11|Tischgespräche

"Sie werden in genau einer halben Stunde von mir abgeholt und zum Speisesaal gebracht. Die Familie Amalon hat nämlich auf 15 Uhr ein großes Festessen für Sie herrichten lassen."

Der junge Wolf stellte meinen Koffer neben der Tür ab und sah mich auffordernd an, ehe ich mich an meine Manieren erinnerte.

"Ähm, Dankeschön. "

Er nickte und kramte aus seiner Hosentasche einen kleinen Schlüssel, den er mir reichte.

"Hier ist noch der Schlüssel für Ihr Zimmer. Wenn Sie irgendwas benötigen scheuen Sie sich nicht zu fragen."

Ich nickte bloß und sah dem Wolf hinterher wie er im Flur verschwand. Das Gebäude war sehr weitläufig und der Wolf hatte mich zum Westflügel gebracht, wo in der zweiten Etage mein Zimmer lag. Der Flur war durch die vielen Fenster hell beleuchtet und man konnte von hier aus auf den vorderen Teil des Hauses mit den Brunnen blicken.

Ansonsten war das Schloss wie erwartet sehr edel eingerichtet und in angenehmen Tönen gehalten. Goldene wie auch weiße Elemente waren überall zu finden und ich wusste nicht, ob ich enttäuscht oder froh sein sollte, nicht wie in einem wirklichen Schloss Gemälde und überladene Flure zu haben. Es wirkte wie eine angenehme Mischung aus alt und neu und ich wollte nicht wissen, wie viel Zeit und Geld in die Renovierung miteingeflossen sein musste.

Als ich merkte wie ich immer noch im leeren Flur stand, öffnete ich die weiße Holz Tür und betrat mein Zimmer.

Es war ein offener Raum mit vielen Balkontüren an denen schwere Vorhänge hingen. Der Boden war aus Holz und innen war es angenehm warm.

Den Koffer und den Kleidersack legte ich aufs Bett, dass direkt beim reinkommen den Fokus ausmachte. Das Bett war groß und hatte einen Vorhang oben an der Decke, damit es wie ein Himmelbett wirkte. Direkt am Fußende des Bettes war eine Kommode und auf der anderen Seite des Raumes war ein alter massiver Schrank.

Ein ebenso alter Tisch stand vor einem weiten Fenster und ich erkannte daneben eine weitere Tür. Ich lief auf diese zu, öffnete die Tür und betrat das große Bad. Es war neumodischer als das Zimmer und hatte eine große runde Wanne und eine offene Dusche. Handtücher lagen auf dem Waschbecken bereit und ich sah mich in dem Spiegel an.

Meine weißen Haare waren immer noch stramm auf meinen Kopf zusammen gebunden und meine Augen sahen mir müde entgegen. Die Augenringe musste ich gleich noch überschminken. Ich seufzte tief und verließ das Bad wieder.

Eine Uhr hing an der Wand und die Zeit tickte unaufhörlich in meinen Kopf. Nicht mehr lang. Dann sah ich die Blackwoods wieder. Unruhig sah ich mich nochmal im Zimmer um und beschloss kurz an die frische Luft zu gehen.

Der Balkon war von der Breite her genauso groß wie das Zimmer und die Balustrade war aus weißem Gestein. Als ich mich an diese lehnte, sah ich eine weite Wiese die an einem Wald anschloss. Ich lächelte als mir bewusst wurde, dass dies der Wald aus meinen Erinnerungen sein musste.

In der Ferne sah ich ein paar Personen stehen, die gerade lachend durch eine der Türen im das Gebäude verschwanden. Neben meinen Balkon schlossen sich weitere Balkone in beide Richtungen an, weshalb ich davon ausging, dass dies der Trakt war wo Gäste untergebracht werden mussten.

Ich stand noch einige Minuten draußen, ehe ich mich wieder vom Anblick los riss und begann meinen Koffer auszupacken. Die meisten Sachen verstaute ich in dem Schrank und die anderen brachte ich ins Bad. Dort schminke ich mir die Augenringe weg.

