Kapitel 51 - Atimis
Fassungslos sah Atimis Laskina nach, wie sie zurück ins Haus eilte. Sein Herz krampfte sich zusammen, denn dieses Mädchen kam ihm ganz und gar nicht vor wie die Laskina, die er kannte.
Sicherlich hatte sie noch nie gut gefunden, dass er eine Rebellion in Erwägung zog, aber sie musste doch begreifen, dass sie nur so die Situation der Niederen Lebewesen verbessern konnten.
„Komm, wir sollten uns zurückziehen", hörte er Tessinas Stimme nah bei seinem Ohr. Erst da bemerkte er, dass sie noch immer auf seinen Schultern lag. Atimis seufzte.
„Ja, du hast recht", murmelte er, wandte sich zu den anderen um und sah in ihre ausdruckslosen Gesichter. Rilsa hatte die Arme vor der Brust verschränkt und wich seinem Blick absichtlich aus, so als wäre ihr die ganze Situation unangenehm.
Noch einmal sah Atimis über die Schulter zurück zum Haus, doch Laskina war verschwunden. Nur Generis, der Gorilla-Junge stand noch dort und trat unschlüssig von einem Bein auf das andere.
„Ihr könnt euch hier verstecken. Hier werden die Elstern nicht nach euch suchen", sagte dieser auf einmal so leise, dass Atimis für einen Moment glaubte, er hätte es sich eingebildet. Doch als auch Rilsa und Kosiris die Blicke auf ihn richteten, wurde ihm bewusst, dass Generis sich tatsächlich mit ihnen zusammentun wollte.
„Ich kenne einen kleinen Schuppen, in den Ethonis so gut wie nie hineingeht. Dort seid ihr sicher und ich kann euch mit Essen versorgen, bis ich die Waffen und Werkzeuge von Ethonis besorgt habe", fuhr er fort, kam einige Schritte näher zu ihnen und sah jeden von ihnen der Reihe nach an. Atimis Herzschlag beschleunigte sich, denn auch wenn sie Laskina nicht für ihre Sache hatten gewinnen können, schien Generis ein aufrichtiger Verbündeter zu sein.
„Wieso sollten wir dir trauen?", warf Tessina ein, was Generis nicken ließ.
„Ich möchte ebenso wie ihr, dass sich das Leben für die Niederen Lebewesen verbessert. Auch wenn ich hier in einem geschützten Raum lebe, ist es dennoch ein Gefängnis", antwortete er und auch wenn Atimis nur zu gut wusste, dass Generis niemals das wahre Elend in den Slums kennengelernt hatte, wirkte er aufrichtig.
„Ich vertraue ihm", sagte Kosiris mit seiner tiefen, Respekt einflößenden Stimme. Atimis nickte langsam und aus dem Augenwinkel sah er, wie auch Rilsa eine zustimmende Kopfbewegung machte. Nur Tessina schien nicht einverstanden zu sein, doch sie schwieg.
„Gut. Zeige uns den Schuppen", sagte Rilsa bestimmt und unfreundlicher als nötig, doch Generis nickte, machte eine Handbewegung, die ihnen bedeutete, dass sie ihm folgen sollten und setzte sich in Bewegung.
Atimis folgte ihm an Rand des Grundstücks entlang, verborgen im Schatten der dichten Hecke. Hinter ihm ging Rilsa, er hörte ihren aufgeregten Atem. Als er sich nach ihr umsah, bemerkte er, dass ihr Gesicht blass war und sie merkwürdig kränklich wirkte.
„Ist alles in Ordnung?", fragte er leise, woraufhin sie sofort nickte.
„Ich... ich habe nur ein etwas mulmiges Gefühl bei der ganzen Sache. Aber es ist im Moment unsere einzige Möglichkeit", flüsterte sie zurück und beschleunigte ihre Schritte, bis sie zu ihm aufgeschlossen hatte.
„Ich meine... es war ein Risiko, sich den beiden anzuvertrauen und ich werde das Gefühl nicht los, dass Laskina uns verraten könnte", sagte sie, was Atimis Herz einen Schlag lang aussetzen ließ.
