28|Abschied
Mein Körper zitterte und ich fühlte eine innere Leere. Warum und wieso das Ganze in diesem Moment passierte konnte mein Gehirn nicht verarbeiten. Stattdessen sah ich mit schockgeweiteten Augen auf Benjamins Gesicht.
Seine Hände umfassten immer noch verkrampft meinen Körper und seine Augen waren immer noch vor Verzweiflung geschlossen. Doch seine Lippen entfernte er weiterhin nicht von meinen.
Ich holte tief Luft, löste mich aus meiner Starre und fing wieder an mich zu wehren. Ich schob meine eingeengten Arme zwischen uns und versuchte ihn von mir zu schieben. Aber wie erwartet war er nicht von mir weg zu bekommen.
Tränen liefen weiter meine Wangen hinab und benetzten diesen unerträglichen Kuss. Ich schluckte und öffnete meinen Mund um in Bens Unterlippe zu beißen. Als ich das Blut auf meiner Zunge spürte verschwanden seine Lippen und durch sein zurückweichen nahm ich alle Kraft die ich besaß und schubste ihn weit weg von mir.
Ben stolperte und hielt sich gerade so am Tisch fest. Meine unzuverlässigen Kräfte hatten mir geholfen.
"Fass mich nie wieder an du Arschloch!", schrie ich ihm entgegen, während er sich geschockt an die blutende Unterlippe fasste.
Bevor er wieder auf die Idee kam nach mir greifen zu wollen, ergriff ich die Flucht und rannte so schnell ich konnte aus dem Zimmer.
Ich hörte wie er meinen Namen rief, aber alles in mir schrie danach nicht nach hinten zu blicken und nur gerade aus zu laufen.
Mein Sichtfeld war verschwommen und ich hielt mir immer wieder schluckend die Hand vor meinen Mund um die erstickten Geräusche zu unterdrücken. Vor meinem inneren Auge versuchte ich den Weg nach zu laufen um in mein Zimmer zu kommen. Ich wollte nur noch schnell dorthin und mich einschließen. Niemand sollte mich mehr so sehen.
Ich versuchte darauf zu achten niemanden über den Weg zu laufen und stolperte mehrfach über meine eigenen Füße. Fluchend zog ich mir die Schuhe aus und griff das Kleid mit der anderen Hand damit ich besser laufen konnte.
Angst überkam mich bei dem Gedanken das Ben mir ganz einfach hinterherrennen konnte oder wesentlich schneller bei meinem Zimmer ankommen könnte als ich selbst. Diese Angst sorgte dafür das ich ungeachtet meiner hektischen Atmung und meiner schmerzenden Beine immer schneller durch die Gänge rannte.
Am Gästetrakt angekommen, kamen mir wenige Gäste entgegen doch ich senkte den Blick und versuchte meine Haare vor mein Gesicht zu schieben um mein verheultes Gesicht zu verbergen. Schlimm genug, wenn mich jeder erkannte. Aber noch schlimmer konnte ich mir ihre gaffenden Gesichter vorstellen falls sie bemerkten weshalb ich geweint hatte.
Der Kloss in meinen Hals wurde immer größer und ich kam zitternd vor dem Pflanzentopf zum Stehen, wo Bella den Zimmerschlüssel versteckt hatte. Ich bückte mich und fischte ihn heraus. Tief durchatmend blickte ich mich im Gang um und lauschte in der Umgebung.
Es hörte sich für mich nicht danach an als wäre mir jemand gefolgt. Aber sicher konnte ich mir bei meinem derzeitigen Zustand nicht sein.
Ich stützte mich am Topf ab und lief mit tauben Beinen auf meine Tür zu. Schniefend schaffte ich es den Schlüssel im Schloss umzudrehen und in mein Zimmer zu gelangen.
Erleichtert liefen mir wieder Tränen übers Gesicht und ich hielt mir schluchzend die Hand vor dem Mund, als mir wieder die Bilder von eben durch den Kopf schossen. Wer war denn so durchtrieben und tat jemanden so etwas an?
