34|auf dem Weg


"Seit dem Tag an dem ich Luana im Wald gefunden hatte, hat sie sich nie in einen Wolf verwandelt. Das war mitunter ein Grund warum jeder in ihr eine Beute sah und sie sich nie verteidigen konnte. Sich selbst und ihre Stellung. Ich weiß nicht, ob Luana sich je verwandeln wird oder ob sie es vielleicht sogar kann und nur nicht will. Fakt ist aber das sie noch nie jemand in Wolfsgestalt gesehen hat. Sie ist in den Augen der Wölfe ein Mensch mit dem Geruch eines Werwolfes. Sie werden keine Jagd auf sie machen. Weil sie kein Gegner ist. Sie werden darüber dankbar sein, dass sie sie nicht mehr sehen müssen und das sie keinen Menschen mehr unter sich ertragen müssen. Ich habe dieses Schicksal nie für sie gewollt, aber vielleicht bist du und dein Rudel ihre Rettung. Falls du sie überhaupt annehmen willst."

Mein Körper zitterte vor lauter unterdrückten Emotionen. Er log. Er musste lügen. Sie roch wie ein Werwolf, hatte die Stärke und die Heilungskräfte eines Werwolfs. Aber nicht den Wolf?

Lupras wandte sich von mir ab, als wäre das Gespräch an dieser Stelle für ihn vorbei. Ich konnte nichts tun außer ihn dabei zu beobachten. Viel zu viele Gedanken kreisten durch meinen Kopf. Wenn das alles stimmte, vorausgesezt ich wollte ihm das Glauben, dann war meine Gefährtin eine mutterlose Werwölfin die sich nicht verwandeln konnte und demnächst rudellos sein könnte. Will Lupras mir etwa mit diesen Informationen freistellen ob ich sie überhaupt als meine Gefährtin anerkennen wollte? Wollte er mir vielleicht auf seine verdrehte Art sogar einen Gefallen tun?

"Ich werde jetzt gehen. Was du mit diesen Infos anfangen willst ist dir überlassen. Aber ich hoffe für dich das du dich richtig entscheiden wirst und das du stillschweigen bewahrst. Denn wenn rauskommt das du über all das ein Wort verloren hast, dann bist du ein toter Mann.", waren die letzten Worte vom Vater meiner Gefährtin bevor er das Zimmer verlies und mich allein zurückließ.

...

Ich hatte beim Abendessen gehustet und genug angedeutet das ich mich mit Freunden die nächsten Tage zurückziehen werde. Meine Mutter schien nicht begeistert darüber das ich mich aus den Vorbereitungen ziehen wollte, doch sie schenkten mir nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Wir waren nach den Geschehnissen im Schloss bei unserer privaten Hütte im Wald und meine Mutter hatte für uns alle gekocht.

Doch die Stimmung war angespannt. Was Sara natürlich nicht davon abhielt über das kommende Fest zu quatschen und meine Eltern um allerlei Dinge zu bitten die sie unbedingt tun wollte. War ich als Teenager auch so nervig gewesen?

Meine Mutter versuchte zwar die Stimme der Vernunft zu sein, doch man merkte das die Situation rund um Ben allen in den Köpfen hing. Immerhin waren er und Luana die Zukunft dieses Rudels und das es nun direkt zu Anfang solchen Stress gab, damit hätte wohl am wenigsten mein Vater gerechnet.

Benjamin war beim Essen nicht dabei gewesen. Was auch nicht verwunderlich war. Wir hatten alle über seine Abwesenheit geschwiegen. Selbst Sara mit ihrer unsensiblen Art hatte es nicht angesprochen. Erst als Bella sich später zum Essen gesellt hatte Sara jemanden zum Zuhören gehabt. Am liebsten wäre ich zu ihr gegangen und hätte sie gefragt ob sie von Bens Plan wusste mich zu den Blackwoods zu schicken, doch ich wusste nicht ob Ben so viele damit hineinziehen wollte.

