9. Kapitel
Leonard spürte seine Anwesenheit schon, bevor der Dreckskerl überhaupt im Büro auftauchte.
Er schnaubte leise. Es waren zwar nur noch wenige Menschen in diesem Stockwerk, aber dennoch könnte man etwas hören. Und es könnte sein, das irgendjemand in das Büro hereinplatzte.
Er sah, wie sich das typische Zeichen auf dem Boden bildete.
Dann erschien eine Rauchsäule und er stand vor ihm.
Arrogant wie immer.
„Leonard!"
Leonard kreuzte die Arme vor seiner Brust.
„Nathaniel! Was suchst du hier?"
Nathaniel drehte seinen Kopf etwas und es knirschte gewaltig.
„Viktoria ist ziemlich unzufrieden mit dir! Sie will Ergebnisse sehen und du lieferst nichts."
Leonard konnte diesen aufgeblasenen Depp nicht ausstehen. Nathaniel meinte, nur weil er Viktoria seit Jahren beglückte, wäre er etwas Besonderes. Aber er war nur ein Handlanger und merkte es nicht einmal!
Nathaniel war nicht einmal ein mächtiger Dämon.
Seine Kräfte waren mehr als dürftig. Es waren eher Taschenspielertricks. Dass sich Viktoria überhaupt mit ihm abgab, wunderte Leonard wirklich.
„Ach? Und deswegen schickt sie dich zu mir? Ausgerechnet dich?"
Nathaniel zuckte arrogant die Schulter.
„Sie weiß es nicht, dass ich hier bin. Ich kann auch nicht lange bleiben. Sie vermisst mich bestimmt schon!"
Leonard verdrehte die Augen.
„Du musst ja wirklich verflucht gut sein, wenn sie dich immer noch behält!"
Wieder zuckte Nathaniel mit den Schultern.
„Sonst wäre ich nicht mehr bei ihr, oder? Aber der Grund meines Besuches ist derjenige: Sie ist ziemlich unzufrieden mit dir! Wie ich schon sagte. Sie tobt, weil du keine Ergebnisse lieferst!"
Leonard schnaubte.
„Du wiederholst dich! Was erwartet Viktoria denn von mir, mh? Ich bin erst seit einer Woche hier auf dieser verdammten Dimension. Sie war doch selbst schon hier! Sie weiß doch, dass ich länger wie eine Woche brauche, um ihren Sohn zu finden!"
Nathaniel nickte.
„Das ist mir klar! Du musst mir glauben, dass ich dich nicht kritisieren will. Aber wenn ich sehe, dass du wieder auf Mensch machst, frage ich mich wirklich, ob du überhaupt Interesse daran hast, Mick zu finden!"
Leonard spürte Wut in sich aufkommen. Er konnte es kaum noch kontrollieren.
Nathaniel schien auch zu bemerken, dass er zu weit gegangen war, denn er zuckte unwillkürlich zusammen, als Leonard hinter seinem Schreibtisch hervorkam und mit seinem Kopf beinahe die Decke berührte.
„Hör zu, du kleiner Scheißer! Ich diskutiere mein Vorgehen nicht mit Handlangern. Wenn Viktoria etwas von mir will, dann soll sie gefälligst selbst herkommen und mir das sagen. Aber sie soll nicht ihren Stricher hierherschicken! Und erzähle mir nicht, dass es nicht so ist. Von selbst wärst du Spatzenhirn nämlich nicht darauf gekommen, mich auf zu suchen. Sie manipuliert dich und ein so schwacher Dämon wie du einer bist, kann sich nicht dagegen wehren! Also richte ihr von mir schöne Grüße aus. Wenn sie sicher wissen will, wo ihr Sohn ist, dann soll sie Geduld haben!"
Nathaniel machte mit seiner Hand hektische Bewegungen und das Zeichen erschien.
„Ich sage es ihr! Aber wir zwei sind noch nicht fertig miteinander, Leonard Durand. Mich beleidigt man nicht einfach so!"
Leonard lachte und ließ zu, dass seine Haut schwarz schimmerte.
„Dann warte ich auf dich, Süßer! Du kannst jederzeit zu mir kommen und dich rächen! Ich bin immer bereit für dich!"