Ich zog den Schlüssel schnell aus der Tür und schloss sie hinter mir zu. Suchend blickte ich mich in dem Zimmer um und fand mein Handy schlussendlich auf dem Bett. Das dreckige Kleid lag direkt daneben und ich verspürte den Zwang das Kleid, welches ich gerade an meinen Leib trug, so schnell wie möglich von mir zu entfernen.
Panisch zog ich es mir aus und verhedderte mich mehrfach an den Füßen ehe ich strampelnd daraus fand und nach meinem Handy greifen konnte. Ich hielt es wie einen Rettungsanker an meine Brust und stolperte damit ins Bad.
Ich schloss auch diese Tür hinter mir zu. Ich wusste das konnte keinen wütenden Werwolf aufhalten, aber zu mehr war mein Verstand nicht im Stande. Schnell schaltete ich das Wasser für den Duschkopf auf vollster Stufe auf. So würden wenigstens die anderen Werwolfsgäste mein Meinen nicht hören können. Einige würden sicherlich in der kommenden Stunde ihre Kinder in die Zimmer bringen.
Mit den Kloss im Hals setzte ich mich auf den Boden und lehnte mich erschöpft an den Badewannenrand. Wieso musste mir so etwas ausgerechnet passieren? Ich war überhaupt nicht auf dieses Wochenende vorbereitet gewesen. Egal wie viele mir hier nett erschienen sind, genauso viele schlimme und furchteinflößende Persönlichkeiten existierten in diesen Schlossmauern.
Ich presste meine Handflächen gegen meine brennenden Augen und fing lauthals an zu schluchzen. Mein Kopf pochte und mein Körper zitterte vor Anstrengung. Mein Körper und Geist waren ausgezehrt. Ich verstand nicht was heute passiert war. Die Erlebnisse schwirrten ohne Sinn durch meinen Verstand und bei jeder weiteren Erinnerung fühlte ich mich unglaublich verloren und im Stich gelassen. War denn auch nur eine Person auf meiner Seite gewesen oder war das wieder nur ein ausgeklügelter Plan gewesen den ich nicht begriffen hatte? Zielte dieses ganze Wochenende wieder nur darauf ab mir zu zeigen was ich nicht haben konnte? Keine Familie, kein Rudel, keinen inneren Wolf und vor allem keinen Gefährten. Wussten etwa alle längst das ich keine von ihnen war? Hatten sie die ganze Zeit mit mir gespielt und mich im Glauben lassen ich hätte alles im Griff?
Diese Blicke, die Drohungen, das Chaos und auch dieser ungewollte Kuss brannten sich in meinen Kopf und ehe ich mich versah krabbelte ich zur Toilette um das bisschen was in meinen Magen war heraus zu würgen.
Brennende Säure vermischt mit meinen Tränen landete im Abfluss und nur meine verkrampften Finger um die Toilette sorgten dafür das ich nicht sofort auf den Boden zusammenbrach.
Als ich wieder besser Luft bekam ließ ich auf den Badezimmerteppich fallen. Ich versuchte meine Atmung zu regulieren und tief ein und aus zu atmen. Eine weitere Panikattacke oder Ähnliches halfen mir auch nicht weiter. Denn ich wusste das es Menschen gab deren mein Befinden wichtig war. Und genau diese Menschen musste ich erreichen. Ansonsten würde ich nur weiter in mein schwarzes Loch fallen und mit mir alles machen lassen. Doch das konnte ich mir nicht leisten.
Ich wischte die Tränen weg, doch es kamen sofort neue. Frustriert auf mich selbst stemmte ich meinen Oberkörper auf und griff nach meinem Handy. Ich suchte lange in meinen Kontakten nach Matilda. Nachdem ich endlich die Nummer von Mels Mutter hatte schluchzte ich erleichtert.
