7
⛧⛧⛧⛧⛧⛧ Kapitel 7 ⛧⛧⛧⛧⛧⛧
Am nächsten Morgen wache ich mit Schmerzen in meinem Rücken auf und seufze. Von draußen drängt sich die Sonne einen Weg in mein Zimmer und ich realisiere, dass ich meine Vorhänge die Nacht nicht mehr geschlossen habe. Das Licht blendet und ich lege mir einen Arm über meine Augen, dann rolle ich mich genervt zur Seite und ziehe mir die Bettdecke über den Kopf. Doch schon in dem Moment, in dem ich das mache, steigt mir der Geruch von Blut in die Nase und ich öffne meine Augen beinahe panisch wieder. Mein erster Gedanke ist, dass sich eine meiner Wunden über Nacht wieder geöffnet hat, doch als ich mir die Bettdecke und dann meinen Körper ansehe, registriere ich, weshalb ich den Geruch von Blut in meiner Nase verspüre.
Ich bin gestern mit meinen vollgebluteten Sachen ins Bett gegangen, woraufhin das nicht getrocknete Blut wunderbar auf meine Bettdecke abgefärbt hatte. Als ich einen Blick auf mein Kissen und mein Bettlaken werfe, seufze ich. Mein Bett muss ich nachher unbedingt komplett neu beziehen. Und dunkel erinnere ich mich daran, dass meine Lederjacke auch noch irgendwo rumfliegen müsste und ebenfalls eine Wäsche nötig hat.
Ich werfe einen Blick auf meine Uhr und seufze, als ich sehe, dass es noch nicht einmal Acht Uhr morgens ist. Dabei bin ich recht spät ins Bett gekommen und hatte ja immerhin eine schreckliche Nacht hinter mir. Als ich mir durch meine Haare fahre, registriere ich, dass diese ekelhaft verklebt sind und ich würde darauf wetten, dass dies ebenfalls Blut ist, das sich dort in meinen Haaren befindet.
Wenig motiviert, aber wohlwissend, dass es nötig ist, schwinge ich die Beine aus dem Bett und mache mich auf den Weg ins Badezimmer, das sich gegenüber von meinem Zimmer befindet. Als ich das kleine Stück durch den Flur gehe, werfe ich einen Blick zu dem Zimmer, in das ich Gabriel gestern verfrachtet habe, aber die Tür ist noch geschlossen und wirkt so, als würde er sich brav dort befinden. Ich beschließe ihm nach meiner Dusche eine Besuch abzustatten, damit ich ihm anbieten kann, etwas zu frühstücken. Auch, wenn ich ihm und seiner Geschichte immer noch nicht ganz traue, kann ich ja trotzdem ein guter Gastgeber sein. Und die Tatsache, das er bisher auch noch nicht versucht hatte, einen von uns im Schlaf zu erstechen, spricht auch für ihn. Und tief in mir drinnen sagt mir etwas, dass ich ihm vertrauen sollte, da das einiges vereinfachen würde.
Im Bad angekommen verkneife ich mir den Blick in den Spiegel und stelle mich direkt unter die Dusche. Was auch immer ich dort im Spiegel erblicken würde, sorgt sicherlich nicht dafür, dass ich mich besser fühlen würde. Ganz im Gegenteil, ich würde sicherlich noch stärker an die letzte Nacht denken. Die Bilder von Liza, wie sie dort am Boden liegt, die Augen weit aufgerissen und voller Blut, schleichen sich wieder in meine Gedanken und ich schüttele den Kopf. Schnell drehe ich das Wasser eiskalt auf und lasse es über meinen Körper fließen, um die Bilder und die Gedanken aus meinem Kopf zu verdrängen. Zusätzlich zu den Bildern kriechen die Schuldgefühle in mir hoch und ich schließe die Augen. Es ist ganz offensichtlich, dass es meine Schuld ist, dass sie jetzt tot ist. Immerhin hatte der Dämon, der sich in Mike befinden hatte, recht klar ausgedrückt, als er seine Drohung an die Wand gekritzelt hatte. Er hatte ganz klar verkündet, dass ich die nächste bin. Und seine Worte hatten auch keine Fragen offengelassen, dass ich das eigentliche Ziel bin. Ich hätte wirklich gerne von ihm gewusst, warum er mich angegriffen hatte, aber er gab mir ja bloß diese kryptischen Antworten, mit denen ich nichts anfangen konnte. Blöder Dämon.
Wieder steigt mir der metallische Geruch von Blut in die Nase, als sich das Blut mit dem Wasser vermischt und sich dann in roten Schlieren einen Weg in den Abfluss bahnt. Ich greife nach meinem Shampoo und wasche mir die Haare. Anschließend schrubbe ich mir das Blut von meinem Körper und sehe an mir herunter. Es ist faszinierend, dass mein Körper völlig unversehrt aussieht, seit Gabriel mich geheilt hatte, Sogar die Narben von vergangenen Verletzungen sind verschwunden und meine Haut weist nicht Mal einen einzigen blauen Fleck auf.