Nathaniel verschwand in der Rauchsäule und Leonard lachte.
So ein verdammter Feigling. Nathaniel würde sich nie mit Leonard anlegen, auch wenn er damit gedroht hatte. Um ihn machte sich Leonard keine Gedanken. Aber um Viktoria. Wenn er nicht bald irgendetwas lieferte, dann schickte sie andere hierher. Und das wollte Leonard verhindern. Noch war er nicht soweit, dass er Mikael seiner Mutter auslieferte. Denn er konnte ihn im Moment eigentlich gut leiden.
Er musste sich etwas einfallen lassen. Und zwar schnell!
„Komm, Mariposa! Komm rein! Ich werde dir nichts tun, meine Kleine. Ich verspreche es!"
Mikael musste sich zusammenreißen, dass er nicht sein Mittagessen auf den Boden kotzte. Was glaubte Callum, was Mariposa war? Ein kleines Kind? Er musste sie doch nicht wie eines behandeln.
Mariposa schien dasselbe zu denken, denn sie richtete sich auf einmal kerzengerade auf und ihr Gesichtsausdruck war leicht genervt. Er wusste, dass sie sich am liebsten umgedreht und verschwunden wäre. Doch er schüttelte kaum merklich den Kopf.
Auf einmal hörte er Amanda lachen.
Was machte sie denn noch hier?
„Callum! Deine Tochter ist eine erwachsene Frau und kein kleines Kätzchen, das man anlocken muss! Behandele sie nicht so!"
Sie kam mit einem Tablett hinein, das sie auf dem kleinen Tisch stellte. Mikael rümpfte die Nase. Tee! Schon wieder! Er hätte jetzt nichts gegen einen Whiskey!
Callum verzog das Gesicht.
„Es tut mir leid, Mariposa! Komm rein und setzte dich!" Er sah zu Mikael. „Ich rufe dich an. Dann kannst du sie später abholen!"
Mariposa stellte sich nahe zu Mick.
„Oh nein! Er bleibt hier!"
Amanda lächelte, während Callum ein finsteres Gesicht machte.
„Warum muss er dabei sein? Er hat nichts damit zu tun. Oder ist er dein Liebhaber?"
Er schnaubte.
„Was?"
„Bist du bescheuert?"
Mariposa und Mikael explodierten beinahe gleichzeitig. Aber es war Mariposa, die sich vor ihren Vater stellte.
„Hör mir zu! Ich weiß ja nicht, was für Gedanken du hast, aber Mikael ist ein Freund und ich will ihn dabeihaben! Wenn es dir nicht passt, dann kann ich ja wieder gehen. Im Übrigen geht es dich nichts an mit wem ich schlafe. Das hat dich die ganze Zeit nicht interessiert! Also mach nun nicht einen auf Übervater!"
Callum hob die Hand.
„Okay. Ich habe verstanden. Er ist also wirklich nur ein Freund. Ich glaube das mal. Und wenn du ihn dabeihaben willst, kann er natürlich hierbleiben!"
Mariposa nickte ihm zu und setzte sich. Aber sie zog Mick mit sich, so dass er neben sie auf der Couch saß. Amanda quittierte das mit einem Lächeln, während Callum eher schnaubte.
Er setzte sich ihnen gegenüber und warf Mick einen finsteren Blick zu.
So blieben sie eine Weile schweigend sitzen und warfen sich gegenseitig böse Blicke zu, bis Amanda aufseufzte und sich zu Callum setzte. Sie strich ihm leicht über den Oberschenkel und sofort erhellte sich sein Gesicht. Amanda wandte sich an ihre Tochter.
„Ich kann mir vorstellen, dass du eine Menge Fragen hast, Mari!"
Diese nickte.
„Das habe ich! Erst einmal will ich wissen, warum ihr mir es jahrelang verschwiegen habt. Und zwar alles. Warum hast du mir verschwiegen, dass ich einen Vater habe, der sich auch irgendwie um mich kümmert? Warum hast du mir verschwiegen, dass du eine Hexe bist? Und warum war Callum nie bei uns?"
Amanda holte tief Atem.
