Kapitel 3: Gebrochenes Herz
„Frederik, Liebster?", hatte Eleanor ihn eines Abends aufgehalten, als er sich aus dem gemeinsamen Schlafzimmer zurückziehen wollte, um auf der Liege in seinem Studierzimmer zu nächtigen, wie er es zu dieser Zeit öfters zu tun pflegte, um die Gefahr, sich selbst anzustecken wenigstens ein bisschen zu mindern, wie er behauptete.
Sie deutete ihm, sich noch einmal zu ihr zu setzen.
„Ich habe nachgedacht und mir wurde klar, dass ich, wenn ich gestorben wäre, nichts von mir zurück gelassen hätte", begann sie leise und vorsichtig. „Weisst du, Clementine hat bereits drei Kinder und Elizabeth bekommt gerade ihr Zweites. All meine Freundinnen haben bereits Kinder, nur ich..." Sie brach ab und blickt beschämt zur Seite.
Frederik konnte nicht anders, als unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her zu rutschen. Er hatte gewusst, dass dieses Gespräch früher oder später wohl geführt werden musste und er hatte den Tag gefürchtet.
„Wenn ich's recht bedenke... Dir schien nie besonders an der Erfüllung der ehelichen Pflichten gelegen zu sein."
Frederik seufzte. „Habe ich dir jemals Zärtlichkeit versagt?", versuchte er halbherzig, sich aus der Affäre zu ziehen.
„Nein. Du hast mich stets geküsst und geherzt, wann immer ich dir zu verstehen gab, dass ich das wollte. Aber nie hast du mir zu verstehen gegeben, dass du auch mich begehrst. Sag, Frederik, schlägt dein Herz vielleicht für eine andere Frau? Bin ich vielleicht nicht hübsch genug um deine Leidenschaft zu wecken?" In ihrer Stimme lag kein Vorwurf, nur Unglück über den Gedanken, dass es so sein könnte.
Er nahm ihre Hand.
„Glaube mir, Eleanore, ich sehe dich als die schönste Frau der Welt, in meinem Herzen bist nur du und wenn ich jemals wahrhaftig eine Frau geliebt habe, dann dich." Er küsste zärtlich ihren Handrücken. „Ich wünschte, ich könnte dich begehren, wie es dir zusteht, doch ist meine Liebe zu dir auch rein und himmlisch, so trage ich doch grosse Sünde mit mir. Der Schoss einer Frau birgt für mich keine Lust, ihr weicher Busen vermag meine Leidenschaft nicht zu entflammen, auch wenn ich wünschte, dass es anders wäre."
Sie entwand ihm ihre Hand und legte sie in ihren Schoss.
„So ist das also." Das war alles, was sie sagte und ihre Worte waren voll Traurigkeit.
„Verzeih, Eleanore", hauchte Frederik mit gesenktem Kopf, „ich weiss, wie abscheulich das für dich klingen muss."
Eleanore schwieg einen Moment.
„Gibt es nichts, was ich tun könnte?", fragte sie schliesslich.
„Ich fürchte, diese Krankheit ist nicht zu heilen. Aber du sollst wissen, dass ich in den Jahren unserer Ehe niemals unglücklich war. Ich könnte mir keine liebreizendere und hingebungsvollere Gattin als dich wünschen. Du warst immer ein strahlender Stern in der Finsternis meiner eigenen Verdorbenheit."
Damals schon hatte Frederik gewusst, er wäre jenseits aller Hoffnung, verlöre er Eleanore.
Die Erinnerung zerrte unerbittlich an seinem Herzen. Eleanore war die Einzige, mit der er sein dunkelstes Geheimnis zu teilen gewagt hatte und dieses Geheimnis hatte ihr Herz gebrochen, so dass sie nicht gesunden konnte. Nicht das Scharlachfieber hatte sie letztlich getötet, sondern er selbst bereitete den Weg in ihr Grab.
Doch endlich liess das Ziehen und Zerren seiner inneren Dämonen nach, besänftigt durch die wohlige Wärme des Opiums, die sich wie eine weiche Decke über seinen mageren Körper ausbreitete.
Als er mit dem Rauchen von Opium begonnen hatte, damals, vier Monate nach Eleanorens Tod, war ihm, als wäre er zum ersten Mal wieder glücklich.
Nicht die langersehnte Ruhe zweier Laundanumtropfen in einem Wasserglas, die ihn schlafen liessen oder die aufgesetzte Fröhlichkeit, die er bis dahin in der Gesellschaft oder bei der Arbeit zur Schau getragen hatte, sondern echtes, wahrhaftiges Glück. So wie damals, als Eleanore seinen Antrag angenommen hatte, wie an dem Tag, als sie geheiratet hatten - ach, sie war so schön gewesen - und in dieses kleine Haus gezogen waren.
Schnell hatte er gelernt, dass dieses Glück geliehen war und dass Übelkeit und Schwindel ihm auf dem Fusse folgten - die Leihgebür, der Preis für einen Moment der Versöhnung mit der Welt und der Erlösung für eine geschundene Seele.
Auch hatte er lernen müssen, dass die künstlich erzeugte Euphorie des Opiumrauches ebenso vergänglich war, wie natürliches Glück und alsbald nur noch vermochte, ihn den Preis für den Rausch des Laudanums vergessen zu lassen.
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