4 Azael




An einen Baum gekauert, wartete ich auf den richtigen Moment, die Bestie anzugreifen.

Ich wartete schon Stunden in den Schatten darauf, dieses Mistvieh abzuschlachten, aber die Mischung aus Löwe, Spinne und Mensch, auf die die Viper mich angesetzt hatte, hatte sich verdammt viel Zeit gelassen.

Aber jetzt dauerte es nicht mehr lange. Ich roch bereits den fauligen Gestank nach Schwefel und er wurde mit jedem Atemzug schwerer und stärker. Meine Augen passten sich automatisch besser an die Dunkelheit an und ich spürte, wie sich die Adern um meine nun schimmernd roten Iriden und den schwarzen Augapfel beidseitig pulsierend über meine Wange, die Stirn und die Schläfe ausbreiteten.

»Komm schon, kleiner Wichser. Ich hab' nicht ewig Zeit«, murrte ich und ließ die Klinge aus Obsidian kreisend in meiner Hand rotieren.

Das mit der Zeit war gelogen, denn wenn ein so alter Dämon, wie ich, etwas hatte, dann Zeit. Zeit und Langeweile.

Ein Knacken.

Ich wandte den Kopf, um besser hören zu können. Ließ meine Sinne wandern und erhöhte die Reichweite.

Der Stadtpark war schon vorgestern abgesperrt worden, wegen der drei Leichen, die über einen Zeitraum von einer Woche, schrecklich zugerichtet und halb gefressen gefunden wurden. Uns Dämonen war sofort klar, dass es ein unnatürliches Wesen war. Die Menschen hingegen, gingen von Tierangriffen aus.

Lächerlich.

Kein Tier der Welt könnte einen Körper so hinterlassen. Zerfetzt, angefressen und mit Sputen überseht, die sich kein Pathologe je erklären könnte. Doch der Mensch neigte sehr oft dazu, Dinge, die er nicht rational erklären konnte, mit einfachen Lösungen abzutun, selbst wenn sie keinen Sinn ergaben.

Das Wissen darüber, dass Magie und Dämonen wirklich existieren, ist ihnen schon vor Jahrtausenden abhandengekommen. Je weiter die Wissenschaft kam, desto weniger glaubte die menschliche Spezies an etwas, wie uns.

Dämonen waren Stoff für Gruselgeschichten. Mehr nicht.

Nur einige wenige kannten uns noch. Jagten uns und hielten uns für das Fleisch gewordene Böse. Teilweise lagen sie damit richtig, mitunter meilenweit daneben. Je nachdem, welchem Dämon man das Pech hatte, über den Weg zu laufen.

Was für einer war ich? Wahrscheinlich beides. Es war wohl Tagesform und Jahrhundert anhängig, wie ich drauf war. Ich hatte schon Dörfer und Städte mit meinem schwarzen Feuer niedergebrannt und im Blut der Menschen gebadet, einfach weil mir langweilig war. Dann wiederum hatte ich ihnen schon geholfen und unterstützt.

Ein weiteres Knacken ließ mich die Augen verengen und den Mundwinkel hochziehen. Sagte ich schon, dass es Dämonen schnell langweilig wurde? Was half da besser als andere, minderwertige Exemplare abzuschlachten? Gut, Sex, Blut und Partys gingen auch immer, aber mit der Zeit war das auch ziemlich monoton.

Ein Kampf jedoch ... Der bot immer Abwechslung.

Es war jedoch auch hier zu erwähnen, dass ich ziemlich gut darin war, andere zu töten. Schon immer gewesen. Es war eben ein Talent.

Es dauerte noch ein paar Minuten, aber dann kam das Vieh endlich in Sichtweite. Meine Lippen verzogen sich und ich rümpfte die Nase, als der Gestank zunahm. Ekelhaft. Wie ein verwesendes Tier roch das Wesen nach Tod.

Ich betrachtete es genauer und suchte angreifbare Punkte, die mir wie eine Schwachstelle vorkamen. Das Ding hatte einen löwenartigen Körper, von dem aber sechs Beine abgingen, die mehr Spinne waren, als alles andere. Das Gesicht, in dem ein klaffendes Mundwerk mit spitzen Zähnen prangte, und geschlitzte Nasenlöcher ohne Augen lagen, war im Entferntesten menschlich. Alles war mit Fell und anhängende Hautfetzen bedeckt, aus denen teilweise schwarze Flüssigkeit lief, die ich als das Übel des Geruchs erkennen konnte.

Ich würgte einmal, straffte mich dann aber. Gut. Dem Kopf nicht zu nahe kommen und auf die Beine aufpassen. Was für mich hieß, dass ich es von hinten angreifen würde.

