Kapitel 4
Es war der 15. Tag nach Yukinas erfolgreichem Abschluss des Auswahlverfahrens, als der Schmied endlich mit ihrem neuen Katana an Obanai's Anwesen ankam. Der Mann war etwas älter, mit grauen Haaren und einem langen, schmalen Gesicht. In seinen Händen hielt er eine schwarze Schachtel, die das Katana verbarg, und als er das Grundstück betrat, konnte man die Nervosität in seinen Bewegungen förmlich spüren.
Obanai stand ruhig vor ihm, seine üblichen Bandagen fest um den Kopf gewickelt. Doch in seinen Augen war ein Hauch von Ungeduld. Der Schmied bemerkte das sofort und stotterte nervös. „S-Sorry, Meister Iguro. Es hat ein wenig länger gedauert als erwartet. Aber ich habe das Katana fertiggestellt."
Obanai nickte wortlos und zeigte mit einer Hand auf Yukina, die in der Nähe stand und neugierig auf die Szene blickte. „Gib es ihr. Sie hat es verdient."
Der Schmied nickte hastig und trat einen Schritt näher an Yukina heran, während seine Hand zitterte, als er die Schachtel überreichte. „Yukina, hier ist dein Katana. Es... es wurde mit größter Sorgfalt geschmiedet, unter Berücksichtigung deiner Beweglichkeit und deiner schnellen Techniken. Der Stahl ist leicht, aber stark. Ich hoffe, es wird dir in deinem Kampf gegen die Dämonen nützlich sein."
Yukina nahm das Katana vorsichtig entgegen, ein kleines Lächeln auf ihrem Gesicht. „Danke, Schmied. Ich werde sicherstellen, dass es sich nicht in Staub verwandelt." Ihre Stimme war ruhig und entschlossen.
Der Schmied nickte hastig, dann zuckte er zurück, als Yukina das Katana aus der Schachtel zog. Für einen Moment war es, als ob die Luft selbst innehielt, als die Klinge das erste Mal das Licht erblickte. Es war schneeweiß, fast glühend in der Morgensonne, und es strahlte eine merkwürdige, fast mystische Aura aus.
„Was... was ist das?" fragte der Schmied, seine Augen weit geöffnet vor Staunen und Besorgnis.
Obanai trat näher, sein Blick war scharf, als er das Katana begutachtete. „Schneeweiß? Das ist ungewöhnlich. Der Stahl..."
„Es verändert sich, wenn es gezogen wird," erklärte der Schmied hastig, seine Stimme war fast panisch. „Es reagiert auf die Bewegung, die Art, wie der Benutzer kämpft. Es hat den einzigartigen Vorteil, dass es an die Seele des Trägers angepasst wird. Diese Klinge wird nur dann ihre wahre Form zeigen, wenn sie in den Händen eines wahren Kämpfers ist."
Yukina hielt das Katana in ihren Händen und betrachtete es aufmerksam. „Also ist es..." Sie zog die Klinge leicht, sodass sie den vollen Glanz der schneeweißen Klinge sehen konnte. „...nicht nur scharf, sondern auch... einzigartig?"
„Ja, genau!" Der Schmied nickte hastig. „Es ist keine gewöhnliche Klinge. Der Stahl reagiert auf die Fähigkeiten des Trägers. Sie wird im Kampf stärker, wenn du deine Techniken perfektionierst. Aber..." Er zögerte, als ob er etwas befürchtete. „Es könnte auch... gefährlich sein, wenn der Träger die Kontrolle verliert. Die Klinge könnte sich gegen dich wenden."
„Ich verstehe," sagte Yukina ruhig und legte das Katana wieder in die Scheide. Ihre blauen Augen blitzten entschlossen. „Ich werde sie nie im Stich lassen."
Obanai beobachtete die Szene schweigend, seine Arme verschränkt. „Wenn du das Katana richtig führst, wird es dich nie enttäuschen. Aber du musst dir bewusst sein, dass nicht nur die Klinge deinen Sieg bestimmt. Deine Bewegungen und dein Herz zählen."
Yukina nickte und legte die Hand auf die Scheide des Schwertes. „Ich werde es mit aller Kraft führen. Ich werde siegen."
Der Schmied atmete tief aus, als er die Ruhe in Yukinas Haltung sah. „Dann wünsche ich dir viel Glück. Möge dieses Katana dir helfen, deinen Weg zu finden."
Er drehte sich dann um und begann, sich leise zu verabschieden, als er mit einem letzten Blick auf Yukina das Anwesen verließ.
„Was wirst du als Nächstes tun, Yukina?" fragte Obanai, als der Schmied fort war und die beiden allein waren.
Yukina hielt das Katana noch immer fest in der Hand, die Klinge von Zeit zu Zeit in das Licht schimmern lassend. „Ich werde zurück zum Training gehen. Ich will noch stärker werden. Und... ich will meine Technik weiter verfeinern, damit ich bereit bin, die Dämonen zu bekämpfen."
Obanai nickte, sein Blick wurde ernster. „Das ist der richtige Weg. Aber erinnere dich an eines: Deine Bewegungen müssen wie die einer Schlange sein – präzise, schnell, unerbittlich. Zögere nie, dein Ziel zu verfolgen."
