Kapitel 37 - Generis

Nervös wartete Generis im Garten auf Laskina. Ethonis war schon eine ganze Weile unterwegs und sicherlich würden die beiden bald zurückkommen. Auch Emevra war wieder aufgetaucht, aber die hatte sich direkt nach oben in ihr Zimmer verzogen, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Vermutlich hatte auch sie inzwischen mitbekommen, dass zwischen Ethonis und Laskina eine eindeutige Verbindung bestand. 

Generis setzte sich ins Gras, griff nach dem Korb mit Feldfrüchten und aß sie genüsslich. Es erfüllte ihn mit Zufriedenheit, dass Emevra offensichtlich nicht mehr das Sagen hatte und er sich frei im Garten bewegen durfte, auch wenn niemand ihn beaufsichtigte. Was sollte er auch schon anstellen, das Anwesen war nicht nur von einem hohen Zaun umgeben, den es bereits schwer genug war, zu erklimmen, zusätzlich war er auch noch unter Strom gesetzt. 

Er blickte immer wieder zum Tor, das den Eingang zu Ethonis Grundstück kennzeichnete und lauschte angestrengt, bis er endlich die herannahende Kutsche hörte. 

Eilig sprang er auf, stellte den Korb mit Essen beiseite und rannte zum Tor. Gerade als die Kutsche hereinfuhr, kam er an und aufgeregt winkte er. Ethonis, der auf der Bank saß und die Kutsche steuerte erwiderte seinen Gruß. 

„Hallo, mein Junge!", rief er ausgesprochen fröhlich, was Generis als ein gutes Zeichen deutete. Hatte Laskina sich womöglich tatsächlich für eine Verbundgemeinschaft mit ihm entschieden? 

Ethonis sprang von der Bank herunter, wobei der Kies unter seinen Füßen knirschte und ging um die Kutsche herum und öffnete die Tür des Kutschwagens. Er hielt sie wie ein Gentleman auf und heraus kam Laskina, die offensichtlich geweint hatte. Ihre Augen waren verquollen und ihr hübsches Gesicht ganz fleckig. 

Sofort eilte Generis auf sie zu, doch bevor er sie erreichen konnte, legte Ethonis ihr den Arm um die Schulter und führte sie in Richtung Haus. 

„Generis, Laskina muss sich etwas ausruhen. Sie wird später zu dir kommen", sagte er und auch wenn Generis ihr gern Gesellschaft geleistet und sie getröstet hätte, nickte er. Ethonis führte Laskina in Richtung Haus und wie von allein folgte er ihr. 

Vielleicht würde sie sich im Wohnzimmer ausruhen, sodass er in ihrer Nähe sein konnte. Ethonis hielt Laskina den ganzen Weg über fest an sich gedrückt, seine Hand ruhte auf ihrer Taille. Da sie es zuließ und ihrem Gesicht nach zu urteilen, schien sie Ethonis Angebot tatsächlich annehmen zu wollen. 

Generis wusste nicht so recht, wie er dazu stand, denn einerseits freute er sich, wenn Laskina nun zur Familie gehörte und er sie jeden Tag sehen konnte, andererseits tat ihr Verbundener ihm leid. Außerdem war er sich nicht sicher, wie langanhaltend Ethonis Liebe zu ihr war. 

Er folgte den beiden ins Haus und schloss sorgsam die Tür hinter ihnen. Tatsächlich geleitete Ethonis Laskina aufs Sofa, wo sie sich mit einem Seufzen niederließ. Generis verzog sich in sein Zimmer, dennoch konnte er jedes Wort hören, dass die beiden sprachen. 

„Ruh dich aus. Heute musst du nicht arbeiten, wenn du nicht willst. Ich muss mit Emevra sprechen, sie ist oben", sagte er und Generis sah, wie Laskina erschrocken die Augen aufriss. 

„Keine Angst, sie wird dir nichts tun", versicherte er, doch Generis war sich da nicht so sicher. Dennoch nickte Laskina und sank in die weichen Kissen, sodass sie aus seinem Blickfeld verschwand. 