Wenn jeder mich hier so verachtete und selbst Silvana von mir verlangte hatte zügig vom Gelände zu verschwinden, werde ich mich nicht mehr dagegen wehren.
Ich drückte den Anrufbutton und wartete darauf das Matilda abhob. Als das Tuten aufhörte kamen Tränen der Erleichterung.
"Mathilda Stürmer. Bist du das Luana?"
Ich versuchte meine Stimme wieder zu finden, doch der Kloss in meinen Hals machte es mir beinah unmöglich auch nur einen Ton aus mir herauszubekommen.
"Luana weinst du? Was ist denn los? Versuch tief ein und aus zu atmen Schatz.", redete Mathilda beruhigend auf mich ein und ich hörte wie im Hintergrund Herold zu ihr geeilt kam.
"Ich brauche eure Hilfe.", brachte ich mit brüchiger Stimme hervor.
...
Ich rannte um die Eckeund wäre beinah über meine eigenen Füße gestolpert, als ich mit Bella imSchlepptau wie ein wild gewordener Hund durch die Flure des Schlosses rannte.Ich wurde erst vor wenigen Minuten von jemanden der Grenzpatroullie geweckt unddas was mich erreicht hatte, hatte mich sofort aufhorchen lassen.
Dieselben Personen die Luana erst am Freitag vor unsere Tür gebracht haben, sind eben über die Grenze aufs Gelände kommen und wollten sie allen Anschein jetzt schon abholen. Aber warum im Namen der Göttin um fünf Uhr morgens?
Das letzte Mal als ich Luana gesehen hatte war der Moment wo sie von Silvana nach draußen geschleppt worden war und ich Ben geholfen hatte sie zu finden. Danach hatte ich nichts mehr von beiden gehört.
Ich dachte das wäre ein gutes Zeichen, doch genau wie ich sah Bella besorgt aus. Was hatte das bloß zu bedeuten? Hatte Ben sie doch nicht überzeugen können zu bleiben oder hatte Luana vergessen ihren Leuten Bescheid zu geben, dass sie nun doch bei uns bleiben möchte? Derjenige von der Grenzpatroullie wirkte ernst und besorgt. Das Auto mit den drei Personen war schnell gefahren und hatte nicht den Eindruck gemacht das Tempo drosseln zu wollen. Niemand der nicht in Eile war würde mit fast hundert kmh durch den Wald brettern. Vor allem in einem Wald voller Werwölfe.
Als ich vor Bens Schlafzimmer im Schloss ankam hatte ich erwartet Luanas Geruch wahrzunehmen, doch sie war nicht hier. Bella wusste zwar weder von mir oder Ben das diese seine Seelenverwandte war, aber selbst sie machte sich Sorgen um Luana und konnte sich wohl ihren eigenen Teil denken warum ich bei der Angelegenheit zu Ben eilte.
Die Tür zu seinem Nebenzimmer war offen und verwirrt trat ich in das verwüstete Zimmer. Alle Möbel bis auf das Klavier waren entweder zerfetzt oder in einer anderen Ecke des Raumes gelandet. Als hätte ein Wolf hier drinnen gewütet. Und dieser Wolf musste wohl oder übel mein Bruder gewesen sein der nackt mit einer Flasche Whisky auf den Boden saß.
"Was zum Fick ist hier passiert?", fragte ich geschockt und Bella hinter mir atmete auch geschockt ein. Besorgt lief Bella an mir vorbei um nach unseren Jungalpha zu sehen. Jeder niedere Wolf im Rudel würde erst nach Verletzungen bei Rudelmitgliedern suchen, bei solch einem Szenario.