Als das Essen vorbei war, entschuldigte ich mich und verließ mit der Aussage das ich schon müde sei das Esszimmer. Ich war zwar nicht so müde, aber ich brauchte dennoch eine Mütze Schlaf, wenn ich in der Nacht losfahren wollte.

Ich drückte kurz Bella zum Abschied, weil sie nach den Ereignissen des Wochenendes gerädert aussah. Sie lächelte bloß dankbar und ließ sich dann im Wohnzimmer zu meiner Familie auf die Couch fallen. Sie hatte heute den ganzen Tag gearbeitet, während viele ihren Rausch ausgeschlafen hatten und musste, zusammen mit unseren Beta, viele Entscheidungen bezüglich des Fests beschließen, da Ben dazu nicht in der Lage war. Ich war sehr gespannt darauf wie alles verlaufen würde. Immerhin war es auch für mich mein erstes Fest der Götter. Doch ich würde meine Vorfreude lieber im Zaun halten. Am Ende gab es auch noch dabei böse Überraschungen.

Ich hatte mir einen Wecker gestellt und meine fertig gepackte Sporttasche befand sich unter meinem Bett. Wenn ich Glück hatte würden meine Eltern sogar im Schloss schlafen statt hier in der Hütte und würden dementsprechend nichts mitbekommen. Doch ich würde nicht wetten, wenn ich müsste.

Als ich mich ins Bett legte checkte ich das letzte Mal mein Handy und überprüfte ob Ben sich nochmal gemeldet hatte. Aber ich sah nichts. Augenverdrehend drehte ich mich um und schloss die Augen. Ich hoffte einfach mal das ich mit dem Bargeld weit genug kam und niemand meine Spur verfolgen konnte. Es war zwar etwas paranoid anzunehmen das jemand mein Konto überprüfte, aber ich wollte nicht auf dem Gebiet der Blackwoods irgendeine Spur meiner Anwesenheit hinterlassen. Und wer weiß wem doch noch verfrüht meine Abwesenheit auffiel. Am Ende hatte meine Mutter oder irgendwer den Drang mich zu sehen und ich war nicht erreichbar.

Ich hatte zwar meinen Freunden gesagt das sie mich decken sollten falls jemand nachfragte, aber selbst ihnen habe ich nur eine vage Ausrede geliefert warum ich ein paar Tage unterwegs sein wollte. Wenn irgendwer Alarm schlug oder sich verplapperte, war wahrscheinlich das Erste was mein Vater anordnen würde mein Handy zu orten oder meine Kontoauszüge zu überprüfen. Werwölfe konnten manchmal schon sehr bestimmend und beschützerisch sein, wenn es um die Familie ging. Hoffentlich würde mir das nicht den Hals kosten.

Nachdem ich ein paar Stunden gedöst hatte, wurde ich von den Tönen meines Weckers geweckt. Ich stellte ihn schnell aus und legte mein Handy auf den Tisch. Danach zog ich mir eine bequeme Hose an und schlüpfte in eine Jeansjacke. Als ich meine Sportschuhe anzog versuchte ich herauszuhören ob sich jemand im Haus befand. Doch ich hörte nichts.

Schnell zog ich meine Tasche hervor und trug sie über die Schulter. Leis öffnete ich dann meine Tür und schloss sie. Langsam lief ich die Treppe runter und lauschte. Ich war mir unsicher ob ich jemanden atmen hörte oder es mir nur einbildete, doch ich lief langsam weiter.

Als ich vor der Tür zum offenen Wohnzimmer stand, wo sich der Ausgang befand sah ich ein kleines Licht. Stirnrunzelnd trat ich näher und sah Sara auf der Couch sitzen. Sie tippte auf ihrem Handy rum und sah zu mir auf.

"Wie lange willst du noch hier rumschleichen?", fragte sie mit hochgezogener Augenbraue. Ich fing fast instinktiv an zu knurren und betrat den Raum.

"Ich schleiche nicht umher.", erwiderte ich bloß und sie verdrehte die Augen.

"Dein Outfit sagt was anderes."

