Kapitel 9

Am nächsten Morgen war der Himmel grau, und der Wind wehte kräftig durch die Bäume. Obanai hatte sich ohne ein weiteres Wort verabschiedet und war auf eine Mission gegangen, wie immer alleine. Yukina stand am Fenster und beobachtete ihn, wie er in die Ferne ging, bis er schließlich aus ihrem Blickfeld verschwand. Sie wusste, dass er sie nicht gebraucht hatte, dass er es bevorzugte, alleine zu kämpfen. Aber trotzdem, es fühlte sich komisch an, ihn so einfach gehen zu lassen, ohne ein Wort zu verlieren.

„Was mache ich jetzt?", murmelte sie vor sich hin und sah sich in Obanais Anwesen um. Es war ruhig, fast zu ruhig. Sie ging langsam durch die leeren Räume und dachte darüber nach, was sie tun könnte, während Obanai weg war.

Sie entschied sich schließlich, etwas zu tun, das sie immer schon ausprobieren wollte, aber nie wirklich Zeit dafür gehabt hatte – Kochen. Sie wusste, dass Obanai selten zu Hause aß, aber sie dachte, vielleicht würde es ihm gefallen, wenn sie etwas für ihn vorbereitete, wenn er zurückkam.

Am Nachmittag klopfte es an der Tür, und Mitsuri trat ein, mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht und einer Tasche in der Hand. „Ich dachte, du könntest etwas Gesellschaft gebrauchen", sagte sie. „Außerdem habe ich ein paar Zutaten mitgebracht. Ich habe gehört, du willst kochen lernen."

Yukina schaute Mitsuri mit großen Augen an, fast so, als ob sie überrascht war, dass sie daran dachte. „Wirklich? Ich... ich dachte nicht, dass du so nett sein würdest", sagte Yukina, etwas verlegen.

„Klar doch!", antwortete Mitsuri fröhlich. „Ich habe selber nie viel gekocht, aber ich denke, es ist eine nützliche Fähigkeit. Und außerdem macht es Spaß!"

Mitsuri setzte die Tasche ab und öffnete sie. „Ich habe hier alles, was du brauchst. Wir machen heute etwas Einfaches. Wie wäre es mit einem Misosuppe? Es ist leicht zu machen, aber trotzdem lecker."

Yukina nickte eifrig. „Ich liebe Misosuppe! Ich habe sie schon oft bei dir gesehen, aber nie gewusst, wie man sie macht."

„Dann wirst du es heute lernen", sagte Mitsuri und begann, die Zutaten auf den Tisch zu legen. Sie zeigte Yukina, wie man die Brühe zubereitete, wie man das Miso einrührte und die verschiedenen Zutaten, wie Tofu und Frühlingszwiebeln, hinzufügte. Mitsuri sprach ruhig und geduldig, und Yukina folgte ihren Anweisungen mit einer Begeisterung, die sie schon lange nicht mehr in sich gespürt hatte.

„Das macht wirklich Spaß", sagte Yukina mit einem Lächeln, als sie den Löffel nahm und die Brühe kostete. „Es ist viel einfacher, als ich dachte."

„Genau!" Mitsuri lachte und setzte sich neben sie. „Kochen ist wie jede andere Fähigkeit. Je mehr du es machst, desto besser wirst du darin. Es ist auch eine gute Möglichkeit, sich zu entspannen, findest du nicht?"

Yukina nickte. „Ja, irgendwie... es fühlt sich gut an, etwas zu tun, was nicht mit Kämpfen oder Training zu tun hat. Etwas, das einfach... schön ist."

Mitsuri lächelte sanft. „Das freut mich zu hören. Manchmal braucht man einfach eine Auszeit. Besonders du, Yuki. Du bist immer so hart zu dir selbst."

Yukina sah Mitsuri überrascht an. „Ich weiß nicht... Ich will einfach besser werden. Ich will Obanai zeigen, dass ich es kann. Aber manchmal fühlt es sich so an, als würde ich nie genug tun."

Mitsuri legte eine Hand auf Yukinas Schulter. „Du musst dir keine Sorgen machen. Obanai sieht, wie hart du arbeitest. Du musst nicht immer alles alleine machen. Und du solltest dir selbst auch ab und zu eine Pause gönnen."

Yukina senkte den Blick und nickte, als ob sie Mitsuris Worte in sich aufnahm. Es war nicht leicht für sie, sich selbst zu erlauben, eine Pause zu machen. Sie hatte immer das Gefühl, dass sie nicht genug tat, dass sie nicht stark genug war. Aber vielleicht, dachte sie, hatte Mitsuri recht. Vielleicht musste sie sich einfach mal entspannen und etwas tun, das ihr Freude bereitete.

„Es wird großartig, wenn du das wirklich so machst", sagte Mitsuri und stand auf. „Also, wie sieht's aus? Soll ich dir bei der nächsten Runde helfen, oder willst du es allein probieren?"

Yukina grinste. „Ich denke, ich kann das jetzt alleine", antwortete sie, während sie mit einer festen Entschlossenheit weitermachte.

Die restlichen Stunden des Nachmittags vergingen wie im Flug, während sie zusammen in der Küche standen, lachten und kochten. Yukina fühlte sich erfrischt, fast wie ein neuer Mensch. Die ständigen Gedanken über Obanai und ihre eigenen Unsicherheiten waren für eine Weile vergessen, als sie sich einfach nur auf das Kochen konzentrierte und die Gesellschaft von Mitsuri genoss.