Doch Ben saß fast schon lethargisch auf dem Boden und sah mit leerem Blick zu Bella die ihn absuchte. Er roch stark nach Alkohol und seinem Blick nach zu urteilen und der halb leeren Flasche hatte er einiges intus. Werwölfe konnten zwar schneller Alkohol abbauen, aber es sah nicht danach aus als wäre er auch nur ansatzweise daran interessiert gewesen wieder schnell nüchtern zu werden. Außerdem hatte ich ein wenig Blut gerochen und allem Anschein nach stammte es nur von seiner Lippe. Ich blickte mich weiter im Raum um ehe ich langsam auf ihn zulief. Immer mehr Befürchtungen bereiteten sich in mir aus. Ich roch kein weiteres Blut, also musste sich augenscheinlich nur Ben verletzt haben, aber die Aussicht was mit Luana passiert war machte mir große Sorgen.
"Es ist nicht so ausgegangen wie du wolltest hab ich recht?", fragte ich das Offensichtliche und Bens leerer Blick wanderte zu mir. Ich hörte ihn schnauben und ich bückte mich hinab um Bella an der Schulter zu fassen.
"Hol schnell eine Jogginghose und ein Shirt für ihn. Ich kümmere mich um ihn."
Besorgt sah Bella mich an und nickte, ehe sie schnell aufstand und nach draußen eilte. Ich sah ihr kurz nach ehe ich mit ernstem Blick zu Ben sah.
"Was ist passiert?", fragte ich erneut, aber Ben blickte nur nach draußen auf den Balkon und schien mich zu ignorieren. Die Sonne war kurz davor aufzugehen und der Horizont wurde schon wieder heller.
Ich atmete tief durch und fasste mir zwischen die Nasenwurzel um nicht frustriert auf meinen Bruder einzuschlagen. Normalerweise griff er nie einfach so zur Flasche. Ihn in solch einem Zustand zu sehen war verstörend und ich hoffte das keiner außer Bella und mir ihn je wieder so sehen musste.
"Ich weiß nicht was in dich gefahren ist oder was das alles zu bedeuten hat, aber glaub mir du musst jetzt wieder nüchtern werden. Die Hexer die Luana hierher gebracht haben sind auf dem Rudelgelände und rasen auf das Schloss zu. Wir müssen sie in Empfang nehmen und jemand muss Luana aufsuchen. Also steh auf und helf mir!"
Ich wollte nach ihm greifen doch sein mahnender Blick ließ mich stoppen.
"Fass mich nicht an! Ich habe kein Interesse daran jemanden hinterher zu rennen der mich hasst."
Verwirrt runzelte ich die Stirn.
„Wie meinst du denn das? Sie ist deine Seelenverwandte schon vergessen? Du kannst doch nicht einfach sitzen bleiben und nichts tun!", warf ich ihm vor. Doch er schüttelte nur den Kopf und nuschelte vor sich hin.
„Na und? Sie glaubt mir eh nicht.", sagte er dann nuschelnd und setzte die Flasche an den Mund. Ich schnappte sie ihn aus der Hand und hielt sie weg von ihm.
„Was hat das zu bedeuten? Was glaubt sie dir nicht?", fragte ich erneut und doch Bens vernebelter Verstand war wohl nicht bereit mir zu erzählen was hier vorgefallen war. Hatten sie sich gestritten? Wollte sie ihr Rudel nicht verlassen oder hatten sie einfach nur eine Meinungsverschiedenheit gehabt?
„Ist das überhaupt noch wichtig? Sie will mich nicht verdammt! Und jetzt verpiss dich, wenn du mir nicht die Flasche wiedergeben willst!", sagte Ben urplötzlich aufbrausend. Er stützte sich vom Boden ab und wollte nach der Flasche in meiner Hand greifen doch ich war schneller als er und ging auf Abstand. Er stolperte und fiel beinah hin. Fluchend warf ich die Flasche raus auf dem Balkon, sodass er sie nicht mehr erreichen konnte.
Ben stützte sich auf eines der umgedrehten Sofas und nuschelte wirre Worte und bevor er erneut ausrutschen konnte griff ich nach seinem Arm und stützte ihn. Dieses Mal hatte er zugelassen das ich ihn anfassen konnte und verlagerte dementsprechend einen Großteil seines Gewichts auf mir. Ich atmete tief durch um ihn daraufhin aus dem Raum zu tragen.