Als ich auf die Zeit sah bemerkte ich, dass ich nur noch fünf Minuten hatte und machte mich daher schnell daran meine Klamotten zu wechseln.

Ich trug nun Stiefeletten, eine helle Jeans und eine weiße Bluse, die hinten am Rücken noch verziert war. Zum Glück hatte Mel an alles gedacht.

Als ich mich am Ende nochmal im Spiegel überprüfte, ob alles saß und mir innerlich Mut zusprach, klopfte es an der Tür.

Ich atmete tief durch. Das musste ich jetzt irgendwie über die Bühne bringen. Eine nette Maske aufsetzen mich nicht klein reden lassen und die Kommentare ignorieren. Nicht viel reden und keine Aufmerksamkeit erregen. Das sollte ich doch eigentlich hinbekommen.

Mit einem nervösen Lächeln öffnete ich die Tür und sah dem jungen Wolf von eben entgegen. Ich schloss die Tür hinter mir und steckte den Schlüssel in meine Hosentasche und folgte dem jungen Wolf, der mich zurück in die erste Etage zum Hauptgebäude führte.

"Hier im großen Gebäudetrakt findet man die Säle für die Veranstaltungen, wie auch einige Büros der höheren Rudel Mitglieder. In der unteren Kelleretage findet man dann hauptsächlich die jüngeren Mitglieder, da es dort einige Aufenthaltsbereiche gibt. Bestimmt wird ihnen die Amalon Familie nochmal einen persönlichen Rundgang durch diesen Trakt geben.", erklärte mir der Wolf, während wir mit einem flotten Tempo zum Speisesaal huschten. Wahrscheinlich verspäteten wir uns, andernfalls konnte ich mir dieses Tempo nicht erklären.

Als wir vor einer großen Doppeltür ankamen stoppte der Wolf und drehte sich zu mir.

"Hier ist der Speisesaal. Die Mitglieder beider Familien sollten bereits vollständig eingetroffen sein. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Appetit und würde mich daher heute von Ihnen verabschieden. Den Rest des Abends wird Ihnen bestimmt zur freien Verfügung gestellt werden. ", erklärte mir der Wolf, ehe er an die Tür klopfte und diese öffnete.

War er denn vollkommen von allen Geistern verlassen? Geschockt sah ich wie die Tür sich öffnete und ich schluckte hart, als mir bewusst wurde, dass die Zeit für die Vorbereitung nun vorbei war und ich in der Realität angekommen war. Mit einem panischen Blick in die Richtung des Wolfes, der mir mit seinem Blick zu verstehen gab das ich mich bewegen sollte, betrat ich den Saal.

Es war ein breiter Raum mit großen Kamin vor dem eine lange Tafel stand. Auf der rechten Seite konnte ich die Blackwood Familie erkennen und am Kopfende saß ein älterer Mann mit Anzug der sympathisch zu mir aufblickte, als er das Gespräch mit meinen Vater unterbrach.

Auf der rechten Seite des Mannes saß mein Vater in schwarzen Hemd und zurück gegelten Haaren. Daneben Silvana im Cocktailkleid und offener Haarpracht. Ihr Blick schoss mir kalt durch die Adern, als sie ihren Arm um die Lehne des Stuhls von Luna legte die direkt neben ihr saß. Die kleine hatte ein rosa Kleid an und einige Spangen im Haar.

Direkt neben ihr saß mein Bruder der genau wie mein Vater im schwarzen Hemd gekleidet war und neben ihn saß seine Mate Mia, neben der der letzte Platz in der Reihe frei war.

Ich ging langsam auf den Tisch zu und verbarg meine zitternden Hände hinterm Rücken. Verdammte scheiße! Warum musste mir das hier nochmal passieren? Am liebsten würde ich sofort aus dem Raum rennen, als mir die ungeteilte Aufmerksamkeit der Anwesenden zu Teil wurde.

Ich blieb kurz vor der Tafel stehen und blickte mich nervös um und betrachtete die linke Tischhälfte an der anscheinend die Amalon Familie saß.

