Kapitel 12

Yukina schnürte gerade ihre Stiefel, als Obanai plötzlich in der Tür stand. Ihr Herz schlug schneller, als sie seine ernsten Augen auf sich spürte. Sie wusste, dass er etwas zu sagen hatte, etwas, das sie nicht unbedingt hören wollte.

„Yukina," begann Obanai, seine Stimme ruhig, aber fest. „Du gehst nicht."

Yukina hob den Kopf und sah ihm mit einem missmutigen Blick entgegen. „Was? Was meinst du? Ich muss diese Mission annehmen. Es gibt einen Dämon, den ich erledigen muss. Es ist wichtig, dass ich gehe."

Obanai verschränkte die Arme vor der Brust und trat einen Schritt näher. „Ich habe gehört, dass in letzter Zeit zu viele Tsugokus gestorben sind. Zu viele von denen, die die größte Verantwortung tragen. Ich lasse dich nicht in den Kampf gehen, wenn du nicht bereit bist, Yukina."

„Ich bin bereit!", widersprach Yukina heftig. Sie wusste, dass Obanai sich Sorgen machte, aber sie hatte genug vom Zögern und Warten. „Ich habe hart trainiert. Ich kann es schaffen, wirklich!"

„Du bist noch nicht stark genug," sagte Obanai ruhig, seine Augen jedoch scharf wie Rasierklingen. „Es gibt immer noch Dinge, die du nicht beherrschst. Deine Emotionen, deine Ausdauer. Du bist nicht wie Makoto. Du kannst nicht einfach mit Zorn kämpfen, Yukina."

„Makoto ist nicht immer der Maßstab, an dem ich mich messen möchte, Obanai!", entgegnete sie, ihre Stimme hart. „Du hast mir beigebracht, auf meine eigene Art zu kämpfen. Ich werde es nicht zulassen, dass du mir das jetzt verbietest."

Obanai schüttelte leicht den Kopf. „Es geht nicht darum, dir etwas zu verbieten. Es geht darum, dich zu schützen. Du bist noch viel zu jung für so etwas. Und wenn du gehst, weiß ich nicht, ob du zurückkommst."

Yukina spürte, wie sich ein Gefühl der Wut in ihr aufbaute. „Du denkst immer, dass ich zu schwach bin! Aber ich werde es dir beweisen, dass ich stark genug bin, Obanai! Ich werde es alleine schaffen, ganz ohne deine Hilfe!"

Ein kurzes Schweigen fiel, als Obanai sie weiterhin mit seinen kalten Augen musterte. Doch dann seufzte er leise und trat einen Schritt zurück. „Du bist wirklich genauso stur wie... wie..." Er stockte kurz, als ob er nach den richtigen Worten suchte. „Wie jemand anderes, den ich kenne."

Yukina blinzelte und sah Obanai verwirrt an. „Wie jemand anderes?"

„Wie ich, Yukina," antwortete Obanai knapp. „Ich verstehe dich besser, als du denkst. Aber trotzdem... Du bist nicht allein. Wenn du jetzt gehst und dich selbst in Gefahr bringst, dann stirbt nicht nur du. Du lässt auch alle anderen im Stich."

Yukina seufzte, ihre Wut legte sich ein wenig. „Ich verstehe deine Sorge, aber ich kann nicht immer hier sitzen und nichts tun. Ich muss kämpfen, wenn ich wirklich ein Teil dieses Corps sein will. Und das weißt du auch."

Obanai sah sie eine Weile an, und für einen Moment dachte Yukina, dass er sie doch noch daran hindern würde, zu gehen. Doch dann nickte er nur langsam. „Geh. Aber sei vorsichtig. Und komm zurück, Yuki. Wenn du stirbst, dann kann ich dich nicht mehr beschützen."

„Ich werde zurückkommen," antwortete Yukina mit einem ernsten Blick. „Ich verspreche es dir."

