44 Azael
»Hallo, Azael«, schnurrte meine Mutter, als sei es ein ganz normaler Tag.
Alle meine Muskeln spannten sich an und um meine Hand schlängelte mein schwarzes Feuer. Mein Blick glitt zu Cahir, der böse misshandelt aussah und zu Trixxi. Trixxi, die die Erklärung dafür war, warum meine Mutter wusste, wo wir waren.
Mutter lächelte, als sie meiner Aufmerksamkeit folgte und meine Ex ansah, bevor sie zu Linnea betrachtete. »Möchtest du, deiner kleinen, neuen und verbotenen Frucht nicht erklären, was du eben geschlussfolgert hast?«
Lin trat mehrere Schritte zurück und stellte sich halb hinter mich. »Was meint sie?«, fragte sie mich leise, behielt die Viper aber im Blick.
Ich sah gequält zu Trixx, deren Schicksal ich wohl nicht mehr ändern konnte. Sie sah mich an und Tränen liefen ihr über die Wange, doch obwohl sie Angst hatte, lächelte sie und wisperte: »Es tut mir leid, Az. Ich wollte das nicht.«
Ich lächelte nicht zurück, nickte aber. »Ich weiß.« Meine Flammen krochen langsam meinen Unterarm hinauf. Ich sah mein Mädchen über die Schulter hinweg an. »Stella kann, wenn sie jemanden berührt hat, eine Art roten Faden sehen, der den Weg zu dieser Person anzeigt. Immer. Es ist eine Art Navigationssystem für alle Menschen und Dämonen, die sie in ihrem Leben je angefasst hat.«
Die Viper grinste. »Sehr nützlich. Ich denke, es ist ausgezeichnet, dass du früher so viel Zeit mit ihr verbracht hast.« Sie zog an Trixx Haaren und diese wimmerte. Cahir knurrte leise, war scheinbar aber zu geschwächt, um sich zu wehren. Seine Hände hingen schlaff an ihm herab. Trixx hingegen hatte das Handgelenk meiner Mutter umklammert.
Wieder wandte sie sich an mich. »Sie hat mich gefoltert, Az. Ich ... Es tut mir leid, sie sagte, sie lässt mich gehen und auch, dass sie Maisie nichts antut.«
Maisie, Trixx kleine Schwester.
Fuck.
»Du musst sie nicht töten. Und du musst ihrer Schwester nichts antun. Du hast uns gefunden.«
Die Viper grinste. »Ja, nur befürchte ich, dass ich dich für deinen Verrat«, sie sah auf Lin, »dieses Mal wohl härter züchtigen muss.«
Trixx weinte lauter, weil sie begriff, dass es für sie kein Entkommen gab.
»Mutter-«
Trixxis Kopf flog in hohem Bogen von ihren Schultern und ich schloss gequält die Augen. Das hatte sie nicht verdient. »Sie, Cahir, deine kleine Menschendämonin. Du wirst zusehen, wie ich sie genau in dieser Reihenfolge umbringe, Junge. Und dann, wenn ich deine Hure vor deinen Augen ausgeweidet habe, sperre ich dich tausend Jahre mit ihren Leichen unter den Berg. DAS ist meine Strafe für dich.« Sie sah mich mit Augen an, die meinen fast identisch waren. »Ich halte das für fair.«
Lin zuckte zusammen, als Trixxis Kopf auf dem Bode aufschlug. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie von der kopflosen Leiche, die Mutter einfach umfallen ließ, zu Cahir und dann weiter hoch zu seiner der Viper. »Wie gering muss dein Selbstwert sein, dass du deinem Sohn solche Dinge antust?«, fragte sie sichtlich fassungslos. »Wie ich schon einmal sagte, ich wünschte, sein Vater würde hier stehen und er hätte dich gefressen.«
Die Wut ließ sie entschlossen klingen und meine Mutter grinste einseitig. »Tote Mädchen, sprechen nicht.«
Ich trat einen Schritt vor Lin. »Lass Cahir gehen.«
Sie sah mich an und neigte ruckartig den Kopf, sodass ihr langes schwarzes Haar über die Schultern glitt. Dann lächelte sie. »Nein.«
Ihre nun freie Hand glitt um Cahirs Kehle, doch sie streichelte sie eher, als dass sie zudrückte. Aber das brauchte sie auch nicht.