Nachdem Haut und Haare sauber sind, wasche ich mir noch unter der Dusche das Gesicht, dann drehe ich das Wasser aus und steige aus der Dusche. Ich greife nach einem Handtuch und wickele mich schnell darin ein, fast so als hätte ich Angst, dass Gabriel mich aus Versehen im Badezimmer nackt erwischen könnte. Dann rubbele ich mir mit einem weiteren Handtuch meine Haare etwas trocken und greife nach dem Bademantel, der an meiner Tür hängt. Schnell schlüpfe ich in diesen und greife nach dem Föhn. Meine schwarzen Haare sind schnell getrocknet und nachdem ich den Föhn weggelegt habe, blicke ich in den Spiegel. Meine Erscheinung erschreckt mich, aber nicht auf schlechte Weise. Meine schwarzen Haare sind gesund und fallen mir in sanften Wellen über die Schultern. Meine Haut ist blass, aber es ist nur meine übliche, gesunde Blässe meiner Haut. Und auch meine Augen strahlen, wenn man bedenkt, was mir gestern passiert ist. Alles in Allem sieht meine Erscheinung normal aus, beinahe zu normal. Wie stark muss Gabriels Zauber wohl gewesen sein, wenn ich jetzt wieder so lebhaft aussehe?
Ich wende meinen Blick von meinem Spiegelbild ab und greife nach meiner Zahnbürste. Wieder schleichen sich Bilder von Liza in meinen Kopf und ich versuche sie zu ignorieren, während ich meine Zähne putze. Meine Gedanken werden immer schlimmer und ich halte mich am Waschbeckenrand fest. Es ist fast so, als würde Liza mich in meinen Gedanken anschreien, bis es plötzlich still wird in meinem Kopf. Auch, wenn es mich beinahe schon irritiert, dass meine Gedanken sich so schnell wieder beruhigen, versuche ich sofort an etwas fröhliches zu denken, damit nichts Negatives wieder in meinem Kopf auftaucht.
Nachdem ich mich im Bad komplett fertig gemacht habe, gehe ich zurück in mein Zimmer. Aus dem Schrank greife ich mir einen schwarzen Pullover und eine schwarze Jogginghose, dann ziehe ich mir Unterwäsche an, danach die besagten Kleidungsstücke.
Ein Blick auf mein Handy zeigt mir, dass Liza noch nicht gefunden wurde und ich weiß nicht, ob mich das beruhigen soll oder nicht. Allerdings weiß ich, dass es nicht mehr lange dauern kann, bis ihre Eltern nach Hause kommen werden und ihre Leiche finden. Und dann werden sie unwillkürlich mich kontaktieren und ich muss überzeugend so tun, als würde ich von nichts wissen. Auch von Bobby habe ich noch keine Mail bekommen. Entweder hatte er noch nicht sonderlich viel gefunden oder Bobby hatte erfreulicherweise mal beschlossen, dass er eine Mütze Schlaf verdient hatte. Normalerweise ist er so lange wach, bis er beim Arbeiten einschläft und dann am nächsten Morgen mit dem Kopf auf dem Schreibtisch gelehnt wieder aufwacht.
Schnell lege ich mein Handy weg, dann verlasse ich mein Zimmer und klopfe an Gabriels Tür. Schon direkt nachdem ich geklopft habe, ertönt ein deutliches „Herein!" von drinnen und ich öffne die Zimmertür zu unserem Gästezimmer. Mein Blick fällt auf Gabriel, der entspannt auf dem Bett liegt. Seine Hände hat er hinter dem Kopf verschränkt, seine Beine hat er überschlagen. Er wird irgendeinen Zauber angewandt haben, um sich umzuziehen, denn er trägt nicht mehr die schwarze Jeans von gestern, sondern eine bequemere Hose. Und ein normales, schwarzes T-Shirt. Als er sieht, dass ich eintrete, richtet er sich auf und sieht mich freundlich an. Ich schließe die Tür hinter mir und sehe, dass Gabriel an mir herunter sieht und mich eingehend mustert. Sein Blick sollte mir wahrscheinlich unangenehm sein, doch er ist es nicht.
„Guten Morgen, Gabriel.", begrüße ich ihn.
„Guten Morgen.", erwidert er und ich bin mir sicher, dass er an meinem Blick ablesen kann, dass ich überrascht bin, dass er tatsächlich noch anwesend ist.
„Möchtest du etwas frühstücken?", biete ich ihm an.
„Engel müssen nicht essen.", erwidert er und ich rolle mit den Augen. Allerdings muss ich schon sagen, dass ich es beeindruckend finde, dass Engel weder schlafen, noch essen müssen. Das ist sicherlich angenehm, wenn man sich nicht ständig Gedanken machen muss, dass man genug Schlaf bekommt, um zu funktionieren.
„Okay, aber möchtest du etwas essen?" Ich lächele leicht und versuche so freundlich und offen wie möglich zu wirken. Das verbessert bestimmt meine Chancen, Informationen aus ihm herauszubekommen.
