02|unangenehme Einladungen
Einladung an Luana Blackwood,
Das West-Rudel Amalon lädt zum 20 jährigen Jubiläum ein und würde sich über ihre Anwesenheit freuen. Es wird ein großes Fest mit Bankett, festlicher Musik und Tanz.
Wir bitten um eine angemessene Abendgaderobe und gute Laune für den kommenden Abend.
Die Veranstaltung beginnt um 20 Uhr im Opernpalast und wird sein Finale um 0:00 Uhr mit einem Feuerwerk feiern. Zimmer sind im voraus im Namen der Gastgeber gebucht worden. Falls sie am selben Abend wieder abreisen, lassen sie es uns bis zur kommenden Woche wissen.
Wir freuen uns sie am Samstag 25.05 bei uns begrüßen zu dürfen.
In Grüßen
Nelson Amalon
"Und was steht im ersten Brief drinnen?", fragte mich Melina ungeduldig, während sie neugierig über meine Schulter auf den Brief linste. Ich stöhnte genervt und übergab Melina Augen rollend den Brief, während Jan es sich auf Melinas Bett gemütlich gemacht hatte und Chips in sich hinein stopfte.
"Eine Einladung von einem hohen Rudel. Ich muss wahrscheinlich als Repräsentantin der Blackwood Familie erscheinen, weil dem Rudel der Osten gehört. Seit 20 Jahren herrscht Frieden zwischen den großen Oberhäuptern und das soll groß gefeiert werden. Da komm ich wahrscheinlich nicht drum rum.", sagte ich nieder geschlagen und setzte mich aufs Bett neben Jan der mir was von seinen Chips anbot. Lächelnd nahm ich mir eine handvoll raus, während Melina die edle Einladung die vorher mit einem Siegel verschlossen war studierte.
"Ich schätze mal da sind nur Hunde erwünscht oder?", fragte sie beiläufig, während ihr Blick weiter auf den Brief gerichtet war. Ich wusste, dass ihr der Gedanke das ich allein unter Wölfen sein musste Kopfschmerzen und Sorgen bereitete.
"Ich glaub sie sind keine großen Fans von Hexen und Vampiren die bei solch Feierlichkeiten nichts zu suchen haben. Sorry Leute.", sagte ich halb entschuldigend, denn sie wussten längst selbst das Werwölfe gerne unter sich blieben und selten andere Wesen zu Partys einluden. Melina verkniff ihren Mund zu einer dünnen Linie und starrte auf das Blatt als könne sie es allein mit ihren Blick verschwinden lassen. Ich musste schmunzeln als mir einfiel, dass dies gar nicht so abwegig wäre. Würde sie ein bisschen was von ihrer Blutsmagie spielen lassen, würde der Brief innerhalb weniger Sekunden zu Asche verbrennen.
"Denkst du wir könnten einfach vor gaukeln das du krank bist?", fragte Jan mit vollem Mund und Melina strafte ihn mit einem Blick, als hätte er einen blöden Witz gerissen.
"Als ob das die alten Säcke interessieren würde wie es Luana geht. Solange sie nicht im Koma liegt oder am Sterben ist, wird sie dahin müssen. Ich erinnere dich nur ungern an den Vorfall wo Luana mit einer Mandelentzündung auf die Seebestattung ihrer Großtante musste und danach von meinen Eltern ins Krankenhaus eingeliefert wurde, weil der Stress und das Wetter ihren Zustand verschlimmert hatte. Ihr Rudel hatte sich sogar währenddessen über sie lustig gemacht, statt ihr zu helfen. Und das bei einer sechs jährigen? Ich glaub nicht das es sie überhaupt interessieren würde, wenn ein wirklicher Notfall eintreffen würde. Sie würden Luana einfach mit sich schleppen, egal ob sie will oder nicht.", sagte Melina und schmiss den Brief wütend auf ihren Schreibtisch. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, da sie sich wieder Sorgen um mich machte und verkrampfte mich ein wenig. Es gab viele solcher Vorfälle in meinen Leben und jeder einzelne brannte sich in Melinas Gehirn, wie auch in das ihrer Eltern. Oftmals hörte ich sie nachts verzweifelt darüber diskutieren wie sie mir das Leben einfacher machen konnten. Aber allein die Tatsache das ich bei ihnen kostenlos leben durfte und als Familienmitglied betrachtet wurde, war mehr als ich mir erträumt hatte.