Sie betrachtete meine Klamotten die dafür sprachen das ich nicht nur mal schnell was zu trinken holen wollte, sondern das Haus verlassen wollte. Ich wollte schon etwas erwidern als sie mit ihrer Hand zum Ausgang wedelte.

"Ich sag es schon nicht Mum oder Dad. Aber dafür schuldest du mir was.", sagte sie beinah gelangweilt und ich musste fast auflachen. Es war typisch für sie die Situation auszunutzen auch wenn es ihr total egal war was ich anstellte.

"Abgemacht.", war das Einzige was ich erwiderte als ich an ihr vorbeilief und ihren berechnenden Blick sah.

Ich öffnete die Tür um rauszugehen, als sie mir noch hinter rief: "Viel Spaß!"

Ich schnaubte bloß und machte mich auf leisen Sohlen auf den Weg zum Parkplatz. Im Wald war es ruhig und nur in weiter Entfernung hörte ich noch einige wache Rudelmitglieder die wohl noch nicht schlafen wollten.

Doch ansonsten begegnete mir niemand. Erst als ich auf dem Parkplatz ankam sah ich eine Gestalt bei einem dunklen Geländewagen stehen. Ich erkannte ihn anhand seines Geruchs und drosselte mein Tempo.

"Hat dich jemand gesehen?", fragte Ben als ich vor ihm stand und ich schüttelte bloß den Kopf. Wenn Sara sagte das sie die Klappe hielt dann tat sie das auch. Sie würde mein Wegschleichen erst als Druckmittel gegen mich verwenden, wenn ich ihr den zugesagten Gefallen nicht erfüllte.

"Gut. Hier habe ich noch etwas Bargeld und ein neues Handy. Meine Nummer ist schon drauf abgespeichert. Ich habe auch ein paar Spiele runtergeladen und ein Ladekabel und eine Powerbank hinzugetan.", sagte er als er mir eine Tüte mit den Sachen reichte. Ich blickte hinein und sah noch einige Zettel und ein paar Snacks wie auch eine Deodose.

"Was steht denn da drauf?", fragte ich als ich die Zettel herausnahm und versuchte in der Dunkelheit die Schrift zu erkennen. Ben seufzte und lehnte sich gedankenverloren an das Auto. Ich betrachtete ihn etwas genauer und sah das er einen nachdenklichen Ausdruck auf dem Gesicht trug.

"Ich habe versucht Luanas Adresse heraus zu finden. Doch ich habe es nicht geschafft. Stattdessen habe ich eine Liste an Schulen an die sie gehen könnte. Mehr habe ich nicht in der Zeit schaffen können.", erklärte er und ich sah ihn erstaunt an.

"Wonach hast du die Schulen durchsucht?"

"Ich habe nach allen Schulen gesucht die in der Nähe des Blackwoodsrudel liegen, die eine gymnasiale Oberstufe haben und in der auch Werwölfe unterrichtet werden."

Innerlich fluchte ich, da ich mich nun wohl ständig in der Nähe aufmüpfiger Jungwölfe befinden würde, doch ich sah meinen Bruder wieder ernst an.

"Ich habe eine Rheinfolge erstellt, welche Schule die am wahrscheinlichste ist. Ich glaube das die Werwölfe gesammelt auf eine Gesamtschule gehen, damit diejenigen die nur Realschule oder Hauptschule machen auch dort ihren Abschluss machen können. Das wären schlussendlich auch nur zwei Schulen die allen Anforderungen gerecht werden."

Ich nickte tief durchatmend. Wenn ich es klug anstellte würde ich sie vielleicht schon direkt finden. Nur wie ich sie dann unauffällig beobachten sollte, wenn die ganze Zeit Werwölfe in der Nähe waren würde schwer werden.

"Was soll ich machen, wenn ich sie gefunden habe? Ich kann ja schlecht vor den ganzen Wölfen ihr hinterherrennen.", sagte ich und Ben nickte.

