Kapitel 3

Tamae saß in ihrem Bett, die Verbände immer noch um ihren Körper gewickelt, und starrte auf ihre Hände. Sie waren blutverschmiert und das Bild des Dämons, der ihre Familie getötet hatte, brannte sich immer wieder in ihre Gedanken. Sie konnte den Schrei ihrer Mutter noch immer hören, das Geräusch von Holzsplittern und das Gefühl der Kälte, die sich in ihr Herz schlich, als der Dämon sie angegriffen hatte. Wieso war sie am Leben? Wieso hatte sie, von allen, diesen schrecklichen Angriff überlebt?

„Warum nur ich?" Ihre Stimme war kaum mehr als ein flüsternder Hauch, aber es war genug, um die Stille im Raum zu durchbrechen. Tränen sammelten sich in ihren Augen und begannen, leise ihre Wangen hinunterzulaufen.

Shinobu, die immer noch in der Nähe war, hörte das leise Schluchzen und trat vorsichtig näher. Sie setzte sich auf die Bettkante und legte eine Hand auf Tamaes Schulter. „Es ist in Ordnung, Tamae. Lass deinen Gefühlen freien Lauf."

Doch Tamae konnte sich nicht beruhigen. Sie hatte überlebt, doch warum? Warum nur sie und nicht ihre Familie? Warum mussten ihre Eltern sterben, während sie zurückgelassen wurde? Warum hatte sie überlebt, als all die anderen nicht mehr atmeten, als der Dämon ihre Familie zerstörte?

„Ich will nicht überlebt haben", schluchzte Tamae, ihre Stimme zitterte. „Warum nicht sie? Warum nicht meine Eltern? Warum nur ich?"

Shinobu atmete tief ein, und es war klar, dass sie mit der Wucht von Tamaes Schmerz mitfühlte. „Du musst dir keine Schuld geben, Tamae. Du hast das nicht gewollt. Du hast überlebt, weil du stark bist. Du bist stärker, als du glaubst."

„Stärker?", wiederholte Tamae, der Schmerz in ihrer Stimme war unerträglich. „Ich bin schwach! Ich war nicht stark genug, um sie zu beschützen. Nicht einmal meine Eltern. Sie sind tot, und ich lebe. Und ich weiß nicht, warum. Es fühlt sich an, als ob es nicht gerecht ist."

„Es ist nicht deine Schuld, dass du überlebt hast", sagte Shinobu ruhig, aber fest. „Schuld an dem Tod deiner Eltern ist der Dämon, der sie angegriffen hat. Er ist der Grund für den Schmerz, den du empfindest. Nicht du. Du musst lernen, das zu akzeptieren. Du musst dir die Zeit nehmen, zu trauern, aber du darfst dich nicht in dieser Trauer verlieren."

Tamae schluchzte laut und ließ den Kopf in ihre Hände sinken. „Ich habe sie nicht beschützen können. Ich war nicht schnell genug. Ich habe versagt..."

Shinobu seufzte und nahm Tamaes Hände sanft in ihre eigenen. „Du hast nicht versagt. Du bist ein Kind, Tamae. Und du hast keine Schuld daran, was passiert ist. Aber du kannst lernen, damit umzugehen. Du kannst lernen, deine Kraft zu finden. Es wird Zeit brauchen, aber es wird dir helfen, weiterzumachen."

Tamae wusste, dass Shinobu es nur gut meinte, doch ihre Worte konnten den Kummer nicht nehmen. „Warum war ich überhaupt da? Ich hätte auch tot sein können, hätte es mich nicht erwischt..."

„Hör auf, dir selbst die Schuld zu geben", sagte Shinobu mit einer sanften, aber bestimmten Stimme. „Du bist ein Überlebender. Und manchmal haben Überlebende das Gefühl, dass sie die Last tragen müssen, weil sie geblieben sind, aber das ist nicht der Fall. Dein Leben hat einen Wert. Du hast eine Zukunft, Tamae."

