Kapitel 38 - Generis

Nein, nein, nein! Das durfte sie nicht getan haben, Laskina würde ertrinken. Generis versuchte mit aller Anstrengung, sich zu bewegen, aber es gelang ihm nicht. 

Emevra lachte, dann ging sie seelenruhig davon, als sei nichts geschehen. Als hätte sie nicht gerade einen Menschen, der sich nicht bewegen konnte, ins Wasser geworfen. 

Generis wurde panisch und gab seinen Gliedmaßen den Befehl, sich zu bewegen, aber nichts geschah. Noch immer schien das Gift ihn zu lähmen, auch wenn sein Verstand noch sehr gut funktionierte. Es musste ein anderen Gift gewesen sein, nicht das übliche, das die Nerven und das Gehirn lahmlegte. 

Er hörte, wie Emevra noch immer teuflisch lachte, doch dieses schreckliche Geräusch verebbte langsam. Offensichtlich verschwand sie, wohin auf immer. Hoffentlich geradewegs in die Hölle, dachte Generis und unternahm noch einmal den Versuch, sich zu bewegen. 

Tatsächlich fingen seine Gliedmaßen an zu kribbeln und er spürte, wie langsam wieder Gefühl hineinkam. Panik breitete sich in ihm aus, denn je länger er hier untätig herumlag, um sie unwahrscheinlicher wurde es, dass er Laskina noch retten konnte. 

Mit all seinen Kraftreserven schaffte er es endlich, sich mühsam aufzurappeln. Seine Beine fühlten sich weich und wacklig an, doch anscheinend hatte Emevra keine hohe Giftdosis verwendet. Generis Atem beschleunigte sich, als er zum Teich stolperte und panisch in das dunkle, unbarmherzig ruhige Wasser blickte. 

„Laskina", rief er, doch natürlich kam keine Antwort von ihr. Geistesgegenwärtig sprang er ins Wasser. Er musste sie retten, sie durfte nicht sterben. 

Das kühle Wasser schlug über ihm zusammen und noch immer ein wenig betäubt von dem Gift tauchte er. Unendlich schwer fiel es ihm, die Arme und Beine zu bewegen, doch er musste weiter tauchen. Suchend sah er sich um, doch es war schon recht dunkel hier unten, als würde das Sonnenlicht verschluckt werden. 

Endlich sah er sie, zwischen den seicht umher schwankenden Ranken einer Wasserpflanze. Generis tat noch einen kräftigen Zug, dann erreichte er Laskina. Sie war eindeutig nicht bei Bewusstsein, vollkommen reglos und träge hatte sie sich in der Pflanze verfangen. 

Eilig schlang er den Arm um sie und zog sie so schnell an die Oberfläche, wie seine geschwächten Muskeln es zuließen. 

Generis durchstieß die Wasseroberfläche und mit einem kräftigen Schwung katapultierte er Laskina aus dem Wasser heraus. Sie blieb regungslos auf der Wiese liegen, die Augen geschlossen. Generis drückte sich aus dem Wasser und beugte sich über sie. 

„Laskina, bitte. Bitte atme", flehte er und beugte sich dicht über ihr Gesicht. Einige angespannte Sekunden lang horchte er angestrengt, aber er vernahm eindeutig einen flachen, aber regelmäßigen Atem. 

Erleichtert atmete er auf, schob seine Arme unter ihren Körper und rannte so schnell er konnte in Richtung Haus. Ethonis musste irgendwo sein und ihr helfen, zumindest, wenn Emevra nicht auch ihn versucht hatte zu ermorden. 

Er bettete Laskina auf dem weißen Sofa, drückte kurz ihre Hand und hetzte die Stufen nach oben. 

„Ethonis! Wir brauchen Hilfe! Laskina!", schrie er, vollkommen aufgebracht. Außer Atem kam er schließlich im oberen Stockwerk des Hauses an und sah sich suchend nach Ethonis um. Alle Türen, die vom Flur abgingen, waren geschlossen und noch einmal rief er Ethonis Namen, doch er bekam keinerlei Reaktion. 

Kurzentschlossen stürzte er auf Ethonis Arbeitszimmer zu, in dem er die meiste Zeit verbrachte. Als Generis die Tür aufstieß und Ethonis auf dem Boden liegen sah, durchfuhr ihn ein Schock. Sein Adoptivvater lag auf dem Boden, genau wie Laskina regungslos und die Augen geschlossen. 

Generis kniete sich neben ihn und kontrollierte genau wie eben schon den Atem und wieder war er eindeutig zu vernehmen. Etwas unsanft rüttelte Generis an Ethonis Schultern, doch er rührte sich nicht. 

Was sollte er nun tun? Panisch sah er sich in dem Zimmer um, irgendetwas musste er hier doch geben, das die Wirkung des Giftes aufhob. 

„Generis", hörte er auf einmal eine leise, kratzige Stimme, die aber eindeutig von Ethonis gekommen war. Sofort war er wieder bei ihm und legte ihm stützend die Hand unter den Kopf. Ethonis Augen waren noch immer geschlossen, doch seine Lippen bewegten sich. 