"Versuch es unauffällig und beobachte vermehrt aus dem Auto heraus. Wenn ich du wäre, würde ich viel Deo benutzen und was von dem grässlichen Trockenshampoo damit dein Duft so gut wie möglich verschleiert ist. Unser größter Vorteil ist das alle Blackwood Mitglieder die dich das Wochenende gesehen haben hierbleiben. Also musst du nur aktiv auf Luana und den Vampir achten. Die beiden werden dich vermutlich am schnellsten erkennen können."

Meine Nase verzog sich bei der Aussicht den Gestank dieser Parfümierten Waschmittel und Deos die ich ohne Zweifel nutzen musste. Doch es war das Beste um als Werwolf unterzutauchen. Und zwar sich in all die unangenehmen Düfte zu tauchen, sodass die Werwölfe einen automatisch mieden.

"Ich soll sie also nicht ansprechen?", hakte ich nochmal zur Sicherheit nach und Ben seufzte. Er schüttelte leicht den Kopf und ich legte den Kopf schräg.

"Was ist los?", fragte ich. Ben sah mir nachdenklich in die Augen und ging einen Schritt vom Auto weg und betrachtete den Wald. Er dachte wohl über etwas nach, ansonsten hätte er wie immer sofort geantwortet. Doch ich ließ ihm Zeit.

"Ich habe mit Lupras Blackwood gesprochen.", gestand er und ich riss erschrocken die Augen auf.

"Du hast was?"

"Ich habe mit Lupras Blackwood gesprochen.", wiederholte er nochmal. Innerlich war ich beinah am ausrasten, weil wir erst heute ausgemacht hatten das wir uns der Blackwood Familie nicht ohne Schlachtplan nähern und ansprechen. Doch Ben war wohl nicht zu bremsen gewesen. Weg mit der Vernunft und den Plänen. Ich strich mir seufzend übers Gesicht.

"Wolltest du etwa von ihm die Adresse?", fragte ich nach und ich sah ihn nicken. Ich verzog das Gesicht. Was hatte er wohl preisgeben müssen? Und er hatte immer noch nicht die Adresse. War Lupras uns nun gegenüber misstrauisch? Oder hatte er es Silvana schon mitgeteilt?

"Worüber habt ihr denn gesprochen? Die Adresse hast du ja nicht herausgefunden.", sagte ich ergebend. Es würde sich nicht lohnen darüber zu diskutieren das das Verhalten dumm und unüberlegt war.

"Ich hab zwar nicht die Adresse. Aber er gab mir unbewusst den Tipp mit der Schule.", antwortete er bloß und ich verzog verwirrt die Stirn kraus.

"Das war alles?", fragte ich und sah leicht wie Bens Mundwinkel zuckten.

"Vorerst ja. Über die anderen Sachen über die wir gesprochen haben muss ich mir erstmal Gedanken machen. Es war irgendwie sehr...verwirrend. Ich weiß selber noch nicht ob ich den Worten von ihm trauen darf.", antwortete er und ich nickte. Wer weiß was er damit meinte, aber Ben würde sich mir schon zu gegebener Zeit anvertrauen. Und wenn er eben noch etwas Bedenkzeit brauchte dann konnte er sie haben.

"Gut, ich glaube ich sollte mich dann los machen.", sagte ich dann und Ben nickte.

"Die Grenzwächter wissen Bescheid das ein Auto nochmal losfährt und werden dich nicht weiter behindern. Denk dran die Plakette irgendwann auf halber Strecke zu ändern. Die Sachen befinden sich dafür alle im Kofferraum."

Ich holte den Schlüssel aus meiner Hosentasche und verstaute die Sachen auf der Rückbank und auf dem Beifahrersitz.

"Sonst noch etwas vorauf ich achten muss?"

Ich sah Ben an nachdem alles verstaut war und er wirkte angespannt.

"Hab ein Auge auf ihr und greif nur ein, wenn es brenzlig wird. Du bist solange Beobachter bis ich dir was anderes mitteile. Und pass auf dich auf. Ich will dich wieder im ganzen Stück zurückbekommen.", sagte er und ich musste lächeln als ich wieder den großen Bruder in ihm sah der er war.