„Na schön." Er erhebt sich vom Bett und sieht mich dann auffordernd an. Gemeinsam gehen wir durch den Flur der oberen Etage und laufen dann die Treppe herunter. Als wir an dem Schlafzimmer meiner Eltern vorbei gehen, halte ich inne, sodass Gabriel beinahe in mich hinein läuft. Als er meinen überlegenden Blick bemerkt, sieht er mich mit einem Kopfschütteln an.
„Es geht ihnen gut. Sie schlafen noch." Ich weiß nicht, warum mich diese Aussage beruhigt, weil immer noch die Chance besteht, dass er mich anlügt, aber ich gehe an der Tür vorbei, direkt in die Küche. Dort deute ich auf einen Stuhl am Küchentisch, als Zeichen, dass Gabriel sich ruhig setzen kann und gehe auf den Kühlschrank zu. Innerhalb weniger Minuten habe ich sämtliche Sachen für ein ordentliches Frühstück auf den Tisch gestellt und setze mich ebenfalls dazu. Mit einem kleinen Schmunzeln beobachte ich, wie Gabriel fünf Teelöffel Zucker in seinen Tee kippt, dann bediene ich mich selbst ebenfalls am Zucker.
Wir frühstücken in Ruhe und in völliger Stille. Ich bemerke während des Frühstücks, dass Gabriel eine Vorliebe für Süßes hat. Nachdem wir fertig gegessen haben, räume ich die beiden Teller ab und lehne mich dann zurück. Gabriel lehnt sich ebenfalls zurück und unsere Blicke treffen sich. In seinem Blick kann ich erkennen, dass er weiß, was in meinem Kopf herumschwirrt, denn er sieht mich abwartend an. Doch anstatt mir eine Chance zu geben, ihm diese Fragen zu stellen, erinnert er mich an etwas, das ich beinahe schon vergessen hätte. Und ich bin mir sicher, dass mir das früher oder später zum Verhängnis geworden wäre.
„Hast du die Dämonenabwehr schon wiederhergestellt?"
„Nein. Das mache ich nach dem Frühstück. Und nachdem du meine Fragen beantwortet hast.", erkläre ich ihm, dann gieße ich uns beiden neuen Tee ein und setze mich wieder auf den Küchenstuhl. Gabriel sieht mich einen Augenblick nachdenklich an, dann nickt er schlussendlich. Seine Haare fallen ihm dabei leicht ins Gesicht, sodass er die störenden Strähnen wieder zurück streicht. Ich ziehe die Beine auf den Stuhl und umklammere meine Tasse, dann sehe ich mit einem fragenden Ausdruck zu ihm, in der Hoffnung, dass ich loslegen darf.
„Schieß los. Ich glaube ich habe dich genug hingehalten." Er lächelt leicht und greift nach seiner eigenen Tasse. Es ist seltsam entspannt mit ihm hier zu sitzen, wenn man bedenkt, dass ich ihm eigentlich immer noch nicht richtig vertrauen kann. Doch die Stimme in meinem Inneren, die mir sagt, dass ich ihm vertrauen kann, ist immer noch nicht verschwunden und langsam glaube ich ihr. Ich überlege mir genau, welche Frage ich als erste stellen möchte.
„Du sagtest, dass der hohe Rat dich schickt. Wie muss ich mir das vorstellen?", beginne ich und sehe ihn abwartend an.
„Das ist... etwas komplizierter.", weicht er aus und ich verenge die Augen leicht. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass ich meine Antworten einfach so von ihm bekomme, aber scheinbar hatte ich mir zu früh Hoffnungen gemacht.
„Dann entkomplizier es. Und zwar schnell."
„Du wirkst nicht so, als hättest du Angst vor mir.", stellt Gabriel fest und stellt seine Tasse auf den Tisch. Ich ziehe skeptisch eine Augenbraue in die Höhe.
„Sollte ich denn?", frage ich ihn und bin mir sicher, dass er meine Skepsis anhand meiner Mimik ablesen kann.
„Ich bin ein Erzengel." Ich widerstehe dem inneren Drang wieder mit den Augen zu rollen, doch verkneife es mir.
„Und offensichtlich mein Schutzengel. Es wäre kontraproduktiv, wenn du mich angreifst."
„Da hast du Recht..." Gabriel grinst leicht und obwohl er eben noch festgestellt hatte, dass ich keine Angst vor ihm habe und ihm somit nicht den richtigen Respekt zolle, sieht er nicht verärgert aus. Ganz im Gegenteil. In seinem Blick erkenne ich den Blick, den meine Eltern immer drauf haben, wenn sie stolz auf mich sind oder ich sie beeindruckt habe. Unwillkürlich frage ich mich, wie andere Menschen diesem Engel wohl begegnen, dass er von meinem Verhalten so überrascht ist. Dann besinne ich mich aber wieder darauf zurück zum Thema zu kommen und unterbreche unser kleines Blickduell mit einem leichten Lächeln.
„Also, der Hohe Rat. Was ist mit dem?", komme ich zum eigentlichen Thema zurück und sehe ihn wieder interessiert an.
„Mein Vater-"
„Gott?"
„Ja. Gott.", bestätigt er meinen Verdacht und ich nicke.
„Okay."
