Normale Bedürfnisse

Gewiss ließ sich sagen, dass Phoebus seiner Neugier zum Opfer gefallen war. Unbemerkt spähte er in das Zelt, in dem Clopin nackt auf einem Berg von Kissen lag. Die Haare des Mannes waren zerzaust, der Blick indes von Lust durchtränkt. Die Kleidung, der Hut, sowie die Maske lagen auf dem Boden verstreut. Was sich hier drin abgespielt hatte, war offensichtlich und überraschend zugleich.

Man könnte sich fragen, weshalb der Hauptmann immer noch vor dem Zelt verharrte. Phoebus selbst hätte diese Frage nicht beantworten können. Seit einigen Sekunden war der Soldat wie zu Stein erstarrt. Sein neugieriger Blick klebte förmlich an dem schlanken gebräunten Körper, auf dessen Brust sich ein paar dunkle Haare befanden.

„Ist Euer süßer Hintern dazu gewillt, eine weitere Runde über sich ergehen zu lassen?", fragte ein breitschultriger Mann, der sich zuvor einen Schluck Wasser gegönnt hatte.

Als Antwort darauf spreizte Clopin seine Beine. „Meine Hintertür steht Euch jederzeit offen", scherzte der Narrenkönig, sodass auch dessen Partner schmunzeln musste.

Phoebus dagegen spürte, wie ihm die Hitze in die Wangen schoss. Bei Clopins derzeitiger Körperhaltung konnte der Hauptmann einen direkten Blick auf dessen erregte Männlichkeit werfen. Kaum zu glauben, dass das derselbe Zigeuner war, von dem Phoebus wenige Stunden zuvor noch gehängt werden sollte. In diesem Augenblick war Clopin bloß ein einfacher Mann, der seinen Bedürfnissen nachgehen wollte, ohne dafür in Frage gestellt zu werden.

Das aufflammende Stöhnen riss Phoebus aus seinem Gedankenstrom. Erneut war der Liebhaber in Clopin eingedrungen, um ihn mit kräftigen Stößen zu entzücken. Schwer schluckend betrachtete Phoebus die entgleisten Gesichtszüge des Zigeunerkönigs, welcher sich hilfesuchend an die breiten Schultern seines Gönners gekrallt hatte. Obwohl keine Liebe in diesem Akt zu finden war, schmälerte das nicht die erotische Wirkung. Tatsächlich glaubte Phoebus ein Kribbeln im Unterleib zu verspüren. Dabei hatte er sich das Bett bisweilen nur mit Frauen geteilt. Ein anderer Mann war ihm noch nie in den Sinn gekommen, doch jetzt – wo er Clopin in diesem Zustand sah – liebäugelte er durchaus mit diesem Gedanken.

Während die verschwitzten Leiber in kurzen Abständen aufeinanderprallten, nahm die Intensität des Gekeuches und Gestöhnes immer weiter zu. Hin und wieder bissen sie sich spielerisch in das nackte Fleisch, um so für weiteren Zündstoff zu sorgen. Das Lustspiel glich einem Wettkampf, bei dem sich die Männer gegenseitig anstachelten.

Sollte irgendwer mitkriegen, dass Phoebus wie ein Spanner vor dem Zelt verweilte, wäre das Schicksal des Soldaten endgültig besiegelt. In diesem Fall würde ihn nicht mal Esmeralda vor dem Galgen bewahren können. Daher riet die Vernunft des Hauptmannes, sich endlich zurückzuziehen. Eine Anweisung, der Phoebus gern Folge geleistet hätte, wäre da nicht dieser Narr, der so unwiderstehlich und heiß aussah ... Was waren das bloß für Eindrücke, die Phoebus da durch den Kopf gingen? Er musste verrückt geworden sein. Der Hof der Wunder übte einen bizarren Einfluss auf ihn aus.

„Ich komme!", japste Clopin heiser, als dessen Körper mit einem Mal schlagartig verkrampfte und zugleich zuckte.