Als sie schließlich die Misosuppe zubereitet und serviert hatten, setzten sie sich an den Tisch und genossen das Essen in aller Ruhe. Yukina nahm einen Löffel und schloss die Augen. „Das ist wirklich gut", sagte sie überrascht. „Ich hätte nie gedacht, dass ich es so gut hinbekomme."

Mitsuri lachte. „Du hast es großartig gemacht, Yuki. Und es wird nur noch besser, je mehr du übst."

Yukina fühlte sich zufrieden, als sie langsam ihre Suppe aß. Es war ein schöner Moment, ein Moment ohne Sorgen und ohne Druck. Sie wusste, dass Obanai irgendwann zurückkommen würde, aber für den Moment war es gut, einfach mal für sich selbst zu sorgen und etwas zu tun, das ihr Freude bereitete.

Nach drei Tagen kam Obanai endlich zurück. Yukina hatte während seiner Abwesenheit versucht, ihre Technik zu verbessern, und fühlte sich bereit, ihm zu zeigen, was sie gelernt hatte. Doch als sie Obanai am Tor des Anwesens stehen sah, blieb sie abrupt stehen. Neben ihm stand ein Junge, der sie sofort in Alarmbereitschaft versetzte.

Der Junge hatte kurze, leuchtend rote Haare mit weißen Strähnen, die unordentlich in alle Richtungen abstanden. Seine blauen Augen schienen sie kalt zu durchbohren, und von seiner Stirn bis hinunter zu seiner Nase zog sich eine breite, auffällige Narbe. Yukina erschrak. Sie hatte schon viele Narben gesehen, aber diese war besonders auffällig.

„Obanai... wer ist das?" fragte sie zögernd, wobei sie versuchte, nicht allzu nervös zu klingen.

Obanai warf ihr einen seiner typischen, gleichgültigen Blicke zu. „Das ist Makoto Narumi," sagte er knapp. „Er wird hier für eine Weile bleiben. Vielleicht lernt ihr ja was voneinander."

Makoto verschränkte die Arme und musterte Yukina mit einem Blick, der sie sofort nervös machte. „Sie?" fragte er trocken. „Die sieht doch gar nicht aus wie eine Dämonenjägerin."

Yukinas Augen weiteten sich, und ihre Wangen röteten sich vor Zorn. „W-Was soll das heißen?" stotterte sie, wobei sie versuchte, ihre Stimme nicht zu heben.

Makoto zuckte mit den Schultern, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. „Na ja, du bist so klein und... na ja, einfach schwach. Ich meine, sieh dich doch mal an. Du siehst eher aus wie ein Schulmädchen als wie eine Dämonenjägerin."

Yukina ballte ihre Fäuste. „Vielleicht liegt das daran, dass ich so süß bin!", fauchte sie zurück.

Makoto hob eine Augenbraue und musterte sie erneut. „Süß? Du meinst wohl, du siehst harmlos aus. Aber eigentlich siehst du nur zu schwach aus, um jemanden zu retten."

Yukina schnappte nach Luft und wollte gerade loslegen, als Obanai, der die ganze Zeit schweigend zugesehen hatte, plötzlich einwarf: „Er hat nicht ganz Unrecht."

Yukina drehte sich wütend zu ihm um. „Obanai! Solltest du nicht auf meiner Seite sein?"

„Ich bin nur ehrlich," erwiderte Obanai gelassen. „Du hast noch viel zu lernen. Übrigens," fügte er hinzu, „er hat, als ich ihn gefunden habe einen Dämon ohne Sonnenschwert getötet."

Yukinas Augen wurden groß. „Ohne Sonnenschwert? Wie hat er das gemacht?"

Makoto zuckte die Schultern. „Ich habe ihn in die Sonne gestoßen."

Yukina starrte ihn an. „Das zählt doch gar nicht!" protestierte sie.

„Natürlich zählt das," sagte Obanai kühl. „Ein Dämon ist ein Dämon, egal wie er stirbt."

Makoto, der das Gespräch interessiert verfolgt hatte, schaltete sich ein. „Du bist also die Tsugoku von Obanai? Ich kann es immer noch kaum glauben. Wie heißt du überhaupt?"

Yukina hob das Kinn, um ihn herausfordernd anzusehen. „Ich bin Yukina Hoshino," sagte sie stolz.

Makoto verzog das Gesicht. „Hoshino? Das ist ein seltsamer Name."

Yukina begann zu zittern, und ihre Fäuste ballten sich noch fester. „WAS ist so seltsam daran?" zischte sie gefährlich.

Obanai zuckte erneut die Schultern. „Deshalb nenne ich dich Yuki. Der Name ist einfacher."

Yukina drehte sich zu ihm um, als könnte sie es nicht fassen, dass er sie auch noch unterstützte. „Ihr seid unmöglich! Beide!"

Makoto grinste nur. „Es ist schon komisch, dass du dich so aufregst. Aber ehrlich gesagt, du bist schon witzig. Vielleicht bist du gar nicht so schlimm."

„Witzig?" Yukina funkelte ihn an. „Ich bin eine Dämonenjägerin, kein Hofnarr!"

Makoto lachte trocken. „Klein, laut und witzig. Das passt doch perfekt zu dir."

Yukina stampfte mit dem Fuß auf. „Makoto! Wenn du so weitermachst, wirst du bald meine Faust spüren!"

„Das will ich sehen," erwiderte er spöttisch.

Obanai, der immer noch gelassen dastand, schüttelte leicht den Kopf. „Ihr seid schlimmer als Kaburamaru und ich."

Yukina verschränkte wütend die Arme, während Makoto nur breit grinste. „Das wird eine interessante Zeit," sagte er schließlich, während Yukina ihn weiterhin finster anstarrte.

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