39|Zuhause


Bella hatte mir kurz als wir unter uns waren einen Überblick beschafft über die Themen, die sie gestern im Archiv überprüft hatte. Meine Hoffnung auf etwas Wissenswertes wurde geschmälert, aber ich versuchte mich nicht entmutigen zu lassen. Sie hatte erst gestern mit der Suche begonnen.

Ich sah auf die Uhr und segnete noch einige Dokumente ab, als ich mein Organisatoren-Team entließ. Sie hatten alles im Griff, mir über alles einen guten Überblick verschafft und nahmen heute die letzten Lieferungen an. Was das Fest betraf, so lief alles nach Plan. Mein Privatleben stattdessen sah aus wie ein Schlachtfeld.

Ich wusste selber nicht wohin mit meinen Gedanken. Zu oft dachte ich an Luana und warf dem Handy einen Blick zu. Nico hatte mir bisher nur vorgestern Abend Bescheid gegeben das er sie gefunden hatte. Und das sogar recht schnell. Ich versuchte mir einzureden, dass die Funkstille zwischen uns beiden ein gutes Zeichen war.

Meine restliche Familie war ich heute aber noch nicht begegnet. Aber ich würde in ein paar Minuten meinem Vater treffen. Ich machte mich schon mal fertig und zog mein Jackett an. Gleich würden einige Mitglieder des oberen Hexenzirkels erscheinen. Darunter war eine alte Bekannte laut meinem Vater. Eine Oberhexe die eine Anführerin einer eigenen Hexenkommune war. Die Kommune war laut meinem Wissen die mächtigste in Europa. Und diese Frau würde heute mit einigen ihrer Schwestern und Brüdern anreisen um mit dem Schutzzauber anzufangen.

Es war ein wichtiges Treffen und vor allem der erste große Schritt für die Sicherheit der kommenden Gäste. Viele Werwölfe waren gestern angekommen und noch mehr würden heute anreisen, um wie abgesprochen die Aufbauarbeiten zu unterstützen. Erst am Sonntag würde dann die Hölle los sein, wenn alle mit dem Aufbau ihrer Stände beschäftigt wären. Natürlich konnte es sein das manche erst am Montag erschienen, wenn auch die ersten Gäste eintrafen die nichts mit den Aufbauarbeiten zu tun hatten.

Ich versuchte meine Kopfschmerzen weg zu atmen. Ich verzichtete auf Schmerzmittel. Hexen hatten einen ausgeprägten Geruchssinn und ich wollte nicht das sie es schafften mit ihrer Magie irgendeine Art Rauschmittel zu finden. Vielleicht ein wenig paranoid zu denken das es sie interessieren könnten, aber Hexen steckten gerne ihre Nasen in fremde Angelegenheiten.

Als ich meine Jacke schloss und mein Büro verließ, verabschiedete ich mich von den letzten Leuten, die noch hier weiterarbeiten würden. Mit großen Schritten lief ich zum Haupteingang des Schlosses. Hier würden wir auf die Hexer warten.

Und dort würde auch mein Vater auf mich warten. Wenn er denn im Zeitplan lag. Doch als ich ankam, warteten bloß meine Schwester und Bella auf mich. Von meinem Vater keine Spur. Ich verzog verwirrt die Stirn kraus und sah noch überprüfend auf die Uhr. Die Hexen würden gleich da sein.

"Hey, ich dachte Vater würde hier sein.", sagte ich zur Begrüßung.

Bella kam mir ein wenig entgegen, während Sara einfach stehen blieb. Beide hatten eine geflochtene Frisur und Blusen an, wie wir es gewöhnlich bei solchen Anlässen pflegten.

"Er hat uns vorausgeschickt um mit dir die Hexen zu empfangen. Er sagte, dass er nachkommen würde."

Ich nickte. Sollte er ruhig machen. Wahrscheinlich hätte er eh mir die meiste Sprechzeit zugesichert. Ich wusste bloß nicht ob die Hexen es so gut empfanden, wenn sie nicht vom Oberhaupt persönlich empfangen wurden.

"Die anderen Oberhäupter befinden sich zurzeit auf dem Festgelände. Sie warten dort auf uns.", fügte Bella hinzu.

