Kapitel 26

Es war halb neun morgens und ich saß im Erdkundeunterricht. Herr Pfann sah unverschämt gut aus in seinem engen, grauen T-Shirt. Immer wieder zuckte mein Blick zu ihm nach vorne. Unter anderem auch, weil ich mich nicht erwischen lassen wollte, wie ich für Chemie lernte. Noch 45 Minuten bis zur Arbeit. Mein Puls stieg. Zu meiner Verwunderung hatte Lasse mich am Morgen begrüßt und auch nun in der Pause unterhielt er sich mit mir. Nach elf Jahren Freundschaft konnten wir einander wohl nicht lange böse sein. Auch wenn ich das zwischen uns eher als Mitschülerverhältnis bezeichnen würde und nicht mehr als Freundschaft. Er war ein Fremder, mit all meinen Geheimnissen. Fast allen. Eigentlich kannte er mich schon seit zwei Jahren nicht mehr, konnte mein Verhalten nicht mehr wirklich einschätzen. Oder wollte es einfach nicht mehr, weil ich ihm egal war.

Die Pause war vorbei. Herr Heißmann kam die Treppe runter. Wir hatten die letzte Maiwoche. Draußen war es warm. Doch mir war kalt und ich zitterte schrecklich. Ich wollte beten, doch ich glaubte es war zu spät um religiös zu werden.

Wir betraten den Chemiesaal und ich begab mich auf meinen Platz in der ersten Reihe. Wir mussten uns mit jeweils zwei leeren Plätzen zwischen uns an die Tische verteilen. Frederick saß in der selben Reihe, während Lasse sich in der letzten platzierte.

Herr Heißmann teilte die Blätter aus und lächelte mir ermutigend zu. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Und das nicht wegen Herr Heißmann. Als er mir mein Blatt hinlegte flüsterte er mir zu: "Ruhig bleiben, keine Panik, alles wird gut.", sein Blick war tief und eindringlich. Ich drehte das Blatt um und sah mir die Aufgaben an. Wollte er mich verarschen?! Umgehend war ich den Tränen nahe, doch versuchte mich zusammenzureißen. Man hörte auch von anderen Geräusche der Fassungslosigkeit. Da waren teilweise Sachen, die wir so nie um Unterricht gemacht hatten. Sie war nicht mal annähernd so wie auf dem Vorbereitungsblatt. Ich saß in der ersten Reihe und war bereit mir die Kugel zu geben. Nie im Leben würde ich es schaffen nicht zu unterpunkten! Herr Heißmann stand am Pult und ließ mich nicht aus den Augen. Er fing an herumzulaufen und schaute sich an, was ich geschrieben hatte. Ich schaute auf. Zuerst konnte ich seinen Gesichtsausdruck nicht deuten, doch dann fiel mir ein, was wir am Freitag "ausgemacht" hatten. Entweder er schaute mich kritisch an, seufzte, räusperte sich oder legte seine Stirn in Falten. Dann holte er seinen Bürostuhl und platzierte diesen vor mir. Mir fiel meine Bitte ein. Welche eigentlich nur ein Witz gewesen war. Er versuchte einen Spaß daraus zu machen und rollte durch die Klasse. Doch in Wirklichkeit hielt er sich die meiste Zeit bei mir auf. Er saß direkt vor mir und sah mich an. Ich schaute auf. Seine Mund war leicht geöffnet, sein Blick ernst.

"Alles ist gut.", flüsterte er.

"Nichts ist gut!", gab ich zurück.

Und dann machte er etwas, das mir in meinem ganzen Leben noch nie passiert war. Er half mir bei der Klassenarbeit. Mein Lehrer half mir bei der Arbeit! Er stand neben mir und lehnte sich über mich. Zeigte auf die verschiedenen Zahlen und sagte mir quasi die Schritte vor. Ich verstand immer noch nicht und es endete damit, dass er mir die Lösungen vorsagte.