Der Platz neben dem Mann am Kopfende war frei. Ich schätzte, dass es Nelson Amalon, der Alpha und das westliche Oberhaupt war. Neben dem freien Platz saß ein junger Mann in meinen Alter, der gelangweilt an der Serviette spielte. Seine hellbraunen Haare reichten ihm bis zum Kinn und waren nur unordentlich nach hinten gerichtet worden, während er im lockeren Hemd und Tanktop da saß.

Neben ihm war eine dunkelblonde hübsche Frau die bestimmt Mitte vierzig war und dies auch nicht kaschierte. Sie lächelte mich aus herzlichen blauen Augen an. Neben ihr saß definitiv ihre jüngere Version, die wahrscheinlich etwas jünger war als ich. Das Mädchen betrachtete ihre Nägel und zog ihre hübsche Nase kraus, als sie kurz zu mir blickte.

Ich wusste nicht was ich sagen sollte und die Tischgespräche die zuvor am Laufen waren, sind eingestellt worden.

"Ähm Entschuldigung für meine Verspätung. Ich wollte euch nicht warten lassen.", sagte ich dann doch zaghaft, als mir das Essen und das Besteck auf dem Tisch auffiel. Scheiße. Das würde bestimmt Ärger geben. Aber bevor jemand aus der Blackwood Familie etwas entgegen konnte, erhob sich Nelson Amalon und lächelte mich erstaunlich warm an.

"Ach was kein Grund sich zu entschuldigen. Das Essen steht erst seit kurzem hier und du bist auch nicht die Letzte die etwas später kommt. Lass mich dich aber erstmal ansehen Kind."

Etwas überrascht über die offene Art des älteren Mannes, machte ich mich nervös in seine Richtung. Ich ging an den anderen Familienmitglieder der Amalons vorbei die mich nun neugierig betrachteten, während die Blackwoods mich nicht aus den Augen ließen. Anscheinend waren sie darauf bedacht zu sehen ob ich Fehler machte.

Als ich vor Nelson Amalon anhielt sah ich schon die ersten grauen Strähnen an den Schläfen seiner braunen Haare und ehe ich es begreifen konnte, hatte mich Nelson in eine herzliche Umarmung gezogen. Ich versteifte mich sofort und legte schnell die Arme leicht um ihn, bevor er mich aus der gezwungenen Umarmung entließ. Er jedoch wirkte immer noch zufrieden, als hätte er mein beklemmendes Verhalten nicht bemerkt.

"Schön dich mal nach all den Jahren wiederzusehen. Das letzte Mal als ich dich gesehen hatte bist du gerade mal zur ersten Klasse gegangen. Wahnsinn was eine schöne Frau du doch geworden bist.", sagte Nelson und betrachtete mich von oben nach unten. Es war mir zwar kurz unangenehm, aber nicht weil Nelson wie ein Pedophiler aussah, sondern weil ich es gewohnt war von Wölfen nur Ablehnung zu erhalten und dies ein ungewöhnliches Verhalten war. Meinte er das ernst oder wollte er mich nur in Sicherheit wiegen und gute Miene zum bösen Spiel wahren? Oder tat er nur so, weil er nichts von meinen Status wusste und sich so bei meiner Familie einschleimen wollte? Ich war nur komplett überfordert und betrachtete kurz meinen Vater, der die Hände zusammen gefaltet am Kinn hielt und stumm die Szene beobachtete.

"Ähm, Dankeschön. Für das Kompliment und die Einladung." , beeilte ich mich zu sagen und lächelte nervös. Nelsons Augen begannen zu strahlen, während er mein Kommentar abwinkte.