„Nein, das würde sie nicht tun", sagte er nervös, denn auch wenn Laskina es vorzog, mit einem Hohen Menschen zusammen zu sein anstatt mit ihm, konnte er sich nicht vorstellen, dass sie so voller Abscheu ihm und seiner Idee gegenüber war, dass sie ihn verraten würde.
„Hoffen wir es", murmelte Rilsa, verschränkte wieder die Arme vor der Brust und richtete den Blick auf Generis, der gut getarnt in den Schatten vor ihnen herging. Er führte sie ein ganzen Stück an der Hecke entlang, bis er schließlich vor einem kleinen, aus Holzlatten gezimmerten Schuppen stehen blieb.
„Hier ist es", sagte er, zog an dem Griff an der Tür und öffnete sie. Drinnen herrschte absolute Dunkelheit und ein muffiger Geruch stieg ihnen entgegen.
„Wie gesagt, Ethonis benutzt diesen Schuppen nicht mehr", erklärte er und machte eine auffordernde Handbewegung. Rilsa neben ihm trat als Erste vor. Atimis beobachtete, wie sie an Generis vorbei ging und in dem dunklen Schuppen verschwand.
Keine Sekunde später wurde eine kleine Lampe angeknipst, die von der Decke baumelte. Als Atimis genauer hinsah, bemerkte er, dass es eine nackte Glühbirne war, die an einem Kabel von der Decke hing. Zögernd trat er einen Schritt näher und betrat schließlich den kleinen Schuppen.
Jede Menge Gerümpel stand in den kleinen Raum herum, alte Gartenwerkzeuge und solche Dinge.
„Vielen Dank. Bis wann kannst du uns die Werkzeuge und Waffen besorgen?", fragte Rilsa sehr direkt und Atimis sah, dass Generis ein wenig nervös wurde. Sein Blick wanderte von links nach rechts und er fing tatsächlich ein wenig an zu zittern.
„Ich weiß es nicht. Ich gebe mein Bestes und werde es direkt morgen versuchen. Ich komme nächste Nacht noch einmal hier her und berichte euch", versprach er, dann senkte er für eine Sekunde den Blick auf den Boden, bevor er leise wie ein Schatten verschwand.
Endlich kam auch Kosiris in den Schuppen und schloss die Tür hinter sich.
„Uns wird nichts anderes übrig bleiben, als ihm zu vertrauen. Ich werde morgen noch einmal versuchen, Poseidon zu erreichen", sagte er, schlängelte sich durch das Gerümpel, bis er sich schließlich auf einer kleinen, freien Fläche zusammenrollte.
„Wir sollten alle ein wenig schlafen", fuhr er fort, woraufhin Tessina von Atimis Schultern herunterglitt und sich neben Kosiris legte. Er sah sich suchend nach einem Platz um, an dem er sich niederlassen konnte und entschied sich schließlich dafür, den Krempel ein wenig zur Seite zu schieben.
Möglichst leise schob er einen rostigen Rasenmäher beiseite, bis er genug Platz hatte. Er setzte sich auf den Boden und sah zu Rilsa hoch, die noch immer unschlüssig dastand. Ihre Hände hatte sie in den Hüften gestemmt und sie wirkte nachdenklich.
„Leg dich auch etwas hin", sagte er zu ihr, was sie zusammenzucken ließ. Eilig zwang sie sich zu einem Lächeln, zog an der Kette, die die Glühbirne erlöschen ließ und seufzte. Atimis blinzelte, denn er war augenblicklich stockdunkel. Er spürte, wie Rilsa sich neben ihm niederließ, denn sie kam ihm dabei so nahe, dass ihre Schultern sich berührten. Atimis lehnte sich zurück, bis er eine einigermaßen gemütliche Position gefunden hatte und schloss die Augen.
Die nächtliche Stille hier war erdrückend und er hörte seinen eigenen Herzschlag in seinen Ohren rauschen. Rilsa seufzte leise und plötzlich spürte er, wie sie ihren Kopf an seine Schulter lehnte. Atimis ließ es zu, denn wenn sie so bequemer saß, war es in Ordnung.
„Schlaf schön", murmelte er leise, doch sie erwiderte nichts. Schon bald wurde ihr Atem ruhig und gleichmäßig und auch über Atimis legte sich eine bleierne Müdigkeit, die all die Erlebnisse und Empfindungen des vergangenen Tages in den Hintergrund drängte.
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