Mit einem letzten Blick auf Obanai schnallte sie ihre Ausrüstung fest und öffnete die Tür. Bevor sie ging, drehte sie sich noch einmal zu ihm um. „Ich bin nicht wie Makoto. Und ich werde niemals so werden. Ich werde meinen eigenen Weg gehen. Einen Weg, den du vielleicht nicht immer verstehst, aber einen, den ich gehen muss."

Obanai sagte nichts, aber in seinen Augen lag ein Ausdruck, den Yukina nicht genau deuten konnte. Es war eine Mischung aus Sorge, Entschlossenheit und etwas, das sie für einen Moment für Verständnis hielt.

„Sei vorsichtig, Yukina. Und denk daran, dass du immer nach Hause kommen kannst," sagte er schließlich leise.

Yukina nickte nur und verließ das Anwesen, ihr Herz pochte in ihrer Brust. Sie war fest entschlossen, alles zu tun, was nötig war, um ihren Platz in diesem Corps zu behaupten. Die Mission, die vor ihr lag, war gefährlich, aber sie wusste, dass sie es schaffen konnte.

Obanai hatte recht, dass sie noch nicht die gleiche Kontrolle über ihre Emotionen hatte wie die anderen, aber sie würde es lernen. Sie würde stärker werden – für sich selbst und für alle, die sie beschützte.

Während sie durch den Wald in Richtung des Dorfes ging, wo der Dämon sie erwartete, spürte sie die Verantwortung auf ihren Schultern. Sie war noch jung, aber sie würde sich beweisen. Niemand würde sie jemals wieder unterschätzen.

Die Mission, die Yukina führte, war gefährlicher als sie gedacht hatte. Der Dämon, den sie jagte, hatte sich in den Bergen versteckt und richtete in den umliegenden Dörfern ein großes Chaos an. Doch sie war nicht alleine. Gemeinsam mit einer weiteren jungen Dämonenjägerin, Tamae Hirano, machte sie sich auf den Weg, um den Dämon zu finden.

Tamae war ein sehr ruhiges und schüchternes Mädchen, das kaum von sich selbst sprach. Ihre langen roten Haare wehten im Wind, während sie schweigend neben Yukina ging. Es war das erste Mal, dass Yukina mit jemandem zusammenarbeitete, der so still war, und sie fand es ein wenig unangenehm. Doch sie spürte, dass Tamae nicht unhöflich oder abweisend war – sie war einfach nur zurückhaltend.

„Tamae," begann Yukina vorsichtig, „wie lange bist du schon ein Tsugoku?"

Tamae schaute für einen Moment zur Seite, bevor sie mit leiser Stimme antwortete. „Schon eine Weile... Ich bin die Tsugoku von Muichiro Tokito, der Nebelsäule."

Yukina nickte und sah Tamae neugierig an. „Du bist schon Rang Tsuchinoe, richtig? Das ist ziemlich beeindruckend. Ich bin noch Kanoto. Es fühlt sich komisch an, wenn ich sehe, wie schnell du so weit gekommen bist."

Tamae zog ihren Blick ab und nickte zögerlich. „Ich... ich habe lange trainiert. Aber... es war nicht einfach."

Yukina spürte die Unsicherheit in Tamaes Stimme. „Ich weiß, was du meinst," sagte Yukina mit einem Lächeln. „Ich habe auch das Gefühl, dass ich noch so viel zu lernen habe. Aber ich werde es schaffen!"

Tamae blickte kurz zu Yukina und nickte fast unmerklich. Ihre Augen waren immer noch ein wenig schüchtern, aber Yukina konnte erkennen, dass sie eine ähnliche Entschlossenheit in ihr hatte.

Der Dämon, den sie verfolgten, war stärker als sie gedacht hatten. Als sie ihn schließlich fanden, stellte sich heraus, dass er eine der vielen, die von der Sonne gespeisten Dämonen war. Der Kampf war intensiver, als Yukina erwartet hatte, aber sie kämpfte mit allem, was sie hatte. Neben ihr war auch Tamae, die mit einer Ruhe kämpfte, die Yukina beeindruckte. Ihre Bewegungen waren präzise, obwohl sie eine ähnliche körperliche Schwäche hatte wie Yukina.