"Das ist doch selbstverständlich! Immerhin war ich neugierig was aus dir geworden ist und es ist schon tragisch genug, dass wir dich die letzten Jahre nicht mehr zu Gesicht bekommen haben. Hätte ich gewusst was Lupras da für einen kleinen Schatz versteckt, hätte ich ihn schon viel früher dazu genötigt dich mal wieder mitzunehmen. ", sagte Nelson lachend und wäre die Stimmung nicht schon unangenehm genug für mich, machte es dieser Kommentar nur noch schlimmer. Ich schielte zu den Blackwoods die in Schweigen gehüllt waren. Bloß Luna sah mich aus neugierigen Augen an.

Ich war schon am überlegen was mein Vater wohl für Ausreden sich einfallen lassen haben könnte, weshalb ich nicht bei den Treffen erscheinen konnte und wie ich es so verkaufen konnte, dass alles so unglücklich passiert ist, als sich hinter mir einer der Stühle bewegte.

"Ach Nelson, lass sie doch erst mal ankommen bevor du sie mit Komplimenten überschüttest. Du bist sicher erst vor einigen Minuten angekommen. Setzt dich doch hier direkt zu uns. Soweit ich weiß wird mein ältester Sohn nicht mehr erscheinen. Und wenn doch, kann er sich auch ruhig nach hinten setzten.", sprach mich die Frau neben den Jungen an, zu der ich mich nun wandte. Überrascht sah ich auf den Platz neben ihren Sohn und sie nickte mir lächelnd zu.

" Vielen Dank. ", sagte ich leise, während ich den Stuhl zurück zog und mich neben ihn gleiten ließ. Der Junge beobachtete mich nur kurz aus dem Augenwinkel, ehe er den Blick zu seinem Vater schleifen ließ der sich nun wieder an den Tisch setzte.

"Da nun alle wichtigen Personen anwesend sind, würde ich nun vorschlagen erst einmal zu essen. Ihr alle habt eine anstrengende Reise hinter euch und ich bin froh euch nun so zahlreich antreffen zu können."

Nelson nickte lächelnd in die Runde und die Blackwoods bedankten sich höflich. Ich tat es ihnen nach.

Alle fingen an sich Essen auf ihre Teller zu tun und ich besah mich erstmal den Speisen. Mir war eigentlich überhaupt nicht nach Essen. Mein Magen rummorte allein bei den Gedanken daran und ich war mir unsicher, ob es besser war zwischen den Amalons statt den Blackwoods zu sitzen. Zwar waren die Amalons bisher höflich geblieben, aber das musste nichts heißen. Sie konnten sich genauso schnell wie die Blackwoods von mir abwenden und sich von Silvana beeinflussen lassen, aber ich hatte die kleine Hoffnung, dass sie etwas rationaler denken konnten und nicht ohne darüber nachzudenken ihren Worten folgten. Immerhin hatte Silvana hier keinerlei Einfluss und niemand war ihr verpflichtet.

Ich sah immer noch das Essen an, als der Junge neben mir mich mit den Ellenbogen an der Seite anstupste. Ich war die einzige die noch kein Essen auf den Teller hatte und ich lächelte ihn dankbar zu, da er mich aus meiner Trance geweckt hat, aber er ignorierte dies und hörte anscheinend mit halben Desinteresse an dem Gespräch von meinem Vater, Silvana und Nelson zu.

Ich beeilte mich nun schnell etwas Gemüse und etwas vom Braten auf den Teller zu tun. Ich fing an langsam davon zu essen und versuchte mich zu beruhigen. Nichts ist bisher passiert. Mit Glück blieb das so. Hier befand sich auch niemand vom Jungrudel der mir etwas böses antun würde.

Mein Magen rummorte bei dem wenigen Essen was ich zu mir nahm, aber ich zwang mich konsequent weiter zu essen. Würde ich dies nicht tun, käme bestimmt einer von den anderen auf die Idee mich anzusprechen und ein Gespräch wollte ich bestens umgehen. Ich schielte zu den Blackwoods und sah wie Luca sich lächelnd mit Luna unterhielt und ihr Essen auf den Teller schnitt, während Mia mit dem ihr gegenüber sitzenden Mädchen sprach. Silvana aß mit ernstem Gesichtsausdruck und gab wie mein Vater ab und zu zwischen den Bissen Kommentare über das Fest der Götter. Das die beiden einen großen Teil der Planung übernahmen konnte ich mir schon vorstellen, aber es überraschte mich das die Frau von Nelson nicht einmal dazwischen sprach, sondern das Gespräch bloß nett belächelte.

