Kapitel 20

Die Entscheidung der Säulen, alle Dämonenjäger einem gnadenlosen Training zu unterziehen, traf auf gemischte Reaktionen. Während einige Rekruten bereits beim Gedanken daran verzweifelten, nahm Yukina die Herausforderung mit einem Funken Begeisterung an. Immerhin war sie es gewohnt, mit Obanai und Mitsuri zu trainieren, und ihre Ausdauer war durch ihre ständigen Akrobatikeinlagen ohnehin beeindruckend.

Tamae hingegen schien sich ebenso wenig Sorgen zu machen. Muichiro hatte ihr bereits sämtliche Feinheiten seiner Schwerttechnik eingebläut, sodass sein Training für sie kaum eine Herausforderung darstellte. Doch für den Rest der Truppe war das alles eine einzige Tortur.

Die erste Runde führte alle zu Tengen Uzui, der mit einem viel zu breiten Grinsen vor der Menge stand.

„Hört zu, Schwächlinge! Wer hier umkippt, bevor das Training vorbei ist, ist unwürdig, ein Dämonenjäger zu sein!" rief er lautstark.

Einige Jäger schluckten bereits nervös, doch Yukina blieb völlig entspannt. Tengen war bekannt für seine unmenschlichen Ausdauertests, doch für sie war das nur ein weiteres normales Training.

„Ernsthaft?" murmelte sie und beobachtete, wie die anderen bereits beim Aufwärmen außer Atem gerieten.

Tengen ließ sie 100 Runden um das Trainingsfeld rennen, danach mussten sie mit Gewichten auf dem Rücken sprinten, Liegestütze mit einem Partner auf dem Rücken machen und als krönenden Abschluss mussten sie einen steilen Hang mit Baumstämmen auf den Schultern hinaufklettern.

Während andere beinahe kollabierten, joggte Yukina entspannt an den verzweifelten Teilnehmern vorbei.

„Das ist ja fast wie mein normales Training mit Obanai und Mitsuri", sagte sie beiläufig zu Tamae.

„Halt den Mund", japste ein völlig fertiger Jäger neben ihr.

Als das Training endlich vorbei war, waren die meisten völlig am Ende. Tengen klatschte zufrieden in die Hände.

„Hervorragend! Wer jetzt noch lebt, darf direkt zu Muichiro weitergehen! Los, los!"

Die erschöpften Jäger schleppten sich zu Muichiro, der mit einem ausdruckslosen Gesicht vor ihnen stand.

„Ich werde nicht so viel reden. Ihr schlagt zu, ich blocke. Wenn ihr trefft, habt ihr bestanden. Wenn nicht... Pech."

Die meisten waren noch völlig erledigt vom vorherigen Training, doch Muichiro hatte kein Mitleid. Er bewegte sich mit seiner typischen Eleganz, wich jedem Angriff mühelos aus und ließ seine Gegner verzweifeln.

„Zu langsam."
„Zu berechenbar."
„Das war erbärmlich."

Seine eiskalten Kommentare ließen einige fast vor Frust weinen. Yukina hingegen versuchte es mit voller Konzentration – doch sie war immer noch zu unregelmäßig in ihren Bewegungen.

„Zu viel Energie, zu wenig Kontrolle", urteilte Muichiro und ließ sie ins Leere schlagen.

Tamae hingegen? Sie traf ihn mit Leichtigkeit. Es war, als könnte sie seine Bewegungen vorhersehen.

„Nicht schlecht", meinte Muichiro, was für ihn schon fast ein großes Lob war.

„Klar, ich bin ja deine Schülerin", grinste Tamae.

Yukina verdrehte die Augen. „Angeberin."

Nachdem auch dieser Albtraum überstanden war, wurden sie zur nächsten Höllenprüfung weitergeschickt.

Mitsuri stand mit einem strahlenden Lächeln bereit.

„Los geht's, meine Lieben! Wir dehnen uns jetzt so richtig!"

Einige Jäger schauten erleichtert – wie schlimm konnte das schon sein?

Antwort: Sehr.

Schon nach den ersten fünf Minuten hörte man überall gequältes Stöhnen und Winseln. Mitsuri zwang sie in unmögliche Positionen, bog sie in alle Richtungen und lächelte dabei durchgehend.