"Ich erinnere mich dran, aber man kann ja dennoch fragen.", sagte Jan als hätte ihn der Wutanfall von Melina gar nicht gekümmert, obwohl selbst bei ihn ein besorgter Schatten über dem Gesicht lag. Wir alle waren einfach viel zu überfordert gewesen mit meinen leiblichen Bruder und haben uns nur noch beeilt nach Hause zu kommen. Ich seufzte und rutschte näher an Melina ran um meinen Arm um ihre Schulter zu legen.
"Beruhig dich. Es ist nicht das erste mal das ich bei sowas erscheinen muss.", versuchte ich die Stimmung zu lockern, sah aber deutlich Melinas Überforderung in den Augen und wie ihre Augen zu glänzen begannen.
"Ja, aber jedes Mal kommst du total misshandelt wieder nach Hause und verschließt dich für Tage in deinem Zimmer. Wie lange soll das noch weiter gehen? Wie oft willst du noch geschlagen werden und der Frustabbau für diese Monster sein? Ich habe jedes Mal Todesangst, dass ich dich wieder wie vor ein paar Jahren total zerbeult und dem Tode näher als dem Leben ins Krankenhaus schleppen muss. Luana versteh doch das ist kein vernünftiges Leben mehr! Das muss doch irgendwann ein Ende haben.", am Ende bricht ihre Stimme und sie schlägt die Hände über den hängenden Kopf zusammen. Es stimmte alles was sie sagte und ich konnte mir nicht annähernd vorstellen was sie für Ängste erleiden musste, wenn ich allein unterwegs war, wo sie mich nicht beschützen konnte.
Hilfesuchend sah ich zu Jan der mit zu Melina gerutscht war um ihr genau wie ich über den Rücken beruhigend zu streicheln.
"Was ist eigentlich im anderen Brief drinnen. Den hast du noch nicht gelesen.", versuchte Jan den Fokus weg von den schlechten Erinnerungen zu lenken. Dankbar sah ich ihn an und schnappte mir den zweiten Brief der in dem Umschlag meine Bruders noch verweilte.
Seufzend las ich den Brief und legte diesen wieder beiseite. Melina und Jan sahen mich neugierig an, sodass ich anfing zu erzählen:" Das war nur nochmal die offizielle Bestätigung das ich am Wochenende zum Rudeltreffen muss. Damit können deine Eltern mich auf das Grundstück der Wölfe fahren, ohne das sie einen Prozess unterzogen werden. Das letzte Mal kam ich ja zu spät, weil wir keine Bestätigung hatten für das Betreten des Geländes."
" Stimmt ja, das letzte Mal ist ja auch schon ein paar Jahre her. ", sagte Melina leise .
" Reicht es nicht normalerweise, wenn die Wölfe Bescheid wissen und dann einen automatisch durchlassen?", fragte Jan verwirrt. Normalerweise hatte Jan auch recht wenn man ein anerkanntes Familienmitglied war oder von einem Werwolf die mündliche Bestätigung hatte.
"Ja normalerweise schon. Aber da weder Melinas Familie noch ich anerkannte Mitglieder des Rudels sind können wir ohne Einladung das Gelände nicht betreten. Und letztes Mal hatten sie nur mir eine mündliche Zusage gegeben, weshalb ich ab der Grenze alles zu Fuß zurück legen musste. Nun können mich Melinas Eltern immerhin bis zum Dorf fahren und dort warten bis die Sitzung vorbei ist. Wahrscheinlich haben die zwei letztes Mal so ein Theater gemacht, dass sie mich deshalb seit dem nie wieder eingeladen haben. Muss also irgendwas wichtiges sein wenn sie selbst die Bestätigung uns bringen. ", erklärte ich dem Vampiren der nur mit gerunzelter Stirn nickte. Vor einigen Jahren hatten die Wölfe nämlich noch die Rechte jeden unerwünschten Besucher zu schaden, falls dieser unerlaubt das Gelände betrat. Deshalb sind die Wölfe zur Bürokratie umgewechselt und haben Formulare freigestellt, womit sich die Besucher anmelden konnten. Oder man bekam wie ich eine Einladung wodurch das Betreten automatisch gewehrt wurde. Anerkannte Mitglieder hatten natürlich nicht diese Problematik.
