliebt. Sieben einfache Worte. Danach kann ich alles erzählen. Ich öffne meinen Mund.
"Was du gesagt hast stimmt zum Teil" beginne ich. Der Anfang ist geschafft. Und sofort ernte ich einen geschockten Blick von Emily, doch sie sagt nichts. Sie hört mir einfach nur zu. Also spreche ich weiter. Und dieses Mal werde ich es einfach sagen.
"Ich bin nicht in Luke verliebt" sind jedoch die Worte, die aus meinem Mund herauskommen. Ich will Emily die Wahrheit sagen, aber ich kann es nicht. Es ist als hätte mein Mund etwas gesagt ohne, dass ich es wollte. Es noch einmal versuchen, kann ich nicht, da ich sehe, wie sich Emilys angespannte Haltung und ihre Miene sofort lockern, als sie die Worte gehört hat.
"Aber?" fragt Emily daraufhin leise. Ich antworte ebenso leise, da ich im Moment einfach nicht lauter sprechen kann. "Aber das mit der Mädchensache stimmt. Ich habe herausgefunden, dass Luke Mädchen ausnutzt und verarscht" kommen die Worte nur so aus meinem Mund. Ich bin selbst erschrocken darüber, wie leicht die Worte herauskommen. Ich muss nicht einmal darüber nachdenken.
Noch bevor Em etwas dazu sagen kann, rede ich weiter. "Es hat mich an früher erinnert. Da waren Mal zwei Typen, die mich beide ins Bett bekommen wollten. Sie haben eine Wette abgeschlossen. Als der eine herausgefunden hat, dass ich nicht mit ihm schlafen werde, hat er mir alles erzählt. Ich wurde von den Typen verarscht und ausgenutzt. Und als ich das mit Luke erfahren habe, ist alles wieder hochgekommen. Ich habe ihm eine gescheuert und bin weggerannt" erzähle ich Emily die Halb-Wahrheit/Halb-Lüge.
Ich weiß nicht, warum es mir so leicht fällt Emily anzulügen und innerlich schäme ich mich auch dafür, aber ich kann einfach nicht anders. Meine Angst ist zu groß sie zu verlieren. "Süße, es tut mir so leid" sagt Emily nach einer Weile und nimmt mich in den Arm. Und sofort fühle ich mich wieder schlecht. Nicht nur wegen der ganzen Sache mit Luke, sondern nun auch noch, weil ich Emily wieder nur etwas vorspiele, obwohl sie sich so rührend um mich kümmert und einfach nur die beste Freundin ist, die man sich wünschen kann.
Erneut beginnen meine Tränen zu laufen. Emily hält mich einfach nur im Arm und tröstet mich. Solange bis ich nicht mehr weinen kann.
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"Mel?" fragt Emily, als wir beide nebeneinander in meinem Bett liegen und einen Film schauen. Emily würde heute Nacht bei mir schlafen, darauf hat sie bestanden. "Hm?" mache ich und schaue weiterhin auf meinen Fernseher, der an der Wand, gegenüber von meinem Bett, hängt. "Hast du meinem Bruder wirklich eine gescheuert?" fragt sie und kann sich ein Lachen nicht verkneifen.
Ich nicke. Das Lachen kann ich allerdings nicht erwidern, da ich es bereue. Ich habe dem Jungen, der mir in so wenigen Tagen so wichtig geworden ist, eine geknallt und damit alles versaut. Luke wird mich hassen, er wird nicht anders können. "Genial!" jubelt Emily lachend. An ihre komische Stimme habe ich mich mittlerweile gewöhnt. Dabei wären wir doch schon bei einem Thema, das mich auf andere Gedanken bringen würde. Weg von Luke.
"Wieso bist du eigentlich krank?" frage ich Emily. Mittlerweile klinge ich wieder normal. Ich habe mich beruhigt und in den letzten paar Stunden glücklicherweise nicht mehr geweint, obwohl ich an nichts anderes gedacht habe, als an Luke. "Also" beginnt Emily mit einem Grinsen im Gesicht zu erzählen.
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Über eine Stunde lang, hat mir Em alles über ihren Ausflug mit Ashton erzählt. Jedes kleinste Detail. Sie ist genauso glücklich wie sie klingt, wenn sie über Ashton redet. Ich freue mich so sehr für sie. Für die beiden. Innerlich wünsche ich mir das Gleiche. Ich will auch so fühlen können.