Yukina sah ihn an, ihre Augen funkelten mit Entschlossenheit. „Ich werde die Dämonen auslöschen. Und niemand wird mich aufhalten können."
Obanai lächelte leicht, fast unmerklich, und nickte dann. „Das ist der Geist, den ich in dir sehen wollte."
Mit dem Katana in ihrer Hand und der Entschlossenheit im Herzen machte sich Yukina bereit für den nächsten Schritt auf ihrem Weg. Es war nicht nur die Klinge, die sie führten würde – es war die Kraft ihres Willens und ihr unerschütterlicher Glaube an sich selbst.
Beim Abendessen saßen Yukina und Obanai wie gewohnt am niedrigen Holztisch in seinem Anwesen. Yukina hatte es sich angewöhnt, das Essen zuzubereiten, seit sie hier lebte, und heute hatte sie eine einfache Miso-Suppe und Reis gekocht. Sie aß hungrig, während Obanai wie immer Kaburamaru fütterte, der neugierig seinen Kopf vom Hals des Mannes nach vorne streckte.
Obanai sagte lange nichts, sondern beobachtete Yukina mit einem nachdenklichen Blick. Sie spürte seinen Blick schließlich und legte die Stäbchen zur Seite. „Was ist? Habe ich etwas im Gesicht?" fragte sie, während sie sich über die Wange rieb.
„Nein," sagte Obanai ruhig, seine Bandagen leicht verschoben, als er sprach. „Ich überlege."
„Was überlegst du?" Yukina beugte sich neugierig vor, ihre blauen Augen blitzten im Licht der Lampe.
Kaburamaru züngelte in ihre Richtung, als ob auch er die Antwort wissen wollte. Obanai schwieg einen Moment, dann sprach er langsam: „Dein Name. Yukina."
„Was ist mit meinem Namen?" Yukina runzelte die Stirn und legte ihren Kopf schief.
„Er ist... zu lang," erklärte Obanai schließlich. „Ich habe mir überlegt, dir einen Spitznamen zu geben."
Yukina starrte ihn an. „Einen Spitznamen? Aber warum? Ich mag meinen Namen."
„Yukina ist zu umständlich," antwortete Obanai trocken und fütterte Kaburamaru mit einem weiteren Stück Reis. „Es braucht zu viel Zeit, ihn auszusprechen, besonders in Situationen, in denen ich schnell reagieren muss. Ein kürzerer Name wäre praktischer."
„Das ist lächerlich," murmelte Yukina und verdrehte die Augen. „Was hast du dir denn ausgedacht?"
Obanai legte die Stäbchen zur Seite und sah sie mit seinen unterschiedlichen Augenfarben ernst an. „Yuki."
Yukina stockte der Atem. „Yuki?" Sie blinzelte und schüttelte dann den Kopf. „Das klingt wie... wie ein Spitzname für ein kleines Kind!"
„Du bist elf," bemerkte Obanai trocken. „Ein kleines Kind bist du also noch."
„Ich bin kein Kind!" Yukina verschränkte die Arme vor der Brust und starrte ihn wütend an. „Ich bin ein Dämonenjäger in Ausbildung!"
Obanai zog eine Augenbraue hoch. „Yuki passt zu dir. Es ist kurz, prägnant und..." Er hielt inne, dann fügte er leise hinzu: „Es erinnert an Schnee. Genau wie die Farbe deines Katanas."
Yukina öffnete den Mund, um zu widersprechen, aber die Worte blieben ihr im Hals stecken. Der Vergleich mit ihrem Katana traf sie unerwartet tief, und sie schaute verlegen auf ihren Teller. „Ich weiß nicht... Es ist trotzdem komisch."
„Du gewöhnst dich daran," sagte Obanai schlicht. „Ab morgen nenne ich dich Yuki. Und wenn du dich weiterhin beschwerst, dann gibt es extra Training."
Yukinas Kopf ruckte hoch. „Das ist unfair!"
„Das Leben ist unfair," konterte Obanai und fütterte Kaburamaru weiter.
Yukina starrte ihn an, dann seufzte sie. „Na gut, dann nenn mich eben Yuki. Aber nur, weil ich keine Lust auf extra Training habe."
Obanai nickte zufrieden, als hätte er gerade eine wichtige Mission erfolgreich abgeschlossen. „Gut. Yuki passt zu dir."
Yukina fühlte, wie ihre Wangen heiß wurden, und murmelte: „Es ist immer noch peinlich..."
„Es ist nicht peinlich," sagte Obanai ruhig. „Es ist praktisch. Und wenn jemand anderes dich so nennt, weißt du, dass es von mir kommt."
Yukina war einen Moment lang still, dann lächelte sie leicht. „Okay, du hast gewonnen. Yuki... klingt irgendwie schön."
Obanai sagte nichts weiter, sondern nickte nur, während er Kaburamaru streichelte. Doch hinter seinen Bandagen zeichnete sich ein winziges, kaum wahrnehmbares Lächeln ab, das Yukina nicht sehen konnte.
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