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⛧⛧⛧⛧⛧⛧ Kapitel 5 ⛧⛧⛧⛧⛧⛧


Mein erster Impuls sollte mir eigentlich sagen, dass ich zu meinen Eltern rennen sollte, um nach den beiden zu sehen. Dass ich sichergehen sollte, dass sie noch leben und dass die Dämonen aus den beiden vertrieben worden sind. Vielleicht sollte ich mich auch darum kümmern nach Mike zu sehen, den man definitiv in ein Krankenhaus schaffen sollte, denn er sieht definitiv nicht gut aus. Doch entgegen meiner doch relativ gefassten Gedanken, fahre ich mit erhobenen Waffe herum und halte sie warnend in die Richtung des dunkel gekleideten Mannes, der mich daraufhin allerdings nur spöttisch ansieht.

„Wer sind Sie?", frage ich scharf und versuche wenigstens vorzuspielen, dass ich mich in Sicherheit wiege. Doch die Wahrheit ist, dass dieser Typ wahrscheinlich nur einen einzigen Schritt machen müsste und ich sofort auf ihn einstechen würde, in der Hoffnung mich verteidigen zu können. Denn einen wütenden Dämon mit einer so unfairen Leichtigkeit auf Abstand zu halten, wie er es gerade getan hat, zeugt von überaus großer Macht.

„Ich würde es begrüßen, wenn du das aus meinem Gesicht nehmen würdest, Zoe." Ich hätte beinahe einen Mundwinkel gehoben bei dieser Antwort, doch kann mir ein kleines Grinsen gerade noch verkneifen. Doch als ich den eindringlichen Blick des Mannes sehe, beschließe ich, dass ich mein Messer ein Stück sinken lasse. Jetzt könnte ich es ihm zwar nicht mehr direkt in den Schädel rammen, aber die Brust sollte es auch tun.

„Sehr freundlich.", kommentiert er. Ich verdrehe die Augen.

„Wer sind Sie? Woher wissen Sie, wer ich bin?", wiederhole ich meine Frage erneut und trete sogar noch einen Schritt näher an den Mann heran, damit ich mein Messer gegen seine Brust drücken kann, um ihm zu zeigen, dass er mir antworten sollte. Und auch, obwohl sich der Mann nicht im geringsten beeindruckt zeigt, scheint er wohl zu beschließen, dass er so gütig ist und zumindest eine meiner Fragen beantwortet. Leider nicht die, die mich am meisten interessiert.

„Ich weiß sehr viel über dich, Zoe." Seine Stimme jagt mir eine Gänsehaut über den Rücken, die ich allerdings schnell auf die Temperatur schiebe. Oder auf die Tatsache, dass seine Aussage gruseliger klingt, als ich im ersten Moment angenommen hatte. Immerhin hört man nicht alle Tage von einem Wildfremden, dass er viel über einen wisse.

„Sind Sie ein Dämon?", verlange ich zu wissen, da er auf meine andere Frage ja scheinbar nicht ordentlich antworten kann. Und wenn er mir seinen Namen schon nicht nennt, vielleicht nennt er mir dann ja wenigstens seine Spezies. Doch als ich das Wort „Dämon" in den Mund nehme, sieht der Mann mich beinahe schon empört an und ich frage mich, ob ich gerade einen Fehler gemacht habe. Doch so schnell, wie der empörte Ausdruck in seinen Augen erschienen ist, so schnell ist er auch wieder verschwunden.

„Das tat wirklich weh, Zoe. Ein Dämon? Wirklich?" Ich rolle mit den Augen und kann es nicht fassen, dass er mir immer noch nicht gesagt hat, was er ist. Seiner Reaktion nach zu urteilen zumindest kein Dämon, immerhin sieht er mich an, als hätte ich ihn aufs Äußerste beleidigt.

„Ich versuche eine Antwort aus dir herauszubekommen und du sprichst nicht von selbst. Also muss ich wohl anfangen Vermutungen anzustellen.", entgegne ich ihm und werfe zur reinen Vorsicht einen kurzen Schulterblick nach hinten. Mike, Mum und Dad liegen immer noch genau dort und haben sich nicht bewegt. Also sollte ich da zumindest meine Sicherheit haben. Sofort sehe ich wieder auf den Mann vor mir, dessen dunkle Augen meine treffen.