„Yuki, du bist doch super gelenkig! Sieh her, Leute, das ist euer Ziel!" rief sie fröhlich.

Yukina, die sich problemlos in einen Spagat legte, grinste. „Das ist echt easy."

Einige andere Teilnehmer starrten sie mit purem Hass an, während sie selbst kaum in der Lage waren, sich normal nach vorne zu beugen.

Als wäre das nicht genug, mussten sie danach noch in ihren unmöglichen Positionen Kniebeugen und Liegestütze machen. Manche weinten mittlerweile still vor sich hin.

Doch das Schlimmste kam erst noch.

Obanai stand mit verschränkten Armen da und musterte die Gruppe mit kritischen Augen.

„Wenn ihr die vorherigen Trainings überlebt habt, ist das eure Chance zu beweisen, dass ihr nicht komplett nutzlos seid", begann er kalt.

Yukina wusste genau, was das bedeutete. Es wurde hart.

Obanai stellte sie alle in eine Reihe und ließ sie auf bewegliche Ziele zuschlagen. Wer nicht perfekt traf, bekam als Strafe einen Schlag mit dem Bambusschwert.

BÄM!
„Falsch."

BÄM!
„Langsam."

BÄM!
„Peinlich."

Die Schreie der anderen Jäger hallten über den Platz, als sie einer nach dem anderen die schmerzhaften Treffer kassierten.

Yukina hingegen traf jedes Ziel exakt, doch das überraschte niemanden.

„Er ist mein Lehrer, was habt ihr erwartet?" murmelte sie beiläufig.

Obanai nickte zufrieden. „So muss das aussehen. Lernt von ihr, ihr Versager."

Die anderen warfen ihr verzweifelte Blicke zu, doch Yukina zuckte nur mit den Schultern.

„Sorry."

Sanemi stand mit verschränkten Armen da und sah die Gruppe mit seinem üblichen, wütenden Blick an.

„So, ihr Würmer. Ich bin nicht hier, um euch freundlich zu behandeln. Entweder ihr kämpft oder ihr verreckt."

Einer der schwächeren Jäger schluckte laut. „Wir sind schon komplett fertig..."

PAFF!

Sanemi schlug ihm ohne Vorwarnung in den Magen, und der arme Typ sackte zusammen.

„Das interessiert mich einen Scheiß."

Yukina verdrehte die Augen. Der Typ ist echt nur dazu da, um uns totzuschlagen.

Es ging los. Sanemi ließ sie gegen ihn antreten, und niemand hatte eine Chance. Wer zu schwach war, wurde direkt durch die Luft geschleudert.

Als Yukina dran war, wich sie seinen Schlägen erstaunlich gut aus.

„Oho, Schlangenbrut ist gar nicht so schlecht", höhnte Sanemi.

„Nenn mich nicht so, du Wahnsinniger!" fauchte Yukina und versuchte, ihm auszuweichen.

Nach endlosem Prügeln wurde die Gruppe zum letzten Albtraum geschickt.

Gyomei stand bereits da, mit Tränen in den Augen.

„Möge euer Körper diese Prüfung überstehen..."

Was folgte, war das reine Grauen. Felsen wurden herumgeschleppt, Bäume umgehauen, und manche Jäger gaben endgültig auf.

Yukina war erschöpft, aber sie biss die Zähne zusammen. Tamae kämpfte ebenso weiter, aber selbst sie war mittlerweile an ihre Grenzen gekommen.

Als der letzte Test endlich vorbei war, lagen sie alle wie leblose Körper am Boden.

„Nie... wieder...", keuchte jemand.

Yukina lag auf dem Rücken und starrte in den Himmel. „Ich hasse euch alle..."

Gyomei stand neben ihr. „Morgen geht's weiter."

„NEIN!!!"

Die darauffolgenden Tage waren die reinste Qual. Und wenn selbst Yukina und Makoto, die täglich an brutale Trainingseinheiten gewöhnt waren, es als „Folter" bezeichneten, dann musste es wirklich die Hölle sein.

Gyomei war unermüdlich in seinen Methoden, neue und noch brutalere Übungen zu erfinden. Als hätte das bisherige Training nicht schon gereicht, präsentierte er ihnen nun die neueste Schikane:

Einen 1000 kg schweren Felsen einen Kilometer weit schieben.