Cahir verzog das Gesicht, dann riss er die Augen auf und schnappte nach Luft.
»Mutter, ich bitte dich.« Meine Flammen zügelten nun über meinen ganzen Körper und einen Teil des Bodens vor mir. »Wir müssen nicht kämpfen.«
Cahir japste nach Luft und als die Viper leise kichert, sog er gierig Luft in seine Lunge, als ihre Magie nachließ. Sie ließ ihn los, er kippte auf alle viere und sie hob den Fuß. Der Schrei den Cahir ausstieß, als sie zutrat und ihm seinen Arm brach, ließ Vögel aus dem Waldstück aufflattern.
»Oh mein Gott!«, stieß Lin überfordert aus. Ihre Atmung raste und meine wollte sich automatisch anpassen, doch ich atmete den Drang weg. Atmete die Panik weg. »Nicht Cahir, bitte.«
Das Zungeschnalzen der Viper ging in Cahirs schwerer Atmung unter. »Warum nicht? Es ist nicht so, dass du«, gab sie im Erzählton von sich, »wirklich noch die Zeit hättest, zu trauern. Immerhin bist du al-«
Ich griff an. Ließ schwarzes Feuer auflodern und eine Flammenpeitsche zwischen sie und meinen am Boden liegenden Freund. Die Viper sprang behände beiseite und landete grinsend auf einem dicken Ast, auf einem Baum in der Nähe.
»Geh und sie nach Cahir«, forderte ich Lin zügig auf und ließ meine Mutter nicht aus den Augen. »Sieh zu, dass ihr ein gutes Stück von hier wegkommt. Los!«
Lin war für eine Sekunde wie erstarrt, bevor sie nickte und zu Cahir eilte. Sie sah aus dem Augenwinkel, wie sie auf den Knien neben ihm landete und besorgt musterte.
»Geht es wieder?«, hörte ich sie fragen und ihn antworten: »I-ich kann kämpfen.«
Nein. Konnte er nicht, aber okay.
Ich vertraute darauf, dass Linnea ihn wegbrachte und auch, dass sie nicht umdrehte, sondern floh. Weit, weit weg. Sie musste. Es war wichtig, dass sie um ihr Leben rannte. Denn ansonsten ...
Unser letzter Kuss hätte länger sein sollen. Die letzte Nacht, intensiver und leidenschaftlicher. Meine Berührungen sanfter und ... Ich hätte ihr viel öfter sagen sollen, was ich empfinde, denn ich wusste, dass ich hier nicht lebend rauskam. Die Viper war mir überlegen. Ihre Kraft zu mächtig, als dass ich dagegen, als dass irgendwer dagegen ankam. Eine Millisekunde war alles, was meine Mutter benötigte, um mir die Luft zu nehmen. Und so stark meine Flammen auch waren, wenn ich sie nicht steuern konnte, weil ich erstickte, waren sie nutzlos.
Linnea musste weg. Schnell. Sehr schnell. Dem etwas mehr als hundert Meter Radius entkommen, den die Viper kontrollierte und in dem es ihr möglich war, jeden, der sich darin befand, umzubringen.
Meine einzige Chance war, dass sie mich vielleicht so sehr bestrafen wollte, dass sie mich nicht umzubringen bereit war.
Darauf musste ich jetzt setzen.
Ich konzentrierte mich und ignorierte Lin und Cahir.
Einen tiefen Atemzug nehmend, nutzte ich dämonische Geschwindigkeit. Alles, was jetzt passierte, geschah in wenigen Wimpernschlägen.
Ich sammelte wieder Feuer und griff an. Ließ meine Flammen aus verschiedenen Richtungen angreifen und schlug unentwegt zu, um der Viper keine Möglichkeit zu geben, ihre Macht einzusetzen. Dabei rannte ich auf sie zu und griff im selben Augenblick im Nahkampf an. Mutters Macht war unangefochten, doch wenn es um körperliche Kämpfe ging, konnte ich ihr das Wasser reichen. Vielleicht.