"Sehr gut. Eine Sorge weniger.", antwortete ich bloß. Ich hatte es als eine gute Idee empfunden, die Oberhäupter die Chance zu geben, selbst die Aufbauarbeiten zu begutachten. Und da der Schutzzauber ein wichtiger Bestandteil war, sollten sie den Hexen den gebührenden Anstand gewähren und sie nach uns begrüßen. Doch nach meinem gestrigen Verhalten gegenüber Luca Blackwood wusste ich nicht, ob sich diese Familie auch nur im Geringsten im Griff hatte. Ich hoffte, sie würden nichts anstellen.

Ich stellte mich vor Sara und Bella, sodass die beiden meine Schultern flankierten. Ein Werwolf hätte allein durch die Ausstrahlung der beiden gewusst das diese dominante und starke Wölfe unter der Haut trugen. Wir brauchten keine weiteren Rudelmitglieder um unsere Stärke zu beweisen. Blieb nur die Frage ob die Hexen das auch so sahen.

Auf die Minute genau bildete sich ein leichtes Flimmern in der Luft und ehe wir uns versahen liefen fünf Gestalten auf uns zu. Sie alle waren in dunkle Kleidung gehüllt. Drei Frauen und zwei Männer insgesamt. Sie hatten allesamt unterschiedliche Schnittmuster und Kleidung die wahrscheinlich in jeder Kommune unterschiedlich waren, doch die Frau die an der Spitze lief war die speziellste. Sie hatte ihre Haare nicht zurückgebunden oder kurz wie die anderen, sondern sie fielen in dunkelbraunen Wellen über ihren Rücken während sie eine Reihe weißer Zähne präsentierte. Die anderen lächelten weder noch zeigten sie irgendeine Positive Regung als die Hexen sich uns näherten.

Die selbsterkorene Anführerin der Truppe stieg als erste die Treppe rauf. Ihrem Aussehen nach sah sie nicht älter als fünfunddreißig aus, aber ihre giftgrünen Augen sprachen von solch einer Weisheit das ich mich zugleich fragte wie alt sie wirklich war.

Ich lehnte mich leicht vor um unsere Gäste genügend Ehre zu erweisen und ich sah im Augenwinkel wie Bella und Sara es mir nachtaten. Die fünf Hexer hier vor uns waren wahrscheinlich die Mächtigsten ihrer Generation und würden uns jeden Fehler unsererseits ewig nachtragen.

"Na na, was seid ihr denn so förmlich.", sagte die brünette Anführerin wegwerfend als sie die letzte Stufe erklomm. Ihre Begleiter blieben neben ihr stehen. Eine alt aussehende Frau mit altertümlichen Klamotten rümpfte die Nase als sie mich betrachtete. Der rothaarige Mann ganz links lies den Blick lieber über das Schloss gleiten und die noch recht jung aussehenden verbleibenden Mitglieder überließen es der Brünetten zu sprechen.

"Es freut uns die Mitglieder des oberen Hexenzirkels willkommen zu heißen.", antwortete ich bloß milde lächelnd.

"Und du musst dann Benjamin Amalon sein, richtig? Ich hätte zwar erwartet, dass uns dein Vater in Empfang nehmen würde, aber mit dem Organisator höchstpersönlich zu sprechen hat sicherlich auch seine Vorteile.", antwortete die grünäugige Hexe, die mich daraufhin interessiert musterte. Jedes ihrer Worte war wohl mit Bedacht gewählt und ich versuchte es nicht ihr mitzuteilen, dass mein Vater noch erscheinen würde. Sie würden es eh krummnehmen.

"Wenn ich vorstellen darf. Das an meiner linken Seite ist meine Schwester Sara Amalon und zu meiner rechten ist meine Cousine Bella Amalon. Solltet ihr während eures Aufenthalts irgendwelche Wünsche oder Fragen haben, werden wir drei für euch bereitstehen."

"Pfft, jedes Jahr dieselbe Leier.", grummelte die älteste Hexe. Ich unterdrückte ein Schmunzeln aufgrund ihres genervten Ausdrucks. Doch ihre brünette Schwester lächelte aufgrund des Kommentars nur breiter.

"Du hast recht, wir werden die Begrüßung dieses Jahr etwas kürzer halten. Zu meiner rechten befinden sich einmal Oberhexer Zolnar und Oberhexe Troinha.", sie deutete auf ihre rechte Seite, wo sich die alte Hexe und ein blonder Kerl der aussah, als wäre er gerade aus der Pubertät rausgekommen standen.

"Und zu meiner linken befindet sich Oberhexe Zonta und Oberhexer Rhodan."