Ich war so an das Denken gewöhnt, dass Silvana oftmals die Aufgaben eines Alphas übernahm, dass es mich wunderte wie ruhig und besonnen die Luna dieses Rudels war. Doch ich musste zugeben, dass diese ruhige und mütterliche Ausstrahlung sie wahrscheinlich zu einer perfekten Luna und Ansprechpartnerin machte. Gewiss wollte ich dadurch nicht Silvanas Stellung im Rudel nieder reden, aber selbst bei diesem Gespräch schien die Luna sich stetig vorzudrängen und zu vergessen, dass eigentlich mein Vater derjenige war der die Aufgabe übernahm.

"Luana."

Mein Kopf ruckte sofort zu meinen Vater. Er hatte mich bei Namen genannt. Bei meinen Gedanken hatte ich anscheinend verpasst angesprochen worden zu sein.

Mit aufgerissenen Augen sah ich meinen Vater an, der mit neutraler Miene zu Nelson deutete. Ich wandte mich dem lächelnden Mann zu der seine Serviette bei Seite legte. Er hatte mich anscheinend angesprochen. Peinlich berührt entschuldigte ich mich für meine Unaufmerksamkeit und wurde rot im Gesicht. Er jedoch lachte nur herzlich und zog wahrscheinlich damit kurzzeitig die gesamte Aufmerksamkeit auf uns.

"Ach kein Grund sich zu entschuldigen. Ich habe dich nur fragen wollen, was du derzeit eigentlich machst beziehungsweise was du vor hast in der Zukunft zu tun. Dein Vater hatte bloß gemeint, dass solle ich dich am besten selber fragen."

Er lächelte mich unschuldigend an und ich verbarg meine zitternden Hände unter dem Tisch. Verdammt Luana reiß dich zusammen!

"Ähm, ich bin im vorletzten Jahr meiner menschlichen Schullaufbahn und mache im nächsten Jahr mein Abitur.", sagte ich schnell, als mir einfiel das ich zu lange geschwiegen hatte. Nelson zog anerkennend die Augenbrauen hoch und lehnte sich in seinen Stuhl zurück.

"Interessant. Nicht viele aus dem Rudel entscheiden sich mittlerweile noch ein Abitur zu machen, da ihnen das Studium ein zu großes Risiko ist. Sag, hast du schon eine genaue Vorstellung was du studieren möchtest? Immerhin würdest du doch kein Abitur machen, wenn du nicht einen höheren Sinn darin sehen würdest. "

Ich war erstaunt das Nelsons Reaktion so positiv ausfiel. Denn er hatte Recht. Durchschnittlich gingen die meisten Werwölfe nach der zehnten Klasse von der Schule und nahmen ein offiziellen Platz im Rudel ein, um dort einer Aufgabe nachzukommen. Doch einige Jungwölfe hatten genug Grips oder wollten sich noch nicht den Aufgaben eines Rudelmitglieds entgegen stellen, weshalb diese dafür plädierten wenigstens noch weitere drei Jahre Bildung zu erhalten. Nur sehr wenige Wölfe gingen studieren und wenn dann nur auf örtlichen Universitäten, damit diese immer zurück nach Hause pendeln konnten.

Wahrscheinlich sorgte diese rarre Menge an gebildeten Studenten im unseren Dorf dafür, dass sie noch so altbacken lebten. Wenigstens erkannte die junge Generation die Technologie an und zwang somit die ältere Generation ein wenig aufzurüsten, aber es war auch schon zu lange her das ich effektiv im Dorf diese Entwicklung beobachten konnte.

