41 Linnea


Die Hände in meine Hüfte gestemmt, atmete ich tief ein und wieder aus. Verschwitzt und ausgepowert stand ich etwas abseits vom Haus im Wald und hatte angefangen alleine zu trainieren. Azael war los gegangen, um uns neues Blut zu besorgen. Weil Cahir seit neusten von der Viper beobachtet wurde, konnte dieser nicht mehr ohne weiteres hierherkommen. Hoffentlich schaffte Az das, ohne aufzufallen. Selbstverständlich machte ich mir sorgen. Genau deswegen und um mich abzulenken, hatte ich mich kurzfristig dazu entschieden alleine zu trainieren. Nun stand ich hier und boxte willkürlich auf den Baumstamm ein. Es war wie Ausdauertraining, dass ich als Mensch wirklich geliebt hatte. Nur als Dämon....war es etwas anderer Natur. Mein Blick ging auf meine Fingerknöchel, die ich nun vor mir ausstreckte. Die Wunden, die ich mir beim Boxen selbst zugezogen hatte, heilten langsam ab. Es zog etwas, aber es war aushaltbar.

Als die Wunden vollständig verschwunden waren, schüttelte ich meine Arme aus und ging wieder in Position. Ich holte aus und....

»Linnea?«

Ich erstarrte und stoppte augenblicklich in meiner Bewegung. Selbstverständlich erkannte ich die Stimme sofort und mein Herz setzte aus.

»Linnea, bist du es wirklich?«

Mom.....

Mein Herz begann wieder zu schlagen und das Doppel so schnell. Angst durchfuhr mich und große Sorge.

Mir war bewusst, dass Azael diese Stimmungsschwankungen sofort spüren musste und wahrscheinlich bereits auf den Rückweg war.

Doch leider würde er es nicht mehr schaffen das hier zu verhindern.

Langsam drehte ich mich herum und in dem Moment, in dem ich meine Mutter in die Augen sah, übermannte mich meine Gefühle. Angst, Sorge, Scham, Unsicherheit. Automatisch witterte ich ihr menschliches Blut. Die roten Adern wanderten von meinen Augen aus über mein halbes Gesicht und meine Augen färbten sich rot und die Iris schwarz. »Mom....ich.... es....also.« stotterte ich überfordert und als ich ihr geschocktes Gesicht sah, schloss ich den Mund.

Nein.

Nicht so.

Beschämend sah ich auf den Boden, auch, als ich hörte, wie sie die Waffe herausholte und auf mich zielte. Ein klacken sagte mir, dass sie bereit war zu schießen.

»Du bist nicht meine Tochter! Du bist.....oh Gott!« zischte sie und ich hörte, dass ihre Stimme und ihr ganzer Körper zitterte. »Bitte....ich.... will nicht sterben.« brachte ich nur heraus und sah sie mit Tränen in die Augen an. Sie blinzelte und stolperte ein Schritt zurück.

Wir sahen uns an. Der Wind wehte durch die Bäume und ließ die Blätter tanzen, während einige neben uns auf den Boden segelten.

Als ich Azael spürte, wusste ich, dass es nur noch Sekunden waren.

»Bitte, du musst jetzt ruhig bleiben, okay?« fragte ich, weil ich wusste, was Az tun würde. Meine Augen huschten zu ihm, als er direkt hinter meiner Mutter auftauchte und ihr die Waffe aus der Hand schlug.

Mein Verbundener packte schwer atmend den Kopf der Jägerin und drückte zu. Leicht nur, jedoch feste genug, um die Drohung zu verdeutlichen.

»Bist du alleine hier?«

Meine Mutter starrte Az mit riesigen Augen an, bis sie anfing hysterisch zu schreien: »Linnea verschwinde! Schnell! Das ist das Monster, das deinen Vater getötet hat. Schnell Renn weg!«

Statt wegzurennen, wie sie es von mir verlangte, trat ich näher heran und sah meine Mutter an. »Ich weiß. Er ist mein Verbundener.« erklärte ich ruhig.

Ihre Augen huschten schnell zwischen uns hin und her.

»Was?« fragte sie sichtlich überfordert mit allem. Ich sah derweil Az an. »Bitte tue ihr nicht weh.« meinte ich leise.