"Was kommt da dann raus?"; flüsterte er, so dass uns die restliche Klasse nicht hörte.

Ich schaute ihn fragend an.

Er formte mit dem Mund "Null".

"Null?"

"Richtig!", er lächelte.

"Hinschreiben.", er deutete auf die Stelle. Er lief wieder weg. Er rettete mir dadurch viele Punkte.

Dann ging er an die Tafel und schrieb eine Zusatzaufgabe hin, von welcher er wusste, dass ich sie genau konnte. Wir hatten sie in der Nachhilfe besprochen, eine Strukturformel, die ich auswendig konnte. Aus welchen Gründen auch immer hatte sie sich in mein Gedächtnis gebrannt. Und das wusste er ganz genau. Ein "HÄ?!" ging durch die Klasse. Er drehte sich um. Ich grinste über beide Ohren, er versuchte sein Lächeln zu unterdrücken. Noch mehr Punkte für mich.

Irgendwie quälte ich mich durch die Arbeit. Ich gab als eine der letzten ab. Es hatte schon geklingelt. Einige der Jungs sprachen noch mit ihm, während ich meine Sachen packte und wortlos ging. Ich erhaschte noch einen Blick auf ihn und sah, wie er mir besorgt nachschaute.

In der Pause sprach ich mit keinem. Meine Gefühle waren ein Chaos. Ich wollte eine gute Note, doch das war nach dieser Arbeit nicht möglich. Ich betete auf fünf Notenpunkte, was eine vier wäre. Alles darunter war unterpunktet. Das konnte ich mir nicht leisten.

Frederick kam etwas zu spät. Wir saßen alle schon in Englisch.

"Ey, ich habe gerade noch mit Heißmann gesprochen. Er hat sich entschuldigt, dass die Arbeit so schwer war. Es war nicht böse gemeint, weil für ihn schien sie einfach."

Herr Dumond ermahnte Frederick ruhig zu sein.

Wenn das einfach war, was war dann bitteschön schwer für ihn?!

Wir hatten Juni. Es standen die letzten Englisch-und Französischklausuren an. Bei Englisch am Montag hatte ich ein gutes Gefühl. Herr Dumond lief ein paar Mal an mir vorbei und lächelte stolz. Ich gab als eine der ersten ab. In Französisch am Dienstag hatte ich kein so gutes Gefühl, doch ich war mir relativ sicher nicht unterpunktet zu haben. Am Mittwoch bekamen wir Deutsch zurück. Ich hatte 12 Punkte, was gut war. Ich schielte zu Lasse. Unterpunktet. Frederick hatte acht Punkte. Als Note wäre das eine drei. Am Donnerstag bekamen wir Bio zurück.

"Hat ja nur zehntausend Jahre gedauert.", murmelte Frederick.

Er hatte zehn Punkte, ich acht. Lasse hatte unterpunktet. Herr Wommert behielt ihn noch nach dem Unterricht da um mit ihm zu sprechen, doch Lasse zeigte kein Interesse. Jedes Mal wenn Lehrer ihn darauf ansprachen sagte er nur, er würde die Klasse wiederholen. Wieso kam er überhaupt noch zur Schule? Wahrscheinlich zwang ihn seine Mutter dazu. Ich hatte sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen. Was wohl daran lag dass Lasse und ich uns seit Ewigkeiten nicht mehr getroffen hatten. Außerhalb der Schule sah ich ihn nur noch am Bahnhof rumhängen. Mit seinesgleichen. Ich wartete an der Tür auf ihn, weil wir als nächstes gemeinsam Kunst hatten. Bei genaueren betrachten fiel mir auf, dass er extrem abgenommen hatte. Er war nicht mehr mein molliges Bärchen zum kuscheln. Nein, er sah krank aus. Abgemagert. Seine Kleidung hing schlaff an ihm hinunter. Und er war blass. Ich hatte aufgehört ihm meine Sorgen auszusprechen, was jedoch nicht hieß, dass sie nicht da waren. Er lief an mir vorbei ohne auf mich zu warten. Ich eilte ihm hinterher, die Treppe hoch, in den Zeichensaal.