Er stolperte mehr über seine Füße als das er wirklich lief und ich war mehr als erleichtert als ich Bella wieder vor der Tür sah. Schnell lief sie mit den Klamotten in der Hand auf mich zu und schnappte sich Bens zweiten Arm.
"Schnell ins Bad mit ihm!", dirigierte ich Bella und sie nickte mir besorgt zu. Zusammen trugen wir Ben in sein Schlafzimmer neben dem das Bad angrenzte. Das Zimmer war zum Glück von seiner Wut unberührt geblieben, sodass wir ohne Sorgen über den Boden laufen konnten.
Im Bad setzten wir Ben schließlich in die große Dusche. Ich schnappte mir den Duschkopf und stellte das Wasser eiskalt. Ben schnappte erschrocken nach Luft als ich den Wasserstrahl auf ihn richtete, doch er wehrte sich nicht und ließ den Kopf bloß in den Nacken fallen.
Gestresst sah ich auf die Uhr und verzog das Gesicht als ich bemerkte wie viel Zeit ich hier gerade verschwendete. Ben machte nicht den Eindruck als würde ihn auch nur ansatzweise die Situation interessieren. Er schien längst aufgegeben zu haben und das hatte ich um ehrlich zu sein nie bei meinem Bruder gesehen.
"Ben zum letzten Mal, was ist passiert?", fragte ich ihn, doch er sah erneut einfach weg und ignorierte mich.
"Verdammt nochmal.", fluchte ich und schlug auf die Wand neben ihn ein. Doch auch das interessierte ihn nicht. Er zuckte noch nicht einmal.
"Das hier ist lange noch nicht vorbei! Bella pass auf ihn auf und sorg bitte dafür das er nach dem Duschen angezogen seinen Rausch ausschläft. Ich kümmere mich erstmal um Luana und sehe nach dem Idioten hier später.", sagte ich verärgert. Bella nickte mir zu und übernahm meinen Platz neben meinem Bruder.
Wütend über die Situation verließ ich den Raum und lief schnell Richtung Haupttrakt. Das ich mich um jetzt um seinen Kram kümmern musste, gefiel mir eigentlich überhaupt nicht, aber ich schätzte in seiner Verfassung konnte er nicht ansatzweise das Ausmaß dessen begreifen was hier vor sich ging.
Wenn ich mir seinen Zustand und die wenigen Dinge die er gesagt hatte in Erinnerung rief dann lies mich alles nur zu dem Schluss kommen das Luana womöglich doch das Gelände verlassen wollte. Und das um diese Uhrzeit? Wollte sie das es niemand mit bekam?
Ich überlegte fieberhaft ob und wie ich sie im Falle das sie fahren wollte aufhalten könnte, aber da ich nicht wusste was letzte Nacht passiert war oder ob sie überhaupt mit Ben über ihre Beziehung gesprochen hatte, musste ich erst von ihr erfahren was überhaupt passiert war um sie wirklich überzeugen zu können.
Ich würde meinen Bruder beschimpfen und ihn einen Idioten nennen, wenn es half sie hier zu behalten. Denn ich wollte und konnte mir nicht ausmalen wie Ben reagieren würde, wenn er nüchtern mitbekam das seine Seelenverwandte weg war. Wahrscheinlich würde erst mir und dann jeden anderen der sie nicht aufgehalten hatte, den Hals umdrehen.
Als ich gerade zum Gästequartier abbiegen wollte kam mir einer der Grenzwächter entgegen.
"Was ist los?", fragte ich direkt.
"Das Auto hat das Schloss erreicht."
Ich nickte verstehend und lief zusammen mit dem Wächter die Treppe hinab.
"Ist Lady Blackwood noch im Zimmer?", fragte ich gehetzt, doch zu meinem Entsetzten schüttelte er den Kopf.
"Nein, sie hat es vor zwei Minuten verlassen."