„Mein Vater hat sich, sagen wir mal, etwas zurückgezogen. Für eine geraume Zeit schon ist der Himmel also ohne Herrscher. Ohne Leiter. Ohne jemanden, der die Engel befehligt. Es brach Chaos aus, woraufhin sich ein paar hochrangige Engel, die eng mit meinem Vater zusammengearbeitet haben, zu einer Gruppe zusammengeschlossen haben, um wieder Ordnung in den Himmel zu bringen.", erklärt er mir und ich sehe ihn nachdenklich an. Ergibt das Sinn? Würde so ein Fall bei den Menschen auftreten, dann wäre der nächste Nachfolger sicherlich eines der Kinder des Verschwundenen, oder? Aber vielleicht ist diese Hierarchie im Himmel auch anders? Ich beschließe ihn zu fragen.
„Wieso habt ihr Erzengel das nicht getan?"
„Luzifer sitzt in der Hölle und Raphael würde den Himmel wahrscheinlich noch weiter ins Chaos stürzen. Michael arbeitet eng mit dem hohen Rat zusammen." Ich sehe, dass sich sein Blick ändert, als er über seine Brüder spricht, aber ich kann nicht deuten, was dieser Blick zu sagen hat. Ich registriere nur, dass jeder seiner Brüder einen anderen Ausdruck bekommt, weshalb ich glaube, dass dieser Blick die Sympathie oder das Verhältnis zu seinen Brüdern widerspiegelt. Und wenn es danach geht, dann schmerzt ihn die Erwähnung von Luzifer am Meisten und er kann Raphael und Michael nicht leiden.
„Wieso würde Raphael den Himmel in Chaos stürzen?"
„Mein Bruder ist glaube ich nicht unbedingt geeignet dazu, ein Herrscher zu sein. Dafür ist er zu hitzköpfig.", gibt er ehrlich zu und weicht meinem Blick aus. Ich sehe ihn einen Augenblick an und studiere seine Regungen. Er scheint sich gerade an Etwas zu erinnern, denn sein Gesichtsausdruck wird finster, dann allerdings scheint er den Gedanken aus seinem Kopf zu verdrängen, denn er sieht wieder fröhlicher aus, als er seinen Blick wieder zu mir wendet.
„Okay, fahr fort." Aufmunternd sehe ich ihn an.
„Nachdem ich aus dem Himmel geflohen bin-"
„Wieso bist du aus dem Himmel geflohen?"
„Familieninterne Gründe.", weicht er meiner Frage aus bestätigt damit meine Theorie, dass es ihm nicht besonders leicht fällt, über seine Familie zu reden.
„Dir ist bewusst, dass mir das nicht weiter hilft, oder?"
„Ja, aber mehr Details benötigst du gerade nicht." Sein eindringlicher Blick bringt mich dazu, wirklich nicht weiter auf das Thema einzugehen. Ich seufze fast unhörbar, dann bedeute ich ihm mit einem auffordernden Nicken, weiter zu reden.
„Auf jeden Fall wollte ich sagen, dass ich im hohen Rat einen Kontaktmann habe. Wir hatten einen Deal: Sie lassen mich auf der Erde in Ruhe und dafür sage ich ihm, wie er mich für einen absoluten Notfall finden kann. Aber nur für einen absoluten Notfall.", fährt er fort und sieht abwartend zu mir, ob ich ihm soweit folgen kann. Es wirkt fast so, als würde er erwarten, dass ich ihn direkt wieder unterbreche, aber dieses Mal habe ich keine weiteren Fragen. Stattdessen merke ich, wie ich mich immer mehr für das interessiere, was er mir dort erzählt. Denn seine Erzählungen über seine Familie und besonders das, was er nicht erzählen wollte, haben mich neugierig gemacht. Sehr neugierig.
„Dieser Notfall ist im Himmel scheinbar eingetreten, als die Prophezeiungen für diese Jahreshälfte geöffnet und verlesen wurden."
„Für diese Jahreshälfte?" Verwirrt sehe ich ihn an. Was soll das heißen?
„Prophezeiungen werden im Himmel immer für ein kommendes halbes Jahr verlesen, länger nicht. Wenn dieses halbe Jahr herum ist, dann kommen die Prophezeiungen für das nächste halbe Jahr.", erklärt er mir geduldig und ich lege den Kopf schief. Man sieht mir meine Verwirrung wahrscheinlich an. Denn welchen Grund sollte es dafür geben, das so zu machen? Ist das sinnvoll? Ist das nicht sehr viel bürokratische Arbeit?
„Okay...?", bringe ich deshalb nur hervor und höre selbst, dass ich viel zu skeptisch klinge.
„Das hat die Gründe, dass die Engel sich so vor Ungerechtigkeit und Verrätern schützen wollen. Wenn ein Engel aus dem Himmel verstoßen wird oder die Seite wechselt, dann kennt er nur die Prophezeiungen eines halben Jahres. Das ist nicht so schlimm, wie eine größere Zeitspanne." Okay, das klingt logisch. Auch, wenn mich die Erwähnung von Verbannungen und Seitenwechseln etwas verwirrt. Sind Engel nicht diese perfekten Wesen, die immer das richtige tun und nur Gott dienen und niemand anderem? Wie kann es dann sein, dass sie aus dem Himmel verstoßen werden oder gar die Seite wechseln?
