Kapitel 30 - Atimis
Atimis hörte sein eigenes Wimmern, aber er konnte es nicht unterdrücken. Sein Körper fühlte sich an, als sei er von innen nach außen gekehrt. Alles schmerzte, brannte und schien ihn zu zerreißen.
Hin und wieder wehte eine kühle Brise über sein wundes, rohes Fleisch auf seinem Rücken und er glaubte in diesem Moment auseinander zu fallen. Solche Schmerzen hatte er noch nie in seinem Leben ertragen müssen und er wusste nicht, ob er es überleben würden, wenn ihn nicht bald jemand fand.
Irgendjemand musste doch über den Platz kommen und ihn sehen. Er schaffte es nicht, mehr als dieses Wimmern zustande zu bringen, das sich gleichzeitig irgendwie von allein aus seiner Kehle brach. Nur zu gern hätte er seine Hand auf seinen Armring gelegt und auf diesem Wege nach Laskina gerufen, aber jegliche Bewegung verursachte unendliche Schmerzen, sodass ihm schwarz vor Augen wurde.
Er wagte es nicht, die Augen zu schließen, denn er hatte Angst, dass er sie dann nicht mehr öffnen würde. Wie lange er schlussendlich hier lag, vermochte er nicht zu sagen, es fühlte sich an wie Stunden.
„Atimis", schrie auf einmal eine Stimme, die Laskinas so ähnlich war. Aber sie konnte nicht hier sein, sie war doch bei Ethonis.
„Atimis! Oh nein, bitte nicht!", drang schon wieder diese Stimme zu ihm, dann sah er eine Bewegung im Augenwinkel. Sein erster Instinkt war Flucht, aber er konnte sich einfach nicht bewegen.
Atimis blinzelte und tatsächlich sah er Laskinas wunderschönes Gesicht vor sich. Ihre braunen Haare wehten im Wind und ihr Gesicht war voller Sommersprossen.
„Oh nein, was haben sie dir nur angetan", sagte sie und erst langsam begriff er, dass es tatsächlich Laskina war, die hier vor ihm im Dreck kniete. Keine Halluzination, sondern Laskina.
„Hilf... mir...", brachte er hervor, doch allein das kostete ihn so große Anspannung, dass ihm für einen Moment lang schwarz vor den Augen wurde.
„Ja, ich helfe dir. Ich bin gleich wieder bei dir", sagte sie, dann erhob sie sich und er hörte ihre davoneilenden Schritte. Vollkommen erschöpft schloss er die Augen, damit die Zeit schneller verging, bis Laskina wieder zu ihm zurück kam.
„Schh", hörte Atimis, doch er wagte es nicht, die Augen zu öffnen. Möglicherweise war es wieder nur ein Fiebertraum und er hatte es sich eingebildet. Doch er spürte, dass irgendetwas, irgendjemand in seiner Nähe war.
„He, du", zischte diese Stimme, eindeutig eine weibliche. Mühsam schlug er die Augen auf und entdeckte eine braune Schlange.
„He, erinnerst du dich an mich?", fragte sie und erst da begriff er, dass er eben jene Schlange war, die seine Eltern kannte. Er schlug einmal die Augen zu und spürte dann, wie sich die Schlange unter seinem Arm hindurch schlängelte und sich vor seinem Oberkörper zusammenrollte. Durch seine angezogenen Beine war sie einigermaßen geschützt, sodass man sie nicht direkt sah.
„Ich habe da was für dich", sagte sie und beförderte aus ihrer Mitte mit ihrer Schwanzspitze ein kleines, gläsernes Fläschchen hervor. Atimis Augen wurden groß, denn es war eindeutig die Medizin, die er der Androidin gegeben hatte. Die Schlange öffnete das Fläschchen, zog die Pipette auf und streckte ihren Schwanz über seinen Körper, sodass die Flüssigkeit auf seinen geschundenen Rücken tröpfelte.
Augenblicklich spürte er, wie der brennende Schmerz nachließ und er atmete erleichtert auf.
„Vielen Dank", sagte er leise, was die Schlange jedoch ignorierte. Sie träufelte weiter die Medizin auf seinen Rücken, bis sie ihm schließlich das Fläschchen in die Hand drückte, sich umsah und genau so schnell wieder verschwand, wie sie aufgetaucht war.
Atimis schob seine Hand über den harten, staubigen Boden und umfasste seinen Armring. Er rief nach Laskina, dass alles in Ordnung war und sie wieder zu ihm zurück kommen sollte und er spürte endlich wieder das vertraute Vibrieren und die Wärme.
Zaghaft stützte er eine Hand auf den Boden und versuchte, sich hoch zu drücken. Es schmerzte, aber es war auszuhalten. Unter erheblicher Anstrengung und ziemlich langsam gelang es ihm schließlich, sich auf die Füße zu kämpfen. Kurz wurde ihm schwindelig und er schloss für einen Moment die Augen, doch dann gelang es ihm, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er war langsam und er schlurfte eher anstatt zu gehen, aber er kam vorwärts.