Ich schlug, peitschte mit Flammen, trat, verbrannte hier eine kleine Hautstelle und da eine kleine, und wirbelte herum, um ihren drehenden, aber deutlich nur als Warnung gedachten Attacken auszuweichen.
Ich schaffte es, eine kleine Sekunde zu Lin und Cahir zu sehen, die wie in Zeitlupe aufstanden. Mein Freund sah mit weit aufgerissenen Augen und schmerzverzerrtem Mund zu mir und Lin versuchte, ihn aufzurichten, ohne den Kampf zu betrachten. Ich wüsste nicht mal, ob sie, selbst jetzt als neuer Dämon sehen konnte, was geschah, denn die Viper und ich bewegten uns selbst für Dämonen unfassbar schnell.
Ich wandte mich wieder ab.
So ist es gut, Liebes. Schaff ihn und dich hier weg. Sieh nicht her.
Krallen, trafen mich an der Wange und meine Flammen blockten einen Angriff, der mit einer Hand in meinem Bauch geendet hätte. Ich antwortete mit einer Verbrennung am rechten Oberarm.
Schlag, Hieb, Flamme.
Hieb, Flamme, Schlag.
Alles binnen zwei oder drei Wimpernschlägen.
»Az«, rief Cahir, doch ich blendete alles aus.
Ich sah nur die Dämonin vor mir und das diabolische Lächeln, das auf ihren zwar konzentrierten, aber dennoch völlig unbeeindruckten Zügen lag. Es war offensichtlich, dass sie mit mir spielte. Die Viper ließ zu, dass ich angriff und es machte ihr sicherlich Spaß, so mit mir zu spielen. Doch mir konnte es egal sein, denn wichtig war nur, dass ich jeden Augenblick nutzte, den sie mir bot, damit ich den beiden die Chance gab, zu fliehen. Es war wichtig, dass Lin und Cahir wegkamen und auch, dass Cahir, egal, wie böse er zugerichtet war, alle Kraft nutzte, um mein Mädchen wegzuschaffen. Also knurrte ich und nutzte die Millisekunden, die sie mit mir spielte, weiter aus und drängte sie dorthin, wo Lin und ich eben noch standen.
Flamme, Schlag, Hieb.
Immer wieder schlugen wir aufeinander ein und attackierten uns. Das nachtschwarze Haar der Viper flatterte umher und ein um der andere Kratzer zerriss meine Kleidung, wähnend sie meine Schläge und Attacken wegsteckte, als würde der Wind sie streichen.
Scheiße.
Ich bekam mit, dass Cahir und Lin standen, und atmete tief ein, als meine Mutter den Blick für eine Sekunde von mir nahm.
Das nutzte ich. Musste es, denn eventuell bekam ich keine andere Chance.
Schwarzes Feuer explodierte, als ich mich brüllend darin einhüllte und in meiner Macht verschwand. Mit brutaler Effizienz riss ich alles, was ich hatte, aus meinen Adern und sammelte das Feuer in mir. Eine Flammensäule schraubte sich in die Höhe und als sich die Augen meiner Mutter weiteten, befahl ich dem Feuer, die Viper bis auf die Knochen zu verbrennen. Es war riskant, meine ganze Macht zu nutzen, doch es könnte reichen, um Lin und Cahir genug Zeit zu verschaffen. Die Feuersäule stieg, bog sich knisternd und schoss dann los, um sich auszubreiten und eine unüberwindbare Mauer zu bilden, die so heiß war, dass selbst die Bäume in der Nähe anfingen zu brennen.
Aber ... mein Brüllen erstarb und die Wand aus Flammen, strauchelte und verschwand, noch bevor sie Mutter erreichen konnte.
Einen Herzschlag später, landete ich auf den Knien und sah die Frau an, die mir mit einem einzigen Gedanken die Luft zum Atmen genommen hatte. Es war ein bestialisches Gefühl und die schlimmste Folter. Mein Mund öffnete sich, wie der eines Fischs, und ich versuchte, irgendwie Sauerstoff zu bekommen, doch alles, was geschah, war, dass mehr meine Lunge verließ, statt sie zu fluten.