„Das ist nicht dein Ernst..." stöhnte einer der erschöpften Jäger.

„Möge eure Seele die Kraft finden, diese Prüfung zu überstehen..." sagte Gyomei mit sanfter Stimme, während ihm Tränen über die Wangen liefen.

„Ich glaube, meine Seele hat sich gerade verabschiedet", murmelte Yukina, als sie den gigantischen Felsen vor sich betrachtete.

Makoto stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich habe ja viel erwartet, aber das hier..."

„Jammert nicht rum, sondern bewegt euch!" bellte Sanemi und trat einen armen Jäger in den Hintern, der vor Verzweiflung auf die Knie gefallen war.

Yukina seufzte, stemmte sich gegen den Felsen und begann, ihn mit aller Kraft nach vorne zu drücken. Es war ein mühsamer Prozess – der Stein bewegte sich kaum, und jeder Zentimeter fühlte sich an, als würde sie Berge versetzen.

Tamae stand neben Muichiro, der sich das Schauspiel mit verschränkten Armen ansah. „Warum machst du nicht mit?" fragte sie.

Muichiro zuckte mit den Schultern. „Ich bin eine Säule. Ich habe das längst gemacht."

Tamae sah ihn ungläubig an. „Du willst mir sagen, dass du so einen Felsen einen ganzen Kilometer weit geschoben hast?"

„Ja."

„Oh."

Währenddessen hatten die anderen Jäger massive Probleme. Einige waren bereits völlig erschöpft, andere rutschten mit den Füßen im Dreck aus.

Tengen beobachtete das Ganze mit einem kritischen Blick. „Das sieht nicht sehr extravagant aus, Leute! Ich erwarte mehr Einsatz!"

„Ich erwarte, dass du endlich die Klappe hältst!" knurrte Makoto, während er mit letzter Kraft gegen den Felsen drückte.

Yukina sah Tamae an, die sich das ganze Spektakel mit einer Mischung aus Faszination und Mitleid ansah. „Sag mal... musst du das nicht auch machen?"

Tamae grinste. „Nein, Muichiro meinte, das wäre Zeitverschwendung für mich."

Yukina starrte sie an. „Ich hasse dich gerade so sehr."

„Ich weiß."

Drei endlose Stunden später hatten die meisten es irgendwie geschafft, den Felsen über die Distanz zu bewegen. Die letzten schleppten sich auf allen Vieren ins Ziel und fielen einfach ins Gras.

Yukina ließ sich keuchend neben Makoto fallen. „Ich... kann... nicht mehr..."

„Das sagen alle, aber Gyomei lässt uns sicher gleich noch eine Runde machen", murmelte Makoto, der nicht mal mehr die Kraft hatte, sich aufzusetzen.

Und tatsächlich:

„Ihr habt euch tapfer geschlagen", sagte Gyomei sanft, „doch wahre Stärke kommt aus unermüdlichem Training. Also werden wir morgen..."

„ICH SCHWÖRE, ICH KÜNDIGE!!!" brüllte einer der Jäger verzweifelt.

Sanemi lachte nur höhnisch. „Dann verpiss dich doch. Die Dämonen werden sich freuen."

„Ich... ich glaube, ich werde einfach sterben..." murmelte Yukina und schloss die Augen.

Makoto nickte matt. „Ich sterbe mit dir."

„Wenigstens nicht allein."

Tamae kam grinsend zu ihnen und reichte ihnen Wasserflaschen. „Hier, trinkt was. Ihr seht aus, als würdet ihr gleich verdampfen."

„Tamae... wenn du noch einmal so glücklich aussiehst, während ich leide, bringe ich dich um", stöhnte Yukina.

Tamae lachte. „Versuchs doch."

Obanai kam vorbei, verschränkte die Arme und sah auf Yukina hinab. „Schwach."

Yukina funkelte ihn müde an. „Du hast das nicht gemacht, also sei still."

Obanai schnaubte und ging weiter.

Während Yukina langsam wieder zu Atem kam, sah sie hoch in den Himmel.

„Gibt es eigentlich eine Möglichkeit, dieses Training zu überleben, ohne dabei draufzugehen?" fragte sie in die Runde.

