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„Nuala Amy Delco. Willst du mir sagen, dass du den Frauenschwarm schlechthin durchkneten durftest?"

Elly tigerte nach ihrem gemeinsamen Brunch an einem sonnigen Tag durch Nuala's Zimmer und Nuala war sich sicher, dass ihre Freundin dabei einen ungläubigen Gesichtsausdruck trug.

„Würdest du dich bitte setzen? Erstens machst du mich ganz nervös und zweitens werde ich es dir nicht schneller sagen", bat sie ihre Freundin.

Sie spürte, wie sich das Bett links von ihrem Sitzplatz senkte und sah in die Richtung, in der sie Elly vermutete. Ihre Freundin hatte sich schon längst daran gewöhnt, dass sie zwar meistens zu ihr schaute, ihr dabei jedoch nicht direkt in die Augen blickte – wie sollte das auch gehen, wenn Nuala nicht sehen konnte, wohin sie sah.
Mit Fremden dagegen fühlte sie sich jeweils etwas unwohl. Augenkontakt galt als höflich und sie konnte dies nicht bieten. Gerade, weil sie trotz Blindheit die Augen offen hatte und Menschen dann denken konnten, dass sie sehend war, wenn sie nicht gerade ihren Blindenstock bei sich hatte.

Es war zwar nicht einfach, aber sie musste sich immer wieder sagen, dass dies nunmal so war und wohl die wenigsten Leute noch daran dachten, sobald sie herausgefunden hatten, dass ihr Gegenüber dies nicht mit Absicht tat.

„Nun erzähl schon!", drängte Elly ungeduldig.

„Na, was glaubst du denn? Du weißt ganz genau, dass mich sein Status einen Müll interessiert und ich wäre sogar beinahe darum rum gekommen, ihn zu massieren", versuchte sich Nuala aus der Befragung zu ziehen.

Ihre Freundin quietschte und klatschte einige Male schnell.

„Und wie war er? Ich meine, war er so gut gebaut, wie man ihn sich vorstellt und war er so charmant, wie er in Interviews immer rüberkommt?", bohrte sie weiter.

Seufzend antwortete Nuala: „Elly, du weißt, dass ich absolut keine Vergleichspunkte habe. Ich weiß weder, wie er aussieht, noch kenne ich irgend einen Charakterzug von diesem Mann. Ich kann dir also nur sagen, wie ich ihn im Studio wahrgenommen habe. Da ich ebenfalls weiß, dass du keine Ruhe geben wirst, ehe ich dir das Erlebnis erzählt habe, kann ich dir sagen, dass er tatsächlich überraschend freundlich und charmant war – wenn er nicht gerade aufstöhnte ..."

„Uhh, Nuala!"

„Nein, Elly, nein. Du weißt genau, wie ich das gemeint habe", stellte die Blonde richtig. „Er war echt verspannt und ich musste ziemlich viel Druck ausüben. Aber ja, um deine erste Frage zu beantworten; er ist ziemlich gut trainiert."

Wieder quietschte ihre Freundin und hopste auf dem Bett auf und ab.
Nuala musste über diese – in ihren Augen – vollkommen übertriebene Reaktion lachen und dachte wie schon so oft an letzte Woche zurück, als sie den begnadeten Sänger unter ihren Händen gehabt hatte.

Es ging ihr einfach nicht aus dem Kopf, wie lieb er gewesen war. Wie er so nahbar und absolut nicht abgehoben war und sie ehrlich interessiert über ihre Behinderung ausgefragt hatte. Es hatte alles so gar nicht in ihr Bild von ihm gepasst, das sie sich über die letzten Jahre und mithilfe der Medien gemacht hatte. Sie hatte ihn sich arrogant und überheblich vorgestellt. Ein Star, der sich das nahm, was er wollte, egal, was es kostete und sich ganz sicher nicht um Nobodies wie sie scherte. Schließlich war keine Kamera dabei, der er ein Saubermann-Image vorspielen musste.
Das alles hatte sie so lange von ihm und allen anderen Berühmtheiten gehalten, dass es nun schwierig war, ihre Ansicht zu korrigieren.

„Er hat von seiner Mutter gesprochen", kam es deshalb von Nuala und sie wusste, dass sie sich wohl einen verwirrten Blick ihrer Freundin einfing.

„Ok. Und warum ist das wichtig?", hörte sie Elly neben sich.