Dann allerdings realisiere ich, was das heißt, dass die Prophezeiungen von einem Engel verlesen werden. Jemand muss Zugriff auf diese haben und könnte uns vielleicht mit den nächsten Prophezeiungen einen Hinweis auf diese ganze Situation hier geben.
„Das heißt eine Person muss Zugriff auf die Prophezeiungen haben?", frage ich zur Sicherheit nach und Gabriel sieht mich einen Moment lang an, dann scheint er zu verstehen, wieso ich ihn das gefragt habe. Ein anerkennendes Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus.
„Es ist eine gute Idee, eine der kommenden Prophezeiungen nach Hinweisen zu untersuchen. Aber diese sind durch einen so mächtigen Zauber meines Vaters geschützt, dass es unmöglich ist, andere Prophezeiungen zu verlesen, als die, die gerade erlaubt sind.", nimmt er mir meine Hoffnungen direkt wieder. Na gut, dann eben nicht. Immerhin hatte Gabriel mir gerade ein Kompliment gemacht, das ist doch auch etwas. Ich glaube nicht, dass sonderlich viele Jäger behaupten können, jemals ein Kompliment von einem Engel, geschweige denn einem Erzengel, bekommen zu haben.
„Okay, klingt logisch."
„Also zurück zur Prophezeiung: In der Prophezeiung stand nichts weiter, als dass du von einem Erzengel beschützt werden musst. Und die Prophezeiung hatte ausdrücklich nach mir gefragt. Und bevor du fragst: Nein, es stand nichts davon, weshalb ich gewählt wurde und auch nicht, weshalb es so wichtig ist, dass du beschützt wirst." Er beantwortet die nächsten aufkommenden Fragen schon, bevor ich sie gestellt habe. Alle, bis auf eine.
„Gibt es Möglichkeiten das heraus zu finden?"
„Nicht direkt. Wir müssen abwarten, was jetzt in nächster Zeit passiert. Und ich kann einen Freund darauf ansetzen, weitere Nachforschungen anzustellen." Einen Freund?
„Ein Engel?" Meine Feststellung klingt er wie eine verunsicherte Frage, als wie eine Aussage, doch das soll mir nur Recht sein. Passt wahrscheinlich genau so zum Anlass.
„Ja. Sein Name ist Balthasar und er ist kurz nach mir auf die Erde geflohen, weil er es im Himmel nicht mehr ausgehalten hat."
„War Balthasar nicht einer der heiligen drei Könige aus der Bibel?", frage ich verwirrt und Gabriel verdreht die Augen.
„Du glaubst doch wohl nicht wirklich, was in der Bibel steht, oder?", fragt er mich beinahe etwas spöttisch und ich sehe ihn böse an.
„Ich habe die Bibel nie gelesen. Aber das wurde uns schon in der Grundschule beigebracht.", erkläre ich ihm und er verzieht das Gesicht.
„Also kann ich davon ausgehen, dass die Bibel ein Märchenbuch voller Lügen ist?", frage ich zur Sicherheit noch und Gabriel nickt.
„An jeder Lüge ist ein Stückchen Wahrheit, aber vieles ist nicht so geschehen, wie es dort in der Bibel niedergeschrieben ist.", erklärt er und ich nicke. Nachdenklich sehe ich auf den Tisch. Das heißt, dass meine Recherche über sämtliche Wesen, die die Bibel betreffen, gerade deutlich unsicherer geworden ist, als ich erhofft hatte. Auch, wenn an allem ein Stückchen Wahrheit ist, wenn diese ganze Sache so unsicher ist, wie Gabriel sie gerade beschrieben hat, dann habe ich gerade meine wichtigste Informationsquelle verloren und muss mir Gedanken machen, wie ich sonst weitere Informationen bekomme.
Ich beschließe, dass ich mich darum ein andermal kümmere und ich jetzt ersteinmal wieder zu dem wichtigen Thema zurück komme, das uns eigentlich beschäftigt: Dass ich angegriffen wurde und Gabriel mein Schutzengel sein soll.
„Okay... wie muss ich mir diesen Schutz denn dann vorstellen? Isolation auf einer einsamen Insel, weit entfernt von der Zivilisation?", frage ich und Gabriel erkennt sofort, dass ich meine Formulierung nicht ganz ernst meine und nur die Situation auflockern wollte, denn er schmunzelt leicht, bevor er mir dann ernsthaft antwortet.
„Nein. Wir haben verschiedene Möglichkeiten. Ich könnte dir zum Beispiel einen Schutz in die Rippen ritzen, durch den dich kein einziges übernatürliches Wesen mehr aufspüren könnte. Dazu zähle aber leider auch die Positiven, die dein Leben schützen könne. Und wenn ich dir diesen Schutz in die Rippen ritze, dann bist du ebenso immun gegen all meine Zauber. Das heißt, dass ich dich nicht heilen könnte, wenn dir etwas zustößt.", erklärt er mir ruhig. Seine ganze Haltung hat sich verändert und ich verstehe, dass es ihm jetzt wirklich ernst ist, über dieses Thema zu reden. Eben noch wirkte er recht entspannt, jetzt allerdings hat er sich aufgerichtet und sieht mich eindringlich an. Alleine diese Veränderung seines Verhaltens sorgt bei mir dafür, dass ich ebenfalls angespannter zu sein beginne.