„Aber was ist mit meinen Eltern?" Tamaes Stimme brach erneut. „Sie wollten mir immer helfen, sie wollten, dass ich stark bin. Und jetzt... jetzt bin ich hier und... ich bin so schwach..."

„Du bist nicht schwach", sagte eine neue Stimme aus der Tür. Es war Muichiro, der Nebelsäule, der sich in der Türöffnung zeigte. Seine cyanblauen Augen fixierten sie mit einer Intensität, die sie unwillkürlich zurückweichen ließ. „Schwäche ist nicht das, was dich definiert. Du hast überlebt, weil du stark genug warst, um den Schmerz zu ertragen. Und du wirst weiter stark sein, weil du es in dir hast, zu wachsen."

Tamae schaute zu ihm, ihre Tränen flossen weiter, aber sie hatte das Gefühl, als ob seine Worte wie ein unsichtbarer Felsen in ihrem Herzen lagen, der sie festhielt. „Aber ich... ich fühle mich so leer. So leer, weil sie nicht mehr da sind. Sie hätten nicht sterben müssen..."

Muichiro trat weiter auf sie zu, ruhig und ruhig, als wäre er die Ruhe in einem Sturm. „Das Leben ist nicht immer gerecht, Tamae. Es gibt Dinge, die wir nicht kontrollieren können. Aber du kannst entscheiden, was du mit deiner Trauer machst. Du kannst entscheiden, was du aus deinem Schmerz machst. Du hast deine Eltern verloren, aber das bedeutet nicht, dass du aufhören musst zu leben. Deine Eltern wollten, dass du lebst, dass du stark bist, und du kannst das tun. Das ist dein Weg."

Tamae schluchzte erneut und wischte sich die Tränen ab, doch diesmal fühlte sie sich irgendwie weniger verloren. Muichiro setzte sich an das Fußende ihres Bettes, ohne sie zu bedrängen. „Ich weiß, dass du dich schwach fühlst, aber deine wahre Stärke liegt in deinem Willen, weiterzumachen. Du hast den Dämon überlebt, nicht aus Zufall, sondern weil du die Kraft in dir hattest, zu überleben."

„Aber wie soll ich weitermachen?", flüsterte sie, ihre Stimme brüchig. „Wie soll ich das tun, wenn ich so verletzt bin?"

Muichiro sah sie ruhig an, seine cyanblauen Augen funkelten. „Du wirst lernen. Schritt für Schritt. Du wirst ausgebildet werden, und du wirst stärker werden. Du bist noch jung, aber du hast das Potenzial, ein mächtiger Demon Slayer zu werden. Aber zuerst musst du dir selbst vergeben und dich auf den Weg machen. Ich werde dir helfen, den Weg zu finden."

Tamae fühlte sich ein wenig beruhigt, aber auch überwältigt von der Aussicht, weiterzukämpfen. Sie wusste, dass sie nicht alleine war, dass es Menschen gab, die an sie glaubten. Und vielleicht, nur vielleicht, würde sie eines Tages mit der Last des Verlusts leben können, ohne sich selbst zu verlieren.

„Ich werde dich nicht im Stich lassen", sagte Muichiro mit einer leichten, fast unsichtbaren Bewegung, als er sich erhob. „Aber du musst dich darauf vorbereiten, nach vorne zu schauen. Deine Zukunft ist noch nicht geschrieben. Es liegt an dir, sie zu gestalten."

Mit diesen Worten verließ er den Raum, und Tamae blieb mit ihren Gedanken zurück. Die Trauer war nicht verschwunden, aber die Worte von Shinobu und Muichiro hatten etwas in ihr verändert. Vielleicht war es der erste Schritt auf dem langen, schmerzhaften Weg zur Heilung. Und vielleicht würde sie eines Tages, durch all die schmerzlichen Momente hindurch, die Stärke finden, die sie brauchte, um weiterzukämpfen.


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