Kapitel 36
Am frühen Samstagmorgen klingelte mein Handywecker. Neben mir schnarchte Marc. Ich blickte an mir hinab und meine Augen blieben an dem Ring hängen. Zum ersten Mal betrachtete ich ihn bei Tageslicht. Er war Silber mit einem roten Stein. Roter Beryll? Er funkelte wunderschön. Lächelnd küsste ich Marc.
"Guten Morgen, meine Schöne.", gähnte dieser verschlafen. Sein Haar war verstrubbelt, was ihn jünger aussehen ließ. Ich war so glücklich, das meine Brust drohte zu platzen.
"Heute geht es nach Hause.", er strich eine Strähne aus meinem Gesicht.
"Ich weiß...", murmelte ich und kuschelte mich ein letztes Mal an seine Brust.
.
"Es wäre schön gewesen, wenn ich ihn mehr interessiert hätte.", bedrückt schaute ich auf meine Hände und dann aus dem Flugzeugfenster. Neben mir saß Marc und neben ihm ein fremder Mann. Der Rest von uns war im Flieger verteilt.
"Jetzt ist es aber so. Da kann man nichts mehr daran ändern.", meinte Marc und hielt meine Hand. Ob der Fremde wusste dass er mein Lehrer war?
"Von ihm kam nie was! Er hat nie gefragt wie es mir geht oder wie die Schule läuft oder wie mein Leben läuft oder ob ich Probleme habe! Und wenn was war dann hieß es immer nur, wäre ich ein Junge gewesen wäre es anders. Ich habe so sehr versucht der Sohn zu sein den er nie hatte! Am Ende war nichts gut genug. Er ist emotionally unavailable. Wegen ihm habe ich daddy issues. Ich weiß nicht was besser ist, keinen Vater zu haben oder einen den nichts interessiert und dem du im Prinzip egal bist."
"Everly, ich glaube nicht dass du ihm egal bist. Er ist immer noch dein Vater und er liebt dich."
"Dann soll er es auch zeigen! Ein Kompliment wäre ganz schön oder eine Umarmung von Zeit zu Zeit!"
"Ich will ihn jetzt nicht gut reden, aber du weißt dass er den ganzen Tag hart arbeitet und Abends dann eben müde ist."
"Am Wochenende interessiere ich ihn genauso wenig. Allein Sonntags einen Familienausflug zu machen war schon zu viel für ihn.", ich war wütend und verletzt. Mein Vater war der Grund warum ich mich schon in jungen Jahren in die Arme älterer Männer flüchtete. Diese nahmen mich dankbar an, nutzten meine Naivität aus. Ein hübsches, junges Ding. Man erkannte erst im Nachhinein das es Fehler waren. War Marc auch einer?
"Jetzt beruhig dich. Das sind unsere letzten Stunden zusammen, bevor wir wieder in Deutschland sind. Die möchte ich nicht unbedingt mit negativen Gefühlen prägen.", sanft strich er mit seinem Daumen über meinen Handrücken. Ich atmete tief ein und wieder aus. Ehe wir uns versahen hieß es schon:" Willkommen in Stuttgart!"
Zurück in Deutschland regnete es. Als wir aus dem Flugzeug durch den Tunnel Richtung Gebäude liefen, sauste der Wind. Sofort schlug Kälte einem ins Gesicht. Toller Sommer. Marc und ich gingen unbewusst sofort auf Abstand. Fast als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Als dann unser Gepäck ankam waren wir endgültig Fremde. Wir fuhren erst mit der S-Bahn und stiegen dann auf den regionalen Zug um. Alle waren erschöpft von der Reise, mittlerweile war es Nachmittag. Die Wolkendecke löste sich auf und in unserer kleinen Heimatstadt empfing uns die Sonne. Alle wollten schon in verschiedene Richtungen weglaufen, als Herr Heißmann uns nochmal zusammenrief.
"Bleibt ihr noch kurz da? Danke! Ich spreche im Namen von Herr Dumond und mir wenn ich sage, dass es eine tolle Studienfahrt war. Ihr wart eine tolle Gruppe und es hat Spaß gemacht! Natürlich gab es seine Höhen und Tiefen", sein Blick fiel auf Aly, "aber die haben wir alle doch ganz hervorragend gemeistert. Marc, willst du noch etwas sagen?"
"Ja, genau. Ich fand auch dass ihr das alle sehr gut gemacht habt und wenn niemand mehr was zu sagen hat dann wünschen wir euch ein erholsames Wochenende und sehen uns am Montag in Englisch."
"Und am Freitag in aller Frische in Chemie!", schob Herr Heißmann grinsend hinterher.
Die Lehrer, Xander und ich nahmen den selben Weg zu den Parkplätzen. Die anderen wurden an der Bushaltestelle neben dem Bahnsteig abgeholt. Herr Heißmann half mir mit meinem Koffer. Bei den Parkplätzen wartete bereits meine Mutter auf mich, immerhin hatte ich den kürzesten nach Hause Weg. Herr Heißmann und Herr Dumond verabschiedeten sich nochmal von uns und gingen dann zu ihren Autos.
"Hallo Hase!", meine Mutter knuddelte mich fest.
"Ich bin SO froh dass du wieder da bist! Ich habe dich sooo vermisst! Ist alles okay? Ist nichts passiert? Erzähl, wie war's?", sie überschüttete mich mit Fragen und nahm meinen Rollkoffer.
"Mama, ich hab dir doch zwischendurch geschrieben und dir Bilder geschickt. Du weißt doch schon alles!"
"Trotzdem, erzähl! Haben sich die Jungs benommen? Gab es Zickenkrieg mit den Mädchen?"
Herr Heißmann fuhr an uns vorbei und wank zum Abschied. Gefolgt von Herr Dumond der wissend grinsend nickte.
"Ach, es war alles normal. Nichts besonderes.", spielte ich die Studienfahrt runter und schaute den Autos beim wegfahren zu. Ich würde ihr später mehr erzählen, doch erstmal brauchte ich eine Dusche.
"Von wo ist der Ring? Der ist aber schön! Der war bestimmt teuer!"
"Von wegen, die Bazars dort waren echt billig. Ich muss dir nachher noch die Kleider zeigen. Besser als Original."
Sie lachte. Ich lächelte in mich hinein. Mein Marc.
Nachdem ich Zuhause das nötigste ausgepackt hatte, weil meine Mutter darauf bestand sofort meine Sachen zu waschen und geduscht hatte, nahm ich mein Handy von Ladegerät. Whatsapp blinkte Marcs Namen auf.
Gut angekommen?
Ja und du?
Frisch geduscht und einsam
Aaawww haha
Was muss ich dafür tun um dich morgen aus dem Haus zu locken?
Du hast nach fünf Tagen immer noch nicht genug von mir? ;)
Von dir? Nie!
Ich schau mal was ich machen kann :p
Habe ich dir schon gesagt wie sehr ich dich liebe?
Tatsächlich schon ein paar Mal, aber es nochmal zu hören tut nicht weh ;p
Ich liebe dich
Ich dich auch
Also morgen Nachmittag? Das Café mit dem Eis das dir so gut schmeckt in meiner Stadt? Ich hol dich ab
Und ich schleich mich raus
Bis morgen
Bis morgen
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