„Das heißt das wäre eher Kontraproduktiv.", nuschele ich nachdenklich auf seine Worte hin, doch Gabriel hatte es trotzdem gehört.
„Gut erkannt.", nickt er.
„Welche Möglichkeiten gäbe es noch?"
„Nur noch eine: Dass ich dir nicht von der Seite weiche und deinen Bodyguard spiele." Einen Moment lang starre ich ihn an und versuche anhand seines Blickes zu erkennen, dass er einen Scherz gemacht hat und das nicht ernst meint. Doch leider bleibt jegliche Regung, die darauf deuten könnte, dass es ein Scherz war, aus und ich realisiere, dass er das komplett ernst meint.
„Was!? Es gibt keine andere Möglichkeit, als dass du hier einziehst?"
„Wir könnten uns auch trennen und du würdest mich rufen, wenn du etwas brauchst. Aber es gibt unglaublich viele und vor allem mächtige zauber, die dich daran hindern würden, mich zu rufen, was bedeutest, dass du wieder in Gefahr wärst." Na schön, das bedeutet dann wiederum auch wieder, dass mir ein Schutzengel nichts bringt, wenn ich ihn nicht rufen kann. Aber kann ich das wirklich ertragen? Eine Person dauerhaft in meiner Nähe zu haben, um mich zu schützen?
„Das darf doch alles nicht wahr sein." Ich vergrabe mein Gesicht in meinen Händen und würde am liebsten auf der Stelle anfangen in Tränen auszubrechen. Erst diese Sache mit Liza und meinen Eltern und jetzt so was. Aber wäre mir das nicht vielleicht gar nicht passiert, wenn ich Gabriel schon eher an meiner Seite gehabt hätte?
Als ich seine Hand auf meinem Unterarm spüre, sehe ich auf. Meine leicht wässrigen Augen treffen auf seine und mir fällt erneut der faszinierende Goldschimmer in seinen grünen Augen auf. Ob wohl alle Engel solche faszinierenden Augen haben? Ich schüttele innerlich den Kopf bei meinen situationsunangebrachten Gedanken. Um solche Kleinigkeiten kann ich mir auch wann anders noch Gedanken machen.
„Ich weiß, dass das nicht leicht für dich ist.", sagt er sanft und einfühlend und ich hätte beinahe losgelacht. Ja, nicht leicht ist eine passende, aber untertriebe Beschreibung der Situation.
„Das sagt sich so leicht... Okay, aus der Sicht von dir als Schutzengel: Was wäre das beste, um mein Leben zu schützen?"
„Dir nicht mehr von der Seite zu weichen, beziehungsweise mich immer in deiner Nähe aufzuhalten.", antwortet er und ich erkenne nichts als Ehrlichkeit in seiner Stimme. Einen Moment lang überlege ich und auch, wenn ein kleiner Teil in mir nein sagt, spüre ich, dass ich kurz davor stehe, zuzustimmen. Ich glaube ihm, auch wenn es vielleicht naiv ist. Aber mein Bauchgefühl sagt mir auch weiterhin, dass ich ihm vertrauen kann und ich weiß, dass ich mich bisher immer auf mein Bauchgefühl verlassen konnte. Und wenn es wirklich so wichtig ist, was der hohe Rat befohlen hat, dann wäre Gabriel bei mir zu haben auf jeden Fall der beste Weg mich zu schützen, bis wir herausgefunden haben, was hier eigentlich Sache ist.
„Aber du würdest dich entfernen, wenn ich dich darum bitte? Wenn ich einfach Mal einen Moment Ruhe brauche?", frage ich ihn deshalb und er scheint zu erkennen, dass ich ernsthaft über seinen Vorschlag nachdenke. Doch entgegen meiner Erwartungen, drängt er mich nicht sofort dazu, ihm schnellstmöglich zuzustimmen, was seine Ehrlichkeit für mich nur ein Weiteres Mal bestätigt.
„Wenn es sich mit der derzeitigen Gefahrenlage vereinbaren lässt."
„Das... oh man." Ich seufze und trinke einen großen Schluck aus meiner Teetasse. Mein Tee ist mittlerweile nur noch lauwarm. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie lange wir schon hier sitzen. Dabei kam es mir nicht sonderlich lange vor.
„Zoe, ich will dich nicht anlügen: Es ist noch nie vorgekommen, dass ein bestimmter Erzengel für Personenschutzzwecke angefordert wurde. Aber wann immer eine Prophezeiung besagt hatte, dass das Leben einer Person geschützt werden muss, hatte diese Person Großartiges bewirkt. Ich bin mir sicher, dass es einen wichtigen Grund gibt, weshalb du am Leben bleiben sollst. Und der hohe Rat würde nicht speziell nach mir schicken, wenn es die Prophezeiung nicht vorschreiben würde. Das heißt es muss um etwas wirklich großes gehen."