"Um ehrlich zu sein weiß ich noch nicht was ich studieren möchte. Ich würde aber gerne studieren. Immerhin wäre dies eine Bereicherung für alle.", gab ich knapp von mir und hoffte der letzte Teil meiner Aussage würde das Ansehen der Blackwoods steigern. Immerhin musste es doch bestimmt ansprechend aussehen, wenn die Tochter des Oberhauptes an Bildung und Entwicklung interessiert war.

"Hast du denn schon eine leichte Tendenz in welche Richtung du studieren möchtest? Ich selber habe auch einige Semester besucht und habe vorzeitig abgebrochen. Es würde mich daher sehr interessieren, da es hier in der Nähe auch gute Unis gibt."

Ich blickte erstaunt zu der Frau von Nelson hin. Sie hatte studiert? Ich musste unwillkürlich lächeln. Es freute mich eine gebildete Frau als Luna zu begegenen und das diese anscheinend wirkliches Interesse an mir und meiner schulischen Laufbahn fand.

" Ich habe drei Gebiete zu denen ich eine leichte Tendenz verspüre, aber ich habe noch keine genaue Vorstellung welche Uni geeignet wäre und ob ich dort angenommen werden würde. Außerdem..."

"Ich glaube wir sollten uns weniger auf die lächerliche Zukunft einer Teilzeitstudentin konzentrieren und uns lieber dem zuwenden, was in der Gegenwart von Belangen ist.", unterbrach mich Silvana mit schneidenen Blick in meine Richtung, während sie ihr breitestes Lächelns offenbarte.

Ich spannte mich unwillkürlich wieder an und meine Übelkeit verschärfte sich. Hätte ich doch bloß nicht so viel geredet. Ein Seitenblick nach rechts zeigte mir wie gestört die blonde Frau von Nelson über Silvanas Unterbrechung war, doch sie blieb still und betrachtete mit einem ernsten Zug um den Mund Silvana, die weiter fing zu erzählen.

"Ich schätze mal, dass ihr noch nicht davon gehört habt das mein Sohn Luca sich für die Position des Repräsentanten aufstellen lässt. Eigentlich wollten wir das am Wochenende bekannt geben, doch unter so guten Vetrauten kann man dies ja schon mal etwas früher bekannt geben. Auch sind seine Aufgaben die er tagtäglich übernimmt immer mehr dem eines Alphas gerecht. Ach und Mia darf ich gar nicht vergessen zu erwähnen. Sie wird unsere zukünftige Luna sein und ich bin so stolz auf die beiden, da sie sich so früh gefunden haben und mit Bravour das Rudel in den nächsten Jahren leiten werden."

Silvana prahlte mit ihren Sohn als wäre er eine Trophäe die nur sie gewonnen hatte, doch allen Anschein nach fanden die anderen Familienmitglieder diese Prahlerei nicht genauso ansprechend. Mein Vater hatte zwischen drin versucht Silvana zu verdeutlichen das sie aufhören sollte, doch auch das Unwohlsein ihrer kleinen Tochter, wie das Einschreiten ihres Mannes, unterbrach sie nicht.

"Oh ich war noch gar nicht fertig. Auf meine kleine Luna bin ich zur Zeit auch besonders stolz. Sie hat ihre erste Wandlung vor kurzem vollzogen und ist damit höchstwahrscheinlich der jüngste Wolf in der Geschichte, der die Wandlung so früh absolviert hat. Auch ihre schulischen Leistungen lassen sich sehen und ich sehe nur eine große Zukunft für sie, wie bereits der Name für sie hervor bestimmt hat.", stolz lächelte Silvana auf die kleine hinab, die nur unschuldig lächelte und nicht wusste mit den Lob ihrer Mutter umzugehen.

Nelson Frau zog verägert die Augenbrauen zusammen und der Junge mit den braunen Haaren neigte sich mit ernstem Gesicht nach vorne um Silvana und Luna anzuvieseren. Nelson Amalon hielt sich seine Hand vor die Stirn, anscheinend genauso unzufrieden mit der angespannten Stimmung im Saal und sah betroffen zu seinem Sohn, der nun anfing zu sprechen.