„Meine Güte. Ich habe jahrelang gewusst, dass dieser Augenblick wohl kommen würde, aber nicht damit gerechnet, dass es so schwer ist!"
Sie schaute hilfesuchend zu Callum. Der lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Dann zog er Amanda in seine Arme.
„Ich fange mal an. Es ist eigentlich einfach zu erklären. Wenn Amanda ein normaler Mensch wäre, hätten wir die Schwierigkeiten nicht. Du kennst James. Sein Vater war auch ein Dämon und seine Mutter ein Mensch. Er hat nur eine Kraft, die zwar gefährlich ist, aber ansonsten ist er eigentlich harmlos. Bei dir liegt die Sache anders. Du bist ein halber Dämon und eine halbe Hexe. Das ist eine gefährliche Kombination. Zumindest sehen das einige Dämonen so."
Mariposa hob verblüfft eine Augenbraue.
„Wieso das? Ich weiß nichts über Hexen!"
Er nickte leicht.
„Das stimmt. Dafür haben wir gesorgt. Und bisher hat es auch gut funktioniert. Du bist keinem aufgefallen. Weder Dämonen noch Hexen. Und ich rede nun nicht von weißen Hexen, wie deine Mutter eine ist, sondern von den Frauen, welche die schwarze Magie beherrschen. Sie würden alles dafür geben, so eine mächtige Hexe in ihren Reihen zu haben, wie du eine werden könntest!"
Mariposa starrte ihren Vater an.
„Mächtig? Ich kann doch nichts. Oder bin ich etwa auch eine schwarze Hexe?"
Er schüttelte den Kopf.
„Nein. Es ist doch etwas komplizierter. Im Moment bist du einfach eine Hexe, die kein Wissen hat. Aber erinnere dich, was geschehen ist, als du deinen Exmann angegriffen hast!"
Mariposa erschauerte und Mikael strich ihr beruhigend über den Rücken, was ihm wieder einen finsteren Blick von Callum einbrachte. Aber er dachte nicht daran, die Hand weg zu nehmen. Sie hatte ihn um Unterstützung gebeten und das tat er gerade.
„Ich...ich weiß nicht, was da geschehen ist! Es ist einfach passiert!"
Callum konzentrierte sich wieder auf seine Tochter.
„Genau! Es ist einfach passiert. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was es ausgelöst hat. Vielleicht war es deine Wut. Vielleicht ist es auch Micks Anwesenheit, die es auslöst..."
Mikael hob den Kopf.
„Moment mal! Was habe ich damit zu tun?"
Callum zuckte mit den Schultern.
„Mächtiger Dämon? Eine Coulter-Hexe? Der Fluch!"
Mikael schnaubte.
„Verdammt noch mal. Wie oft soll ich denn noch sagen, dass wir nur Freunde sind. Und wahrscheinlich ist das schon ein zu großes Wort. Wir kennen uns gerade mal eine Woche oder so!"
Mariposa schaute ihn fragend an.
„Was für ein Fluch?"
Nun mischte sich Amanda wieder ein.
„Das ist eine andere Geschichte, die ich dir später einmal erzähle. Sie ist auch nicht so wichtig. Aber ich denke schon, dass Micks Anwesenheit etwas damit zu tun hat. Das wird es auch nicht unbedingt ausgelöst haben. Mick war zwar hier, aber es wird einen anderen Grund gehabt haben. Jetzt nicht weil er ein Dämon ist, sondern weil William merkt, dass sich auch andere Männer für dich interessieren könnten. Das versetzt ihn in Wut und dich eben auch gleich!"
Sie hob die Hand, als Mick dazwischenfahren wollte.
„Ich habe schon verstanden, dass da nichts ist. Aber das weiß William nicht. Er hat dich wohl beobachtet, Mick. Du musst verstehen, dass er bisher immer gedacht hat, dass er Mari in der Hand hat. Wir wissen, dass er einiges manipuliert hat, nur weil er Mari erniedrigen will. Und nun taucht ein Mann auf, der offensichtlich viel Geld hat und Mari ist auf einmal unabhängig. Er wird nicht mehr das Vergnügen haben, sie am Boden zu sehen!"