Dort standen der rothaarige Mann und eine Frau in meinem Alter, die tintenschwarzes Haar und dunkle Augen hatte. Sie war nicht sonderlich schön, aber sie strahlte wie alle der Beteiligten eine beunruhigende Ruhe aus.

"Und ich selbst bin Oberhexe Vandola. Die mächtigste meiner Generation.", fügte sie noch keck lächelnd hinzu und ich sah, wie einige ihrer Begleiter die Augen verdrehten. Doch dass sie ihr nicht widersprachen, war Grund genug sie in den Augen zu behalten.

"Dann würde ich sie bitten, mir zu folgen. Die anderen Oberhäupter warten schon gespannt auf sie."

Nickend folgten mir die Hexer die von Sara und Bella flankiert wurden. Auf dem Weg zum Platz liefen uns viele fleißige Arbeiter entgegen die unterschiedliche Sachen von a nach b transportierten. Einige Rudelmitglieder wollten sich Hütten ähnliche Konstruktionen bauen um Dinge zu verkaufen oder für den Genmütlichkeitsfaktor auf dem Fest. Einige Tribünen und Gruben waren auch schon fertig gebaut.

Zufrieden sah ich aus dem Augenwinkel die anerkennenden Blicke der zwei jüngeren Oberhexer. Wahrscheinlich hatten diese selber noch nicht so viele Feste erlebt. 

Auf dem Weg ins Innere des Geländes erklärte ich den Hexern die bisherigen Fortschritte. Und ihren Blicken nach zu urteilen hatten sie wenig entgegen zu setzten. Es gab wesentlich unzivilisierte Wesen die das Fest meist in eine reine Schlammgrube verwandeln ließen. Einer humanoiden Rasse die Planung zu überlassen hatten wohl die Hexer gutgeheißen.

Als ich die Oberhäupter sah entspannte ich meine Haltung etwas mehr und endete mit meinen Erläuterungen. Die alte Hexe sah schon so aus als wäre sie genervt vom Zuhören.

Bella und Sara blieben etwas weiter im Hintergrund stehen und beobachtete wie ich die Hexer zu den Oberhäuptern geleitete. Lächelnd nickten sie einander zu.

Nach und nach stellte ich jedes Oberhauptpaar vor. Deren Kinder die in Begleitung waren lies ich außen vor. Die Hexer Interessierten sich gewiss nicht dafür. Vandola war die Einzige die breit grinste und jedes Detail gerade auch nur so aufsog.

Bei den Blackwoods versuchte ich so gleichgültig wie möglich die Namen zu nennen, als Lupras die Hand von Vandola schüttelte. Sie war diejenige die auf die Alpha zuging wie auf alte Bekannte.

"Es freut mich zu sehen das sie uns alle in Empfang genommen haben. Meine Brüder und Schwestern schätzen diese Ehre sehr hoch.", sagte Vandola schmeichelnd doch hätte ich wetten können das es ihren Begleitern so gleichgültig wie möglich war mit fremden Werwölfen Hände zu schütteln.

Freundlich lächelnd verfielen Ingrid und die Lady Tarantino namens Francesca mit Vandola in ein Gespräch. Die Hexer hatten sich ein wenig zurückgezogen und überließen ihrer brünetten Kameradin das Geplänkel während sie sich schon absprachen wie sie anfangen wollten.

Zufrieden sah Magnus hinüber der sich mit seinen Söhnen unterhielt und mir kurz spitzbübisch zuzwinkerte. Seine Art mich wohl zum Loben. Glücklich das ich nicht mitreden musste sah ich zu Bella und Sara rüber die immer noch beobachtend das Gelände betrachteten.

Lächelnd wollte ich mich schon abwenden als ich die Präsenz meiner Eltern etwas weiter hinten wahrnahm. Und neben ihnen lief eine weitere Person.

Verwirrt wandte ich mich an Vandola und gab ihr Bescheid das ich sofort wieder bei ihnen sein würde bevor ich mich von der Gruppe abwandte. Lupras und Vandola blickten mir mit neugierigen Augen nach, doch keiner hielt mich auf als ich auf Bella und Sara zu lief.

Bella verzog verwirrt die Stirn kraus doch Sara schien nicht allzu überrascht als ich auf sie zukam und weiter hinten den Punkt beobachtete wo meine Eltern gleich um die Ecke kommen sollten.