Es war Freitag. In Erdkunde schauten wir einen Film über die Globalisierung. Ich war nervös, weil wir höchstwahrscheinlich die Chemiearbeit zurückbekamen. Ich wusste nicht, ob Herr Heißmann sie bereits korrigiert hatte. Ich hatte ihn die ganze Woche kein einziges Mal im Schulhaus gesehen. Mein Blick zuckte immer wieder zur Uhr. Dummerweise saß Herr Pfann genau unter dieser und dachte wohl, ich würde ihn die ganze Zeit anschauen. Er erwiderte meine Blicke mit Lächeln. Ich lächelte etwas schüchtern zurück. So ein schöner Mann.

Die Klingel erlöste uns. Ich stürmte raus. Ganz raus. Ich brauchte frische Luft. Doch es war zu warm. Drinnen war es kühler aus draußen. Ich trug ein dunkelblaues Crop Top und weiße Shorts, dazu weiße Socken von Tommy Hilfiger und silberne, glitzernde Schuhe von bugatti. Ich fuhr mir durchs offene Haar und dann übers Gesicht. Noch fünf Minuten bis die Pause vorbei war. Ich beobachtete die spielenden Kinder um mich herum. Wann war ich dass letzte Mal über den Pausenhof gerannt? Es fühlte sich so ewig her an. Wann hatte ich keine "Männerprobleme" und lebte einfach in den Tag hinein? Ohne mir Gedanken über mein Aussehen oder Verhalten zu machen? Wann war ich dass letzte Mal glücklich gewesen? Beim Stadtfest? Nein. Beim Abschlussball? Nein. Ich kannte die Antwort ganz genau. Und nach fast zwei Jahren war es Zeit sie mir einzugestehen. Dass letzte Mal wirklich glücklich war ich mit Marc. Er war alles was ich jemals wollte. Ein attraktiver, dominanter Mann, der wusste wie man mit mir umzugehen hatte. Allein der Fakt dass er mich monatelang respektvoll behandelt hatte und auf Abstand gegangen war, obwohl es ihm wahrscheinlich schwergefallen war, zeigte wie sehr er mich liebte.

Es klingelte.

Ich nahm einen tiefen Atemzug.

Es gab kein zurück mehr. Natürlich hätte ich Chemie schwänzen können, doch das wollte ich nicht. Ich wollte es hinter mich bringen.

Ich begab mich zum Chemiesaal. Die anderen waren bereits drinnen. Herr Heißmann begrüßte uns. Er trug ein weißes Hemd und dunkelblaue Jeans. Er lächelte mir zu.

"Bekommen wir die Arbeit?", kam es von Alex.

"Ja."

Jubel. In meinem Fall, Verzweiflung, Angst, Horror.

"Aber bevor ihr sie zurückbekommt korrigieren wir sie gemeinsam."

Buh-Rufe gingen durch die Reihen.

"Aber zuerst wollte ich euch noch etwas fragen. Und zwar gibt es nächstes Jahr eine Chemie-AG. Wir machen Experimente, zeigen den Viertklässlern die Schule und machen quasi bisschen Werbung dafür. Und vielleicht machen wir noch was am Tag der offenen Tür nächstes Jahr. Wer hätte den schon mal Interesse? Dann notiere ich mir gleich mal die Namen. Es ist noch nicht verpflichtend. Aber dass ich schonmal eine grobe Übersicht habe, wer gerne dabei wäre."

Ich meldete mich. Lächelnd notierte er meinen Namen. Vielleicht kann ich dadurch nächstes Jahr einfacher eine gute Note bekommen. Natürlich meldeten sich auch die anderen Mädchen wie Aly, Anni. Unter anderem auch Alex. Auf den Chaoten hatte ich gar keine Lust. Vielleicht flog er aber noch dieses Jahr von der Schule, weil er ordentlich scheiße angestellt hatte. Seine Noten waren nicht gut, er hatte viele Fehlstunden und Stress mit dem Direktor. Hoffentlich war er nach den Sommerferien nicht mehr hier. Wer sich sonst noch meldete sah ich nicht.

