"Abschied"

Innerlich weiß ich jetzt, dass es nicht das letzte sein würde. Das würde es noch lange nicht. Ich gebe nicht auf. Niemals.

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"Ich weiß nicht, wie ich eine Dreiviertelstunde alleine mit meinen Eltern im Auto aushalten soll" sage ich verzweifelt. Luke und ich liegen kuschelnd auf meinem Bett, da uns noch zwei weitere Stunden übrig bleiben. Wir haben alle Dinge, die ich unbedingt direkt mitnehmen sollte, eingepackt. Die restlichen Sachen würden nach London geschickt werden und daher eine Weile lang unterwegs sein. Ein paar Dinge waren demnach ein Muss.

"Ich kann dich auch fahren" bietet Luke mir an. Normalerweise hätte ich sein Angebot abgelehnt, da er wegen mir nicht so eine Strecke fahren müsste. Aber in diesem Fall kann ich das Angebot einfach nicht ablehne. Zum einen will ich nicht riskieren, mir eine Standpauke von meinen Eltern anhören, geschweige denn nur mit ihnen reden zu müssen. Zum anderen, und dieser Grund ist viel entscheidender, kann ich nicht ablehnen, noch etwas mehr Zeit mit meinem Freund zu verbringen. Auch wenn es nur eine knappe weitere Stunde im Auto sein wird.

Ich muss jede Minute, die wir noch gemeinsam haben, in vollen Zügen genießen. Ich weiß schließlich nicht, wann ich Luke wieder sehen würde. Es könnten Tage, Wochen oder gar Monate sein. Ich habe absolut keine Ahung.

Deswegen muss ich nicht weiter überlegen, bevor ich antworte "Ich wäre dir unendlich dankbar". Luke lächelt mich an und meint "Für dich würde ich alles tun" und gibt mir einen Kuss.

"Ich glaube, ich sage meinen Eltern lieber direkt Bescheid, ich bin schließlich nicht so hinterhältig wie sie" sage ich ernst gemeint und lache ironisch. So schnell kann ich meinen Eltern diesen "Betrug", wenn man ihn so nennen kann, nicht verzeihen.

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"Ich will nicht gehen" sage ich nun mindestens schon zum zehnten Mal, als Luke meine zwei Koffer und meine Tasche in sein Auto verstaut hat. Wir haben es zwischenzeitlich bei ihm Zuhause abgeholt. Eigentlich habe ich gehofft dort noch einmal auf Liz und vor allem auf Emily zu treffen, doch von beiden war weit und breit keine Spur. Es macht mich schrecklich traurig, dass ich nicht einmal die Chance bekommen habe, mich von meiner besten Freundin zu verabschieden.

"Du bist bestimmt viel schneller wieder hier, als du es dir erhoffen kannst" versucht Luke mich aufzumuntern. Auch wenn ich seine Worte nicht immer sofort glauben kann, muss ich zugeben, dass er trotzdem ziemlich gut darin ist. Durch sein positives Denken, lässt er auch andere wenigstens etwas Licht am Ende des Tunnels sehen. Und wenn es nur der kleinste Funken ist, ist er trotzdem da.

"Bitte versprich mir, dass du mich ganz bald besuchen kommt"  sage ich und bleibe direkt vor Luke stehen und sehe ihm in die Augen. "Ich verspreche dir hoch und heilig, dass ich dich so schnell ich kann besuchen werde"  verspricht mir Luke, während er seine Hände um meine Hüften legt und mich an ihn zieht. "Ich liebe dich so sehr und ich vermiss dich jetzt schon" gestehe ich Luke. "Ich liebe dich noch viel mehr. Aber du musst mich nicht vermissen, da ich nie weg sein werde. Ich bin immer bei dir, egal wie weit wir voneinander entfernt sind" entgegnet Luke und lächelt mich liebevoll an.

Ich küsse Luke um ihm zu zeigen, wie überglücklich und zugleich unendlich traurig ich bin. Der Kuss ist deshalb voller Liebe, Sehnsucht und Leidenschaft. 

"Ich will euch zwei ja nicht stören, aber wir müssen losfahren" unterbricht uns mein Vater. Wenn Blicke töten könnten, wäre er jetzt tot. Was erlaubt er sich eigentlich so einen magischen Moment zu zerstören? Ich weiß nicht, wann ich wieder in Lukes Armen sein werde und ihn wieder so küssen kann. Mein Vater weiß dies nur zu gut und trotzdem ist er so unverschämt und stört uns. 

"Spar es dir einfach" sage ich schlich, bevor ich Luke an der Hand nehme und ihn hinter mir aus dem Haus führe. Von meinem Zimmer habe ich mich bereits verabschiedet. Von unserem Haus verabschiede ich mich, indem ich davor stehe, es noch einmal von oben nach unten und von rechts nach links betrachte und ein leises "Tschüss" murmle.

Ohne mich noch einmal zu meinen Eltern umzudrehen, steige ich in Lukes Auto und knalle die Türe hinter mir zu. Das Auto tut mir etwas leid, da es nicht dafür kann, dass ich so wütend auf meine Eltern bin, aber ich kann einfach nicht anders. Wie soll ich meine Emotionen denn ausdrücken? Ich kann nicht alles in mich hineinfressen, so bin ich einfach nicht. So war ich noch nie und so werde ich auch niemals sein. Das will ich zumindest hoffen. 