Sara drehte sich auch in die Richtung um. Verstehend hob sie ihre Brauen und sah zu mir hinauf. Ich atmete tief aus und verbarg meine zitternden Hände als unsere Eltern in unser Sichtfeld kamen. Mit Nico im Schlepptau.

Mein Hals wurde staubtrocken. Das war wohl ein schlechter Scherz. Warum war er wieder hier? Ich sah von meinen Eltern zu Nico hin und her der nach unten blickte mit hängenden Schultern. So sah er nur aus, wenn er sich eine Predigt unserer Eltern angehört hatte. Seine Haare hingen ihm noch in nassen Strähnen herunter, während er wohl in frischen Klamotten jeden meiner Blicke auswich.

Sara streichelte mir geradezu zufällig den Unterarm. Meine Mutter lächelte aufmunternd zu mir als mein Vater vor uns stehen blieb.

Ich wollte Fragen stellen. Doch der Blick meines Vaters wich zu den Hexern und anderen Wölfen in unserer Nähe, sodass ich den Mund hielt.

"Sara und Bella. Würdet ihr beide unsere neuen Gäste unterstützen? Wir wollen nicht das irgendwas außerplanmäßig verläuft.", sagte mein Vater fordernd und beide nickten schnell und machten sich auf den Weg zu den anderen, auch wenn sie besorgt zu uns zurückblickten. Meine Mutter kam an meine Seite und streichelte mir über den Rücken.

"Wir werden die Hexer auch noch schnell begrüßen. Wenn die Hexer sich an die Arbeit machen werden wir uns zusammensetzen.", sagte sie beschwichtigend. Doch dem wütenden Blick meines Vaters nach zu urteilen hatte er wohl von Nicos Unternehmung erfahren. Ich atmete tief durch und nickte meinen Eltern zu. Sie waren die Alpha. Und sie hatten recht. Ich durfte jetzt keine Szene veranstalten obwohl sich alles in mir sträubte jetzt weiter lächelnd neben all diesen Leuten zu stehen.

Meine Eltern gingen vor als Nico und ich ihnen nachliefen. Nico ließ immer noch die Schultern hängen, hatte aber wenigstens ein weißes Hemd und eine schlichte Hose an. Dem Treffen angemessen. Er sah bloß nach vorne. Achtete nicht auf mich und ließ sich nur zurückfallen, weil ich etwas langsamer lief.

"Wie schlimm ist es?", fragte ich so leise wie möglich. Mit neutralem Ausdruck betrachtete ich wie unsere Eltern die Hexer und Oberhäupter lächelnd begrüßten, als hätten sie nicht eben ihren Sohn bei etwas verbotenem erwischt.

Nico antwortete nicht und ich wiederholte die Frage. Er seufzte und sah in die entgegengesetzte Richtung. Verdammt was war los?

Ich unterdrückte das Grollen was mir in der Kehle aufgrund seiner Verweigerung aufstieg, doch er antwortete genau so leise wie ich eben: "Es ist viel schlimmer als du glaubst."


...




Das Einzige was ich bei Teleportationszaubern wirklich hasste war der Fakt das der Körper so stark zusammengepresst und durch die Gegend geschleudert wurde das mir jedes Mal so unsagbar schlecht wurde. Doch der Hexer der meine Schulter fest umklammert hielt und keine Miene verzog als wir vor dem Grundstück meines Zuhauses ankamen war ein wirklicher Kotzbrocken.

Während ich mir eine Hand auf den Mund legen musste um mich nicht gleich zu übergeben verdrehte er nur die Augen. Als würde ich einen extra Aufstand machen und nur so tun als fühlte es sich an als hätte man mich durch einen Fleischwolf gezogen.

Ich riss meinen Arm aus seinem Griff und er ließ meine Reisetasche auf den Boden fallen. Die Angestellten des Ministeriums waren ja für gewöhnlich nicht sonderlich freundlich, aber dieser Typ der die letzten Tage mein ständiger Babysitter gewesen war hatte nicht ein nettes Wort mir gegenüber geäußert.

Widerwillig hob ich meine Tasche auf und blickte zerknirscht zu meinem Babysitter.

"Ich erinnere sie hier nochmals daran das unsere Anführerin ihre Antwort innerhalb des kommenden Monats erwartet. Und keinen Tag später. Sollten sie dies ignorieren..."

"Werde ich zur Rechenschaft gezogen. Ich weiß.", beendete ich seinen Satz. Diese Drohungen musste ich mir die letzten Tage zur Genüge anhören.