„Ich bin ein Engel des Herrn.", verkündet er dann und ich höre eine gewisse Portion Stolz in seiner Stimme. Ich kann gerade noch verhindern, dass mein Unterkiefer herunterklappt, als er das sagt. Ungläubig sehe ich ihn an.

„Ein Engel?!" Die Existenz von Engeln war bisher noch nie ein Thema gewesen und kein einziger Jäger, dem ich in meinem Leben begegnet bin, hatte jemals etwas über einen Engel zu erzählen. Aber theoretisch ergibt das, was er sagt, ja schon einen Sinn. Denn wenn es Dämonen aus der Hölle gibt, wieso sollte es dann nicht auch Engel aus dem Himmel geben? Doch wenn das, was er sagt, wirklich stimmt, dann haben sich meine Fragen gerade verdoppelt: Wieso hilft er mir? Wieso wusste er, was passiert ist? Welche Kräfte haben Engel? Wie tötet man einen Engel? Sind Engel wirklich diese himmlischen, guten Wesen? Woher weiß er, wer ich bin?

„Ja. Ich bin Gabriel." Schon wieder verkündet er eine Aussage mit einem so großen Maß an Stolz und in meinem Kopf beginnt es zu rattern. Ich weiß, dass ich den Namen Gabriel sicherlich schon einmal in Verbindung zu Engeln gehört habe und wenn meine Eltern mich jetzt sehen könnten, dann würden sie sich wahrscheinlich bestätigt fühlen, dass ich mehr in die Kirche hätte gehen sollen. Denn wenn ich das früher häufiger getan hätte, wäre dieser unangenehme Moment der Stille, in dem ich krampfhaft versuche mich zu erinnern, in welcher Verbindung der Name Gabriel und die Engel stehen, sicherlich kürzer gewesen. Doch als sich in meinem Kopf endlich eine Verbindung formt, sehe ich ihn geschockt an und lasse dabei sogar den Dolch ein kleines Stückchen nach unten sinken.

„Der Erzengel?", flüstere ich fassungslos und Gabriel sieht mich stolz an. Scheinbar hatte ich also Recht mit meiner Aussage. Unwillkürlich schießen noch mehr Fragen in meinen Kopf. Die lächerlichste davon ist wahrscheinlich die Frage, wie man einen Erzengel am besten anspricht. Ist du die richtige Anrede? Sie? Ihr?

Und woran erkenne ich einen verdammten Engel? Wieso gibt es keine so ausgezeichneten Zusammenfassungen über das Erkennen von Engeln, wie es sie für viele andere übernatürliche Wesen gibt?

„Wieso bist du hier?", stelle ich dann allerdings die Frage, die für mich momentan am wichtigsten ist. Zudem beschließe ich, dass ich mir um diese lächerliche Wahl des Anredepronomens keine Sorgen machen sollte, immerhin hat er mich auch einfach geduzt, Erzengel hin oder her.

„Ich bin hier, weil mir befohlen wurde, dich zu beschützen.", erklärt er mir. Doch anstatt mir damit meine Fragen zu beantworten, verwirrt er mich nur noch mehr. Was meint er damit, dass ihm befohlen wurde, mich zu schützen? Von wem? Und warum?

„Wer gab dir diesen Befehl?" Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich mein Messer sinken lassen kann. Gabriel hatte schon genug Möglichkeiten gehabt mich anzugreifen und er hat es nicht getan. Ich würde nicht sagen, dass ich ihm traue, aber ich bin mir sicher, dass er schon lange tätig geworden wäre, wenn er mir hätte schaden wollen. Außerdem wäre es sicherlich nicht klug meinen Schutzengel mit einem Messer zu bedrohen, falls er wirklich die Wahrheit sagen sollte.