„Aber wieso ausgerechnet ich? An mir ist rein gar nichts besonders, ich bin nur ein normaler Mensch.", stoße ich beinahe verzweifelt hervor und weiß gar nicht so wirklich, woher dieser verzweifelte Unterton in meiner Stimme plötzlich kommt. Das ist ja fast schon lächerlich.
„Das können wir gemeinsam herausfinden, wenn du mich als deinen Schutzengel akzeptierst.", versucht Gabriel mich zu beruhigen, was scheinbar auch funktioniert. Ich lächele ihn dankbar an. Dann fasse ich einen Entschluss und sehe ihn entschlossen an.
„Tue ich. Ich akzeptiere dich als meinen Schutzengel."
„So einfach ist das nicht. Um mich offiziell zu deinem Schutzengel zu machen, müssen wir einen Zauber ausführen. Erst durch diesen Zauber gelingt es mir, dich immer zu lokalisieren und es mitzubekommen, wann immer du in Gefahr schwebst. Wir sind dann quasi verbunden.", erklärt er mir, doch ich zucke nur mit den Schultern. Ich erkenne das problem gerade nicht. Dann führen wir diesen Zauber durch und dann kann er seinen Job als Schutzengel ordentlich antreten. Und ich kann beruhigt leben, ohne dass ich jede Sekunde paranoid durch die Gegend renne und mit einem Angriff rechnen muss.
„Hat dieser Zauber Nebenwirkungen?"
„Nein." Er schüttelt den Kopf und lehnt sich etwas nach hinten zurück. Scheinbar hatte er die Situation nun wieder als nicht mehr ganz so ernst eingestuft, wie noch vor ein paar Minuten.
„Okay, dann machen wir es.", verkünde ich, doch Gabriel bremst mich direkt wieder.
„Woah, immer langsam, Tiger. Frag zuerst deine Eltern, ob das für die auch in Ordnung ist.", meint er und ich sehe ihn verwirrt an.
„Es ist immer noch meine Entscheidung.", sage ich. Gabriel rollt mit den Augen.
„Ja, aber es ist deren Haus, in dem du mir gerade ein Zimmer angeboten hast.", erinnert er mich und ich seufze, während ich mich von meinem Stuhl erhebe und meine Tasse in die Spüle stelle.
„Na schön, ich frage sie und dann vollziehen wir diesen Zauber."
⛧⛧⛧⛧⛧⛧
Als ich das Wohnzimmer betrete, sehe ich meine Eltern beide abwesend auf dem Sofa sitzen. Die Klänge des Fernsehers erfüllen den Raum und als ich einen Blick auf den Fernseher werfe, entdecke ich eine Talkshow auf dem Bildschirm laufen. Ich habe keine Ahnung, worum es geht und weshalb meine Eltern sich so einen Schwachsinn ansehen, doch ich ignoriere das vorerst. Stattdessen stelle ich mich vor den Fernseher, um die Aufmerksamkeit meiner Eltern zu erlangen. Diese sehen mich deutlich verzögert an und ich ziehe skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. Irgendwas stimmt doch mit den beiden nicht. Meine Eltern würden doch eigentlich niemals so träge reagieren. Ganz im Gegenteil: Meine Eltern hatten schon immer gute Reflexe und waren Aufmerksam. Ich überlege, ob es etwas mit den gestrigen Erlebnissen zu tun hat, beschließe aber meinen Eltern noch etwas Zeit zu geben, bevor ich sie auf ihr Verhalten anspreche. Immerhin wurden sie von Dämonen besetzt, das hinterlässt bestimmt Spuren. Und bis das verarbeitet ist, haben meine Eltern meiner Meinung nach auch das Recht, etwas seltsam drauf zu sein.
Meine Eltern sehen mich beinahe schon empört an, als ich den Blick auf den Fernseher verdecke und ich rolle innerlich mit den Augen. Meine Eltern waren nie besonders begeisterte Fernsehgucker.
„Mum? Dad? Ich muss mit euch reden.", meine ich, um die beiden zu besänftigen und ihnen zu erklären, weshalb ich den Fernseher verdecke. Als ich deise Worte ausgesprochen habe, sieht meine Mutter mich mit einem liebevollen Lächeln an und beugt sich ein Stück nach vorne, um mir zu zeigen, dass sie bereit ist und zuhört. Das passt schon eher zu ihr.
„Worum geht es denn, Schatz?", fragt sie mich dann noch und ich trete von dem Fernseher weg, damit ich etwas auf sie zutreten kann.
„Gabriel und ich haben geredet.", meine ich und bei der Erwähnung des Erzengels habe ich nun auch die volle Aufmerksamkeit meines Vaters. Ein skeptischer Ausdruck schleicht sich auf sein Gesicht und ich rolle innerlich mit den Augen, doch kann diese Reaktion auch verstehen. Ich wäre als Vater wahrscheinlich auch skeptisch, wenn ein angeblicher Engel plötzlich vor einem steht und behauptet, dass er die Tochter beschützen müsse.