"Fuck!", fluchte ich und lies den Wächter hinter mir. Ich sprintete so schnell wie möglich zurück in den Haupttrakt um zum Haupteingang zu gelangen wo Luana ursprünglich abgesetzt wurde. Das war die einzige Möglichkeit sie noch mit Sicherheit zu erwischen. Denn wenn ich jetzt versuchen würde sie in den Gängen zu finden, konnte sie auch einen anderen Weg genommen haben und dann würde ich sie gänzlich verpassen.
Im Eingangssaal angekommen sah ich wie die große Tür sich gerade hinter einer Person schloss. Ich rannte noch schneller auf diese zu und rief nach Luanas Namen.
"Luana warte!", sagte ich als ich gerade dabei war die Tür zu öffnen. Suchend blickte ich mich nach ihr um und sah wie sie sich gerade auf der Treppe zu mir umdrehte. Sie zog ihre Koffer hinter sich her und hatte ihren Kleidersack nur sporadisch an den Koffer befestigt, damit sie allein die Taschen tragen konnte. Das sollte wohl wirklich eine Nacht und Nebelaktion sein sollen.
Sie hatte rot unterlaufene Augen und ihre Haare zu einem wirren Zopf hochgebunden. Außerdem trug sie eine verwaschene Jeans und einen großen Hoodie der ihre Figur total verschleierte. Sie sah mich erschrockenen Blick an und drehte sich um, um weiter zu laufen.
Vor der Treppe stand das Auto und zwei Erwachsene Hexer standen neben den vorderen Autotüren. Die Frau hatte rote Haare und dem Mann auf der anderen Seite des Autos sah man an seinem grauen Haaren sein Alter schon an. Doch die erfahrenen Hexer bereiteten mir nicht die größte Sorge. Denn vorne vorm Auto und am nächsten zur Treppe stand unverkennbar ein blonder großer Vampir der mich mit Argusaugen beobachtete.
"Hey, warte doch! Ich muss mit dir reden!", rief ich Luana hinterher, doch sie lief unbeeirrt weiter. Zügig rannte ich die Treppen hinab zu ihr und war dank ihres Gepäcks schnell bei ihr. Ich hielt sie an der Schulter auf doch sie zuckte vor mir zurück und drehte sich wütend zu mir um.
"Fass mich nicht an Nico!", sagte sie fauchend und ich sah das erste Mal solch eine Wut in ihren Augen. Verwirrt zog ich meine Hände weg von ihr. Sie atmete stark ein als hätte sie denn Weg den sie gelaufen war rennend hinter sich gebracht.
"Wieso ignorierst du mich und läufst weg?", fragte ich ruhig. Wenn ich nun genauso emotional wie sie reagieren würde, würde sie mir nicht zuhören.
"Lass mich einfach in Ruhe.", sagte sie distanziert und ich zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Hatte ich ihr was getan?
"Warum willst du so früh gehen? Du hast dich weder verabschiedet noch Bescheid gegeben.", versuchte ich es erneut doch sie schnaubte bloß.
"Ihr wusstet das ich heute gehen würde. Tu nicht so überrascht und lass mich gehen."
Luana wollte sich von mir abwenden, doch ich lief an ihre rechte Seite und versuchte wieder in ihr Sichtfeld zu gelangen.
"Das kann ich leider nicht mit guten Gewissen zulassen. Was ist denn passiert das du nun so schnell gehen willst? Ich dachte du hättest mit Ben gesprochen und würdest die Woche noch bei uns bleiben wollen. Immerhin sollte das ja deine Meinung geändert haben nehme ich an."
"Du wusstet davon?", fragte sie mit geweiteten Augen. Sie schüttelte den Kopf und hielt sich hart schluckend die Hand vor den Mund. Sie schüttelte den Kopf und sah verachtend zu mir hinab.