„Eine kleine Gruppe an hochrangigen Engeln, die direkt mit meinem Vater zusammen arbeiten." Okay? Geht er davon aus, dass mir diese Information jetzt weiter hilft? Denn wenn er das tut, dann irrt er sich. Ich habe keinerlei Ahnung, was er mir damit mitteilen möchte. Ist das ein gutes Zeichen? Oder eher nicht so? Und meint er mit seinem Vater wirklich Gott? Ich habe so viele Fragen, aber wenn ich ihm die jetzt alle stellen würde, dann wären wir noch bis morgen hier. Und ich muss sagen, dass ich langsam wirklich gerne hier weg möchte, bevor entweder weitere Dämonen kommen oder am Ende noch die Polizei vor uns steht. Ich danke innerlich gerade allen Göttern, dass Lizas Party keine Übernachtungsparty gewesen ist. Denn sonst hätten wir uns jetzt auch noch um weitere zwanzig panische und geschockte Teenager kümmern müssen.

Ich sehe zu Gabriel, der mich abwartend ansieht. Seine ganze Ausstrahlung ist ruhig und ich habe nicht das Gefühl, dass eine Bedrohung von ihm ausgeht. Es mag sein, dass dieser Gedanke leichtsinnig ist. Aber ich habe keinerlei Ahnung von Engeln und ihn in Sicherheit zu wiegen, bis ich die Möglichkeit habe, das Internet und die Bibliothek nach Antworten durchzuforsten, klingt für mich momentan wie die sicherste Variante, dass meine Eltern und ich gut aus dieser Sache hier heraus kommen. Und wenn er die Wahrheit sagt und er wirklich hier ist, um mich zu beschützen, dann ist er sicherlich eine große Hilfe dabei, herauszufinden, wieso ich beschützt werden soll. Oder er weiß es sogar und erklärt es mir später noch. Was auch immer jetzt die Wahrheit und die beste Möglichkeit ist, Gabriel muss zuerst hier bleiben, bis ich weiß, wie ich weiter vorgehe.

„Ich bin ehrlich zu dir: Ich traue dir noch nicht. Du hast mir geholfen und dafür bin ich dir dankbar. Deshalb gebe ich dir eine Chance. Aber solltest du mir zeigen, dass das falsch war, dann werde ich dich töten, ohne mit der Wimper zu zucken." Dass ich nicht weiß, wie ich ihn töten kann, muss er ja nicht wissen. Allerdings zeigt mir sein kleines Schmunzeln, dass er sich dieser Tatsache sehr wohl bewusst ist. Wenigstens besitzt er genug Taktgefühl mir das nicht auch noch mit Worten mitzuteilen. Seine Mimik reicht mir schon.

„Klingt absolut fair.", bestätigt Gabriel mir dann noch und ich sehe ihn noch ein paar Sekunden lang prüfend an, dann drehe ich mich zu meinen Eltern um, die immer noch am Boden liegen. Als ich den Abstand zwischen mir und meinen Eltern verringere, stolpere ich beinahe über meine Füße, als ich realisiere, dass einer der Absätze meiner Schuhe abgebrochen ist. Ich verdrehe nur die Augen. Hätte dieser bescheuerte Dämon nicht wenigstens meine neuen Schuhe verschonen können? Immerhin habe ich diese bisher nur ein Mal getragen!

Vor meiner Mutter angekommen, werde ich langsamer, bis ich schließlich ganz zum Stehen komme. Ich sehe sie geschockt an und beuge mich dann langsam zu ihr herunter. Ihre braunen Haare sind komplett mit Blut befleckt und auch ihre Augen haben aufgehört zu strahlen, sondern sind jetzt einfach nur noch matt. Ihre Lippen sind zu einem schmalen Strich zusammengepresst, fast so als würde sie gegen die Schmerzen ankämpfen, die sie mit Sicherheit haben muss. Das Auffälligste an meiner Mutter ist allerdings der riesige Fleck, der sich auf ihrer Bluse abzeichnet. Ich muss diesen gar nicht erst berühren, um zu wissen, dass es Blut ist. Ihre Wunde ist genau an der Stelle, an der vorher ihr Dämonenschutztattoo war. Also hatte der Dämon in Mike mich nicht angelogen und seine Kumpel und er hatten meinen Eltern wirklich die Tattoos aus der Hand geschnitten. Mir wird beinahe übel bei der Vorstellung, wie sie das getan haben. Aber es ergibt Sinn. Solange die Dämonen noch die Körper meiner Eltern besetzt hatten und diese nur als Hülle dienten, kamen die Wunden noch nicht zum Vorschein, da die Dämonen die Wunde aufhalten konnten. Doch durch den Exorzismus und das Entfernen der Dämonen daraufhin, besteht dieser Schutz nicht mehr und meine Eltern beginne zu bluten. Und die Größe des Fleckes zeigt mir, dass sie nicht mehr sonderlich lange bluten, wenn ich jetzt nichts tue. Denn dann bluten die beiden schneller aus, als mir lieb ist.