Tamae zog einen tiefen Atemzug, als der Dämon einen kraftvollen Angriff in ihre Richtung lenkte. Doch Yukina war schnell und sprang dazwischen, um den Angriff zu blocken. Es war ein riskanter Schritt, aber sie wusste, dass sie gemeinsam stärker waren.

„Komm schon, Tamae! Wir können das schaffen!", rief Yukina.

Tamae nickte, ihre schüchternen Augen jedoch jetzt voller Entschlossenheit. „Ja, wir können es!"

Mit vereinten Kräften und viel Anstrengung gelang es den beiden, den Dämon zu besiegen. Der Sieg war hart erkämpft, aber Yukina spürte eine tiefe Zufriedenheit in sich. Sie und Tamae hatten zusammengearbeitet, trotz ihrer körperlichen Schwächen. Es war das erste Mal, dass sie sich so richtig als Teil eines Teams fühlte.

Später, als sie sich nach der Mission im sicheren Lager versammelten, saßen Yukina und Tamae zusammen, erschöpft aber glücklich.

„Du bist wirklich stark, Tamae," sagte Yukina, als sie sich neben sie setzte. „Ich habe das Gefühl, dass ich so viel von dir lernen kann."

Tamae sah überrascht auf, aber dann, fast schüchtern, lächelte sie. „Du bist auch stark, Yukina. Ich... ich habe gesehen, wie du dich in dem Kampf eingesetzt hast. Du bist wirklich mutig."

Yukina lachte leise. „Mutig? Ich hatte einfach nur Angst, dass du verletzt wirst! Aber danke, Tamae."

„Ich habe dich nie gesehen, als jemand Schwaches," sagte Tamae und sah Yukina nun in die Augen. „Auch wenn du dir selbst manchmal nicht sicher bist, du bist stark. Nicht jeder hat den Mut, zu kämpfen, auch wenn er weiß, dass er nicht der Stärkste ist."

„Danke, Tamae," sagte Yukina, und das war das erste Mal, dass sie sich wirklich von Herzen bei jemandem bedankte. Sie hatte nie gedacht, dass sie jemanden wie Tamae finden würde, der sie so verstand. „Weißt du, ich... ich glaube, wir könnten richtig gute Freundinnen werden."

Tamaes Augen weiteten sich ein wenig, und sie schüchternen Kopf. „Freundinnen?", fragte sie leise.

„Ja," antwortete Yukina und griff nach Tamaes Hand. „Ich meine, wir sind beide körperlich nicht die stärksten. Aber das hält uns nicht davon ab, unsere Ziele zu erreichen. Ich denke, das verbindet uns. Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen, noch besser zu werden."

Tamae schien zu überlegen, dann nickte sie langsam. „Ich würde das gerne," sagte sie schließlich, ihre Stimme diesmal etwas fester als zuvor. „Freundinnen."

In diesem Moment wusste Yukina, dass sie nicht nur eine Mission abgeschlossen hatte – sie hatte auch eine Freundin gefunden, mit der sie sich auf eine ganz andere Weise verbunden fühlte. Trotz all ihrer Zweifel und Unsicherheiten hatte sie nicht nur ihre Stärke gefunden, sondern auch jemanden, der sie verstand.

Die nächsten Wochen verbrachten Yukina und Tamae immer mehr Zeit miteinander. Sie trainierten zusammen, tauschten sich über ihre Erfahrungen aus und unterstützten sich gegenseitig. Yukina fühlte sich nicht mehr so alleine und schwach, denn sie hatte nun jemanden an ihrer Seite, der sie wirklich verstand und der genauso hart für ihre Ziele kämpfte wie sie.

Es war der Beginn einer engen Freundschaft, und Yukina wusste, dass sie zusammen mit Tamae in der Zukunft noch viele weitere Herausforderungen meistern würde.

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