Mit angesäuertem Blick nickte er. Ohne sich zu verabschieden teleportierte er sich davon und ich atmete erleichtert aus. Ich war müde und hungrig und vermisste nach fast einer Woche ohne Außenkontakt und Internet mein Handy. Das Ministerium hatte es eingesackt und zurück zu meinen Eltern geschickt laut ihrer Aussage. Mal sehen ob sie sich drangehalten hatten.

Ich hob meine Tasche auf und kramte nach meinem Hausschlüssel, als ich die magische Barriere um unser Haus passierte und auf die Tür zusteuerte. Doch bevor ich die Tür überhaupt öffnen konnte stürmte meine Mutter aus dem Haus und riss mich in ihre Arme.

"Ich hab mir solche Sorgen gemacht Schatz! Ist alles gut bei dir? Fehlt dir was?", fragte sie nachdem sie mir fast die Luft aus den Lungen presste. Lächelnd sah ich sie an als sie mich von sich schob und besorgt musterte.

"Mir geht es gut keine Sorge. Mir ist nur ein wenig übel wegen der Teleportation.", gab ich zu und sie nickte verständnisvoll. Ich sah von meiner Mutter auf zu meinem Vater der lächelnd im Türrahmen stand.

"Komm erstmal rein mein Schatz. Hier draußen ist es doch noch recht frisch.", sagte mein Vater lächelnd als er auf mich zukam und mir meine Tasche abnahm. Dankbar folgte ich meinen Eltern in den Flur und zog mir meine Schuhe und Jacke aus.

Wie aufgescheuchte Hühner wirbelten meine Eltern um mich herum und verfrachteten mich ins Wohnzimmer wo mir meine Mutter auch sogleich eine heiße Tasse mit Tee in die Hand drückte. Lächelnd nahm ich sie entgegen. Es war schon früh am Abend und wenn ich mich nicht täuschte sollte Luana schon zuhause sein, wenn sie nicht noch mit Jan unterwegs war.

Ich wollte meine Eltern eigentlich sofort fragen wo die beiden steckten. Ich wusste ja bis heute gar nicht was Luana alles am Wochenende hatte durchmachen müssen. Allein meine eigenen Neuigkeiten und Geschehnisse der letzten Tage sorgten, dafür das ich sitzen blieb und auf die Fragen seitens meiner Eltern wartete.

Ich hatte eine ganze Woche Schule verpasst und nächste Woche würde ich eine weitere verpassen. Unabhängig davon das ich meine Freunde unbedingt sehen wollte müsste ich auch den Stoff nachholen. Doch wenn ich recht überlegte war dies das letzte Problem um das ich mir Sorgen machen musste.

Als meine Eltern endlich mir gegenüber auf der Couchlandschaft saßen bemerkte ich ihre Unruhe und Neugier umso mehr. Wir alle hatten nicht umsonst den Termin mit dem Ministerium aufgeschoben.  Sie fragten ob ich noch was benötigte oder wie es mir ginge. Doch ich antwortete beruhigend das ich nichts weiter bräuchte. Danach waren sie fast schon verboten still.

"Hast du irgendwelchen Verträgen oder Anfragen zugestimmt?", fragte mein Vater als erstes.

Ich schüttelte den Kopf.

"Nein, hab ich nicht."

Es war wahrscheinlich die wichtigste Regel meiner Eltern keinen magischen Wesen irgendwelche Versprechungen zu geben. Erst recht den Hexern nicht. Sie nutzten Versprechungen und Verträge um Macht über einem auszuüben und nutzten die Schwäche und Naivität anderer schamlos aus.

"Aber sie erwartet innerhalb dieses Monats eine Antwort auf einen Vertrag den sie mir angeboten hatte."

Mein Vater runzelte die Stirn.

"Wer?"

"Oberhexe Vandola erwartet eine Antwort. Sie hat mir persönlich ein Angebot unterbreitet. Nachdem ich das Hexenkraut genommen habe und sie mich allein gelassen haben, wartete ich zwei Tage. Sie gaben mir keine Antwort und ließen mich warten. Im Ministerium verbrachte ich die ersten drei Tage. Bis eine der Prüferinnen zu mir kam und sagte ich solle ihr folgen. Sie teleportieren mich in ihre Kommune."