Peinlich berührt sah Phoebus, wie der Samen nach oben spritzte, um die verschwitzte braune Haut von Clopin zu benetzen. Wenige Sekunden später erlag auch der Liebhaber der betörenden Enge, sodass er sich im Zigeunerkönig ergoss. Nach Luft ringend lagen die beiden eng umschlungen auf den zahlreichen Kissen, um die Nachwirkung des berauschenden Orgasmus' auf sich einwirken zu lassen. Spätestens jetzt war es für Phoebus allerhöchste Zeit sich zu verziehen. Er wusste jedoch, dass sich die Bilder nie wieder aus seinem Gedächtnis verbannen ließen ...

~~

Als Frollo am nächsten Morgen erwachte, stand sein Entschluss nach wie vor fest. Somit befahl er den Soldaten nach dem unverschämten Gaukler zu suchen, der das Justizgebäude auf so schändliche Weise verunstaltet hatte. So zumindest lautete der offizielle Grund. Dass Frollo in Wahrheit ganz andere Absichten hegte, ging außer ihm niemanden etwas an. Begierig war der Richter darauf, mehr über den maskierten Mann zu erfahren, der ihm am Vortag so mutig die Stirn geboten hatte. Die nötige Geduld dafür aufzubringen, erwies sich dabei als schwieriger, als gedacht. Immer wieder ertappte sich Frollo dabei, wie er den Blick über Marktplatz schweifen ließ. Jedes farbenfrohe Kleidungsstück erregte zudem seine Aufmerksamkeit. Einige der umherlaufenden Passanten glaubten sicher schon, dass Frollo an Verfolgungswahn litt. Seis drum, dachte der Richter, solange er am Ende das bekam, was er wollte ...

~~

Müde schlurfte Phoebus nach der kurzen Nacht aus seiner einfachen Behausung und noch immer schwirrten die erotischen Erinnerungen durch seinen Kopf. Wenig später erblickte er Clopin in dessen gewohntem Narrenkostüm, wie er sich eifrig mit ein paar Männern unterhielt.

„Ich werde mich ein wenig umhören, damit wir einen Plan schmieden können", hörte Phoebus den Zigeuner sagen.

Von welchem Plan hier wohl die Rede war? Bevor der Hauptmann mehr in Erfahrung bringen konnte, wurde er von Clopin in eine abgelegene Ecke gezerrt.

„Seid gegrüßt, Hauptmann. Habt Ihr die nächtliche Show in vollen Zügen genossen, hm?"

Sämtliche Farbe wich Phoebus aus dem Gesicht. Mit einem Mal fühlte sich sein Mund staubtrocken an. Obwohl er sich erklären wollte, fehlten ihm schlichtweg die Worte, weshalb Clopin unbekümmert weitersprach.

„Sie muss Euch gefallen haben. Andernfalls wäret Ihr nicht bis zum Ende geblieben", offenbarte der Narr. „Doch lasst Euch einer Sache gewiss sein", fuhr in einem Tonfall fort, der das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Sollte das ein weiteres Mal passieren, werdet Ihr nicht mehr in der Lage sein, Nachkommen in die Welt zu setzen." Dabei wanderte Clopins Blick auf vielsagende Weise nach unten. „Habt Ihr das verstanden, werter Herr Gardehauptmann? Oder muss ich noch ein wenig deutlicher werden?"

„D-Die ... Die Botschaft ist angekommen", stammelte Phoebus. „Verzeiht mir mein unangebrachtes Verhalten."

„Welch cleveres Hündchen sich Esmeralda da angelacht hat", jauchzte Clopin erfreut. „Und nun, da Ihr jetzt einer von uns seid, werter Phoebikus, werdet Ihr mich begleiten. Wir statten dem Marktplatz einen kleinen Besuch ab."

„Euch begleiten?", wiederholte Phoebus irritiert. „Wieso, wenn ich mir diese Frage erlauben darf?"

Grinsend neigte Clopin seinen Kopf. „Weil Ihr dort ein paar Adelige bestehlen werdet", wisperte er. „Sollte Euch das nicht gelingen, seid Ihr für uns bloß eine Last. In diesem Fall müsste ich Euch bedauerlicherweise doch noch erhängen", jammerte Clopin theatralisch.

Phoebus Miene verdunkelte sich. Sein Leben war wirklich nicht mehr das, was es mal war ...

„Also gut ..., gehen wir stehlen." 

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