"Schön das sie uns so detailreich über ihre Kinder aufgeklärt haben, aber niemand hat danach gefragt. Auch ist es im übrigen von Ihnen sonderlich dreist irgendwelche Behauptungen aufzustellen, ohne zuvor darüber nachgedacht zu haben."

Silvanas Unterkiefer mahlte und ein leichtes Knurren ihrerseits entfloh ihr, als leise Warnung zu dem jungen Mann neben mir, der dies bloß belächelte und weiter fortfuhr.

"Seien wir mal ganz ehrlich, ich kenne ihren Sohn nicht sonderlich gut und allein diese Tatsache sollte sie beunruhigen. Bloß weil man zu dieser Wahl antritt, heißt es nicht gleich das man diese gewinnt. Ich zweifele zwar nicht an seinen Kompetenzen, doch ich versichere Ihnen, dass mir gleich mehrere Anwärter einfallen die viel mehr um den globalen Frieden gekämpft haben und angesehener sind als ihr Sohn. Also sollten sie sich vielleicht erstmal daran machen seine Kontakte zu erweitern, bevor sie anfangen mit etwas zu prahlen das es nicht wert ist."

Ich schloss beunruhigt die Augen. War er denn lebensmüde? Seine Mutter neben ihn wollte ihn zwar für seine Anschuldigungen Rügen, doch er schüttelte bloß mit den Kopf und sah wieder zu Silvana die von meinen Vater versucht wurde zu beruhigen, doch ihre Miene war weiterhin angespannt.

"Ach und wo wir schon dabei sind. Ich denke so ganz mit der Religion haben sie es ja nicht, wie sie sich immer darstellen. Ihre Tochter nach einer Göttin zu benennen ist an Dreistheit gar nicht mehr zu überbieten. Allein ihr Tick alle ihre Kinder mit demselben Anfang zu benennen ist schon erbärmlich. Haben sie etwa keine Kreativität gehabt oder wollten sie sich von den Göttern los sagen und sie gar beleidigen. Nichts gegen ihr Wunderkind, aber ich glaube nicht das sie im Alter von drei Jahren ihre erste Wandlung vollzogen hat. Denn wenn sie ihre politischen Kenntnisse als Luna nicht vernachlässigt hätten, wüssten sie das im Amerika der Alpha Jackson in seinen jungen Kindheitsalter dies geschafft hat."

Der junge Mann neben mir grinste breit und lehnte sich zufrieden in seinen Stuhl zurück, während seine Eltern ihn mit bösen Blicken bedachten und sich bei den Blackwood leise für sein Benehemen entschuldigten. Doch er sah sie nur entrüstet an.

Silvana winkte mit einem künstlichen Lächeln ab und spielte dies bloß als jugendlichen Trotz runter. Doch die angespannte Stimmung und die feindseligen Blicke von dem Jungen blieben nicht aus.

"Ich würde den Mund nicht so voll nehmen und auf altklug tun, bevor dir dies deine Beziehungen zerstört. So wirfst du jedenfalls kein gutes Licht auf dich, deine Familie und die Wolfsgemeinschaft. Aber lass mich dich unwissenden Jungen doch mal aufklären. Keine Sorge meine Kreativität ist nicht so eingeschränkt wie du dir einbildest, sondern ist Zeuge meiner religiösen Dankbarkeit gegenüber der Göttin, die mir so wundervolle Kinder geschenkt hat."

Der Junge neben mir rollte die Augen und unterdrückte anscheinend ein bissigen Kommentar.

"Also ich kann gut nachvollziehen, warum sie das getan hat.", rutschte es mir raus. Geschockt von mir selbst sah ich in die erstaunten Gesichter, die zu mir blickten.

"Und warum genau?", fragte der junge Mann neben mir und sah mich aus denselben grünen Augen, wie die seines Vaters an. Von seiner anscheinend wirklichen Neugier angespornt versuchte ich mich zusammen zu reißen und meine Stellung zu begründen.