Tengen lachte laut. „Natürlich! Ihr müsst nur extravagant genug sein!"

Yukina kniff die Augen zusammen. „Ich schwöre, wenn du noch einmal das Wort extravagant sagst, benutze ich dich als Sandsack."

Makoto hob schwach die Hand. „Ich helfe dir dabei."

Mitsuri kam freudestrahlend angelaufen. „Yuki, du hast das super gemacht! Aber morgen machen wir extra Stretching für dich, damit du keine Muskelkrämpfe bekommst!"

„...Ich bin offiziell tot."

Die Nacht war still, bis eine gewaltige Explosion die Dunkelheit zerriss. Yukina, die gerade mit Tamae und Makoto sprach, fuhr erschrocken herum.

"Was war das?" rief Makoto alarmiert.

Tamae's Gesicht erbleichte. "Das Ubuyashiki-Anwesen... Es ist explodiert!"

Ohne zu zögern, setzten sie sich in Bewegung, um nach Überlebenden zu suchen. Doch plötzlich bebte der Boden unter ihnen, und ein unheimliches Leuchten erhellte die Umgebung.

"Was zum...?" begann Yukina, doch bevor sie den Satz beenden konnte, öffnete sich der Boden unter ihren Füßen. Ein endloser Abgrund tat sich auf, und sie stürzten in die Tiefe.

Die Welt um sie herum verschwamm, als sie fielen. Plötzlich fanden sie sich in einer bizarren, endlosen Struktur wieder, bestehend aus unzähligen hölzernen Räumen und Korridoren, die sich ständig veränderten. Die Schwerkraft schien hier keinen Sinn zu ergeben; Wände wurden zu Böden, Decken zu Wänden.

"Wo sind wir?" fragte Makoto, während er versuchte, das Gleichgewicht zu halten.

Tamae blickte sich um, ihre Augen voller Entsetzen. "Das... Das ist das Unendliche Schloss. Eine Dimension, die von den Dämonen kontrolliert wird."

Yukina zog ihr Schwert, ihre Augen funkelten entschlossen. "Wir müssen einen Ausweg finden. Bleibt wachsam!"

Plötzlich ertönte ein unheilvolles Lachen, das von den Wänden widerhallte. Eine Gestalt materialisierte sich vor ihnen – Nakime, die Dämonin, die dieses Schloss kontrollierte.

"Willkommen in meinem Reich", sagte sie mit einem diabolischen Grinsen. "Hier werdet ihr für immer verloren sein."

Bevor sie reagieren konnten, veränderte sich der Raum erneut. Die Böden kippten, Wände verschoben sich, und die Gruppe wurde auseinandergerissen, jeder in einen eigenen, isolierten Raum.

Yukina rappelte sich auf, umgeben von Dunkelheit. Sie konnte die Stimmen ihrer Freunde nicht mehr hören. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie realisierte, dass sie nun allein war, gefangen in diesem albtraumhaften Labyrinth.

Plötzlich hörte sie Schritte hinter sich. Sie wirbelte herum, das Schwert erhoben, bereit zum Kampf.

"Wer ist da?" rief sie in die Dunkelheit.

Eine tiefe, bedrohliche Stimme antwortete: "Dein schlimmster Albtraum."

Ein Paar glühender Augen erschien in der Finsternis, und eine massive Gestalt trat hervor, die vor dämonischer Energie pulsierte.

Yukina spürte, wie ihr Herz raste. Sie war auf einen harten Kampf vorbereitet, aber die Isolation und die unheimliche Umgebung nagten an ihren Nerven.

"Ich werde dich nicht fürchten", sagte sie mit fester Stimme, obwohl ihre Hände zitterten.

Der Dämon lachte nur höhnisch. "Wir werden sehen, wie lange dein Mut anhält."

Mit einem markerschütternden Schrei stürzte er sich auf sie, und Yukina bereitete sich auf den Kampf ihres Lebens vor, allein in der endlosen Dunkelheit des Unendlichen Schlosses.

Doch tief in ihrem Inneren flammte die Hoffnung auf, dass sie einen Weg finden würde, ihre Freunde wiederzufinden und diesem Albtraum zu entkommen.

Aber in diesem Moment war das Einzige, was zählte, zu überleben.

Und der Kampf hatte gerade erst begonnen.

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