"Was meinst du? Ich dachte nur du und Ben würdet euch aussprechen wie es nun mit euch weitergehen würde.", sagte ich verwirrt. Warum es sie anscheinend verletzte, dass ich davon wusste das Ben mit ihr sprechen wollte verstand ich nicht.
"Du bist genauso ein Arschloch wie dein Bruder! Du wusstest die ganze Zeit davon und hast mir nichts gesagt! Du glaubst doch nicht wirklich das ich nach eurer ganzen Aktion noch eine Minute länger hier bleibe! War es deine oder doch die Idee von Benjamin gewesen? Wer denkt sich so einen Dreck aus und spielt so mit einer Person!", warf sie mir auf einmal total wütend vor. Ich schritt zwei Schritte von ihr weg und betrachtete sie verzweifelt. Was zur Hölle hatten mein Bruder und ihr angetan?
"Luana ich weiß nicht was mein Bruder dir angetan hat, aber das muss ein Missverständnis sein. Ihr seid doch Seelenverwandte. Was immer er getan hat musst du ihm doch verzeihen können! Ihr könnt doch ohne einander nicht lange überleben!", redete ich auf die immer weiter wütender werdende Luana ein. Doch sie schüttelte nur entsetzt den Kopf und lachte hohl auf. Tränen der Wut sammelten sich in ihren Augen und sie sah mich nur noch mit purer Verachtung an.
"Ich fass es einfach nicht! Du tust einfach immer noch so als wäre euer Streich nicht längst aufgeflogen!"
Sie lief an mir vorbei und rammte meine Schulter, doch ich konnte es nicht hierbei belassen. Egal was ich oder irgendwer ihr angetan oder gar eingeredet hatte, ich durfte sie jetzt nicht gehen lassen! Also drehte ich mich um und hielt ihr Handgelenk fest damit sie nicht weiter gehen konnte.
"Bleib stehen! Ich mein alles was ich sage verdammt ernst! Hier verarscht dich niemand! Wir wollen nur dein Bestes.", versuchte ich es erneut, doch Luana atmete zittrig ein und spannte ihre Arme an.
Der Vampir bewegte sich auf uns zu, doch zu meinem Erstaunen schüttelte Luana den Kopf, sodass der blonde Vampir stehen blieb. Die Hexer hatten auch das Auto umrundet und sind näher zur Treppe. Egal ob sie auf fremden Rudelgelände waren oder nicht, ihnen sah man an das sie Luana auch mit Gewalt hier rausholen würden.
"Hör auf mit den Lügen und lass mich los! Ich kann keinen Seelenverwandten haben und das wisst ihr! Wahrscheinlich wusstet ihr das von Anfang an und habt euch nur über mich lustig gemacht. Aber ich lass mir das nicht mehr gefallen! Ich hab kein Bock mehr jedermanns Prügelknabe zu sein und erst recht nicht von irgendwelchen Jungwölfen aus einem anderen Rudel!", sagte Luana wütend. Doch sie sah nicht einmal zu mir herüber. Ich hörte das ihre Stimme kurz davor war zu brechen und das dieses Gespräch ihr wohl viel Kraft kostete. Doch ich konnte ihre Worte nicht ignorieren. Das was sie da von sich gab ergab einfach keinen Sinn
"Was redest du da?"
Luana drehte sich entrüstet zu mir herum. Ihre Koffer fielen auf die Treppe und sie hob ihre freie Hand als sie wütend mit dem Finger auf meine Brust drückte.
"Ich bin anders als ihr alle! Das wusstest du! Die ganze Zeit! Kein Wunder das ihr mich immer wieder vor anderen bloßstellen wolltet. Haha, die dumme Luana kann sich nicht verwandeln. Haha, die dumme Luana kann keinen Seelenverwandten haben. Tun wir einfach so als hätte sie einen. Ja ich bin dumm, aber ich lass mich nicht mehr so behandeln. Sei stolz auf dich und deinen Bruder, denn euer Streich war ein voller Erfolg. Und jetzt entschuldige mich und lass mir das letzte bisschen Selbstwertgefühl was ich besitze."