Er hörte ein Raunen durch die Elstern gehen, die offensichtlich nicht glauben konnten, dass er die hundert Peitschenhiebe überlebt hatte und tatsächlich schlich sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen. Sicherlich hatte er Hilfe bekommen, ohne die er noch jetzt wie ein Häufchen Elend auf diesem Platz liegen würde, aber es fühlte sich gut an, den Elstern zu zeigen, dass er so leicht nicht klein zu kriegen war.
Er schaffte es schließlich bis nach Hause und gerade als er an ihrem kleinen Gartentor angelangt war, hörte er aufgeregte Schritte. Unwillkürlich wandte er den Blick um und sah Laskina, die vollkommen aufgelöst wirkte.
„Atimis, du... du...", stammelte sie, während sie weiter auf ihn zu stolperte. Er breitete die Arme aus, auch wenn es noch schmerzte und lächelte sie an. Bei ihm angekommen zögerte sie, aber nur einen Moment, dann legte sie die Hände auf seine Brust und schmiegte sich an ihn. Atimis legte die Arme um sie und drückte ihr einen Kuss aufs Haar.
„Es ist alles okay", flüsterte er, dann führte er sie durch den kleinen Kräutergarten ins Haus. Kaum dass die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, sackte er in sich zusammen und schaffte es gerade noch so, sich aufs Bett fallen zu. Sofort war Laskina bei ihm, eine Hand auf seinem Arm.
„Atimis, wie ist das möglich? Wie konntest du bis hier her gehen?", fragte Laskina ungläubig und musterte ihn gleichzeitig mit so einem eindringlichen Blick, dass er ein wenig Angst bekam. Noch einmal wanderten seine Gedanken zu der Schlange, die ihm geholfen hatte.
„Eine Schlange hat mir die Medizin gebracht, die ich der Androidin gegeben habe", berichtete er und sah, wie Laskina verwirrt den Kopf schüttelte.
„Eine Schlange? Was... was hat das zu bedeuten?", fragte sie, woraufhin Atimis den Kopf schüttelte.
„Ich weiß es nicht", sagte er nur, denn um die Teile zu einem sinnvollen Ganzen zusammen zu setzen, fehlte ihm im Moment die Kraft. Darüber würde er morgen nachdenken können, jetzt wollte er nur noch schlafen. Langsam ließ er sich auf die Seite gleiten und schloss die Augen. Laskina seufzte und er spürte, wie sie sich erhob. Wenige Momente später strich sie ihm das Haar aus der Stirn.
„Du musst auf dich aufpassen. Ich ertrage es nicht, wenn ich ständig Angst um dich haben muss, dass du zu Tode gefoltert wirst", sagte Laskina und auch wenn diese Worte wahr waren, kam er nicht umhin, ein wenig zu schmunzeln.
„Da gibt es überhaupt nichts zu lachen", sagte sie streng und sofort verschwand das Grinsen aus seinem Gesicht.
„Du hast ja recht", gestand er, streckte die Hand aus und legte sie auf ihre. Augenblicklich wand sie sich ein wenig, als wäre ihr die Berührung unangenehm. Atimis schlug die Augen wieder auf, denn es beunruhigte ihn, dass sie sich unter seiner Berührung wand. Er blickte in ihr beinahe erschrockenes Gesicht und folgte ihrem Blick, der auf ihren Armring geheftet war.
Als Atimis sah, was mit ihrem Armring los war, stockte ihm der Atem. Gleichzeitig spürte er eine unbändige Woge der Wut und Eifersucht in sich aufkeimen, denn ihr Armring schimmerte nun eindeutig golden, sodass das Blau beinahe ganz überdeckt wurde und er vibrierte so stark, dass man es mit bloßem Auge sehen konnte.
„Was zum Teufel...", murmelte Atimis und als würde Laskina in diesem Moment klar werden, was die goldene Verfärbung bedeutete, riss sie ihre Hand unter der seinen weg und verbarg den Ring außerhalb seines Sichtfeldes in ihrem Schoß.
„Laskina, was bedeutet das?", fragte er wütend und panisch zugleich, denn auch wenn Laskina ihn liebte, schien sie irgendetwas mit Ethonis zu schaffen zu haben. Sie senkte beinahe schuldbewusst den Blick, bevor sie ihm direkt in die Augen sah.
„Ich weiß es nicht", sagte sie, aber es war offensichtlich eine Lüge. Kopfschüttelnd sah er sie an, denn als wäre er nicht schon durch die überstandene Folter genug gequält schien Laskina sich auch noch in einen anderen Mann zu verlieben. In einen Hohen Menschen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top