Kapitel 18

"Ich wusste doch dass du zum Ball gehst.", Lasse empfing mich grinsend am Freitagmorgen.

"Mein Kleid ist gestern angekommen und es wäre eine Schande es nicht zu tragen.", grinste ich zurück.

"Biiiitch, wieso hast du kein Bild geschickt?! Ich will Videos sehen! Aus jeder Perspektive! Mit und ohne Kleid!"

"Lasse!", lachte ich.

"Hast du schon eine Eintrittskarte gekauft?"

"Ne, noch nicht. Wie viel kosten die dieses Jahr? Wieder um die 10 Euro, oder?"

"Weiß nicht. Aber ja wahrscheinlich.", antwortete er.

"Ich kann für uns alle Karten kaufen, muss eh heute Nachmittag Kippen holen.", Frederick setzte sich zu uns und zog seine Dorfklubkappe aus.

"Das wäre nett, ich gebe dir dann das Geld. Nicht zu fassen dass der Ball schon in einer Woche ist.", sagte ich.

"Ja, die Zeit vergeht so schnell blyat.", Lasse spuckte imaginär auf den Boden.

"Kommst du eigentlich mit Begleitung?", wendete ich mich an Frederick.

"Wer weiß, wer weiß.", er wackelte mit den Augenbrauen.

Herr Pfann betrat das Zimmer und wir begannen mit dem Unterricht. Die Doppelstunde war schnell vorbei und schon saßen wir in Chemie. Herr Heißmann trug ein rosé farbenes kariertes Hemd und ich konnte nicht anders als ihm dabei zuzusehen wie er seine Ärmel hochkrempelte. Ich erwischte mich dabei wie ich mein Haar richtete und ihm etwas zu aufmerksam die Stunde über zuhörte. Ich versuchte so gut es ging mitzuarbeiten, auch wenn ich wie immer kaum etwas verstand. Seufzend sah ich ihn an, er war attraktiv. Auf seine eigene Art und Weise. Und er war jung, kaum 10 Jahre älter als ich. Es war seltsam von jemandem unterrichtet zu werden, der in dein Beuteschema gehörte. Oder noch älter war.

Das noch älter betraf Herr Dumond, der lächelnd vor der Klasse stand und seinen Unterricht durchzog. Als die Doppelstunde sich dem Ende neigte verlor ich mich in meinen Gedanken. Ich stellte mir vor, wie es wäre wenn er auch zum Ball käme. Ich wünschte es mir sogar. Er sollte mich hübsch sehen. Und vielleicht, aber nur vielleicht, würde ich einmal mit ihm tanzen. Die Vorstellung gefiel mir.

"Everly, would you agree with Vin? Are you also proud to be German?", unterbrach Herr Dumond meinen Gedankengang und stand plötzlich vor mir. Ich schreckte auf.

"Oui, je suis fier que je suis allemand!", aus Panik antwortete ich auf Frazösisch.

Herr Dumond sah mich verwundert an.

"We are in English not French, Mademoiselle."

"Uh, yeah, sorry."

"My French isn't the best.", lachte Herr Dumond und widmete sich wieder Vin.

Er hatte gelassen reagiert? Was war passiert? War ich ihm plötzlich egal? Er nutzte sonst jede Chance um mich zu korrigieren oder zurecht zu weisen. Die Klingel beendete den Schultag für uns und ich ließ es darauf ankommen und ließ mir extra viel Zeit beim zusammenpacken.

"Französisch also?", Herr Dumond stand mit dem Rücken zu mir und packte gerade seine Materialien zusammen. Ich wusste es.

"Ja, ich weiß selber nicht wie das passieren konnte. Vor allem weil ich nicht so gut in Französisch bin."

"Das kenne ich. Einmal wurde ich etwas auf Deutsch gefragt und antwortete aus Gewohnheit auf Englisch.", lachte er. Wir begaben und beide auf die Tür zu, er holte seinen Schlüssel raus um das Klassenzimmer abzuschließen. Seite an Seite liefen wir die Treppe hoch zum Ausgang.

"Also, ich wünsche dir ein schönes Wochenende, Everly."

"D-Danke, Ihnen auch.", perplex sah ich dabei zu wie er im Lehrerzimmer verschwand ohne sich nochmal umzudrehen. Das war nicht der Herr Dumond den ich kannte. In dem Moment kam Herr Heißmann gerade aus dem Lehrerzimmer.

"Oh, hallo Everly. Lange nicht mehr gesehen.", lachte er und strahlte mich an.

"Absolut.", ich war immer noch etwas baff von Herr Dumonds kaltem Benehmen, dass mir die Worte fehlten. Wir gingen gemeinsam zum Ausgang, wo mir Herr Heißmann die Tür aufhielt. Er lief neben mir den Weg zu den Parkplätzen runter und redete über die vorherige Chemiestunde. Als er Anni nachmachte, wie sie sich mal wieder über die vielen Aufgaben beschwerte musste ich lachen. Mein Blick fiel zum Lehrerzimmer auf der rechten Seite, wo Herr Dumond gerade am Fenster stand und uns beobachtete. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt und ich sah wie er mit den Zähnen knirschte. Dabei musste ich grinsen, ich war ihm nicht egal, genauso wenig wie er mir egal war und schenkte Herr Heißmann noch ein Lächeln, welches er liebevoll erwiderte.

"Was willst du?", fragte Herr Dumond mich. Er stand mit verschränkten Armen vor mir. Man hörte den Lärm der Pause vor der Tür. Es war Montagmorgen und wir hatten 15 Minuten, bis ich Geschichte hatte.

"Die Wahrheit.", antwortete ich mit ebenfalls verschränkten Armen.

"Okay, was willst du wissen?"

"Hattest du was mit anderen Frauen auf deiner Weltreise?"

"... Ja.", kam es zögerlich, er sank seinen Blick.

"Obwohl du wusstest, dass ich dich liebte?"

"Ich weiß ja auch nicht was mit mir los war! Ich wollte mich wohl irgendwie ablenken oder die Gefühle für dich richtig einordnen...?!"

"Indem du mit anderen Frauen schläfst? Nein, lass es mich anders ausdrücken. Sie fickst?"

"Hör mir zu, es tut mir leid..."

Ich unterbrach ihn.

"Wie viele waren es?"

"... Viele."

"Aha."

Schweigen.

"Und jetzt?", fragte er. Sein Blick war traurig, wie der eines Welpen. Seine Schultern hingen schlaff runter.

"Was jetzt?"

"Wie soll es weitergehen?"

"... Ich muss nachdenken.", mit diesen Worten verließ ich das Klassenzimmer. Ich schloss die Tür leise hinter mir. In meinem Hals hatte sich ein Kloß gebildet. Ich hatte es mir schon gedacht, aber die Bestätigung aus seinem Mund zu hören war ein anderes Level von Schmerz. Ich musste mich zusammenreißen. Was er konnte, konnte ich schon lange.



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