"Du warst meine beste Freundin! Du bist für mich gestorben!"

Soll ich ehrlich sein? Ich habe jetzt schon riesige Angst davor. Wie wird Emily reagieren?

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Nach dem Kino wollen Luke und ich unsere Worte in die Tat umsetzen. Doch zuerst begleitet er mich nach Hause und macht sich nach einer längeren Verabschiedung auf den eigenen Heimweg.

Ich bin eigentlich nur zuhause um etwas für die Schule zu machen, da ich diese in letzter Zeit vernachlässigt habe. Da ich nachher keine Zeit und vor allem keine Lust mehr haben werde, muss ich es wohl oder übel hinter mich bringen.

Nachdem ich den Stapel Hausaufgaben erledigt und sogar ein wenig gelernt habe, ist es bereits 17:00 Uhr. Luke und ich haben ausgemacht, dass ich in einer Stunde bei ihm sein würde. Wir müssen Emily zur Rede stellen, wir haben keine andere Wahl.

Ich gehe ins Badezimmer und dusche mich. Nachdem ich meine Haare geföhnt und zu einem lockeren Dutt zusammengebunden habe, ziehe ich mir neue Klamotten an: eine schwarze Röhrenjeans, ein weißes Top und meine rote Karobluse. Noch schnell ein schwarzes Band in meine Haare und ich bin fertig. Zuerst will ich mich ein wenig schminken, lasse es dann aber doch bleiben.

Um zwanzig vor sechs verlasse ich mein Haus und mache mich auf den Weg zu Luke und Emily. Auf dem Weg spinnt mein Handy wieder und ich kann nicht einmal eine Nachricht versenden. Ich muss es wirklich reparieren lassen, mal funktioniert es, mal wieder nicht. Wenigstens kann ich noch Musik hören und damit die Zeit schneller vergehen lassen.

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"Einatmen, ausatmen, einatmen, ausatmen,..." wiederhole ich immer wieder. Ich bin nervös, weil ich einfach nur Angst habe, wie Emily reagieren wird. Ich muss mich beruhigen, denn wenn es so weitergeht, bin ich mir sicher, dass ich meine Meinung wieder ändere und Emily nichts erzähle. Vielleicht wird es auch gar nicht so schlimm, wie ich es mir vorstelle.

Ich habe bereits geklingelt und stehe nun vor der Türe und wartete, dass diese geöffnet wird. Kurze Zeit später steht Emily vor der geöffneten Türe. "Hey" sage ich grinsend und will sie umarmen, als sie plötzlich zurückweicht. "Hallo" ist alles, was Em entgegnet. "Ist alles ok?" frage ich sie unsicher und sichtlich verwirrt über ihr Verhalten. Sie zuckt mit den Schultern und meint "das werden wir gleich sehen". Diesen Ton habe ich zuvor noch nie von ihr gehört. Er ist kalt, gleichgültig und wütend.

In genau diesem Moment wird es mir bewusst. Ich weiß, dass etwas gewaltig schief gelaufen ist und Emily es irgendwie  herausgefunden hat. Dies bedeutet jetzt nur eins: Drama.

Mit einem Schlag sind meine Hoffnungen, dass es nicht so schlimm werden würde, verschwunden. Ausgelöscht, als hätte es sie niemals gegeben.

"Lucas, deine Freundin ist da!" schreit Emily und dreht sich zur Treppe. Oh nein, das hat sie gerade nicht wirklich gesagt. Ich hoffe, dass ich mich verhört habe.

Es ist noch schlimmer, wenn man die Bestätigung für seine Gedanken bekommt. Ich spüre regelrecht, wie mir alle Farbe aus dem Gesicht weicht. Dasselbe geschieht auch bei Luke, der gerade die Treppe herunterkommt.

"Wo...?" ist alles, was Luke sagen kann, als er neben seiner Schwester stehen bleibt, bevor diese ihn unterbricht. "Woher? Du willst wissen woher ich weiß, dass ihr mich die ganze Zeit verarscht habt?" fragt Emily gleichgültig und lacht. Es ist das falscheste Lachen, das ich je gehört habe. "Lasst mich mal überlegen" sagt sie und macht eine Geste, damit keiner von uns etwas sagt.

"Ich würde mal behaupten ihr solltet nicht so offensichtlich auf dem Pausenhof der Schule rumknutschen. Dort kann man euch nämlich sehen" meint Emily und verschränkt ihre Arme vor der Brust. In ihrem Blick ist Wut und Enttäuschung zu sehen. Die Wut jedoch gewinnt immer mehr die Oberhand und das macht mir ehrlich gesagt Angst.

"Wir können das alles erklären" sage ich mit leiser Stimme. Emily fängt erneut zu lachen an. Dieses falsche Lachen und Grinsen macht es nicht besser, eher schlimmer. "Ja bitte, erklärt mir dich warum es euch scheiß egal ist, was ich denke und warum ihr mich die ganze Zeit über verarscht habt!" sagt Emily und wird immer lauter. Sie ist kurz davor zu schreien. "Wir haben es dir nicht gesagt, weil wir genau gewusst haben, dass du so bescheuert reagierst!" gibt Luke in gleicher Lautstärke zurück. Auch ihn habe ich so noch nie erlebt.