Sein Kiefer spannte sich und er knurrte. »Ich habe dich das erste Mal, als wir uns begegneten nicht getötet und werde es auch jetzt nicht. Aber ich schwöre, wenn du meine Frage nicht beantworten kannst, ändere ich meine Meinung. Also, bist du alleine hier?!«

Meine Mutter stand sichtlich unter Schock. Sie nickte kaum merklich. »Nein, es sind noch drei weitere Jäger.....im Wald.«

Ich sah meine Mutter intensiv an. »Wieso seid ihr hier?« fragte ich und als sie nicht antworten wollte, nahm ich ihre Hand und legte diese auf meine Brust. »Mom, ich bin immer noch Linnea. Spürst du mein Herz? Wenn ja, dann bitte antworte.« flehte ich sie an.

Sie sah auf ihre Hand, die meine Haut berührte und verzog traurig das Gesicht. »Ein anonymer Anrufer hat uns mitgeteilt, dass.... es hier Dämonen gibt.«

Ich sah von meiner Mutter zu Azael und wir blickten uns in die Augen. »Denkst du....das war deine...« ich schaffte nicht die Frage zu Ende zu stellen. Aber es war verdächtig. Hatte vielleicht seine Mutter etwas damit zu tun?

Er ließ brummend von meiner Mutter ab und raunte: »Wo sind die andern Jäger, Lisa?«

Meine Mutter zögerte, schien mit sich selbst zu kämpfen, bis sie antwortete und eine Bedingung stellte: »Ich sage es dir nur, wenn du ihnen nichts tust. Sie sind meine Kameraden.«

Azael sah mich an, damit ich wusste wie er sich entschied. Dann blickte er zurück zu meiner Mutter. »Ich finde sie alleine. Ich werden Linnea nicht gefährden, indem ich die Jäger leben lasse.«

Binnen eines Herzschlages, was er fort und die Waffe der Jägerin hatte er mitgenommen.

Ich sah in die Richtung, in der Azael mit übermenschlicher Geschwindigkeit verschwand und sah dann zu meiner Mutter zurück.

Er würde sie töten.

Um mich zu beschützen.

»Mom, möchtest du rein kom...«

»Wie kannst du nur so respektlos gegenüber deinem toten Vater leben?« fragte sie angespannt und entzog ihre Hand aus meinem Griff. »Wie!? Erkläre es mir!« schrie sie mich an.

Ich blieb wo ich war und sah sie einfach an. Als Mensch wäre ich schon zurückgeschreckt, wenn sie mich so angeschrien hätte, aber als Dämon war ich wie ein Fels. »Mom, ich fühl mich schlecht, okay? Ich liebe Dad, aber....bitte lass uns reingehen und ich erkläre dir alles.« bat ich sie und zeigte auf das Haus, dass durch die großen Bäume so halb zu sehen war.

Sie sah mich wütend und angeekelt an.

»Bitte.« flehte ich sie an.

Sie lief an mir vorbei und Richtung Haus. »Dann erkläre dich, Linnea!« motzte sie weiter und ich folgte ihr erleichtert.

Ein Schritt nach dem anderen.

Ich hielt ihr die Tür auf, ließ sie eintreten und fragte sie dann, ob sie etwas trinken oder essen möchte. Als sie verneinte war ich froh, denn wir hatten ja je nichts da. Ich musste mich wirklich noch in mein Dämonenleben einfinden.

Meine Mutter setzte sich auf das Sofa. Um sie nicht zu bedrängen, blieb ich stehen und fing an zu erklären. Ich erklärte ihr, wie ich Azael als Mensch kennengelernt hatte, wie er mir erzählte, dass ich eine Wiedergeburt seiner ersten großen Liebe war und ich erzählte auch von seiner Mutter. Dann erzählte ich ihr, wie ich erfuhr, dass ich ein Mischling war, dass er meinen Vater getötet hatte und wieso. Zum Schluss sagte ich ihr noch, dass ich bei meiner ersten Mission fast gestorben sei und dass ich jetzt tot wäre, wenn Azael nicht in der Zeit schon die starke Bindung zu mir gehabt hätte und mich daher gespürt und mich gerettet hätte. »Hätte er mich nicht verwandelt, würde ich jetzt nicht vor dir stehen. Versteht du das?« fragte ich sie.