„Schrank neben... Bett", brachte er hervor und sofort bettete er seinen Kopf wieder auf dem Boden und sprang auf, rannte ins angrenzende Schlafzimmer und dort zum Schrank. 

Er riss die Schubladen auf, bis er eindeutig die mit der Medizin fand. Es waren sauber aufgereihte Glasfläschchen und wahllos zog er einige heraus und betrachtete das Etikett, bis er schließlich eine mit der Aufschrift „Universelles Gegengift" fand. 

Mit pochendem Herzen hetzte er zurück zu Ethonis und drehte das Fläschchen auf. Er sog etwas der durchsichtigen Flüssigkeit mit der Pipette ein und träufelte er Ethonis auf die leicht geöffneten Lippen. Die Wirkung setzte sofort ein, denn nur wenige Augenblicke später blinzelte Ethonis holte schließlich tief Luft, bevor er sich ruckartig aufsetzte. 

Erleichtert sank Generis in sich zusammen, denn auch wenn Ethonis ein Hoher Mensch war und er ihn nicht immer gut behandelt hatte, war er ihm doch irgendwie wichtig. Allerdings fiel ihm wieder Laskina ein, die unten regungslos auf dem Sofa lag. Generis packte Ethonis Hand und zog daran. 

„Komm mit, Laskina braucht Hilfe", sagte er und zog ihn unsanft auf die Füße. 

„Was ist geschehen?", fragte Ethonis, mit einem Mal vollkommen klar. Noch bevor Generis antworteten konnte, rannte er los, immer zwei Stufen auf einmal nehmend die Treppen nach unten. 

„Sie wurde vergiftet und Emevra hat sie in den Teich geworfen", brachte Generis gequält hervor und spürte, wie gleichzeitig seine Kehle eng wurde. Hoffentlich war er nicht zu spät gewesen. 

Ethonis stürzte zum Sofa und kniete sich neben Laskina auf den Boden. In seinem Gesicht stand eindeutig Kummer und Sorge. Mit zitternden Händen öffnete er das Fläschchen mit dem Gegengift und flößte es ihr ein. Generis sank neben ihm nieder und senkte den Blick. 

„Es tut mir leid, Emevra hat auch mich mit dem Stich getroffen, ich konnte sie nicht schneller aus dem Wasser ziehen", sagte er leise, doch noch bevor Ethonis antworten konnte, fing Laskina an, unkontrolliert zu husten. 

Wasser spritzte aus ihrem Mund heraus und besudelte das weiße Sofa. Ethonis half ihr, sich ein wenig aufzurichten und fing an, ihr sanft durch das Haar zu streichen. 

„Laskina, Liebste", hauchte er, einerseits Erleichterung, gleichzeitig Angst in der Stimme. Laskinas Augen öffneten sich endlich und verwirrt sah sie sich um. 

„Was... wo bin ich?", krächzte sie und Generis spürte das drängende Verlangen in sich, sie fest in den Arm zu nehmen. Allerdings kam Ethonis ihm zuvor und legte unerwartet schnell und fest die Arme um Laskina, die einen überraschten Laut ausstieß, dann aber lächelte. Generis wandte ein wenig verlegen den Blick ab, doch dann wurde seine Aufmerksamkeit wieder auf Laskina gerichtet, die ihn mit einem eindringlichen Blick über Ethonis Schulter ansah. Als Generis den Blick erwiderte formte sie ein stummes „Danke" mit den Lippen und schloss für einen Moment ehrfurchtsvoll die Augen. Generis nickte ihr zu, erhob sich dann aber und verzog sich in sein Zimmer. 

Auch wenn er gern Zeit mit Laskina verbrachte, wusste er, dass sie nicht unbedingt seinetwegen zurückgekommen war. Anscheinend wollte sie tatsächlich mit Ethonis eine Verbundgemeinschaft eingehen und da wollte er sie bei der Zweisamkeit nicht stören. 

Er schlenderte zu seinem Bett und ließ sich darauf nieder, doch kaum dass er sich gesetzt hatte, rief Ethonis seinen Namen. Generis hob den Kopf und sah, dass Ethonis auf ihn zu kam. Laskina saß noch auf dem Sofa, offensichtlich noch ein wenig müde und gestresst von der ganzen Sache. 

„Was genau ist geschehen, mein Junge?", fragte Ethonis, betrat sein Zimmer. Sofort wurde Generis ein wenig nervös, denn sollte er die Wahrheit sagen, würde er Ethonis Verbundene – zumindest noch – schwer belasten. 

„Bitte, sag es mir, es ist wichtig", forderte er und setzte sich neben ihn in das Strohbett. Generis rutschte ein Stück beiseite, senkte den Blick auf seine Hände und überlegte, wo er am besten beginnen sollte. Dennoch wollte er, dass Emevra für das bestraft wurde, was sie getan hatte, denn das hatte sie eindeutig verdient. Noch einmal holte er tief Luft, dann berichtete er alles bis in kleinste Detail. 

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