„Hey, Mum? Hörst du mich?" Vorsichtig drehe ich den Kopf meiner Mutter zu mir, damit ich ihr genau ins Gesicht sehen kann, während ich vor ihr hocke. Doch von meiner Mum kommt keine Antwort, sie starrt mich nur aus ihren emotionslosen Augen an. Ich starte keinen neuen Versuch, um sie anzusprechen, denn wenn sie mir eben nicht geantwortet hat, dann wird sie es jetzt auch nicht tun. Gehört hatte sie mich eben immerhin.

„Hör zu, ich hole etwas Verbandszeug aus meinem Auto und dann wird alles gut." Zumindest so lange, bis ich die beiden ins Krankenhaus bringen kann, hoffe ich... denn ich weiß, dass sie ohne richtige medizinische Versorgung nicht mehr besonders lange leben werden. Die Tatsache, dass sich die Wunde entzünden wird, ist fast schon sicher. Und wenn sich die Wunde erst entzündet hat, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit. Also bringe ich die beiden lieber direkt ins Krankenhaus.

Gerade, als ich mich erheben möchte, um mein Verbandszeug aus meinem Auto zu holen, ertönen leise Schritte hinter mir. Ich blicke über meine Schulter zurück und sehe, dass Gabriel auf uns zukommt. Neben mir geht er ebenfalls in die Hocke und sieht mich kurz an. Ich kann seinen Blick nicht deuten und weiß nicht, was dieser Blick mir sagen sollte.

„Ich kann deinen Eltern helfen, wenn du mich lässt.", meint er mit sanfter Stimme und ich blicke kurz zu ihm, dann zu meinen Eltern. In der Sekunde, als ich erneut auf den schmerzverzerrten Blick meiner Mutter sehe, spüre ich mich selbst nicken. Dies hat für Gabriel scheinbar als Bestätigung gereicht, denn er rückt noch ein Stück näher an meine Mutter heran und blickt dann erneut zu mir.

„Sieh nicht hin."

„Wieso nicht?", frage ich ihn verwundert und wende meinen Blick nicht ab.

„Weil deine Augen ausbrennen würden.", erwidert er nur trocken. Ich sehe ihn kurz ungläubig an, doch als er mich weiterhin ernsthaft ansieht, verstehe ich, dass er es ernst meint und drehe mich um. Obwohl ich mich umgedreht habe, sehe ich ein beißendes Licht. Als es wieder verschwindet, drehe ich mich langsam und zögernd wieder um. Gabriels Augen treffen auf meine und ich sehe ihn hoffnungsvoll an. Er scheint meine stumme Frage zu verstehen, denn er nickt und bestätigt mir somit, dass sie lebt und er ihre Wunden heilen kann. In diesem Moment denke ich gar nicht daran, dass das auch einen Nachteil mit sich ziehen könnte, sondern freue mich nur, dass es meiner Mutter soweit gut geht. Er beachtet mich nicht, als er weiter geht und sich dann an meinem Vater zu schaffen macht. Auch bei ihm drehe ich mich schnell um und warte wieder, bis das beißende Licht verschwindet, dann sehe ich zu meinen beiden Eltern, die sich verwirrt aufrichten. Meine Mutter ist die erste, die aus ihrer Starre erwacht, denn als sie zu mir sieht, steigen ihr Tränen in die Augen und sie schlägt sich geschockt die Hände vor den Mund. Ich erkenne anhand ihres Blickes, dass sie sich an alles erinnert, was passiert ist. Ich spüre, dass sie auf mich zukommen möchte und eine Menge zu sagen hat, doch ich lege ihr nur einen Arm um die Schulter und ziehe sie ein Stück zu meinem Auto.