Wir fingen an die Lösungen zu besprechen. Und mit jeder Aufgabe wurde mir bewusst, dass ich sie verhauen hatte. Erneut war ich den Tränen nahe. Ich, Everly, die nie weinte. Herr Heißmann schaute öfters zu mir, als hätte er ein schlechtes Gewissen. Die Korrektur dauerte so lange, dass wir am Ende nur noch zehn Minuten für die Rückgabe hatten. Und dann auch noch mit Einzelgespräch im Nebenraum! Nach alphabetischen Nachnamen. Wer war also mal wieder die letzte? Ich. Und es war pure Folter. Die Gespräche gingen bis in die 20-minuten Pause hinein. Endlich war ich an der Reihe. Ich sah Herr Heißmann schon grinsen, als ich auf ihn zu kam. Ich schloss die Tür hinter mir. Dann setzte ich mich neben ihn auf den Stuhl. Er rückte näher zu mir.

"Frau Schumann!"

"Herr Heißmann."

Er legte mir meine Arbeit hin.

Ich brauchte einen kurzen Moment um zu realisieren was dort geschrieben stand.

Ich lächelte ihn an.

"Fünf Punkte!"

"Fünf Punkte!", wiederholte er strahlend.

Wir feierten uns selbst. Ich schätze mal von der Seite sah es ganz schön blöd aus. So sehr hatten sich zwei Menschen wohl noch nie über eine vier gefreut. Aber es war ausreichend. Es war genug um durchzukommen. Und darum ging es. Ich hatte es geschafft. Wir hatten es geschafft. Ich war sprachlos. Ich sah ihn an. Lächelnd, funkelnde kristallblaue Augen. Perfekte weiße Zähne. Er legte seinen Kopf schief.

"Du hast es geschafft.", flüsterte er.

"Ohne Sie hätte ich das nie geschafft. Danke."

"Das war allein dein Können. Du hast gelernt und dich da durchgequält. Mündlich gebe ich dir eine drei. Also acht Notenpunkte. Du hast es geschafft. Du bist so gut wie fertig mit Chemie für dieses Schuljahr. Ich freue mich auf die AG nächstes Jahr. Und die Studienfahrt hast du dir wirklich verdient. Ich konnte Herr Dumond davon überzeugen, nicht zu viel Unterricht zu machen. Es war ein anstrengendes, langes Schuljahr. Ihr Schüler habt euch etwas Freizeit verdient. Was nicht heißt, dass wir nichts schulisches machen werden!"

Wir standen beide auf. Ich lehnte mich gegen den Tisch und blätterte durch meine Arbeit. Bei einem sehr dummen Fehler verzog ich das Gesicht.

Herr Heißmann grinste: "Genau so habe ich auch geschaut! Das haben wir doch tausend Mal im Unterricht gemacht!"

"Stimmt doch gar nicht! Das haben wir noch nie gemacht!", entgegnete ich.

"Doch!"

"Nein!"

"Doch!"

"Nein!"

"Frau Schumann!", ermahnte er mich und kam näher.

"Herr Heißmann!", ich reckte mein Kinn in die Höhe.

"Frau Schumann!", nun war er bedrohlich nahe und wurde leiser.

"Herr Heißmann.", auch ich wurde leiser, bewegte mich dennoch kein Stück zurück. Ich ließ die Klausur auf den Tisch hinter mir fallen.

Herr Heißmann stützte sich mit den Armen links und rechts von mir am Tisch ab. Er fixierte mich mit seinem Blick. Ich war gefangen. Wortwörtlich.

"Everly.", seine Lippen waren nur noch wenige Zentimeter von meinen entfernt.