Nuala stand auf und ging zum Fenster. Nicht, um die Natur dahinter zu bestaunen, aber sie brauchte ab und zu den Lichteinfall und die Helligkeit, denn, was viele nicht wussten, war, dass sie trotz allem Licht von Dunkelheit unterscheiden konnte. Sie sah Schatten und Lichteinfälle. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

„Es war einfach so überraschend. Ich höre mich vermutlich vollkommen blöd an, aber ich hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass er so offen darüber spricht."

„Hmm... merkt da vielleicht jemand, dass Vorurteile meist eben nur das sind? Vorschnell gefällte Urteile?", neckte Elly. „Wenn du dir ab und zu mal ein paar Interviews anhören würdest, wüsstest du, dass er seine Mutter über alles liebt und ..."

Nuala drehte sich zu ihrer Freundin und sah sie auffordernd an.

„Nein, ich halte meinen Mund von jetzt an."
Nuala konnte sie schmunzeln hören und wollte schon fragen, woher diese plötzliche Zurückhaltung kam, als Elly fortfuhr: „Du bist eine Jungfrau im Bereich 'One Direction' und ich finde, du solltest diese Dinge nicht von mir erfahren. Neben meiner Meinung, dass ich nicht wirklich allzu stolz darauf bin, was ich alles von meinen Stalking-Trips weiß, bin ich der Auffassung, dass du diese Dinge selber in Erfahrung bringen solltest. Am besten durch Gespräche mit Harry selbst."

Nuala schüttelte lachend den Kopf und wollte schon fragen, wie sie darauf kam, dass sie erstens diese Dinge so brennend interessierten und zweitens ihn nochmal sehen würde, als sie selber merkte, wie sie gerne mehr über den Sänger erfahren wollte. Jetzt, wo sie zugeben musste, dass er so ganz anders war, als sie gedacht hatte.

„Versuch es gar nicht erst abzustreiten. Ich weiß ganz genau, dass er sich in deinen Kopf geschlichen hat. Niemand entkommt Harry Styles' Charme", meinte Elly und lachte.

„Aber das ist es ja genau. Was, wenn das einfach sein Charme ist? Was, wenn das alles zu einer Maske gehört, die er trägt?", sprach sie die Gedanken aus, die sich trotz all den positiven Entdeckungen immer wieder in ihren Kopf schlichen.

„Nun, ich würde sagen, da gibt es nur einen Weg, um das rauszufinden, oder?"

Sie wusste, dass ihre Freundin jetzt schelmisch grinste und schmunzelte deshalb ebenfalls.

„Was hast du schon zu verlieren? Entweder, du wirst in deiner überaus schlechten und wenn's nach mir geht viel zu ungnädigen Meinung von diesem Menschen bestätigt, oder er überrascht dich."

Nuala stellte sich vor ihre Freundin und meinte: „Elly, du hörst dich so an, als würde ich mit ihm ausgehen und eine Beziehung eingehen. Das ist absurd."

„Never say never."

Nuala lachte abermals auf und schüttelte den Kopf, während sie Elly anhand von Handbewegungen klar machte, dass sie einen Vogel hatte.

„Ich würde sagen, wir lassen das Thema. Harry Styles ist ein Weltstar, der sich zufällig in das Massagestudio, in dem ich arbeite, verirrt hat. Kein Grund also, irgendwas darauf zu bauen. In wenigen Tagen fängt sein crazy Alltag wieder an und spätestens dann hat in seinem Leben und Kopf wohl nichts Anderes als seine Konzerte und so weiter Platz.
Es war eine Lektion für mich, zu sehen, dass meine Vorurteile wohl doch zu schnell gebildet waren, aber mehr muss man einer zufälligen Begegnung auch nicht zuschreiben, oder?"

„Wenn du meinst", kam es von ihrem Bett her und Nuala lächelte.

Ihre Freundin war in dieser Hinsicht hoffnungslos romantisch – sie sah in jeder noch so kleinen und unbedeutsamen Begegnung zwischen Nuala und einem Mann direkt eine aufkeimende Beziehung.

„Hast du Lust auf ein Eis?", fragte Nuala und erntete ein euphorisches 'Ja' ihrer besten Freundin, mit der sie darauf mit einem eingehaktem Arm und dem Himbeer-Eis in der anderen Hand durch die Straßen Londons ging.

Zurück im Massagestudio musste sie sich einer erneuten Befragung stellen. Estelle wollte dasselbe wissen wie Elly und Nuala stand ihr geduldig Rede und Antwort.
Und grade als sie mit der Erzählung fertig war, entkam ihren Lippen ein Fluchwort, das sie sehr selten gebrauchte.