„Wir bringen euch jetzt ersteinmal nach Hause und dann ruht ihr euch aus. Und wenn es euch besser geht, dann können wir darüber sprechen, vorher nicht.", meine ich sanft zu ihr und will gerade die Autotür für sie öffnen, als Gabriel wieder neben mir auftaucht.

„Ich kann sie auch zu euch nach Hause teleportieren.", bietet er an und ich halte inne. Ist das so eine gute Idee? Auf der einen Seite wäre es sicherlich gut, wenn meine Eltern schnell nach Hause kommen und sie sich schnell ausruhen können. Aber kann ich diesem Mann wirklich dabei vertrauen, dass er meine Eltern sicher nach Hause teleportiert? Ich seufze, nicke dann aber. Er hatte immerhin eben auch ihre Wunden geheilt.

„Na schön. Aber denk dran: Ich finde dich und töte dich, wenn du ihnen auch nur ein Haar krümmst.", warne ich den Erzengel vor mir erneut, der mich fast schon grinsend ansieht. Ich kann mir nicht vorstellen, was gerade durch seinen Kopf schwirrt, aber ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das überhaupt wissen möchte.

„Keine Sorge. Ich teleportiere die beiden direkt zu euch und komme dann wieder. Du brauchst mich nicht finden, um mich zu töten, wenn du das Gefühl hast, dass ich nicht ordentlich mit deinen Eltern umgehe." Er zwinkert mir zu und ich verdrehe sofort die Augen. Auch, wenn er diesen Spruch mit Sicherheit lustig gemeint hatte, habe ich momentan nicht unbedingt die Stimmung, um auf seinen Witz einzugehen. Gabriel scheint das zu merken, denn er greift vorsichtig nach dem Arm meiner Mutter und ist dann auch sofort verschwunden. Irritiert sehe ich auf die Stelle, an der er eben noch stand und schüttele verwirrt den Kopf. Woher zur Hölle weiß er, wo wir wohnen, damit er meine Eltern nach Hause bringen kann?!

Als er das nächste Mal auftaucht, lässt er mir gar nicht die Chance ihn zu fragen, denn so schnell wie er aufgetaucht ist, so schnell ist er auch wieder verschwunden, dieses Mal meinen Vater im Schlepptau. Ich beschließe, dass es wahrscheinlich das beste ist, wenn ich anfange meine Sachen einzupacken, als mein Blick auf Mike fällt, der immer noch am Boden liegt. Ich halte einen Moment lang inne und würde am liebsten einfach weggehen und ihn seinem Schicksal überlassen, aber irgendetwas hält mich auf. Auch, wenn ich Mike auf den Tod nicht ausstehen kann, kann ich ihn nicht einfach so hier liegen lassen. Er sollte in ein Krankenhaus gebracht werden, damit wir uns sicher sein können, dass er noch lebt. Die Hoffnungen für Liza sind ja wohl mehr als nur vorbei. Ich seufze und beuge mich zu meinem Exorzismus und meinem zweiten Messer herunter, als vor meinen Augen wieder die schwarzen Combat-Boots auftauchen. Scheinbar ist Gabriel wieder da. Als ich aufsehe, bestätigt sich dieser Verdacht und ch treffe auf seinen Blick.

„Was machen wir mit dem da?", fragt er mich und ich kann in seiner Stimme die gleiche Abneigung hören, die ich ebenfalls empfinde, wenn ich an Mike denken muss. Unwillkürlich frage ich mich, ob er weiß, was für eine Art Mensch Mike ist und ihn deshalb nicht mag, oder ob er einfach nur meine Emotionen ihm gegenüber übernommen hat.

„Wir sollten ihn wohl am besten in ein Krankenhaus bringen.", schlage ich also genau das vor, was ich mir eben schon überlegt habe. Dann allerdings halte ich inne.

