Thinking

Müde stemmte ich mich aus meinem Bett und wäre nur zu gerne wieder in meinen Träumen gewesen. Es war ein 'wunderschöner' Sonntagmorgen und ich musste mich schnell umziehen und ins UFO gehen, Paluten wollte einen Vlog drehen und ich sollte da sein. Absolut keine Lust. Zu gerne wäre ich mal einen Tag lang wirklich zuhause geblieben, doch als Vollzeit-Youtuber hatte ich nicht einmal ansatzweise die Möglichkeiten dazu. Jeden Morgen so gegen sieben, acht ins Ufo und abends teils erst so gegen zehn zurück. Ständig vor der Kamera. Waren wir mal draußen, wurden wir von Fans belagert. Und da rief man uns noch hinterher, dass wir faul waren. Eigentlich eine totale Zumutung. Seufzend ging ich duschen und zog mich an, ging in die Küche, küsste Jodie zum Abschied und fuhr zum Ufo. Jeden Tag der gleiche Scheiß. Wird sich je was ändern? Ich glaube nicht. Wir taten alles für die Klicks - hatten wir mal einen 'schlechten Monat', waren sofort Geldsorgen da. Planung neuer Projekte, Vorgespräche momentaner Projekte, Fantreffen et cetera et cetera raubten mir nicht selten den Schlaf. Was würde passieren, wenn meine zwei Millionen Abonennten irgendwann verpuffen würden? Was würde ich dann machen wollen? Youtuber ging ja dann nicht mehr. Die Videos würde ich trotzdem auf YouTube lassen und müsste dann ohne große Referenzen zum Arbeitsamt gehen. Leicht schnaubte ich, als ich an irgendein Vorstellungsgespräch dachte. "Sie heißen also Sebastian Meyer?" "Ja." "Rewinside auf YouTube und den anderen Platformen wie Twitter und Facebook?" "Ja." "In Ordnung. In wenigen Tagen oder Wochen bekommen sie die Informationen, ob wir sie auf Testzeit nehmen oder nicht." Und es würde knallhart eine Absage werden, was sonst? Ich wirkte wie ein schreiender, unreifer kleiner Junge, der Bartwuchs hatte und in einen kleinen Kasten schrie. Niemand würde mich wollen und ich würde Jodie und den Anderen nur auf der Tasche sitzen, wenn sie Kontakt abbrechen würden meinen Eltern. Ich seufzte leicht und tippte ungeduldig mit meinen Fingern auf dem Lenkrad herum, darauf wartend, dass die Ampel grün wird.
Ich klang echt undankbar. Klar war ich stolz auf das, was ich auf Youtube erreicht hatte, liebte meine Community, egal wie oft ich sie dann doch beleidigte. Ich hatte eigentlich nicht wirklich zu klagen - momentan lief es wunderbar.
Was machte ich mir dann so Gedanken?
Dieses eigentlich. Eigentlich. Trotz des momentanen Glücks fühlte ich mich einfach leer, antriebslos. Ich war wie eine Maschine, gesteuert von Zahlen. Und mir war das klar.
Konnte ich denn nichts dagegen machen?
Nachdenklich parkte ich meinen Wagen und ging hoch ins Büro, fuhr meinen Rechner hoch.
Jetzt erst einmal schneiden.

Doch eine Viertelstunde später merkte ich, dass das alles nichts brachte. Ich fügte komische Musik und Effekte ein, schnitt komisch und war allgemein nicht bei der Sache. Was war denn heute nur los mit mir?
Stöhnend stützte ich meinen Kopf in meine Hände, massierte meine Schläfen. Mein Kopf schien zu explodieren und das lag betimmt nicht an einer Krankheit oder dem Wetter.
Arbeiten konnte ich so auf jeden Fall vergessen.
Doch als ich mir was zu Essen bestellte und es ankam, hatte ich auch keinen Appetit mehr. Die Kopfschmerzen wurden schlimmer und mein Kopf begann zu dröhnen, ich dachte immer mehr nach. Youtube, Jodie, mein Leben, meine Zukunft.
So konnte es doch nicht weiter gehen! Aber irgendwie... eine Lösung fiel mir auch nicht ein.
Also begnügte ich mich damit, mich wieder an den Schreibtisch zu setzen auf Patrick zu warten und weiter zu schneiden, obwohl ich das Resultat davon dann bestimmt in die Tonne kloppen konnte.

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