„Was ist los?", wollte Estelle wissen.

Unbehaglich wechselte Nuala ihr Gewicht von dem rechten Bein auf das linke.

„Ich habe vergessen, Macy zu fragen, von Harry ein Foto zu machen", gestand die Blonde und sah entschuldigend in die Richtung ihrer Arbeitskollegin.

„Mach dir keinen Kopf. Ich hab mir schon gedacht, dass du nicht mehr dran denkst", hörte sie Macy neben sich.

„Oh Macy, danke dir. Und bitte entschuldige Estelle, dass ich das vergessen habe."

„Alles gut. Selbst wenn Macy kein Foto gemacht hätte, wäre ich dir nicht böse. Er ist dir nicht wirklich wichtig, weshalb solltest du dich dann erinnern, ein Foto zu machen? Wie gesagt, ich bin dir nicht böse", erwiderte Estelle und Nuala merkte, wie ihre Ohren rot wurden.

„Außerdem habe ich meine verpasste Chance, ihn zu massieren, doch noch bekommen", fügte sie an.

„Was?", fragte Nuala, sicher, dass sie sich verhört hatte.

„Harry. Er war vorgestern nochmals hier und sagte, er würde deinen Rat befolgen und sich nochmals massieren lassen", erklärte Macy.

Er war nochmals hergekommen? Damit hatte Nuala nun definitiv nicht gerechnet. Ja, sie hatte ihm geraten, noch weitere Massagen zu buchen, aber sie war davon ausgegangen, dass er dies in seiner Heimatstadt machen würde.

„Als er fragte, ob er wieder von dir massiert werden würde, musste ich ihm leider mitteilen, dass du den ersten deiner beiden freien Tage hättest. Ich glaube, er war ein bisschen enttäuscht", fuhr Macy mit einem Grinsen fort.

„Er wirkte ein bisschen nervös, als er nach dir fragte", fügte Estelle an und Nuala wusste, dass sie nun von beiden prüfend angeschaut wurde.

„Mhm ... Stars sind doch auch nur Menschen, oder?", fragte sie und versuchte damit, ihr Unbehagen zu überdecken und die beiden in eine andere Richtung zu locken.

„Ich weiß nicht", meinte Estelle. „Klar, sie sind Menschen, aber sie sind eben schon anders. Sie haben Unmengen an Geld, Möglichkeiten, die den meisten von uns verwehrt bleiben, einen Status, den man nicht wegreden kann und meistens ein ziemlich hohes Selbstbewusstsein."

„Hm", machte Nuala und versank in ihren Gedanken über Stars, ihre Meinung von ihnen und Harry.

„Nun, ich muss gehen. Tom möchte noch das Geburtstagsgeschenk für Mara kaufen, bevor wir sie von der Schule abholen", meinte Estelle und umarmte sowohl Nuala als auch Macy zum Abschied.

„Marc hatte bereits einen strengen Morgen und auch jetzt hat er bereits seinen dritten Kunden am Stück seit seiner Mittagspause", klärte Macy ihre Arbeitskollegin auf und fügte an, dass auch Nuala in 15 Minuten ihre erste Kundin hätte, worauf diese sich direkt in ihren Massage-Raum begab, um alles vorzubereiten.

Der Rest des Tages verging superschnell. Nuala hatte das Gefühl, dass alle Londoner unbedingt heute eine Massage brauchten und sowohl Marc als auch sie selber auf Trapp hielten.
Um halb acht Uhr abends zog Nuala die Tür zu ihrem Arbeitsplatz zu und verabschiedete sich mit einem müden 'Bis morgen' bei Macy, die ihr eine erholsame Nacht wünschte.

Völlig kaputt von der ganzen Handarbeit, die sie heute hatte machen müssen, entschied sie sich, Elly für den Pubbesuch, den sie noch für heute Abend abgemacht hatten, abzusagen. Das Einzige, was sie jetzt noch zu Stande brachte, war, sich ein Bad einzulassen und mit einem guten Buch in dem warmen Wasser zu entspannen.
Glücklicherweise war ihre Freundin verständnisvoll und somit stand ihrem meistgeliebten Abendprogramm nichts mehr im Weg.