Doch meine Mom blieb stumm und hörte nur zu, weshalb ich weitersprach. »Für mich war es auch schwer zu erfahren, dass mein Vater von dem Mann getötet wurde, den ich liebte und dass du eine Jägerin warst. Wieso hast du mir das nie erzählt? Diese Frage flog mir öfter durch meinen Kopf aber als ich zum Dämon wurde, habe ich gedacht: Gut sie hatte wohl ihre Gründe, sowie ich nun meine habe.«

Ich seufzte und setzte mich neben sie. Sie wollte zurückschrecken und sah mich mit großen Augen an. »Bitte habe keine Angst. Ich bin wirklich immer noch Linnea.« sagte ich und im selben Augenblick hörte das Kribbeln in meinen Augen auf und sie wurden wieder grün. »Azael wird dir auch nichts tun. Er hat mich um Verzeihung gebeten, dass er meinen Vater getötet hat und ich habe ihm vergeben. Ich.... erwarte nicht, dass du ihm ebenfalls vergibst, aber bitte .....sieh mich nicht an als sei ich ein Monster.« flehte ich sie an und nahm ihre Hand in meine Hände.

Meine Mom sah mich an, sehr lange sah sie mich nur an. Dann brach sie plötzlich in Tränen aus und wir umarmten uns. »Gott, Linnea. Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so etwas sagen würde, aber egal was du bist, du bleibst meine Tochter. Dein Vater wäre enttäuscht von mir, wenn ich dich anders behandeln würde.« Ich strich ihr sanft über den Rücken. Es waren viele Monate vergangen, seitdem ich einen Menschen angefasst hatte. Ich merkte gerade wie zerbrechlich sie waren und wie vorsichtig ich mit meiner körperlichen Stärke sein musste. Also versuchte ich vorsichtig zu sein und ließ sie weinen.

Als Azael endlich nachhause kam, hatte sie sich beruhigt und wir hatten über alles Mögliche noch geredet. Aber langsam merkte ich, dass ich Hunger hatte und ich sah deswegen Azael mit einem intensiven Blick an. Bitte spüre, dass ich Hunger habe und keine Ahnung habe, wie ich vor meiner Mutter Blut trinken soll.

Mein Verbundener stand wie ein Fels im Raum. Groß und breit und ... mit dem Blut der Jäger bedeckt.

Sein Blick blieb streng auf meine Mutter gerichtet, als er zum Kühlschrank lief und mir einfach einen Blutbeutel hinwarf.

»Das solltest du ja kennen. Immerhin war Raffael einer von uns.«

Meine Mom sah ihn fassungslos an, sie betrachtete seinen blutverschmierten Körper, während ich super schnell aufstand. »Los geh duschen, du ungehobelter Idiot! Musst du so nachhause kommen? Du hättest dich ja wenigstens mit dem Gartenschlauch abspritzen können.« motzte ich ihn an und schob ihn zu Treppe. Mir war klar, dass ich das nur schaffte, weil er es zu ließ.

Azael drehte sich um und sah mich an. »Es waren fünf. Sie hat gelogen, Lin«, flüsterte er und drückte mir dann einen Kuss auf die Wange. Er hob die Hand und wischte das Blut ab, das seine Lippen auf meinen verteilten. »Sei vorsichtig.«

Ich blinzelte.

Was?

Ich nickte. »Geh dich trotzdem waschen. Du machst meiner Mom so Angst. Du siehst aus wie ein Monster aus einem Horror Film.« meinte ich ebenso leise und schob ihn die Treppen hoch. »Keine Sorge, hier drinnen passiert mir nichts. Du bist doch da.« Ich machte einen Kussmund und zwinkerte ihm zu.

»Ein Monster, hm? Und ich dachte«, grinste er jetzt. »Du fändest mich so besonders heiß.«

Er küsste mich erneut und lief dann, mit einem letzten warnenden Blick auf meine Mutter hoch.

Ich schmunzelte. Ja, gut, vielleicht fand ich ihn so schon ziemlich heiß, aber es ging jetzt um meine Mutter. Also drehte ich mich zurück zu ihr, immer noch den Blutbeutel in der Hand und lächelte sie entschuldigend an. »Ähm...Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich....esse?« fragte ich etwas unsicher. Sie versteifte sich, aber nickte. Doch gleichzeitig zeigte sie auf ihren Mund und sagte: »Du hast da etwas Blut.«

»Oh.« machte ich nur und wischte mir das Blut, dass durch Azaels Kuss da gelandet sein musste, weg. Dann ging ich in die Küche und machte mir etwas Blut in eine Tasse, damit es eher aussah wie Tee. Mit einer Tasse für mich und einer Tasse, die ich dort für Azael stehen ließ, setzte ich mich wieder zu meiner Mutter. »Mom?« begann ich trank einen Schluck. »Hast du uns mit der Anzahl der Jäger angelogen?« fragte ich ruhig und beobachtete ihre Mimik.