"Ich pass auf.", sagte ich als ich ihn kurz drückte und ihm auf die Schulter klopfte. Er versuchte es an einem Lächeln, doch die gesamte Situation war so absurd und überhaupt nicht zum Lachen geeignet das ihn das vermutlich mehr als schwerfiel.

Ich umrundete das Auto und ließ mich auf den Beifahrersitz fallen. Als ich den Motor startete und mich angurte, öffnete ich nochmal kurz das Fenster.

"Wir sehen uns dann wieder beim Fest der Götter. Viel Erfolg bis dahin.", sagte ich winkend. Ben erwiderte nichts darauf, sondern lief ein paar Schritte zur Seite damit ich problemlos ausparken konnte. Als ich vom Parkplatz fuhr stand er immer noch da und sah mir nachdenklich hinterher. Ob er wohl den Pulli gerochen hatte, den ich in meiner Sporttasche verstaut hatte? Es war der Pulli den Luana am Abend im Bunker getragen hatte und den ich mitgenommen hatte, damit ich wenn nötig etwas hatte womit ich ihre Fährte aufnehmen konnte. Zwar habe ich ihn in eine Plastiktüte gepackt, aber Bens Sinne müssten wahrscheinlich viel empfindlicher und aufgeriebener sein, als ich mir vorstellen konnte.

...

Ich glaube das Schlimmste nach einer schlaflosen Nacht war es den übermüdeten Körper aus dem Bett zu zwingen, in dem Wissen das es nichts gab weshalb sich das Aufstehen lohnen würde. Aber man wusste das man es tun sollte und zwang sich dementsprechend alle negativen Gedanken beiseite zu schieben und aufzustehen. So jedenfalls erging es mir an diesen Morgen.

Ich hatte nur schnell eine Banane gegessen und hatte versucht irgendwas an meinem Gesicht zu retten, damit mir nicht gleich jeder ansah wie ich mich innerlich fühlte. Jan hatte mir gestern Abend versprochen mich zur Schule zu fahren, damit ich nicht den Bus nehmen musste, weil Mel nicht da war.

Ich war dankbar für das Angebot und hab es breitwillig angenommen. Mels Eltern saßen unten und hatten den Tisch gedeckt, aber selbst sie schienen keinen großen Appetit zu haben. Zu sehr fiel die Abwesenheit meiner besten Freundin auf die mir unwissentlich das Wochenende den Arsch gerettet hatte mit ihrer Kleider Aktion. Am liebsten hätte ich ihr zwar den Hals umgedreht das sie das Kleid trotz all meiner Weigerungen eingekauft hatte, aber schlussendlich hatte es dafür gesorgt, dass ich überhaupt noch was zum Anziehen gehabt hatte. Pech nur leider für die Kleider das ich sie so schnell wie möglich entsorgen würde. Ich wollte nichts was mich an dieses scheußliche Wochenende erinnerte behalten.

Jan holte mich pünktlich wie versprochen bei dem Haus der Stürmers ab und ich trat in einer blauen Jeans und einem schlichten schwarzen Pulli aus dem Haus. Zum Glück war das Wetter hier nicht so warm wie am Wochenende, sodass ich mich in meine gemütliche Kleidung hüllen konnte. Immerhin hatte mir diese unauffällige Kleidung oft genug geholfen in der Masse unterzugehen. Irgendwie schon komisch das dies bald gar nicht mehr nötig sein würde.

Mit der Entschuldigung von den Stürmers für die verpassten Tage und einer zusätzlichen Wasserflasche lief ich auf das Auto zu. Jan sah lächelnd zu mir auf als ich in sein Auto stieg und ihn dankbar anlächelte. Ich hatte heute nicht wirklich Lust zu reden und zum Glück merkte das Jan sodass er still blieb. Das Radio lief leise im Hintergrund und ich sah nach oben zu dem Spiegel beim Sonnenschutz und betrachtete meinen Haaransatz. Die ersten weißen Haare waren wieder oben zu erkennen und ich hatte die Woche zuvor meine Tönung verbraucht.