Mick knirschte mit den Zähnen und auch Callum konnte sich schwer zurückhalten. Doch Amanda erzählte unbeirrt weiter.
„Deswegen kam er auch offen auf sie zu und feindete sie an. William ist ein schwacher Mensch, der seine Bestätigung und Bewunderung benötigt. Und Mari hat ihn aus seiner Sicht aus gedemütigt, in dem sie ihn mit diesem Weib erwischt hat. Dass sie dabei auch noch so ruhig geblieben ist, hat ihn wahrscheinlich noch mehr geärgert als alles andere. Bei der Scheidung hat er es noch so hinbekommen, dass sie nichts von ihm bekam. Aber er dachte wohl, dass sie zu ihm zurück gekrochen kommt!"
Mariposa schnaubte.
„Warum sollte ich das tun? Er hat mich betrogen. Und das bestimmt nicht nur einmal. Aber das interessiert mich nicht mehr! William ist für mich...ein Niemand!"
Mikael lachte innerlich. Genau das war der Kerl!
„Was mich interessiert...was bin ich genau?"
Amanda atmete tief ein.
„Das ist eine berechtigte Frage. Also zumindest bist du ein Halbdämon! Das haben wir ja schon gesagt. Außerdem bist du noch eine Hexe. Allerdings ohne Wissen!"
Mariposa nickte.
„Warum hast du es mir nicht schon vorher gesagt. Ich meine jetzt nicht unbedingt, dass ich ein Halbdämon bin, aber dass mit der Hexe!"
Callum beugte sich vor.
„Wir wollten dich aus allem raushalten. Seit deiner Geburt bin ich dauerhaft in dieser Dimension. Ich habe auf dich aufgepasst, damit dir niemand auf die Schliche kommt. Wie ich schon ein paar Mal erwähnt habe, war es gefährlich, was deine Mutter und ich getan haben. Nicht einmal mein Fürst weiß über dich Bescheid und ich hätte es Damian melden müssen!"
Mikael schnaubte.
„Was hätte es gebracht, wenn du Dad etwas gesagt hättest? Er findet die Menschen langweilig. Warum hätte er sich für Mariposa interessieren sollen?"
Callum schnaubte.
„Hörst du mir überhaupt zu? Weil sie etwas Besonderes ist. Jedes Halbwesen, dass zwischen einem Dämon und einem anderen Unterweltbewohner sind Eigentum des Fürsten."
Mariposa lachte verblüfft.
„Wie meinst du das? Eigentum?"
Callum zeigte mit dem Kinn zu Mick.
„Er kann es dir erklären!"
Mick knirschte mit den Zähnen.
„Sie werden beurteilt. Je nach Fähigkeit werden sie einem Dämon als Sklaven angeboten."
Mariposa starrte ihn an.
„Als Sklaven?"
Mikael nickte ernst.
„Wenn sie den Dimensionen Sprung überleben. Der ist sozusagen die erste Probe. Die meisten überleben ihn nicht! Die wenigen Halbwesen, die bei meinem Vater leben..."
Er stockte, als er Mariposas entsetztes Gesicht sah.
Sie war von ihm abgerückt.
„Du hast es gewusst? Und du hast es mir nicht gesagt? Es hätte sein können, dass dein Vater hier gewesen wäre, um mich mit zu nehmen und du hast mich nicht einmal gewarnt?"
Mikael schüttelte den Kopf.
„Das hätte ich nie zugelassen!"
Sie stand auf.
„Erzähl doch keinen Mist! Du bist deinem Vater ergeben! Er sagt, du sollst hierher und ein paar Weiber ficken und du tust es!"
Mikael verzog arrogant das Gesicht.
„Ich habe keine Frau angerührt, seit ich..."
Sie hob die Hand.
„Halt den Mund! Du hättest es getan, wenn ich dir nicht in den Weg gekommen wäre. Und wenn dein Vater hier gewesen wäre, hättest du es zugelassen, dass er mich mitnimmt!"
Callum verzog schmerzhaft das Gesicht.
„Mariposa! Du wirst ungerecht! Ich kenne Mick. Er hätte es nicht getan! Außerdem habe ich da auch noch ein Wort mit zu reden!"