Sie sah mich irritiert an. »Was? Nein, das habe ich nicht.«

»Sicher? Du kannst ehrlich sein.«

»Linnea, wenn ich es dir doch sage. Ich bin heute Morgen ganz sicher mit Mike, Johan und Kristin losgezogen. Da bin ich mir ganz sicher.« erklärte sie mit ernstem Gesichtsausdruck.

Ich wollte ihr glauben und sie machte auch nicht den Eindruck als würde sie lügen. Aber....Azael hatte recht. Ich sollte vorsichtig sein.

»Ich verstehe.« meinte ich nur und trank das Blut.

Es war komisch mit ihr hier zu sitzen. Und auf einmal kam mir der Gedanke, dass sie irgendwann sterben würde und ich dann immer noch genauso aussah. Ich stellte die Tasse weg und rieb mir die Stirn.

»Linnea. Alles in Ordnung?« fragte sie besorgt. Aber ich konnte nicht sprechen. Ein dicker Kloß hatte sich in meinem Hals festgesetzt und ich fühlte mich schrecklich.

Azael kam nur in lockeren grauen Joggern die Treppen runter und sah in die Tasse, die auf dem Tresen stand. Er schob sie mit einem Finger zur Seite und sah meine Mutter an, als er gelangweilt sagte: »Ich habe eben schon gegessen.«

»Du hast meine Tochter nicht verdient!« wandte sich meine Mutter Azael zu. Ich sah auf und wollte etwas sagen, da sprach sie schon weiter: »Ich werde dir deine Tat an meinem Mann niemals verzeihen, nur damit du Bescheid weißt.«

Er kreuzte die Arme vor der nackten Brust. »Ich habe dich nie um diese gebeten. Und ja, Linnea hat etwas Besseres verdient, als mich, dessen bin ich mir bewusst. Aber wie es aussieht, muss sie mit einem verlogenen Dämon und einer genauso schuldigen Geheimniskrämerin von Mutter leben.«

Ich öffnete wieder meinen Mund, um etwas zu erwidern, als meine Mom schon wieder dazwischen sprach.

»Ich habe ihr nichts gesagt, um sie zu schützen. Sie sollte mit dieser Grausamkeit nichts zu tun haben. Aber was du getan hast Azael Aiden ist unverzeihlich.« sie stand abrupt auf und sah ihn wütend an.

»Ich weiß was Bindung bei euch bedeutet, weshalb ich es ruhen lassen werde. Denn ich kann weder meine Tochter umbringen, noch dich ihr nehmen. Aber vertrauen tue ich dir bestimmt nicht!«

Azael knurrte und zeigte ein Lächeln das keineswegs freundlich, sondern gefährlich war. »Alles was ich gemacht habe, habe ich für ihren Schutz getan. Das Rafael exekutiert worden ist, geschah bevor ich Linnea kannte. Ich habe sie belogen, weil ich sie nicht verletzten wollte. Was ist deine Entschuldigung? Hättest du ihr von Anfang an gesagt, was sie ist und in welcher Welt sie lebt, wäre sie niemals so naiv in mich hineingestolpert. Das ich an ihrer Seite bin, ist also zum Teil auch dein Verdienst, Lisa. Und wenn du sie auch zu den Jägern mitgenommen hättest«, wütend trat er einen Schritt vor, »dann könnte sie sich jetzt sogar etwas besser verteidigen.«

Diesmal stand ich auf, bevor meine Mutter etwas erwidern konnte. Ich stelle mich zwischen den beiden und meine Hände ausgestreckt in beide Richtungen. »Hey, beide habt ihr Sachen getan, die zu all dem geführt haben. Aber nun können wir es nicht mehr ändern. Lassen wir es ruhen, okay?« Ich sah Azael an und dann meine Mutter.

Azael knurrte unwillig.

Meine Mutter verschränkte die Arme vor der Brust und sah genervt zu Seite.

Ich seufzte.

Ganz toll.

Aber besser sie stritten miteinander, als sich töten zu wollen.

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