Die Vergangenheit - Gemeinsame Zeit

In der ersten zwei Wochen konzentrierten sie sich darauf, Clopin wieder zu Kräften kommen zu lassen. Obwohl der Zigeuner nach wie vor sehr zierlich war, hatte er endlich an Gewicht zugelegt, sodass er nicht länger an der Schwelle des Todes stand. Auch die Wunde am Bauch war dank medizinischer Versorgung gut verheilt. In der Zwischenzeit war es Jerome gelungen, seinen Vater davon zu überzeugen, dass den Zigeunern geholfen werden musste. Unter der Bedingung, nicht mit hineingezogen zu werden, stimmte der alte Mann schließlich zu. Darüber hinaus bestand der Vater darauf, dass Jerome nach dessen Ableben in seine Fußstapfen trat und sich trotz Sympathie nicht dem Wandervolk verschrieb. Eine Forderung, der Jerome zähneknirschend zustimmen musste. Die Hauptsache war bloß, dass er Clopin unter die Arme greifen konnte.

„Wisst Ihr welches Kostüm gut an Euch aussehen würde?", fragte Jerome, der gemeinsam mit Clopin durch die Straßen von Paris schlenderte.

Es war ein warmer sonniger Tag, der die Gemüter des Volkes erhellte und sie lachend durch die Gassen strömen ließ.

„Doch hoffentlich keines Eurer seltsamen Fummel", erwiderte Clopin.

„Nicht doch", schmunzelte Jerome. „Das Kostüm eines Narren", sagte er schließlich, wobei er seinen Begleiter in eine bestimmte Richtung lenkte.

Kurz darauf entdeckte Clopin einen solchen Narren, der mit Maske und Hut über den Marktplatz tanzte und die Kinder mit Hilfe kleiner Kunststücke erfreute.

„Die bunten Farben, der enganliegende Stoff ... Solch ein Kostüm würde Euren Körper gut zur Geltung bringen und einen perfekten Kontrast zu Eurer Haut bilden."

„Ihr wollt bloß, dass ich mich vor Euren Augen zum Affen mache", grummelte Clopin, dem die Schamesröte ins Gesicht stieg.

„Was denkt Ihr bloß von mir?", widersprach Jerome, wobei er ein herzhaftes Lachen von sich stieß. „Ich meine das ernst. Ihr könntet kleine Handpuppen basteln und ein Theaterstück aufführen. Hat Euch noch niemand gesagt, wie geschickt Eure Hände sind und wie schön Eure Stimme klingt?"

Clopin stockte. Das hatte in der Tat noch niemand. Solche Worte aus dem Mund eines gutaussehenden Mannes zu hören, machte die Sache nicht gerade einfacher. Er versuchte den Adonis neben sich zu ignorieren und sich stattdessen auf den Narren am Marktplatz zu konzentrieren.

„Das Herz auf der Zunge, schon vergessen?", flüsterte Jerome, wobei sein Atem das Ohr des Zigeuners streifte.

„Darf ich Euch jetzt auf den Hinterkopf schlagen?", entgegnete Clopin, der seine Hand bereits erhoben hatte.

„Dieses Privileg besitzt ausschließlich mein Vater", jauchzte Jerome, als er das Handgelenk seines Gegenübers ergriff.

Für einen kurzen Moment blickten sie sich tief in die Augen. Dadurch entstand zwischen ihnen ein seltsames Knistern, weshalb sie räuspernd voneinander abließen.

„Lasst uns nach weiteren Leuten suchen, die unsere Hilfe benötigen", lenkte Clopin ab.

„Gute Idee."

Clopin wusste, wo er nach den bedürftigen Menschen zu suchen hatte. Er gab ihnen zu Essen, sowie etwas Gold, das Jerome bereitwillig zur Verfügung stellte. Darüber hinaus hatten sie auf dem Anwesen von Dampierre ein kleines Versteck für den Fall, dass jemand von der Stadtwache verfolgt wurde. In diesem Unterschlupf – einem Raum unter dem Boden des Stalls – konnten die Gesuchten so lange ausharren, bis die Luft rein war.