Meine Mutter bekam große Augen und ich sah wie mein Vater verstimmt mir lauschte. Das Hexenkraut sorgte dafür das derjenige der es einnahm in eine Art Rausch verfiel. Dabei wurden alle Schutzmechanismen des Körpers unterbunden, weshalb man es nur in einer gesicherten Umgebung einnehmen durfte. Bei den Hexern wurde dieses Kraut benutzt um zu bestimmen wie viel Magie ein Hexer in seinem Körper speichern konnte. Da der Körper sich nicht selbst bremsen konnte wird die Magie meistens ungestüm in seiner Nähe und fließt aus dem Hexer raus. So erfährt das Ministerium wie viel Macht der Hexer wirklich inne hat. Denn es gab genug Möglichkeiten seine Macht durch Siegel und andere Zaubersprüche größer erscheinen zu lassen, als sie wirklich war.  Durch das Hexenkraut bekamen die Hexer unverfälschte und wahre Daten. Meist erinnerte sich derjenige der es eingenommen hatte nicht daran was während des Rausches passiert. Ich habe es auch gänzlich vergessen.

"Sie hatten mich zu nichts genötigt. Sie wollten mich wie es aussah anwerben. In Vandolas eigenen Turm hatte ich eine Suite bewohnt. Sie gaben mir Führungen durch die Kommune und zeigten mir was ich alles potentiell erreichen könnte. Warben mit einer richtigen Magischen Ausbildung und Zugang zu Wissen das ich außerhalb der Kommune nie erreichen könnte."  

Mein Vater schüttelte nur entrüstet den Kopf. Er stammte aus derselben Kommune. Sie lag versteckt hier in Deutschland und war nur per Teleportation erreichbar und damit nur für die darin lebenden Hexer. Es war sehr ungewöhnlich das man bei den Prüfungen aus dem Ministerium entlassen wurde, bevor alle Tests abgeschlossen wurden. Doch die Oberhexe hatte sich aus irgendeinem Grund Zugang zu meinen eigentlich gesicherten Daten verschafft und mich sofort zu ihr beordert bevor ich irgendwelche Angebote von anderen Zirkeln oder Kommunen erhalten hatte. Ich hatte nicht vor irgendeinem Vertrag zuzustimmen oder irgendeiner Ausbildung nachzukommen. Meistens warten das Knechtverträge und ich würde all meine Freiheiten außerhalb der Kommune einbüßen müssen. Meine Familie und Freunde noch dazu.

Ich erinnerte mich noch gut daran wie zufrieden die Hexer in dieser Gemeinschaft ausgesehen hatten und wie viel Magie frei und geschützt genutzt wurde. Es war zwar bestimmt ein Paradies für jene die über große Magie verfügten, doch das sie mich extra in ihr geheimes Reich beorderten um mir all ihre Schönheit unter die Nase zu reiben zeigte mir sofort ihr Interesse an meinen Fähigkeiten. Und wenn ich an diese giftig grünen Augen nachdachte die mich wissend angesehen hatten, überbezog wieder eine Gänsehaut meinen Körper. Die Frau war eine Schlange und hatte mir ein Angebot unterbreitet für das andere Hexer töten würden. Und doch habe ich sie sitzen lassen. Lächelnd abgelehnt. Doch ihre einzige Reaktion war ein bemutterndes Lächeln.

Sie hatte ihre kalten Hände auf meine gelegt und nur gesagt ich solle es mir nochmal durch den Kopf gehen lassen bevor ich Absage. Und dazu die Deadline.

"Sie wollte das ich mich drei Jahre für die Kommune verpflichte. Sie wäre für Unterkunft, Verpflegung und Bildung aufgekommen. Danach hätte ich es mir immer noch überlegen können zu gehen oder zu bleiben."

"Was hat das zu bedeuten?", fragte meine Mutter meinen Vater und der verzog nur angestrengt das Gesicht.

"Das sie sie nicht in Ruhe lassen werden."

"Hat sie dir sonst noch Angebote gemacht? Oder irgendwas angedeutet?"

Sogar mehr als das. Aber ich konnte meinen Eltern schlecht davon erzählen. Es würde sie noch mehr beunruhigen. Die Oberhexe hatte mir mehrmals gesagt ich hätte einen Wunsch frei, wenn ich den Vertrag unterschreiben würde. Einen Gefallen sozusagen der all ihre Macht und all ihre Kontakte mit ein schloss. Sie hatte behauptet, wenn es etwas gab das ich wollte solle ich es ihr bloß sagen.

"Nein. Das wars eigentlich."