Zu mir ist er dennoch liebevoll, er legt sanft den Arm um mich und zieht mich gewissermaßen nach drinnen, da ich immer noch vor der Haustüre stehe. Er schließe die Türe, nachdem nun auch ich im Eingang stehe. Eine gute Idee von ihm, vielleicht sollte nicht unbedingt die ganze Nachbarschaft mitbekommen, was im Hause Hemmings los ist.

"Wollen wir uns vielleicht hinsetzen?" frage ich Emily, immer noch mit leiser Stimme. "Hm nein? Sicherlich nicht! Ich hab nicht wirklich Lust mit euch über irgendetwas zu reden. Ihr könnt mich mal am Arsch lecken!" antwortet sie mir lautstark. Ich merke wie Luke seinen Griff um mich festigt, als ich wegen Emilys Worten zusammenzucke. Sie hat noch nie so mit mir geredet, sie hat mich noch nie so kalt angesehen und angeschrien.

"Jetzt komm mal wieder runter!" meint Luke zu seiner Schwester. "Du hast mir gleich gar nicht zu sagen, was ich machen soll!" schnauzt Emily Luke an. "Ich kann sagen und machen was ich will, wenn ihr es euch erlaubt mir so dreist ins Gesicht zu lügen!" fügt Emily bitterböse hinzu.

"Weil wir verdammt nochmal wussten, dass du so reagieren wirst, Mädchen!" kontert Luke und verstärkt seinen Griff um meine Hüfte, jedoch tut er mir dabei keinesfalls weh. "Weil ich ein Recht dazu habe, verdammt! Und nenn mich nicht Mädchen!" Emily hat nun wirklich die Kontrolle verloren und schreit. Ich stehe starr da und bin zu überfordert etwas zu tun oder zu sagen.

Wenn ich nur annähernd geahnt hätte, dass es so weit kommen würde, hätte ich mir alles anders überlegt. Wir hätten es Emily von Anfang an sagen müssen. Sie hätte es nicht von alleine herausfinden dürfen. Das macht unseren Betrug so viel schlimmer.

"Wie lange geht die Scheiße eigentlich schon?" will Emily wissen. Sie würdigt mich keines einzigen Blickes, da dieser einzig und allein auf ihren Bruder gerichtet ist, der immernoch seinen Arm um mich gelegt hat. Da Luke nicht antwortet, bleibt mir nichts anderes überig als es selbst zu tun. "Eine Weile. Seitdem wir uns kennengelernt haben, haben wir uns getroffen und seit kurzem sind wir ein Paar" antworte ich ehrlich und ziemlich leise. Ich kann einfach nicht mehr lügen, es würde alles nur noch schlimmer machen, als es ohnehin schon ist.

"Sag mal, wollt ihr mich jetzt völlig verarschen? Das läuft schon die ganze Zeit? Ihr habt mich die ganze Zeit über verarscht und dreist angelogen?" schreit Emily erneut und die Wut steht ihr ins Gesicht geschrieben. Ich antworte ihr mit einem schwachen Nicken, das Emily sofort gesehen hat.

"Es tut uns leid" flüstere ich. Ich muss mich zusammenreißen nicht zu weinen. Ich wollte meine beste Freundin dich niemals so hintergehen. Ich habe nicht im geringsten damit gerechnet, dass es so ausarten könnte.

"Natürlich tut es euch leid" lacht Emily. "Wenn ich nicht lache" fügt sie falsch grinsend hinzu. "Es tut uns wirklich leid" verteidigt Luke sich und auch mich. "Euch müsste gar nichts leid tun, wenn ihr nicht so eine Scheiße gemacht hättet! Ihr hättet niemals zusammen kommen dürfen! Es wird sowieso nur schief gehen! Aber jetzt ist es sowieso egal!" kontert Emily todernst.

"Wie meinst du das?" frage ich unsicher. Ich will nicht, dass sich meine Gedanken erneut bestätigen. Bitte lass sie mit "ist jetzt sowieso egal" etwas anderes meinen. Ich kann und will das nicht.

"Dass du mein Bruder bist, ist Tatsache. Daran kann ich nichts ändern. Aber glaub mir Luke, es wird nicht mehr so sein wie es war" beginnt Emily und mein Magen krampft sich zusammen. Vor allem, als sie sich an mich richtet. "Bei dir jedoch ist es leichter. Du warst meine beste Freundin. Du bist für mich gestorben!" sagt Emily kalt.

Nach diesen Worten öffnet Emily die Haustür, verlässt das Haus und knallt die Türe hinter sich zu.

Alles, was in meinem Kopf herumschwirrt sind ihre Worte. "Du warst meine beste Freundin! Du bist für mich gestorben!". Immer und immer wieder höre ich Emilys Stimme, die genau diese Worte sagt.

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