***

Der nächste Tag brachte nach den vielen sonnigen Sommertagen nun doch noch den für England typischen Regen, doch Nuala störte das nicht sonderlich. Solange es kein Gewitter war, konnte ihrer Meinung nach jedes Wetter herrschen. Ihrer Ansicht nach brauchte man bloß richtig gekleidet zu sein, damit einem das Wetter grundsätzlich egal sein konnte.
So flocht sie also ihre hellen Haare in einen Zopf und tastete nach ihrem türkisfarbenen Regenmantel mit Kaputze, den weiss gepunkteten türkisenen Gummistiefeln und dem Blindenstock ehe sie die Wohnungstür hinter sich zuzog und sich die Kapuze über den Kopf zog.

Ohne größere Zwischenfälle kam sie nach dreißig Minuten bei ihrem Arbeitsplatz an und hing ihren Regenmantel direkt in ihren Schrank. Sie zog sich ihre weißen Hosen mit dem hellgrünen T-Shirt und den hellgrünen Birkenstock-Sandalen an, nachdem sie Macy begrüßt hatte und sich hatte sagen lassen, dass heute Morgen keine einzige Massage im Voraus gebucht worden war.
Danach ging sie wieder zurück zu ihrer Arbeitskollegin an der Empfangstheke und unterhielt sich mit ihr über die anstehenden Ferien in Barcelona, die Macy von ihren Eltern auf ihren letzten Geburtstag geschenkt bekommen hatte.

„Nein, ich habe noch keine Ahnung, was ich dort alles machen werde. Viel Sightseeing und Shopping, das ist klar", beantwortete sie lachend Nualas Frage nach ihrem Ferienprogramm für die acht Tage.

„La Sagrada Família ist ein Muss und auch der Font Màgica am Plaça de Espanya ist absolut empfehlenswert. Mein Besuch der spanischen Hauptstadt ist zwar schon eine Weile her, aber das heißt auch, dass ich die atemberaubende Größe des Doms und das bezaubernde Schauspiel des Brunnens noch sehen konnte und dir somit eine zuverlässige Empfehlung geben kann", ereiferte sich Nuala, was ihrer Arbeitskollegin abermals ein Lachen entlockte.

„Ich werde mir diese beiden Dinge auf jeden Fall merken. Die hören sich super an. Ich hoffe nur", fügte Macy mit etwas gesenkter Stimme an, „dass Monica nicht allzu anstrengend sein wird."

„Ach was. Wenn sie unsere Umsatzzahlen direkt am ersten Tag hier checkt, wird sie vor Freude wohl wenigstens 'guten Morgen' sagen", entgegnete Nuala grinsend. „Außerdem sind es nur acht Tage, wovon ich mindestens zwei frei habe. Ich bin mir sicher, dass wir es überleben werden."

Monica war die Inhaberin des Massage-Salons und trat meist mit sehr mürrischer Miene auf, was ihre sporadischen Pflichtbesuche in ihrem eigenen Business für gewöhnlich eher spannungsgeladen als entspannend ausfallen ließ. Nuala und ihre Arbeitskollegen witzelten immer mal wieder, dass sie wohl selber eine Massage gebrauchen könnte, aber bis jetzt hatte noch niemand den Mut gehabt, diesen Vorschlag ihrer Chefin zu unterbreiten.

Beide kicherten, ehe Nuala hörte, wie die Eingangstür sich öffnete und nach wenigen Sekunden wieder schloss. Da sie an die Theke lehnte und somit ziemlich nahe bei Macy stand, konnte sie deren Schnappatmung ausmachen und wollte die Braunhaarige schon fragend ansehen, als die Person die beiden mit einem tiefen, fröhlich klingenden 'guten Morgen' begrüßte.
Irgendetwas in Nualas Hirn arbeitete auf Hochtouren, doch sie konnte nicht sagen, welcher Teil es war.

Das war, bis Macy ihre Stimme wieder gefunden hatte und den Kunden höflich, wenngleich etwas atemlos ansprach: „Guten Morgen Herr Styles, Ihre Verspannungen müssen ja sehr schmerzhaft sein, dass sie Sie um diese Uhrzeit bereits zu uns führen."

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Tududuuuuuum!! ;-P

Hier hätten wir den lieben Mister Styles wieder.
Ihr habt nicht wirklich gedacht, ich lasse ihn in diesem Kapitel außen vor, oder? ^^

Was sagt ihr zu seinem dritten Besuch innerhalb zwei Wochen?

Was denkt ihr, wird noch alles passieren?

Ich bin neugierig auf eure Meinungen :-)

Glg
Eure StephVi

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