"Philipp.", hauchte ich.

Seine Lippen drückten sich auf meine. Reflexartig vergrub ich meine Finger in seinem Haar und zog ihn an mich. Er umschloss meine Taille und drängte sich an mich. Wir fielen förmlich übereinander her. Er packte mich und setzte mich auf den Tisch, drängte sich zwischen meine Beine, ich umschloss ihn mit jenen. Er küsste mich so wild, stürmisch und verlangend, dass ich wie benebelt war. Mit dem Daumen hielt er mein Kinn und öffnete meinen Mund. Bereitwillig gewahr ich seiner Zunge Einlass und stöhnte auf. Das brachte ihn dazu sich noch fester an mich zu drücken. Ich konnte deutlich spüren, was er davon hielt. Hart rieb sich sein bestes Stück durch die Jeans an meine Mitte. Und Gott, war ich erregt. Er hätte mich hier und jetzt nehmen können. Auf dem Tisch. Mitten in der Schule. Erneut stöhnte ich. Er begann meinen Hals hinunter zu küssen und seine Hand massierte meine Brüste.

Hier und jetzt.

In der Schule.

Ich ließ meinen Kopf nach hinten fallen. Dann ließ ich meine Hand über seinen Schritt wandern, er stöhnte. Er war so hart. Mein Körper sehnte sich nach einem Mann. Danach ausgefüllt zu sein. Wann hatte ich mich zuletzt befriedigt? Es war zu lange her. So lange, dass ich mich auf etwas so unvernünftiges einließ.

In der Schule.

Er konnte so gut küssen. Ich hätte nie gedacht, dass Herr Heißmann sich so gut anfühlte. Seine Hand vergrub sich in meinem Haar und seine Lippen fanden erneut meine. Er schmeckte gut. So gut. Und so verboten. Es gefiel mir.

In der Schule.

Wir stöhnten beide.

Von draußen drang Geschrei der Pause ein. Ich nahm es nur gedämpft war.

In der Schule.

Es war Pause.

Seine Hände berührten mich überall. Große Hände, männliche Hände. Herr Heißmanns Hände. Ich konnte seine leichten Bartstoppel fühlen. Ich wartete sehnsüchtig darauf, dass er den nächsten Schritt machte. Doch es blieb bei Knutschen.

In der Schule.

In der Pause.

In diesem Chemievorbereitungsraum, inmitten von Schränken voller Chemikalien.

Die Tür ging auf.

Ich bekam es nur am Rande mit, den seine Hand fing an mich durch meine Shorts zu massieren. Erneut stöhnte ich. Sah zur Seite und verkrampfte mich.

"WHAT THE FUCK?!"

Herr Heißmann ließ ruckartig von mir und taumelte ein paar Schritte zurück.

"LASSE!", schrien wir beide mit weitaufgerissenen Augen.

Lasse sah uns mit offenem Mund an.

"Ich wusste es! Ich wusste!"

"Lasse , es ist nicht das wonach es aussah!", kam es von Herr Heißmann.

"Es war so klar!"

"Nein, Lasse, wir können darüber reden!", versuchte Herr Heißmann die Situation unter Kontrolle zu bringen.

"Es interessiert mich einen Scheiß ob du mit einem Lehrer fickst oder nicht. Ich meine Herr Heißmann ist jung und attraktiv. Und du bist halt sexy und... du bist halt Everly. Jeder will dich. Aber dass du es wirklich machst. Oh Mann... das hätte ich nie gedacht. Du versaute Schlampe. Ich... wow. Einfach, wow."

Ich schaute perplex zwischen Lasse und Herr Heißmann Hin-und Her.

"Wirst du jemanden davon erzählen?", begann ich zögerlich.

Er schaute mich mit leerem Blick an.

"Nein."

Ohne ein weiteres Wort zu sagen verließ er den Raum. Ich schaute zu Herr Heißmann der das Gesicht in den Händen vergruben hatte.