"Kann ich losfahren?" fragt mich Luke und lächelt mich erneut liebevoll an. Ich nicke leicht und nehme meinen Blick nicht von meinem Freund. "Ich liebe dich" sage ich leise, aber ich weiß, dass Luke die Worte gehört hat. "Ich liebe dich auch" erwidert er, bevor er den Motor startet und losfährt. Die Dreiviertelstunde Autofahrt zum Flughafen beginnt. Die letzte Dreiviertelstunde, die ich gemeinsam mit meinem Freund verbringen kann. Die letzte Dreiviertelstunde, die ich zu genießen versuchen muss.  

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"Ich würde behaupten, jetzt heißt es Abschied nehmen" sage ich leise, nachdem Luke sein Auto auf dem Flughafenparkplatz geparkt hat. Dieses Mal merke ich sofort, dass mir eine Träne die Wange hinunter kullert. Ich kann und will auch die nachfolgenden Tränen nicht unterdrücken, sie müssen raus. "Nein" ist alles, was Luke entgegnet, bevor er aus seinem Auto aussteigt und mich weinend sitzen lässt. Einen Moment später jedoch öffnet sich die Beifahrertüre und Luke steht vor mir. Ich schnalle mich ab und lasse mich in seine Arme fallen.

"Ich bleibe hier, bis dein Flieger abhebt" flüstert Luke mir ins Ohr, während er mich in seinen Armen hält und mir sanft über den Rücken streichelt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bleibe einfach in Lukes Armen und versuche den Moment in meinen Gedanken abzuspeichern. Ich werde ihn niemals vergessen. Genau wie die anderen unzähligen, wunderschönen Momente, die ich mit Luke verbringen durfte.

"Mel!" höre ich plötzlich eine mir nur allzu bekannte Stimme. Ich löse mich langsam aus Lukes Armen und drehe mich um. Mein Blick fällt sofort auf sie, wie sie alle drei nebeneinander stehen: Liz, Emily und Ashton. Sie sind gekommen und so schön die Überraschung auch ist, ist es das letzte, mit dem ich gerechnet hätte. 

"Oh mein Gott" sage ich und wische die Tränen aus meinen Augen. Ich renne auf die drei zu und lasse mich direkt in die Arme meiner besten Freundin fallen. Wie Luke es heute schon so oft getan hat, umarmt sie mich fest und sagt für eine Weile gar nichts. Solche Momente brauchen keine Worte. Taten können manchmal so viel mehr aussagen. 

"Ich werde dich so schrecklich vermissen, aber wir werden telefonieren, schreiben, skypen und uns so oft es nur geht besuchen" beginnt Emily, typisch für sie, loszuplappern, nachdem wir uns voneinander gelöst haben. Automatisch muss ich lächeln, mir bleibt gar nichts anderes übrig. Das ist meine beste Freundin, die es schafft es mich mit ihrer Art zum Lächeln zu bringen, egal wie aussichtslos die Situation auch sein mag.

"Das werden wir" stimme ich ihr zu. Als nächstes wende ich mich Liz zu, die neben Emily steht und mich anlächelt. "Danke nochmal für alles" sage ich und umarme sie herzlich. Liz ist eine unbeschreibliche Frau. Ich wünsche mir wirklich, ich hätte so eine tolle Mutter wie sie es ist. Aber Luke hat sie als Mutter und dies muss genügen, denn ich habe Luke und damit auch Liz in. Und ich werde Luke behalten, egal was kommt. "Für dich werde ich alles versuchen, Kleine. Du gehörst zur Familie" entgegnet Liz und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.

Nachdem ich mich von Liz gelöst habe, ist Ashton der letzte, von dem ich mich noch verabschieden muss. Ich habe noch nicht allzu oft mit Ashton zu tun gehabt, aber er war für mich da, als ich ihn am meisten gebraucht habe. Ich weiß auch, dass er immer für Luke und Emily da sein wird. "Pass bitte auf Emily und Luke auf" flüstere ich ihm ins Ohr, als ich ihn umarme. "Ich verspreche es dir" flüstert er ebenso leise, damit nur ich es hören kann. Mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen löse ich mich von ihm.

"Ihr werdet mir alle so schrecklich fehlen" sage ich und wische mir die Tränen aus den Augen, die ununterbrochen hinunterfallen. "Du uns auch" entgegnet Emily sofort und wischt sich ebenfalls Tränen aus den Augen. Als Ashton dies sieht, nimmt er Emily in den Arm und tröstet sie. Ein letztes Mal umarme ich drei, bevor ich zu Luke. Dieser stand die ganze Zeit über ein paar Schritte hinter mir. 

Ich kuschle mich an meinen Freund und winke den Dreien, die extra für mich gekommen sind, zu und mache mich gemeinsam mit Luke auf den Weg zurück zum Auto. Dort nehmen wir mein Gepäck aus dem Kofferraum und machen uns gemeinsam mit meinen Eltern auf den Weg in den Flughafen. Als ich mich zu noch ein letztes Mal zu meiner Überraschung umdrehe, sehe ich, dass sie wie angewurzelt immer noch an der selben Stelle stehen und mir hinterher winken.

"Ich liebe euch" rufe ich Emily, Liz und Ashton zu, bevor ich mich endgültig umdrehe und den Flughafen betrete. Ich werde sie so schrecklich vermissen. Ich kann es gar nicht beschreiben.

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