Vor Schock lies ich sie los, doch in ihrer Rage stieß sie immer wieder wütend mit ihrem Finger auf meine Brust. Doch bevor sie weiter auf meine Brust einstechen konnte hielt ich ihre Hand mit meinen beiden Händen fest und sah sie eindringlich an.
"Das kannst du nicht ernst meinen! Ich weiß nicht wer dir das eingeredet hat, aber du bist Bens Gefährtin. Niemand lügt dich an oder spielt mit dir. Du bist wie wir alle und egal welche Defizite du vielleicht hast, niemand wird dich zu irgendwas zwingen. Bitte bleib hier! Bitte glaub mir und vertrau mir. Bleib doch noch diesen Tag hier und wir klären alle Missstände auf."
Ich sah sie verzweifelt und bittend an, doch sie sah mich nur gequält an und entzog mir ihre Hand.
"Ich werde euch Werwölfen nie wieder trauen können.", sagte sie eiskalt und ein Teil in mir wollte ihr das nicht glauben.
"Bitte dann vertrau mir als deinen Freund!", flehte ich sie an doch sie schüttelte erneut den Kopf.
"Was soll der scheiß noch! Jeder von uns beiden hier weiß das du mich die ganze Zeit belügst und behinderst. Erwarte ja nie wieder was von mir!", warf sie mir vor und ich konnte nicht anders als verletzt über ihre Worte still zu stehen. Wir sahen uns noch für einen kurzen Moment tief in die Augen, doch sie schien mir nicht mehr zuhören zu wollen. Sie glaubte und vertraute mir nicht mehr. Und das von dem einen auf den anderen Tag.
Als sie an mir vorbeilief und sich ihre Koffer schnappte, konnte ich nicht anders als total verwirrt und verletzt ihr hinterher zu sehen. Der blonde Vampir und die zwei Hexer standen die ganze Zeit bereit um einzuschreiten und die angespannten Muskeln des Vampires signalisierten mir das alles was ich jetzt noch versuchen würde, sofort zu Nichte gemacht werden würde.
Allein auf der Treppe stehen gelassen sah ich wie Luanas Koffer in den Kofferraum gepackt wurden und der Vampir mich nicht aus den Augen lies. Luana stieg ohne einen weiteren Blick zu mir als erste ins Auto und zog sich die Kapuze über den Kopf. Das Hexerpaar setzte sich als zweites nach vorne ins Auto und der Vampir bewegte sich erst als alle anderen im Auto saßen.
Nachdem sich alle Personen im Auto befanden lief ich eine Stufe hinab. Doch ohne das ich etwas unternahm sah ich wie das Auto langsam anfing sich zu bewegen ehe es sich immer weiter und immer schneller vom Schloss und auch von mir entfernte.
Ich schüttelte den Kopf. Was hatte ich mir da eben alles anhören müssen? Sie schien das alles wirklich so aufgefasst zu haben und ich war kein Stück schlauer als zuvor.
Als ich mir immer noch keinen Reim auf das Ganze machen konnte drehte ich mich erschöpft zurück zum Schloss und sah zu den Fenstern. Im oberen Stockwerk auf der Seite die zum Gästequartier führte beobachtete mich ein mir bekanntes blaues Augenpaar und ein Verdacht schlich sich langsam in mein Unterbewusstsein. Wenn selbst Silvana aus sicherer Entfernung diesem Abschied beigewohnt hatte, wusste diese Frau vermutlich mehr als ich. Und das Einzige was ich gerade mehr wollte als dieser Frau meine schlechte Laune entgegen zu werfen war es Antworten auf meine Fragen zu bekommen. Und dafür musste ich als erstes zu Benjamin.
Frustriert lief zurück ins Schloss und versuchte die Blicke dieser Oberhauptluna zu ignorieren. Ich habe mein Bestes gegeben und auf ganzer Linie versagt.
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