Kapitel 2: Mohnrote Gefilde
Es war schon seit Monaten Frederiks Gewohnheit, sich umgehend ins Gewächshaus zurückzuziehen und so wunderten sich weder Hausmädchen noch Köchin, dass keiner von ihnen grosse Beachtung geschenkt wurde, als er am frühen Abend heim kam.
Das Gewächshaus, ein grosszügiger, aber geradezu filigraner Neubau aus Glas und Stahlstreben, schmiegte sich wie ein extravaganter Wintergarten an das kleine Häuschen, das seiner nicht so recht würdig erscheinen wollte, und verband das Innere des Hauses mit dem eigentlichen Garten.
Eleanore hatte es immer mit dem kristallenen Palast einer Prinzessin aus einem Märchen verglichen und war besonders im Winter oft zum Lesen hierher gekommen; Frederik selbst hatte es seit jeher eher an einen äusserst kunstvollen Käfig erinnert.
Wie gewöhnlich führten seine Schritte Frederick zunächst zu der unscheinbaren Tür zur linken, hinter der sein kleines Studierzimmer lag.
Während er die Tür öffnete, zog er Mortimers Visitenkarte aus der Tasche. Einen Moment lang betrachtete er das golden umrahmte Kärtchen nachdenklich, bevor er es zusammenknüllte und es der Glut in dem kleinen Ofen neben seinem Schreibtisch übergab.
An den Haken neben den Ofen hängte er Rock und Hut, die unordentliche Krawatte landete über der Stuhllehne.
Beim Gedanken an das ach so glückliche Ehepaar Crawford wurde ihm übel; gerade noch konnte er das Studierzimmer wieder verlassen, um sich nicht auf den Teppich sondern wenigstens in eines der vielen Beete des Gewächshauses zu übergeben. In seinen Schläfen stellte sich ein aufdringliches Pochen, das als bald zu einem dumpfen Schmerz werden würde, wie er wusste.
Erschöpft strich er sich durchs fahle, von kaltem Schweiss durchnässte Haar.
Frederik kannte die Zeichen: Das Opium, das er am Mittag seiner überspannten Nerven wegen geraucht hatte, verlor seine Wirkung; die Kälte der Welt kroch langsam zurück in seine Glieder.
Der warme, narkotische Opiumrauch war gerade genug, um ihn für eine Weile zu wärmen, die Übelkeit und den Schmerz zu vertreiben. Er hinterliess ihn sediert und entspannt, ohne ihn in den typischen träumerischen Halbschlaf, die geheimnisvollen, mohnroten Gefilde des Morpheus, zu ziehen, wie es Laudanum getan hätte.
Doch des Abends pflegte er, statt zur Pfeife lieber zu der kleinen Apothekerflasche aus braunem Glas in seiner Schreibtischschublade zu greifen. Denn des Abends wollte er träumen, wollte vergessen, was er nicht vergessen konnte.
„Er wollte ihnen nur etwas Gutes tun."
Clementine Crawfords Worte klangen ihm in den Ohren, während er das Laudanum in ein Glas Wasser träufelte und es in einem Zug austrank, und entlockte ihm ein freudloses Lachen.
Ja, aber wie viel Gutes würde ihm jemand noch tun wollen, wenn diese Person die Wahrheit kannte?
Während er sich auf einer Bank zwischen Orangen- und Apfelbäumen niederliess und darauf wartete, dass die Droge ihre ersehnte Wirkung tat, tauchte Eleanorens Gesicht aus seiner Erinnerung auf. Vom Scharlach schwer gezeichnet, sah er sie vor seinem inneren Auge, wie sie so fragil in den Kissen lag, das dunkle Haar von Schweiss verklebt, die braunen Augen glasig von Fieber und die milchweisse Haut von ekelhaftem, rotem Ausschlag bedeckt.
Tag und Nacht hatte er um sie gebangt, war in jeder Minute, die er entbehren konnte, an ihrem Krankenbett gesessen, wissend um ihre von Natur aus kränkliche Konstitution.
Gebetet und geflucht hatte er, immer in der Hoffnung, das Fieber möge nachlassen.
Als Eleanore begann, sich besser zu fühlen, war ihm, als wäre ihm eine zentnerschwere Last von den Schultern genommen.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top