Irgenwann schlafen Emily und ich ein. Wie kann es anders sein, träume ich von Luke. Es ist ein Albtraum aus dem ich einfach nicht aufwachen kann.
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"Melanie! Steh sofort auf! Du musst zur Schule!" schreit Emily und versucht mich wachzurütteln. Mit Erfolg. Ich öffne meine Augen und schaue direkt in ihre, da sie über mich gelehnt ist. "Ich bin wach" sage ich verschlafen und richte mich auf. "Du musst doch auch in die Schule?" frage ich sie verwirrt, während ich dabei bin aufzustehen. "Ich bleib heute noch Zuhause, meine Stimme hört sich immer noch bescheuert an" meint Emily grinsend. "Und dann kann ich zu Ashton" fügt sie mit einem noch größeren Grinsen hinzu. "Na dann" sage ich lachend und gehe in mein Badezimmer um mich fertig zu machen.
Nach einer guten halben Stunde bin ich das auch. Geduscht, Haare geföhnt, Zähne geputzt, dezent geschminkt und meine Haare zu einem Zopf geflochten.
"Ich hab dir was zum Anziehen rausgesucht. Mir war langweilig" sagt Emily grinsend. Sie sitzt auf meinem Bett und neben ihr ein paar Klamotten aus meinem Kleiderschrank. Ich betrachte das Outfit genauer. Es ist eher Emily-Style, aber dennoch nichts, was ich nicht auch anziehen würde. Ein paar Lederleggings, ein längeres, schlichtes, weißes Top und eine Jeansbluse mit hochgekrempelten Ärmeln. Ich ziehe es an und betrachte mich im Spiegel.
Da mir alles etwas zu schlicht ist, hole ich noch ein paar Armbänder aus meiner Armbänder-Sammlung und ziehe drei an. Auf der anderen Seite noch meine pinke Ice-Watch um wenigstens etwas Farbe an meinen Armen zu tragen. "Ihr alle mit diesen Armbändern" sagt Emily plötzlich und schüttelt den Kopf. "Genauso schlimm wie Ashton und Luke" grinst sie mich an. Ich lächele leicht. Es ist nunmal mein Geschmack. Dafür kann ich nichts.
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"Viel Spaß in der Schule. Ich melde mich später" verabschiedet sich Emily vor meinem Haus von mir. Sie geht nach links, um nach Hause zu fahren, ich nach rechts um in die geliebte Schule zu gehen. Ein weiterer Tag ohne Emily in der Schule, wie sehr ich mich doch freue.
Zu allem Überfluss komme ich auch noch zu spät. Kann ja nur besser werden. Ich habe mich mit der Zeit wohl verschätzt. Oder es liegt einfach daran, dass ich in Gedanken versunken viel langsamer bin. Gedanken an Luke.
In der Schule renne ich die Treppe rauf und überspringe dabei jede zweite Stufe. Oben angekommen mache ich eine scharfe Kurve um die Ecke und eile weiter in Richtung Klassenzimmer. Zwischenzeitlich stöpsele ich die Kopfhörer aus meinem Handy und verstaue beides in meiner Schultasche. Plötzlich merke ich einen Widerstand.
"Oh scheiße. Es tut mir schrecklich leid" sage ich sofort, nachdem ich eine Person fast umgerannt und dieser ein paar Blätter aus der Hand gefallen sind. Ich bücke mich sofort um diese wieder aufzusammeln. Ich habe mich noch nicht getraut nachzuschauen, in wen ich überhaupt gerannt bin. Lass es einfach nur keinen Lehrer sein, denke ich mir. Ein Lehrer hätte mich doch aber schon längst zusammen geschissen, oder?
Als die Person sich auch bückt um die Blätter einzusammeln, berühren sich unsere Hände, da wir beide nach ein und demselben Blatt greifen. Sofort durchfährt mich wieder dieser elektrische Strom. Es ist genau das Gefühl, wie wenn ich ihn berühre.
Ganz langsam und vorsichtig, hebe ich meinen Kopf und sehe in ein paar wunderschöne, blaue Augen.
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