Wenige Augenblicke später erhob Ethonis sich und verzog sich eilig nach oben. Generis zögerte, entschied sich schließlich aber doch dazu, Laskina Gesellschaft zu leisten. Sicherlich brauchte sie jemanden zum Reden und er würde ihr ein offenes Ohr anbieten. 

Er ging zum Sofa und ließ sich davor auf dem Boden nieder. Als Laskina ihn bemerkte, lächelte sie. 

„Hallo Generis. Tut mir leid, dass ich dich nicht schon eben begrüßt habe", sagte sie, doch Generis winkte ab. 

„Schon in Ordnung. Du siehst erschöpft aus", erwiderte er, woraufhin Laskina einen Moment die Augen schloss. Ihr Gesicht wirkte trotz der vielen Sommersprossen blass und kränklich. 

„Weißt du, ich habe mich gestern Abend von Atimis getrennt. Ich nehme Ethonis Angebot an, mit ihm eine Verbundgemeinschaft einzugehen", sagte sie und auch wenn Generis dies schon erwartet hatte, überraschte es ihn. 

„Das... das freut mich", sagte er knapp, denn er wollte sie mit seinen Bedenken nicht verunsichern. Laskina lächelte schwach und suchte seinen Blick. 

„Ich hoffe, es war die richtige Entscheidung. Atimis hat es nicht so sehr gezeigt, aber er war sehr verletzt", berichtete sie, woraufhin Generis nickte. 

„Das glaube ich. Aber er wird es schon verkraften", versuchte er ihr Mut zuzusprechen, doch Laskinas Mundwinkel sanken für einen Moment nach unten. 

„Hoffen wir es. Nun kann ich es nicht mehr rückgängig machen", sagte sie. Generis Blick fiel auf ihren Armring, der unverkennbar noch bläulich schimmerte. Er wusste nicht genau, wie das mit den Verbundgemeinschaften funktionierte, doch sicherlich würde es nicht von allein gehen. Vielleicht musste sogar ein Regierungsmitarbeiter kommen und die neue Verbundgemeinschaft besiegeln. 

„Noch immer A1379", sagte Laskina, die offensichtlich seinem Blick gefolgt war. 

„Ich... ich muss mit Ethonis die Nacht verbringen, dann lösen sich meine Verbundgemeinschaft zu Atimis und seine zu Emevra und wir gehen eine ein", erklärte sie, als hätte sie seine Gedanken gelesen. Generis nickte, versuchte aber gleichzeitig nicht daran zu denken, was Ethonis und Laskina dafür tun mussten. Er wandte den Blick ab, was Laskina kichern ließ. 

„Aber ab nun können wir jeden Tag im Garten herumrennen und Blumenkronen flechten", sagte sie und Generis atmete erleichtert auf, dass sie das Thema wechselte. Sofort breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus. 

„Das wäre wunderbar", sagte er und spürte den Drang, mit ihr gemeinsam draußen herumzurennen. Plötzlich hörte er einen lauten Knall, dann laute Stimmen. Auch Laskina schien es gehört zu haben, denn sie richtete besorgt den Blick in Richtung der Treppe. Emevra und Ethonis schrien sich an, doch sie waren zu weit entfernt, als dass er die Worte hätte verstehen können. Irgendetwas wurde zu Boden geworfen und ein klirrendes Geräusch ertönte. 

„Wir sollten besser nach draußen gehen. Du musst nicht unbedingt in Emevras Schusslinie geraten", sagte Generis und streckte die Hand nach Laskina aus, um ihr auszuhelfen. Eilig nickte sie, auf einmal eine Spur von Angst in ihrem Gesicht. Sie ließ sich von ihm aufhelfen und schnell führte er sie durch die Tür in den Garten. 

„Gehen wir zum Teich, dort wird sie uns nicht direkt sehen, wenn sie aus dem Haus kommt", schlug er vor und Laskina nickte. 

„Gute Idee", sagte sie mit aufgeregter Stimme und beschleunigte ihre Schritte. Ihr Atem ging stoßweise und beruhigte sich erst, als sie am Teich ankamen. Seufzend ließen sie sich auf der Wiese nieder und Laskina begann sofort, gedankenverloren kleine Grashalme auszurupfen. 