"Können wir vielleicht nach der Schule in die Drogerie? Ich brauche Haarfärbemittel.", sagte ich und Jan blickte kurz von der Straße zu mir hin.

"Klar doch, brauche auch wieder Nachschub.", fügte er hinzu und ich nickte. Erst vor zwei Jahren sind mir und Mel aufgefallen das der Vampir seine Haare blondierte. Wir wussten nicht warum er das tat, aber ich kannte ihn seit jeher nur blond und wusste nicht einmal ob er braune oder schwarze Haare hatte, weil er seine Haare so regelmäßig und beinah schon paranoid färbte wie ich. Ob ihm seine Haarfarbe irgendwann zu langweilig war oder er einfach nur eine Wette verloren hatte wusste niemand. Aber er hatte auch die Frage nie ordentlich beantwortet, weshalb wir es schnell aufgaben ihn darüber auszufragen. Allgemein hatte Jan so seine Geheimnisse und Macken, aber wir akzeptierten seine Grenzen. Wir drei hatten ein Verständnis dafür. Wir alle wussten das wir Zeit brauchten um bestimmte Dinge erzählen zu können und das Geheimnisse nicht immer etwas waren, was den anderen verletzte sondern vielmehr einen selbst.

Ich versuchte genau deswegen es Mel nicht krumm zu nehmen das sie mir nichts von dem Ministerium erzählt hatte. Trotz unserer Freundschaft gab es Regeln innerhalb jeder Rasse und die mussten eingehalten werden. Deswegen versuchte ich krampfhaft mir einzureden, dass es ihr gut ginge und sie es nicht zulassen würde uns zu verlassen.

An der Schule angekommen bedankte ich mich bei Jan und lief direkt zu meinem ersten Kurs. Wir hatten heute nur drei Stunden gemeinsam und den ersten hätte ich normalerweise mit Mel gehabt. Vielleicht fand ich ja ein zwei Menschen die sich bei einer Partnerarbeit sich meiner erbarmten. Normalerweise würde man ja annehmen, dass Menschen die wahren Unmenschen und Monster waren vor denen sich magische Wesen fürchten sollten. Aber das war hier definitiv nicht der Fall. Hier waren die Werwölfe die Quälgeister. Aber wenigstens müsste ich sie nicht mehr lange ertragen.

In den ersten Stunden schaffte ich es den meisten Werwölfen aus dem Weg zu gehen. Wir mussten den Göttern sei Dank, nur Einzelaufgaben bearbeiten und die Fehler die wir bei der letzten Klausur geschrieben hatten korrigieren.

In der ersten Pause erwartete mich Jan schon an der Tür als ich wie immer als letzte den Raum verlies. Einige kleine Spuckbällchen lagen um meinem Platz verstreut, aber ich hatte es geschafft nicht auf die Werwölfe in der hinteren Reihe zu reagieren. Das hätte sie nur dazu animiert größere Spukbällchen zu benutzen.

Ob sie vielleicht noch etwas geplant hatten, da ich zum Ball gegangen bin und sie nicht? Ich wollte es ehrlich gesagt nicht wissen und erhoffte mir genug Ablenkung durch das Fest der Götter.

In der Pause hatte uns zum Glück niemand direkt angesprochen, sodass ich nur ein paar zugerufene Sprüche ertragen musste. Aber wie immer ging es ins eine Ohr rein und ins andere wieder raus. Jan und ich unterhielten uns nur über den Unterricht und was noch heute anstand. Alle anderen Themen hätte man bei der Masse an guten Ohren vergessen können.

Als wir die vierte Stunde gemeinsam hatten entspannte ich mich das erste Mal wieder und meine Schultern mussten sich nicht mehr so sehr verkrampfen. Leider wurde ich über die Jahre immer und schaffte es nur selten in der Schule locker zu sein, trotz Mel und Jan. Denn auch wenn sie da waren konnten sie nicht alles abschirmen. Und das sollte auch nicht die Aufgabe meiner Freunde sein. Wäre ich ein vollwertiger Werwolf könnte ich die anderen wenigstens zum Kampf herausfordern und meine Stellung beweisen. Aber bei meinem Zustand blieb mir nur die Flucht und für die hatte ich mich ja schlussendlich entschieden.