Meine Eltern nickten verstehend. Wir würden uns wahrscheinlich später noch darüber ausführlicher unterhalten. Es konnte schon unschön enden einer Oberhexe einen Wunsch auszuschlagen und meine Eltern wollten bestimmt die Meinung meiner Großmutter hinzuziehen, bevor wir irgendeine Entscheidung wagten. Wer wusste ob ich nicht noch weitere Anfragen bekäme oder irgendwer einen Grund fand mich in den Hexertrupp einzubeziehen. Ich hatte recht wenig Interesse an einer militärischen Ausbildung.

"Wisst ihr wo Luana ist?", fragte ich. Meine Eltern sahen sich kurz an ehe sich mein Vater wieder zu mir wandte.

"Soweit wir wissen ist sie noch mit Jan unterwegs. Sie sollte aber sicher bald zurückkommen."

Verstehend nickte ich. Wir hatten zwar freitags nicht so lang Schule, aber es kam nicht selten vor das wir gemeinsam noch was essen gingen oder zum Park bei gutem Wetter fuhren. Doch der Himmel zog sich langsam zu und unter diesen Umständen würden wir normalerweise es vorziehen bei mir zuhause einen Filmabend abzuhalten.

Mich plagte ein schlechtes Gewissen. Ich hatte Luana vor einer Woche versprochen mit Jan über seinem Blutkonsum zu sprechen und hab einfach nur meine Eltern darum gebeten ihn bei der Blutbank abzusetzen bevor wir zum Ministerium aufbrachen. Ihn habe ich auch seitdem nicht mehr gesehen oder kontaktiert.

"Gibt es etwas worauf ich mich einstellen soll? Hat sie denn mit euch über das Wochenende gesprochen?", hakte ich nach. Meine Mutter seufzte und mein Vater lehnte sich mit verschränkten Armen ins Sofa zurück.

"Wir kennen selber nicht wirklich die Einzelheiten und haben nur herumspekuliert. Nach unserem Ermessen ist ihr rein körperlich nichts zugestoßen, aber sie war in keiner guten Verfassung als wir sie abgeholt hatten."

Ich runzelte bei den Worten meines Vaters die Stirn.

"Sie hatte sich mit einem jungen Wolf gestritten. Aus Respekt haben wir versucht nicht hinzuhören, aber es schien das sie ein Interesse an Luana hatten. Ein Interesse das sie nicht erwidern konnte.", versuchte meine Mutter zu erklären.

"Was meinst du mit Interesse?"

Verzweifelt blickte meine Mum zu meinem Vater.

"Ich glaube das sollte dir Luana lieber selber erzählen Schatz."

"Was? Aber wieso?"

"Weil es nicht unser Recht ist uns in ihr Privatleben einzumischen. Luana wird mit dir sprechen und dir bestimmt alles Relevante erzählen. Die Hauptsache ist das du und Luana zuhause seid. Um mehr müssen wir uns erstmal nicht sorgen."

Ich versuchte nicht allzu verstimmt drein zu blicken. Mein Vater wollte das ich aufhörte rumzubohren. Sie wussten definitiv mehr als ich und wollten mich mit ihrer typischen elternhaften Art davor bewahren in Gefahr zu geraten. Und sie verheimlichten mir bestimmt irgendetwas wichtiges.

"Na gut.", gab ich mich geschlagen und schlürfte an meinem Tee. Nachdem ich diesen leer getrunken hatte informierte ich meine Eltern das ich mich umziehen wollte. Sie ließen mich lächelnd gehen und ich holte meine Sachen um sie nach oben in mein Zimmer zu bringen.

Schnaufend warf ich die Tasche in eine Ecke meines Zimmers und schnappte mir danach eine bequeme Jogginghose und eines meiner bequemen großen Shirts die ich irgendwann mal von Jan geklaut hatte.

Kurz nachdem ich die bequemen Sachen angezogen hatte und mir einen neuen Zopf gemacht hatte hörte ich unten die Haustür zuknallen. Entspannt suchte ich auch meinen Hausschuhen und machte mich dann auf den Weg nach unten. Aber bevor ich meine Schlafzimmertür auch nur öffnen konnte schwang sie schwungvoll auf.

Im Türrahmen mir gegenüber blickte mir ein Weißschopf mit großen grauen Augen entgegen. Und bevor ich reagieren konnte warf sich Luana geradezu in meine Arme. Lachend drückte ich sie an mich.

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