Kapitel 76 - Atimis

Als Ikinngut schließlich anhielt und sich wieder umwandte, sodass sie in die Richtung sehen konnten, aus der sie gekommen waren, erkannte Atimis zunächst nichts außer dem weiten, offenen Meer. Hatten die Meereslebewesen ihr Versprechen gebrochen und waren verschwunden? Nein, das glaubte er eigentlich nicht. 

„Sieh mal!", rief Rilsa auf einmal und deutete mit ausgestrecktem Finger in Richtung Himmel. Atimis folgte ihrem Blick und als er erkannte, was sie meinte, zog er erschrocken die Luft ein. Denn dort oben am Himmel, sicherlich fünfzig, sechzig Meter über dem Boden schwebte eine riesige Metallplatte mit einer ganzen Reihe an Zelten darauf. 

„Die Androiden. Das meinte Kelsa damit, dass sie sich in Sicherheit bringen wollen", brachte er hervor und traute seinen Augen kaum. Anscheinend hatten die Androiden es geschafft, ihre komplette Siedlung auf einer Platte zu bauen, die in die Luft aufsteigen konnte. Rilsa lachte. 

„Sie sind genial!", rief sie aus und auch wenn die Androiden Rilsa verstoßen hatten, spürte er, dass sie stolz darauf war, ebenfalls eine Androidin zu sein. 

„Ich werde die Landbewohner nie verstehen. Wieso können sie nicht einfach im Einklang mit der Natur leben, ohne ständig irgendwelchen technischen Raffinessen zu erfinden, die mehr Opfer fordern als sie Gewinn bringen?", fragte Ikinngut missmutig, doch bevor Atimis nachfragen konnte, was genau er denn damit meinte, sah er auf einmal eine Bewegung im Wasser. 

Es wirkte, als würde sämtliches Wasser von ihnen weg hin in Richtung Land gezogen werden. Aufgeregt fing sein Herz an zu klopfen und er spürte sogar bis hier den Sog, der davon ausging. 

„Es geht los", sagte Rilsa leise und klang dabei genau so aufgeregt, wie er sich fühlte. Dann sah er, wie sich die Welle langsam aufbaute. Er wusste, dass das Wasser sich alles andere als langsam bewegte, aber allein aufgrund der schieren Menge wirkte es, als würde es sich langsam bewegen. 

Die Welle baute sich auf und rollte auf das Land zu, wobei sie größer und größer wurde. Atimis hielt den Atem an und umarmte Rilsa fester. Sie legte ihre Hände auf seine und er spürte, dass sie zitterte. 

„Ich kann nicht glauben, dass es wirklich passiert", sagte sie, was ihn nicken ließ. Ehrfürchtig beobachteten sie, wie sich die Welle immer weiter in Richtung Land schob, bis Ikinngut sich wieder in Bewegung setzte. Beinahe wäre Atimis heruntergerutscht und schaffte er so gerade noch, sich an seiner Finne festzuhalten. 

„Wir sollten seitlich zurück an Land schwimmen. Die ausgelöste Strömung ist zu stark", sagte er und schwamm nun parallel zu der ausgelöste Welle. Atimis vertraute ihm, doch gleichzeitig musste er an Laskina und die anderen denken. Hatten sie es rechtzeitig geschafft, sich in Sicherheit zu bringen? Würden sie sie wiedersehen? Es schüttelte ihn und er war unendlich froh, dass Rilsa ihn begleitete. Auch wenn es vielleicht ein wenig egoistisch klang, er wollte sie am meisten von allen retten.

************************

Atimis wusste nicht, wie lange Ikinngut sie durchs Meer getragen hatte, aber irgendwann gelangten sie wieder an Land. Ihm war sofort klar, dass er hier an einer Stelle war, an der er noch nie gewesen war. Ikinngut ließ sich halb an den Strand spülen, sodass sie bequem absteigen konnten.

Als Atimis von ihm herunterglitt, platschten seine Füße ins Wasser. Er hielt Rilsa die Hand hin, um ihr herunterzuhelfen, was sie dankend annahm. Anschließend wandte er sich an den Orca. 

„Vielen Dank, Ikinngut. Wir wissen deinen Einsatz und den der anderen Meereslebewesen sehr zu schätzen", sagte er und senkte den Kopf. 

„Gern geschehen. Lasst euch doch mal am Strand blicken. Ich werde euch demnächst besuchen kommen", sagte er, dann verschwand er wieder in den Tiefen des Meeres. 

Rilsa lachte und winkte und auch Atimis hob die Hand. Ikinngut sprang noch einmal aus dem Wasser, dann war er endgültig verschwunden. 

Rilsa griff nach seiner Hand und zog ihn einige Schritte vom Wasser weg. 

„Komm, sehen wir uns um. Wir müssen die anderen finden", sagte sie und zog ihn weiter. Erst jetzt sah Atimis sich genauer um und erkannte die Hügelkette links von sich. Hinter dieser musste das besiedelte Gebiet liegen, zumindest die Randgebiete, die hoffentlich von der Welle verschont geblieben waren. Auch hier wuchs hüfthohes Gras und nach der langen Zeit im Wasser fühlte er sich gut an, das Gras unter den Füßen knirschen zu hören. 

„Wir müssen über die Hügel", sagte er und Rilsa nickte. 

„Ja, wenn mich meine Orientierung nicht täuscht, hätte ich das auch vermutet. Also los, wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte sie, beschleunigte ihre Schritte und führte ihn zielsicher in Richtung der Hügel. 

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top