Es musste gut vier Meter groß sein. Viereinhalb. Aber Größe spielt nie eine Rolle beim Töten von diesen Wesen.

Ich schlich mich an und nutzte die Dunkelheit.

Einen großen Atemzug nehmend, stützte ich mich grinsend auf das Vieh, um es nach allen Regeln der Kunst abzuschlachten.

***

Ich schleppte mich die Haustür rein und ließ sie fester in das Schloss fallen, als nötig.

Meinen Fehler hatte ich vorhin zu spät bemerkt.

Das Vieh hatte einen Körper gehabt, den es wie verdammtes Gummi verbiegen konnte. Was zu folge hatte, dass sich das Ding, als ich es von hinten angesprungen hatte, so wandt, dass ich plötzlich dem Maul und gleich drei Beinen ausweichen musste. Es gelang mir, doch eines der Beine hatte mich doch tatsächlich erwischt und meinen unteren Bauchraum durchbohrt, während ich meine Flammen losgelassen hatte, um die Kreatur zu Asche verbrennen.

Ich drückte auf die Wunde, aus der mein eigenes Blut auf den Boden tropfte, und wischte mir gleichzeitig das schwarze Blut aus dem Gesicht, das sich mit meinem eigenen dunkelroten Dämonischen mischte.

»Fuck«, fluchte ich.

Ich musste stinken wie eine Güllegrube.

Es war keine tödliche Wunde und ein bisschen menschliches Blut wurde die Heilung beschleunigend. Ich wankte also zum Kühlschrank und öffnete ihn, nur um dann meine Stirn an die Tür zu legen und mit geschlossenen Augen erneut zu fluchen.

Leer.

Ausgerechnet heute!

»Ich muss mir dringend angewöhnen, darauf zu achten, immer genug hier zu haben. Scheiße.«

Ich stolperte hustend ins Wohnzimmer und dann ins Bad. Dort fluchte ich erneut, weil immer noch viel zu viel Kosmetik herumstand. Ich suchte ein Handtuch und presste es zischend auf das Loch in meinem Bauch. Es würde heute Nacht verheilen und morgen wäre nichts mehr zu sehen.

Dennoch, ein Loch im Bauch war immer noch ein Loch im verdammten Bauch. Auch für Dämonen.

»Du meine Güte!«, stieß Linnea erschrocken aus und stand plötzlich in der Tür zum Badezimmer. »Was ist denn mit dir passiert?«, fragte sie und kam näher. Sie sah meinen Körper an und als ihre Augen zurück auf mein Gesicht glitten, packte sie ihr Handy aus und wählte eine Nummer. »Ich ruf den Krankenwagen.«

Sie hatte Telefon schon am Ohr, als ich den Blick in ihre Richtung wandte.

»Leg auf, ich brauch' keinen Krankenwagen«, brummte ich. »Das ist nicht mein Blut.« Zum Teil stimmte das auch. »Oder hast du schon mal jemanden schwarz und so dunkles rot bluten sehen?«

Meine Frage klang scharf, doch dass ich mich jetzt noch rausreden musste, nervte einfach. Ich würde mich nämlich gerne in Ruhe um das Loch in meinem Bauch kümmern. Es verheilen lassen.

»Mach kein Theater. Ich wisch' das später weg und morgen ist die Wohnung wie neu.« Ich verzog das Gesicht und drückte fester auf meinen Bauch. Zum Glück verdeckte das Handtuch und mein Oberteil die gröbste Wunde. Wenn die Nervensäge nicht zu nah ran käme, kam ich damit wohl durch. »Was den Gestank angeht ... Keine Ahnung. Sorry. Kommt nicht wieder vor.«

Ich setzte mich in Bewegung und wollte an ihr vorbeilaufen.

Linnea lies die Hand mit dem Handy, zum Glück, sinken und sah mich dann aber etwas überfordert an. »Nun ... nein, aber du siehst gar nicht gesund aus. Geht es dir wirklich gut?«, fragte sie und der besorgte Ton ihrer Stimme, ließ meine Brust anschwellen. Sie folgte mir mit Blicken und hielt mich dann auf, als ich dennoch an ihr vorbei wollte. »Der Geruch ist mir egal, deine Verletzungen sind die Dinge, die mir sorgen machen.«

»Warum«, fragte ich zischend. »Was kümmert es dich, ob ich verletzt bin? Was-«, ich drückte das Handtuch fester und etwas weiter hoch, damit sie nichts sah, »soll die Fürsorge? Ich bin sehr viel älter als du. Ich kann auf mich aufpassen und meine Wehwehchen, wenn ich sie denn habe, selbst versorgen.« Ich starrte zu ihr hinab. Intensiv und weil ich so geladen war, musste ich blinzeln um meine dämonische Präsenz in meinen Augen zu verbergen.