"Ich glaub ich bring die Briefe runter zu meinen Eltern und informiere sie über die Sachlage. Dann können sie sich schon mal drauf vorbereiten.", sagte Melina und lief aus dem Zimmer. Besorgt sahen wir ihr hinterher.
"Sie macht sich wieder große Sorgen.", gab Jan zu Bedenken und sah mitleidig zu mir rüber. Ich wusste das es niemanden von meinen Freunden gefiel mich bei meiner Familie zu wissen. Aber mir wurde genauso unwohl bei den Gedanken wie den anderen.
"Ja ich weiß.", gab ich niedergeschlagen zu und mied seinen Blick.
"Du weißt auch, dass du früher oder später was verändern musst oder? Melina hat recht damit, dass dein Leben so nicht weitergehen kann.", hackte er weiter nach und stand vom Bett auf. Er hatte die Chips bereits aufgegessen und schmiss die leere Tüte in den Müll.
"Ja, aber die Frage ist was muss ich verändern?", fragte ich und sah zu ihm herauf.
"Du wirst schon einen Weg finden.", sagte er und reichte mir seine Hand.
...
Am Ende des Tages hatten wir drei uns entschieden einen Filmabend zu machen. Melinas Eltern waren wie bereits zu erwarten in Hektik geraten, als sie von den Einladungen hörten, sodass wir sie den restlichen Abend in Ruhe ließen. Unsere Pizzen waren längst aufgegessen und Melinas Kopf war auf meinen Schoss, während ich den Verdacht hatte das sie längst eingeschlafen war. Es war immerhin halb eins und wir müssten um sechs Uhr wieder aufstehen. Schmunzelnd strich ich über ihre Haare und sah kurz zu Jan der gespannt den Fernseher betrachtete. Doch auch seine Augen fielen schon erstaunlich oft zu.
Ich stupste Jan an und deutete nachdem er zu mir sah auf Melina. Er betrachtete sie grinsend, während er so tat als würde er auch schlafen. Ich kicherte bei seiner ironischen Darbietung und schnappte mir die Fernbedienung. Er nickte mir zur Bestätigung und ich machte den Fernseher aus. Leise stand Jan auf und lief zu mir rüber um Melina sachte zu wecken.
Doch wie erwartet schlief diese tief und fest, sodass Jan wie üblich sie, in Brautstyle, in ihr Schlafzimmer tragen musste. In der Zwischenzeit räumte ich die Decken zur Seite und brachte das Geschirr leise in die Küche. Als ich Jans Schritte im Flur hörte gesellte ich mich zu ihm und betrachtete ihn wie er sich die Schuhe anzog.
"Hätten wir Blutkonserven hier würde ich dir ja was anbieten.", gab ich scherzend von mir, woraufhin Jan nur die Augen verdrehte.
"Ich komm auch ohne deine Spenden zurecht.", gab er witzelnd von sich doch ich betrachtete ihn besorgt. Er war noch blasser für seine Verhältnisse und auch kam die Müdigkeit erst bei Vampiren wenn sie lange nichts mehr getrunken hatten oder sie sehr gestresst waren.
"Du bist wieder blass und scheinst müde. Wie lange hast du schon nichts mehr getrunken?", fragte ich, doch er zuckte nur die Schultern. Sturer Idiot. Wahrscheinlich wusste er es genau nur wollte es nicht vor mir zugeben.