»Genug gespielt, Az.« Die Viper trat auf mich zu und richtete ihre halb verbrannten, dunkeln Kleider. »Was soll das? Ein Angriff mit voller Stärke? Tz«, machte sie. »Du weißt, dass du mir nicht gewachsen bist und ich weiß, dass dieses Theater dazu dient, Zeit zu erkaufen. Du«, sie hob die Hand und strich mir fast mütterlich über die Wange und seufzte, »willst dich für den Mischling und deinen Freund opfern. Aber das lasse ich nicht zu, mein Junge.« Ich japste und sankt auf alle viere, als sich mein Sichtfeld mit kleinen weißen und schwarzen Punkten füllte. »Du weißt doch, Azael, dass niemand mich besiegen kann. Und auch wenn du es könntest? Willst du an meine Stelle treten? Dann würdest du dein kleines Spielzeug auch verlieren. Immerhin kannst du die Regeln nicht ändern. Selbst als Anführer nicht.« Erneut seufzte sie und strich mir durch die Haare. »Du hättest aus deinem Verlust lernen sollen, Junge.« Erneut legte ihre Hand sich mütterlich auf meine Wange. »Hat es dir denn wirklich nicht gereicht, dass ich die deine Maha genommen habe? War die Ermahnung tatsächlich zu mild? Ein Dämon und ein Mensch? Lieber, das geht nicht. Sie sind Nahrung, ein winziger Zeitvertreib in einem endlos langen Leben. Einst waren wir wie Götter, Azael. Erinnerst du dich? Geliebt, gefürchtet und verehrt. Warum sollten Wesen wie wir Gefühle für minderwertige Geschöpfe wie sie empfinden? Aber-«, sie ließ die Hand fallen und ich kämpfte darum, das Bewusstsein zu behalten. »-du warst schon immer zu sanft mit ihnen. Hast ihre Schwächen angehimmelt und bewundert, wie zerbrechlich sie sind. Du bist deinem Vater viel zu ähnlich, Azael. Schwach und doch so stark. Eine Mischung, deren Balance du nie wirklich voll und ganz meistern konntest, oder? Ich dachte wirklich«, erzählte sie, als hätte sie alle Zeit der Welt, »dass das Debakel mit Maha dir die Augen geöffnet hat. Immerhin hast du so gelitten, nicht wahr? Jahrzehnte, nein, Jahrhundert lang, hast du getrauert und dich in deiner verzweifelten Liebe und Sehnsucht nach ihr vergraben und nur halb gelebt. Dann kam endlich deine gute Zeit und du hast diese Maden als das gesehen, was sie sind. Spielzeug. Austauschbar, benutzbar, lediglich ein Zeitvertreib und Nahrung.« Sie sah mich an. »Ich hätte ehrlich gesagt nie gedacht, dass du dämlich genug wärst, denselben Fehler zweimal zu machen. Aber ich nehme einfach mal an, dass das Blut deiner verstorbenen Hure einfach zu reizvoll ist. Anders kann ich mir es einfach nicht erklären. Aber ...« Die Viper richtete sich auf. »Was soll ich tun? Du hast dich entscheiden und nun, wirst du eben zusehen, wie dein verwandeltes Menschlein stirbt. Mal sehen, ob sie genauso lange die Luft anhalten kann, wie du. Immerhin ist sie es nicht gewohnt, so wie du.«
Panik. Panik erfasste mich, als sie auf Lin zuging und mich einfach liegen ließ. Ich klappte komplett zusammen und mein Gesicht schlug auf dem Boden auf. Ich sah, wie meine Mutter auf Lin zuging, während mein Sichtfeld verschwamm.
Unser letzter Kuss hätte länger sein sollen. Die letzte Nacht, intensiver und leidenschaftlicher. Meine Berührungen sanfter.
Aber jetzt war es zu spät. Die Viper würde gewinnen und ich alles verlieren. Alles.
Bei Linnea angekommen, sagte Mutter nichts, sondern lächelte sie nur an.
Dann hob sie die Braue.
Sie runzelte die Stirn.
Verzog die Lippen angestrengt.
Fauchte bitterböse.
Und ich .... holte plötzlich tief Luft und riss die Augen auf.
Warum konnte ich wieder atmen?
Weshalb konnte ich den wichtigen Sauerstoff in meine Lunge ziehen?
Was zum Teufel ....
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