Mariposa schnaubte.
„Von dir rede ich erst gar nicht! Ich habe jahrelang ohne meinen Vater leben müssen, weil er mich vor seinem Fürsten versteckt halten musste! Ihr Dämonen seid Feiglinge! Ihr zieht den Schwanz vor einem Depp ein, nur weil er sich Fürst nennt!"
Sie drehte sich um und ging zur Tür!
Mikael stand auf und wollte ihr folgen, doch sie starrte ihn böse an.
„Bleib bloß hier! Ich will dich nicht mehr sehen! Ich dachte, du wärst ein Freund, aber da habe ich mich getäuscht!"
Er wollte sie am Arm halten, doch sie schüttelte ihn ab.
„Wie willst du denn nach Hause kommen?", fragte er leise.
Sie schnaubte.
„Ich frage James. Und wehe einer kommt auf den Gedanken, ihm das zu verbieten. Dann nehme ich den Bus!"
Mikael schloss kurz die Augen.
„Nein! Es ist mir lieber, wenn James dich nach Hause bringt!"
Sie nickte trotzig, dann ging sie aus dem Zimmer.
Mikael drehte sich zu Callum um.
„Du bist so ein Arschloch! Ich stehe jetzt in ihren Augen verdammt scheiße da!"
Dann verschwand auch er.
James beobachtete sie immer wieder vom Rückspiegel aus.
Natürlich hatte er sie sofort gefahren. Er hatte nicht einmal gefragt, was passiert war. Sofort war er los geeilt und hatte den Wagen geholt.
Und nun saß sie in diesem Luxusauto und heulte.
Es regnete draußen. Nur leicht, aber es war ungewöhnlich. Es hatte den ganzen Tag die Sonne geschienen und keine einzige Wolke war am Himmel gewesen. Der Wetterbericht hatte auch keinen Regen vorausgesagt. Aber sobald sie im Auto saß, hatte es angefangen leicht zu regnen.
„Das ist der Meister! Es geht ihm nicht gut."
Sie sah zu James.
„Wie meinen sie das?", fragte sie vorsichtig.
James lächelte leicht.
„Meister Mikaels Gefühle beeinflussen das Wetter. Früher war es schlimmer. Er hat es eigentlich im Griff, aber er scheint sehr aufgewühlt zu sein. Deswegen regnet es jetzt!"
Sie runzelte die Stirn.
Er konnte sogar das Wetter beeinflussen? Was konnte er denn nicht?
James bog ab und sie hielten vor einem Schnellrestaurant.
„Ich bin gleich wieder zurück!", erklärte James und rannte hinaus.
Nach einer Weile setzte er sich zu ihr und reichte ihr einen Becher Kaffee.
Sie lachte leise und wischte sich über die Nase.
„Sie scheinen genau zu wissen, was ich gerade brauche! Wie machen sie das?"
James zuckte mit den Schultern und trank selbst einen Schluck aus seinem Becher.
„Wissen Sie, Mariposa, ich habe jahrelang Dämonen gedient. Die meisten sind herzlose Wesen, aber nicht Meister Callum oder Meister Mikael. Mick, verzeihen sie, wenn ich ihn so nenne, war ein sehr wütendes Kind. Er war nur eine Woche hier bei uns, aber ich konnte seine Wut spüren. Dass er sich so gemacht hat ist eigentlich verwunderlich. Aber bei ihm musste ich lernen, auf die Anzeichen zu achten. Er sagte nie, was er gerade gerne haben wollte. Er war es auch nicht gewöhnt, dass man ihm seine Wünsche erfüllte. Deswegen tat er sich schon damals schwer, Wünsche oder Bitten zu äußern. Das hat sich bis heute nicht geändert. Statt zu bitten, befehlt er. Aber er meint es nicht böse. Er ist so gemacht worden."
Sie hob eine Augenbraue.
„Wie meinen sie das?"
James schüttelte den Kopf.
„Das ist alles sehr persönlich. Sie sollten ihn selbst einmal danach fragen!"
Sie verzog das Gesicht.