„Und wir sollten uns um Liza kümmern. Wir können sie nicht so dort liegen lassen.", füge ich hinzu und gehe dann endlich zu meinem Auto. Als ich meine Sachen in den Kofferraum schmeiße, sieht Gabriel beinahe schon beeindruckt auf meine Waffensammlung in meinem Kofferraum. Doch für diesen Moment der Anerkennung ist jetzt keine Zeit.

„Ich kümmere mich darum." Gabriel sieht mich entschlossen an und ich zögere kurz, dann nicke ich. Es ist wahrscheinlich das beste, wenn er sich darum kümmert. Nicht nur, dass er höchstwahrscheinlich die besseren Möglichkeiten hat, er wird wohl auch emotional nicht sonderlich getroffen sein, wenn er Liza findet. Ich allerdings bin mir sicher, dass sich der Anblick für immer in meine Netzhaut brennt.

„Was hast du vor?", möchte ich dann aber noch wissen. Falls es doch Fragen geben sollte, dann möchte ich wenigstens wissen, welchen Plan der Engel vor mir verfolgt.

„Ich kann das, was geschehen ist, so formen, als dass es aussieht, dass Liza an Herzversagen gestorben ist. Ihre Eltern finden sie und die Obduktion geht von einem harmlosen Herzversagen aus. Nichts außergewöhnliches.", schlägt er vor und ich verziehe das Gesicht. Immerhin reden wir hier immer noch von Liza, meiner besten Freundin... doch als ich mir diesen Gedanken noch mal durch den Kopf gehen lasse, beschließe ich, dass es wahrscheinlich das beste ist, wenn ich ihn das machen lasse. Denn so kommen wir ohne Probleme aus der Sache raus und keiner kann uns was. Und wir sparen uns das lästige Reden mit den Beamten im Abschluss, wenn diese dann anschließend den Verdacht hegen, dass einer der Partygäste sie getötet hat. Und sobald dieser Verdacht aufkommt, ist es nur noch eine Frage der zeit, bis der Verdacht auf mich fällt. Man muss nur einen Blick auf meine Waffen erhaschen und ich habe ein mächtiges Problem. Es mag egoistisch sein und vielleicht auch unfair Liza gegenüber, aber ich nicke.

„Okay, tu es."

„Einverstanden. Ich kümmere mich um Liza und darum, dass der Typ da in ein Krankenhaus kommt und dann komme ich wieder zu dir. Und du wirst dich jetzt auf den Weg nach Hause machen, bevor man dein Auto oder dich hier am Tatort sieht." Ich verschwende meine Zeit gar nicht erst damit, ihn zu fragen, wie er sich erdreisten kann, einfach so darüber zu bestimmen, dass er wieder zu mir kommt, denn ich weiß, dass er Recht hat. Wir haben eine Menge zu klären und es ist wahrscheinlich das leichteste, wenn er zu mir kommt und ich meine Fragen stellen kann, die mir auf der Seele brennen. Auch, wenn ich nicht weiß, ob es eine schlaue Idee ist, ihn in unser Haus zu lassen, um mit ihm zu reden. Aber dort sind wir wenigstens ungestört und müssen uns keine Gedanken um Dämonen machen, die uns während unseres Gespräches stören. Oder doch? Immerhin haben sich Dämonen in unserem Haus befunden, was bedeuten muss, dass diese eine Möglichkeit gefunden haben, die Dämonenabwehr an der Rückseite unseres Hauses außer Gefecht zu setzen. Ich sollte diese dringend erneuern, wahrscheinlich wird sie angekratzt sein und dadurch ihre Wirkung verloren haben.

„Wie wirst du mich finden?" Ich schließe meinen Kofferraum und gehe dann herüber zu der Fahrerseite des Autos. Gabriel beobachtet mich dabei und als ich ihn endlich wieder ansehe, erscheint ein schelmisches Grinsen auf seinem Gesicht: „Ich bin ein Erzengel. Ich weiß immer, wo du bist." Dann verschwindet er wieder wortlos und ohne Vorwarnung und ich bleibe alleine zurück.


(Überarbeitet)

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