Den Rest des Unterrichts bearbeitete ich schweigend mit Jan die Aufgaben. Ich meldete mich nicht und das würde ich auch den Rest der Woche nicht tun. Ich würde den Teufel tun und irgendwie die Aufmerksamkeit der anderen zu erregen. So kam es das der Unterricht sich ewig in die Läge zog und meine Kopfschmerzen immer schlimmer wurden. Oft vielen mir fast die Augen zu doch ich war sehr dankbar als ich gähnend mit Jan das Schulgelände verlassen konnte. Wir hatten nur nochmal schnell einen Abstecher zu unseren Spinden gemacht und ich musste dort schon an mich halten nicht gleich gegen die Wand gelehnt einzuschlafen.

Erst im Auto sprach mich Jan wieder an.

"Jetzt zur Drogerie?", fragte er und ich nickte bloß erschöpft. Jemand hatte wieder die ganze Zeit gegen meinen Stuhl getreten und hatte dafür gesorgt, dass meine Nerven zum Reißen angespannt gewesen waren. Das ich jetzt wieder frei durchatmen konnte, ohne Geräusche oder verschwitzen Gerüchen war ein Segen.

Jan nickte mir nur nochmal angebunden zu, als er vom Parkplatz fuhr und die nervigen Schüler ignorierte die sich noch alle am Parkplatz tummelten. Heute hatten wir einen recht langen Schultag gehabt und einige blieben noch hier für AGs oder weil sie noch Nachmittagsbetreuung hatten. Ist halt bei Gesamtschulen oftmals der Fall das dann noch viel jüngere Kinder sich überall aufhielten. Vor einem Drogeriemarkt in der nächsten Kleinstadt in dem auch die Stürmers wohnten hielt Jan an.

Wir stiegen aus und liefen in die kleine Mall mit zwei Klamotten Läden, einem großen Lebensmittelladen, einem Bäcker, einer Apotheke und einer Drogerie. Wir steuerten direkt die Drogerie an und innerlich versuchte ich mir fürs nächste Mal zu merken das ich wieder wie üblich meine Tönung im Internet bestellen sollte. Der komische Blick von der Verkäuferin als sie meine weißen Haare sah und dann die braune Tönung, musste ich mir wirklich nicht nochmal geben. Am liebsten hätte ich ihr auch gesagt, dass ich keinen vernünftigen Sinn darin sah meine weißen Haare braun zu färben. Aber wenn man unter Menschen leben wollte und komischen Fragen wie: "Bist du ein Albino?" aus dem Weg gehen wollte musste man Kompromisse eingehen.

Als Jan an der Kasse bezahlt, hielt er kurz inne und rümpfte die Nase. Verwirrt beobachtete ich wie die Verkäuferin genervt auf Jan wartete der nicht bezahlte. Stattdessen sah er sich einmal um und verzog angestrengt die Brauen. Erst als sich die Verkäuferin laut räusperte wandte sich Jan wieder ihr zu und bezahlte. Genervt gab sie Jan das Rückgeld und wünschte nicht mal einen guten Tag als Jan und ich den Laden verließen.

"Was war denn los?", fragte ich nach und drehte mich selbst nochmal zur Drogerie um. Aber ich konnte nichts Auffälliges sehen und neben den ganzen Duftstoffen konnte ich auch kaum was anderes riechen.

"Nichts. Ich bring dich jetzt nach Hause.", sagte er nur ausweichend und ich zog misstrauisch die Augenbraue hoch. Doch ich erwiderte nichts. Immerhin hatte ich mir vorgenommen ihn zu überzeugen die Blutbank wieder aufzusuchen und das Thema wollte ich möglichst neutral zur Sprache bringen.

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