„Ich glaube nicht, dass er noch einmal mit mir reden wird. Ich habe ihn einen Feigling genannt. Genauso wie meinen Vater!"
James pfiff anerkennend durch die Zähne.
„Oh! Das traut sich auch nicht jeder. Darf ich den Grund erfragen?"
Sie nickte und begann ihm zu erzählen, was sie erfahren hatte. James nickte wissend.
„Ah, die Geschichte. Kein Wunder, dass sie wütend sind. Das wäre ich auch!"
Mariposa seufzte und trank noch einen Schluck.
„Deswegen glaube ich nicht, dass Mikael noch einmal mit mir spricht. Er wird wütend sein!"
James sah aus dem Fenster.
Es regnete immer noch leicht.
„Nein! Er ist nicht wütend. Das würde anders aussehen. Er ist traurig und ich kann es auch verstehen!"
Sie verstand es aber nicht.
„Wie kommen sie darauf?"
James zeigte aus dem Fenster.
„Wenn er so wütend ist, dass er sich nicht im Griff hat, dann gleicht das Wetter einer Umweltkatastrophe. Der leichte Regen zeigt mir, dass er aufgewühlt ist und sich schuldig fühlt. Sie müssen ihm einiges bedeuten, wenn er so reagiert!"
Mariposa schnaubte.
„Ich bedeute ihm nichts. Es war Zufall, dass er bei mir gelandet ist. Wenn er auf seinen Vater gehört hätte, wäre er nie bei mir aufgetaucht."
James hob eine Augenbraue. Dann nahm er ihre Hand in seine und tätschelte sie leicht.
„Mariposa...darf ich sie so nennen?" Sie nicke leicht und er fuhr fort. „Mariposa! Mikael ist ein sehr verschlossener...Mann...Dämon. Seit Jahren lässt er niemanden an sich heran. Manche halten das für Arroganz, aber ich weiß, dass es Selbstschutz ist. Wie ich schon erwähnt habe, hat er als Kind viel mit seiner Mutter durchmachen müssen. Aber ich sage ihnen, dass es Mikael bei keinem anderen in den Sinn gekommen wäre, einkaufen zu gehen. Oder ein Abendessen zu besorgen."
Mari lachte leise.
„Vielleicht ist er einfach ein netter Dämon?"
James schnaubte, aber dann musste er grinsen.
„Dämonen sind nicht nett. Und wenn sie nett sind, dann sind es keine richtigen Dämonen. Wie wir zwei!"
Er trank seinen Becher aus und warf ihn in den Abfalleimer.
„Und jetzt werde ich sie nach Hause fahren!"
Sie dankte ihm, aber bevor er wieder auf die Fahrerseite gehen konnte, hielt sie ihn auf.
„James? Was ist passiert? Mit Mikael und seiner Mutter!"
Sein Gesicht wurde strenger, ja beinahe wütend.
„Es steht mir nicht zu über das zu sprechen. Sie sollten den Meister selbst danach fragen, wenn sie ihm verzeihen können. Aber glauben sie mir, es ist keine sehr schöne Geschichte!"
Er schloss ihre Tür, stieg selbst hinter das Steuer und startete, den Wagen.
Den Rest Kaffee brachte sie nicht mehr hinunter. Sie dachte über James Worte nach. Wenn es wirklich so war, dass Mikael Schlimmes erlebt hatte, dann musste er doch seine Mutter hassen! Und wenn ein Kind seine Mutter hasste, dann musste sie total versagt haben. Sie dachte über ihre Mutter nach.
Amanda war zwar ein Freigeist und... na ja...eine Hexe...aber sie hatte Mariposa sehr gut erzogen. Sie war nicht so streng wie andere Mütter, aber es hatten dennoch Regeln gegolten.
Sie dachte über James Worte weiter nach und schaute aus dem Fenster. Es regnete immer noch leicht. War es wirklich Mikael, der das verursachte?
Sie lehnte sich zurück.
Nein, im Moment war sie einfach wütend auf ihn. Er hätte es ihr sagen sollen. Das hatte er aber nicht! Ein paar Tage sollte er ruhig schmoren, wenn er sich denn wirklich Gedanken darübermachte. Aber das glaubte sie nicht.
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