"Jeder lebt seinen Glauben anders aus und es steht uns anderen nicht zu dies zu hinterfragen oder böse zu reden. Wenn Silvana das Bedürfnis hat der Göttin mit den Namen ihrer Kinder zu danken, dann sollte sie dies tun, wobei die Namensgebung schon in der Tradition der Blackwoods bestand. Der Vater von Lupras hieß Luneros und dessen Vater Lunares. Es soll keine Beleidigung darstellen, obwohl ich den Gedankengang verstehen kann, dies als dreist zu betrachten. Immerhin ist der Name Luna unserer Göttin versprochen. Doch seien wir ehrlich, wir leben mittlerweile in einer modernen Welt und sollten in der Lage sein den Namen unserer Göttin mit dem eines Kindes zu unterscheiden, obwohl diese gleich sind. Und wenn ich ehrlich bin steht Luna der Name angegossen und ich könnte mir keinen anderen an ihr vorstellen."

Beim letzten Satz lächelte ich Luna an, die im ganzen Gespräch betreten gewirkt hatte, nun aufgrund des Kompliment strahlend lächelte. Der Junge neben mir nickte anerkennd und auch die andern aus der Amalon Familie schienen zufrieden mit der Antwort, doch als ich zu den Blackwoods sah bekam ich die volle Ladung Hass von Silvana zu spüren.

"Oh da hat ja jemand schön die Namen auswendig gelernt, aber niemand hat dich nach deiner Meinung gefragt Bastard. Du bist nur ein einfacher Mensch und verstehst nicht die Beweggründe eines Wolfes und reimst dir die größte Scheiße zusammen, die ich je gehört habe!"

Angst. Das war das einzige Gefühl was ich verspürte, während mein Körper in eine Art Schockstarre gefror. Silvana hatte sich während des Sprechens aufgerichtet und ihre Stimme ist einige Oktaven gesunken, während ihre Augen glühten und ihre Fingernägel eine ungewöhnliche Form annahm. Luca hat während Silvana sprach Mia aufgefordert aufzustehen und diese hatte sich die verängstiegte Luna geschnappt und verlässt gerade in diesem Moment den Saal. Der junge Mann neben mir spannte sich an, bereit zu handeln, falls dies von Nöten sei.

Doch bevor Silvana fortfuhr oder jemand die Situation entschärfte für die ich verantwortlich war, stand die Frau von Nelson entrüstet auf.

"Ich weiß zwar nicht was dein beschissenes Problem ist Silvana, aber achte auf deine Worte in Anwesenheit anderer! Ich hoffe für deine Familie und dein Rudel, dass du nicht immer so ausfallend bist, aber gerade hast du jede menschliche Mate eines jeden Wolfes mit deinen Aussagen herabgestuft und gar beleidigt! Und das betrifft auch mich und das kann und will ich mir nicht in meinen eigenen Haus gefallen lassen! Das du deine eigene Tochter als Bastard beleidigst und vor aller Augen erniedriegst ist ja nur die Eisspitze des Berges, aber noch mich, eine menschliche Luna im eigenen Haus, zu beleidigen kann nicht geduldetet werden. Und ich schwöre dir bei der Göttin, dass das letzte was ich in meinen Leben tue ist dir das Fell über die Ohren zu ziehen, wenn du dich noch einmal so in meinen Haus verhälst! Noch ein Kommentar oder eine falsche Handlung deinerseits und ihr alle seid vom Fest der Götter, wie auch von dem Ball entladen!"

Wir alle waren wie versteinert, als wir auf die beiden Frauen sahen. Bei der Göttin. Was hab ich bloß getan?Die Hölle brach erst los, als Silvana fauchte, sich in einen grauen Wolf verwandelte und der Junge neben mir seine Mutter schützte, während Lupras den Wolfsleib von Silvana festhielt. Nelson stattdessen schrie gegen die sich weiter streitenden und fauchenden Frauen, während er den Jungen, Luca, das Mädchen und mich aus dem Saal scheuchte und seine Frau beruhigte.

Was eine verdammte scheiße hab ich bloß wieder veranstaltet?

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