Mit diesem Vorgehen schenkten sie den unterdrückten Zigeunern neue Hoffnung. Beim Richter hingegen, sorgte das Duo für Unmut. Zur damaligen Zeit herrschte noch ein alter, kaltblütiger Mann. Im Vergleich zu ihm wirkte Frollo wie ein zahmes Kätzchen. Sich dem Richter zu widersetzen bedeutete auch mit dem Leben zu spielen. Trotz allem machten Clopin und Jerome unbeirrt weiter, sodass die kommenden Monate wie im Fluge vergingen.

Eines Tages war es den beiden sogar gelungen ein paar Gefangene zu befreien, ehe diese dem Justizpalast überbracht werden konnten. Erfreut darüber kehrten sie gegen Abend auf das Anwesen zurück.

„Darauf müssen wir unbedingt anstoßen", trällerte Jerome, während sie gut gelaunt in sein Zimmer stolperten.

„Habt Ihr den Gesichtsausdruck der Wache gesehen? Ein köstlicher Anblick", erzählte Clopin, bevor er das Glas mit Freuden entgegennahm.

Eifrig schenkte Jerome den beiden ein. Sie stießen an, tranken den Wein und füllten die Gläser erneut, bis die Flasche keinen Tropfen mehr hergab. Mit geröteten Wangen kicherten die Männer permanent vor sich hin. Die ausgelassene Stimmung tat unglaublich gut und befreite sie von dem Stress der letzten Monate.

„Wir sollten tanzen, um unseren Sieg über das Böse kundzutun", schwafelte Jerome, nachdem er die Hand von Clopin ergriffen hatte.

Widerstandslos ließ sich der Zigeuner in dessen Arme ziehen. In den ersten Minuten alberten sie noch herum, weshalb sie wie aufgeschreckte Hühner durch den Raum sprangen. Als sich kurz darauf die Erschöpfung bemerkbar machte, drosselten sie das Tempo, sodass sie sich nun grinsend gegenüberstanden und tief in die Augen sahen.

„Soo ein talentierter Mann", murmelte Clopin, der seine Arme um den kräftigen Nacken schlang. „Ohne Euch hätte ich das niemals geschafft ... Habt Dank."

Eng umschlungen ließen sie den Moment auf sich wirken, bis es geschah. Sie schlossen ihre Augen, neigten ihre Köpfe und schenkten sich einen leidenschaftlichen Kuss. Durch die leicht geöffneten Lippen drang Jeromes Zunge in den Mund seines Partners und entlockte diesem ein herzhaftes Stöhnen. Ihr Keuchen erfüllte den Raum und löste ein Prickeln in ihren Leibern aus. Für beide war es der erste Kuss mit einem anderen Mann. Je länger der Kuss andauerte, desto mutiger und wilder wurden sie. Schließlich begannen sie damit ihre Hände auf Wanderschaft zu schicken. Dummerweise kollidierte Jeromes Fuß mit der leeren Weinflasche, sodass er diese lautstark umwarf.

Wie vom Blitz getroffen fuhren sie auseinander, als erkannten sie erst jetzt, was da soeben passiert war. Sie wichen dem Blick des jeweils anderen aus und übertönten die peinliche Stille mit einem Hüsteln. Schnell ergriff Jerome die Flasche, um diese aus dem Raum zu tragen. Somit waren beide für einen kurzen Moment allein.

„Verflucht ...", flüsterten beide wie aus einem Mund.

Sie hatten die Kontrolle verloren. Keiner von ihnen konnte sich einen Reim darauf bilden, weshalb sie die Schuld beim Alkohol suchten. Eine Ausrede, die nicht lange Bestand haben sollte ...

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