"Oh nein! Oh nein! Was habe ich nur getan?! Ich werde meinen Job verlieren! Es ist vorbei! Und ich werde niemals wieder einen finden! Mein Leben ist ruiniert!", er war den Tränen nahe.

Ich fühlte nichts. Nun ja, ich fühlte schon etwas. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Ich mochte ihn, ich wollte nicht dass er seinen Job wegen mir verlor. Wegen mir würde er ihn auch nicht verlieren. Höchstens wegen Lasse. Doch irgendwie vertraute ich ihm, dass er die die Klappe hielt. Herr Heißmann saß mittlerweile auf dem Boden starrte ins Leere. Herr Dumond damals hatte besser reagiert. Aber er war nicht Herr Dumond.

"Herr Heißmann, ich-"

"Nein Everly. Es tut mir leid. Ich hätte nie soweit gehen dürfen. Ich hoffe du kannst mir verzeihen."

"Tun Sie nicht so, als hätten Sie jemanden umgebracht.", ich verdrehte die Augen.

"Everly! Falls es dir nicht bewusst ist! Ich werde meinen Job verlieren! Oder komme womöglich ins Gefängnis!"

"Nicht wenn niemand davon erfährt."

"Es wird aber jemand davon erfahren."

"Ich werde schon dafür sorgen dass Lasse die Klappe hält. Und von mir erfährt es ganz bestimmt niemand."

"Wieso?"

"Weil Sie ein guter Lehrer sind und ich Sie mag. Es war ein einmaliger Ausrutscher und-"

"Einmaliger Ausrutscher? Ich habe dich sexuell belästigt! Verdammt, wer weiß wie weit ich gegangen wäre, wenn Lasse nicht reingekommen wäre! Ich hätte dich vergewaltigen können!"

"Jetzt übertreiben Sie mal nicht. Ich hätte Ihnen schon ein Zeichen gegeben, wenn ich es nicht auch gewollt hätte. Gewissermaßen war es auch meine Schuld. Wir haben uns dass ganze Schuljahr über gegenseitig heiß gemacht. War irgendwie klar dass es irgendwann passiert."

"Das macht es nicht besser."

"Ich weiß."

"Warte... du hättest wirklich mit mir...?"

"Ja."

"Oh.", er sah mich überrascht an.

"Und du glaubst wirklich dass Lasse nichts sagen wird?"

"Das ist das Mindeste, was er mir für unsere jahrelange Freundschaft und sein Verhalten in letzter Zeit schuldet."

"Und du wirst auch niemanden davon erzählen?"

"Versprochen."

Herr Heißmann schien sich zu beruhigen.

"Danke.", ein leichtes Lächeln lag auf seinen Lippen. Er seufzte und lehnte seinen Kopf nach hinten, gegen den Schrank an dem er saß.

"Ich kann nicht fassen dass ich es fast mit einer meiner Schülerinnen in der Schule getrieben habe. Ich dachte immer ich könnte mich selbst beherrschen."

"Ich bin mir sicher Sie wären nicht der erste Lehrer gewesen. Am Ende des Tages sind wir alle nur Menschen mit Gefühlen, Träumen und Sehnsüchten."

Er sah zu mir hoch.

"Schön gesagt."

Es klingelte.

"Also. Ich glaube ich sollte kurz mit Lasse reden."

"Mach das. Und danke."

"Nichts zu danken.", ich nahm meine Klausur, ging in das Nebenklassenzimmer und verstaute diese in meinem Rucksack. Dann begab ich mich zum Zimmer, in dem wir als nächstes Englisch hatte.

Lasse stand alleine neben den Treppen. Ich ging zu ihm.

"Bock Englisch zu schwänzen?"

Er sah mich einen Moment kritisch an, dann grinste er.

"Ja klar."

Seite an Seite verließen wir das Schulgebäude und liefen Richtung Stadt. Es gab ordentlichen Gesprächsbedarf zwischen uns.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top