„Bist du in Ordnung?", fragte Generis besorgt, doch bevor sie antworten konnte, hörten sie Emevras kreischende Stimme. 

„Wie kannst du es wagen?", keifte sie und eilig warf Generis einen Blick in Richtung Haus. Zwar lag der Blumengarten zwischen ihnen, doch er sah ihre hochgewachsene Gestalt eindeutig in ihre Richtung marschieren. Unwillkürlich erhob er sich und stellte sich schützend vor Laskina, die ebenfalls aufgesprungen war. 

„Ich beschütze dich", raunte er ihr zu und spürte, wie Laskina sich hilfesuchend an seinem Arm festklammerte. Generis sah, wie Emevra eindeutig auf sie zumarschierte und er überlegte, ob es nicht klüger wäre, vor ihr davon zu laufen, doch genau in diesem Moment erblickte er die Waffe, die sie in der Hand hielt. 

Es war der Stich, mit Sicherheit vergiftet und tödlich. Dies erklärte auch, warum Ethonis ihr nicht folgte, sondern sie ganz allein aus dem Haus gekommen war. 

„Sie hat den Stich", sagte er leise zu Laskina, deren Griff um seinen Arm sofort fester wurde. 

„Sei vorsichtig, bring dich nicht für mich in Gefahr", erwiderte sie, doch Generis dachte gar nicht daran, sie allein zu lassen. 

„Emevra, sie hat dir nichts getan", rief er, als seine Adoptivmutter immer näher kam, sichtlich entschlossen, ihre Waffe einzusetzen. Ein beinahe hysterisches Lachen brach aus ihr hervor. 

„Sie hat kein Recht, hier zu sein. Sie will mich verdrängen und meine Privilegien genießen", schrie sie, erhob den Stich über den Kopf, bereit, ihn zu werfen. Generis schob Laskina weiter hinter sich. 

„Es war Ethonis Entscheidung", sagte er, doch nun wurde auch er nervös. Mit dem Gift des Stichs wollte er keine Bekanntschaft machen. Emevra kam immer näher, bis sie schließlich knapp einen Meter vor ihm stehen blieb. 

„Mach den Weg frei. Von dir will ich nichts, ich will sie", sagte sie, in ihren Augen funkelte der Wahnsinn. Generis trat einen Schritt vor. 

„Lass sie in Ruhe", sagte er bedrohlich und fletschte die Zähne, was Emevra nur lachen ließ. Schneller als erwartet stieß sie mit dem Stich nach ihm und erschrocken wich er einen Schritt zurück. 

Laskina stolperte hinter ihm und er spürte, wie sie auf den Boden fiel. Eilig wandte er sich um, um ihr aufzuhelfen, doch Emevra ergriff diese Chance und bohrte den Stich in seine Seite. 

Generis schrie, denn ein stechender Schmerz durchfuhr ihn und er spürte, wie er zu Boden ging und anfing zu zittern. 

„Laskina, hau ab", rief er, doch es kamen nur unartikulierte Worte aus ihm heraus. Statt zu verschwinden war sie neben ihm und griff nach seiner Hand. 

„Generis", keuchte sie, doch bevor sie noch irgendetwas tun konnte, sah er, wie Laskina ebenfalls vom Stich getroffen wurde. Sie schrie und krümmte sich vor Schmerz, während Emevra lachte. 

„Das ist die Strafe dafür, dass du mir meinen Verbundenen wegnimmst. Du bist ein Nichts, ein Niederer Mensch, der nichts weiter ist als Abschaum", fauchte sie, dann sah Generis, wie sie Laskina am Arm packte und davon schleifte. 

Panisch versuchte er, seinen Körper wieder unter Kontrolle zu bekommen, doch das Gift war zu stark. Komischerweise schien sein Verstand noch klar zu sein, aber rühren konnte er sich nicht. Emevra zog Laskina am Arm hinter sich her, immer näher an den Teich. Auch sie schien regungslos zu sein, sicherlich konnte auch sie sich nicht rühren. 

„Emevra, nein!", schrie Generis, doch es war zu spät. Emevra warf Laskina in den Teich, in dem sie sofort unterging. 

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