„Worüber?", möchte er auch sogleich in einem schroffen Ton wissen und ich schmunzele.
„Darüber, warum er hier ist. Und was jetzt geschieht.", erkläre ich ihm und höre Schritte hinter mir. Ein kurzer Blick über die Schulter zeigt mir, dass es wie vermutet Gabriel ist, der den Raum betritt. Er verlangsamt seine Schritt und bleibt dann schlussendlich schräg hinter mir stehen. Meine Eltern sehen skeptisch zu ihm, doch die Tatsache, dass ich offensichtlich sehr ruhig bleibe, zeigt ihnen, dass sie sich keine Gedanken machen müssen.
„Und was genau habt ihr jetzt besprochen? Was sagt er?", fragt meine Mutter interessiert und sieht mich fragend an. Gerade, als ich zu sprechen beginnen will, unterbricht Gabriel mich schon sanft, aber trotzdem bestimmt.
„Ich kann deinen Eltern zeigen, was wir eben besprochen haben. Und du solltest dringend die Dämonenabwehr erneuern.", meint er zu mir und ich nicke, dann sehe ich zu meinen Eltern.
„Ist das okay für euch?" Wenn er meint, dass er es ihnen zeigen kann, dann ist das sicherlich besser, als wenn ich das ganze Gespräch noch einmal mit meinen Worten wiederholen muss. Und Gabriel hat Recht, die Dämonenabwehr muss unbedingt erneuert werden.
„Vertraust du ihm?", möchte meine Mutter wissen. Sofort nicke ich und verstehe mich einen Moment lang selbst gar nicht. Wieso bin ich mir so sicher, dass ich ihm vertraue?
„Na schön. Dann ist es in Ordnung.", bestätigt sie mir auf mein Nicken hin. Auch mein Vater scheint einverstanden zu sein, sodass ich einen Schritt zur Seite trete, sodass Gabriel an mir vorbei gehen kann. Er setzt sich zögerlich auf den Sessel, welcher direkt neben dem Sofa steht und hebt eine Hand.
„Mrs. Bloodstein, ich muss Sie an der Stirn berühren, um Ihnen meine Erinnerungen des Gespräches zu zeigen. Ist das in Ordnung für Sie?", fragt Gabriel vorsichtig. Die Augen meiner Mutter zucken einen Augenblick unsicher zu mir, doch als sie sieht, dass sich ein leichtes Lächeln auf meine Lippen schleicht, nickt sie, wenn auch zögerlich. Ich beschließe in diesem Moment, dass ich meine Eltern sicher in der Gegenwart von Gabriel lassen kann und verlasse leise den Raum. Ich hole schnell eine Sprühdose mit roter Farbe aus dem Keller, in dem wir unsere Vorräte haben, und mache mich dann auf den Weg zur Rückseite des Hauses. Dort ziehe ich erschrocken die Luft ein, als ich den Rasen sehe. Unser eigentlich immer recht schöner und vor allem grüner Rasen, ist stellenweise dunkel und zerfetzt. Die Dämonenabwehr ist für den Augenblick vergessen und ich stelle die Farbe schnell auf den Boden. Zögerlich gehe ich auf die dunklen Stellen auf dem Rasen zu und beuge mich dann herunter. Schon als ich mit meinen Fingern die Flecken berühre, erkenne ich, was es ist und ziehe meine Hand ruckartig zurück. Blut. Mein Blick gleitet weiter umher, als ich etwas entdecke, das mich stocken lässt. Mit zwei schnellen Schritten komme ich bei dem undefinierbare, kleinen Haufen an und greife vorsichtig danach. Als ich erkenne, was es ist und sich mein Verdacht bestätigt, spüre ich die Übelkeit in mir aufsteigen. Also hatten die Dämonen nicht übertrieben, als sie gesagt haben, dass sie das Abwehr-Tattoo meiner Eltern brutal aus ihnen herausgeschnitten hatten. Das erklärt dann aber auch, weshalb hier so viel Blut ist. Denn kampflos aufgegeben, werden meine Eltern sicherlich nicht, haben. Angeekelt schmeiße ich den Hautfetzen mit den Resten des Tattoos von mir weg und stehe dann wieder auf. Ich muss den Garten bei Zeiten unbedingt sauber machen. Wenn meine Eltern das hier sehen, dann werden sie das sicherlich nicht gut finden. Denn dann werden sie mit Sicherheit wieder an diesen schrecklichen Abend erinnert.
Ich hebe die Sprühdose vom Boden auf und trete dann auf unsere Hauswand zu. Um die zerstörte Dämonenabwehr zu sehen, muss ich etwas Efeu zur Seite streichen, dann erkenne ich aber auch direkt, wo das Problem liegt und schüttele die Sprühdose, um das Pentagram, das die Dämonen aus unserem Haus fernhält, nachzuzeichnen. Das ist schnell getan, sodass ich die Dose wieder in den Keller bringen kann. Ich werfe einen letzten Blick auf mein Werk, dann fällt mein Blick wieder auf unseren Rasen, sodass ich schnell wieder hereingehe. Das brauche ich jetzt wirklich nicht länger sehen, als nötig...
(Überarbeitet)
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top