"Kein Plan. Will aber auch nicht zu oft zur Blutbank gehen. Andere Menschen haben das Blut nötiger als ich.", gab er leise von sich. Das war seine übliche Ausrede und auch das woran er glaubte. Er war eines der seltenen Vampirkinder die normal zur Welt kamen und nicht durch den Biss und dem dazu übertragenen Vampir Fluch sich verwandelten. Und da er wie ein Mensch aufgewachsen war und zudem noch sehr jung für einen Vampir war, hatte er noch eine menschliche Moralvorstellung und konnte sich von dieser nicht trennen. Erst spät lernte er andere seiner Rasse kennen und war mit den meisten von ihnen überfordert. Kein Wunder, waren die meisten von ihnen wesentlich älter als er. Vielleicht war das auch der Grund weshalb er mit einer Hexe und einem menschlichen Werwolf befreundet war. Wir sind auch Wesen der Nacht und wussten von seiner Existenz, im Gegensatz zu seinen menschlichen Freunden. Er war uns am nächsten, als mit allen anderen mit denen er je Kontakt hatte.
"Sag doch nicht so einen Quatsch und geh wieder regelmäßig hin. Du weißt genauso gut wie ich das hungrige Vampire wesentlich gefährlicher sind, als Vampire die zu ihren erwünschten Raten erscheinen.", sagte ich ernst. Er sollte sich dem Risiko bewusst werden was ein hungriger Vampir alles anstellen konnte. Doch manchmal hatte ich das Gefühl, dass er diese Seite an ihm zu verdrängen versuchte.
"Jaja Mama. Ich geh morgen nach der Schule hin ok?", sagte er genervt und richtete sich auf. Ich sah weiterhin besorgt zu ihm, auch wenn er versuchte davon abzulenken. Als er meinen Gesichtsausdruck sah, wurde seines wieder weicher.
"Mach dir wirklich keine Sorgen um mich und kümmere dich lieber erstmal um deinen eigenen Mist. Der ist immerhin viel mehr am Dampfen als meiner.", sagte er ruhiger und zog mich in eine Umarmung. Das war seine typische Art sich zu entschuldigen. Ich nickte an seine Brust gedrückt und als ich mich langsam von ihm löste sah ich ihm lächelnd in die Augen.
"Komm gut nach Hause und schlaf gut.", sagte ich ihm noch zum Abschied.
"Schlaf auch gut Luana.", erwiderte Jan, bevor er durch die Haustür nach draußen verschwand. Seufzend verließ ich den Flur und machte überall die Lichter aus, ehe ich nochmal die Tür zur Veranda öffnete. Draußen wehte ein angenehm kühler Wind und ich schloss genießerisch die Augen.
Es hatte anscheinend während wir die Filme gesehen hatte geregnet, sodass mir der Duft von feuchter Erde entgegen kam den ich gierig in mich sog. Langsam setzte ich mich auf die feuchte Veranda und betrachtete den bewölkten Himmel. Ab und an konnte man den Mond betrachten der bald voll war. In zwei Tagen, passend zum Rudeltreffen, würde der Mond voll sein und das Rudel würde sich auf der Lichtung versammeln um die Göttin des Himmels zu feiern.
Schon als Kind stellte ich mir vor wie es war ein Wolf zu sein. Mit weichem Welf und strammen Muskeln durch den Wald zu jagen und zusammen mit dem Rudel ein Lied für die Göttin zu singen. Ja. Das träumte ich. Wahrscheinlich tat ich das immer noch, aber mit jedem Tag schien dieser Traum immer mehr nur ein Traum zu bleiben.
Ich spürte wie mir die heißen Tränen die Wangen hinab liefen, aber wie jede Nacht wenn ich hier draußen saß wischte ich sie mir nicht weg. Es war mein Zeichen und Geschenk an die Götter die ich nicht mit dem Gesang eines Wolfes beglücken konnte. Es war ein trauriges und einsames Geschenk, doch ich hoffte die Götter sahen meine alltäglich und nächtlichen Besuche. Vielleicht aber auch nur vielleicht, würden mir die Göttern dafür in der Zukunft positiv gesinnt sein und mich überraschen.
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