Irritiert sah sie mich an und schaute dann auf das Handtuch. »Was redest du denn da? Du bist höchstes paar Jahre älter als ich. Wieso tust du so, als gingen es dir gut, wenn es nicht so ist?«, fragte Linnea und zog die Brauen zusammen. »Ich verstehe ja, dass wir uns kaum kennen, aber hat das nicht etwas mit Menschlichkeit zu tun? Anderen zu helfen, wenn sie verletzt sind?«

Meine Mitbewohnerin sah zwischen meinen Augen hin und her, doch ich lachte einmal auf.

Laut der Recherche meiner Mutter war Linnea Matei 24 Jahre alt.

Laut der Viper wusste sie nicht, was das sie ein Halbblut war.

Laut der Herrscherin der Organisation durfte sie leben.

Ihr Wunsch, mein Befehl.

Ein paar Jahre älter, dachte ich. 9596 Jahre älter sind doch mehr als ein Paar, Liebes.

Fein, ich sah aus wie maximal 27, doch der Schein trog. Dämonen hörten in ihren Mittzwanzigern einfach auf zu altern. Optisch blieben wir stehen. Verändert uns nicht mehr. Wenn man also einen Haufen Dämonen und einen Raum steckte, könnte man glauben, einfach nur ein paar jungen Erwachsenen gegenüberzustehen.

»Menschlichkeit«, schmunzelte ich ihre Frage beantwortend. Aber mein Lächeln sah ein bisschen gefährlich aus. »Oh, Linnea, das ist eine Eigenschaft, die ich nicht unbedingt zu meinen Stärken zählen würde, Liebes. Ich bin vieles, aber sicher nicht das.«

Mein Blick huschte zu ihren vollen Lippen und ich fragte mich, warum sie diese digital immer noch praller bearbeiteten. Das hatte Linnea kein bisschen nötig.

Ich hatte sie natürlich, zu der dämonischen Nachforschung, die die Viper eingezogen hatte, menschliche angestellt und sie schlichtweg gegoogelt. Zudem waren mir, nachdem Cahir erwähnt hatte, dass sie ein recht berühmtes Model war, überall ihr Gesicht aufgefallen. Auf Plakat-Tafeln für Werbung, in Zeitungen, hauptsächlich im Netz, auf Bussen und sonst wo noch. Und fuck, kein Wunder, dass der Wichser von letztens sie in die Gasse gezerrt hatte, denn auf 90 % der Bilder, war sie halb nackt und starrte mit einem lästig gut aussehenden Schlafzimmerblick in die Kamera.

Es entschuldigte natürlich nichts von dem, was passiert war, doch wenn mir in der Zeit unter Menschen eines gelernt hatte, dann, dass sich gerade Männer oft einfach nicht um ein ›Nein‹ kümmerten.

Es war ihnen egal.

Ich starrte diese Lippen an und mein Blick wanderte tiefer. Auf den nun unbearbeiteten Körper in dem recht geschmacklosen Nachthemd. Der Drang zum Perfektionismus hatte mich schon immer gestört. Waren es denn nicht die Fehler der Menschen, die sie ausmachten? Die Polster? Das Kilo zu viel? Die Falten hier, die Narbe da, die Dehnungsstreifen, die kleinen Brüste wie die Großen.

Es machte sie einzigartig.

Nicht so wie wir Dämonen.

Ja, wir sahen alle anders aus, doch wir waren nahezu perfekt. Glatte Haut, schönes Gesicht, muskulös oder im Gegenzug ungemein weiblich. Wir waren eine Versuchung füreinander und die Menschen.

Langweilig. Ich mochte es, wenn es nicht perfekt und schön und glatt poliert war. Ich mochte Fehler und hatte diese in meinem langen Leben zu schätzen gelernt.

»Ich bin nicht verletzt«, nahm ich den Faden wieder auf und sah zurück in ihre Augen. Augen, deren Grün mich kurz gefangen hielten. Und scheiße, sie roch wirklich gut. Cahir hatte recht. »Du brauchst dich also nicht um mich zu sorgen. Wenn du mich in diesem Zustand siehst, ignorier es einfach, verstanden?«

Ich könnte es noch vereinfachen und ihr einfach Angst machen, um sie zu vergraulen. So wie ich es bei dem Ekel in der Gasse gemacht hatte, als er sie vögeln wollte. Ich musste nur einmal meine dämonische Form zulassen, sie ihr zeigen und Linnea würde Reißaus nehmen. Dir rote Augen, schwarzer Augapfel und pulsierende, sich auf der Haut windende Äderchen waren für die meisten Menschen ein Schock. Und wenn man dann noch die leicht angespitzten Zähne und Nägel hinzufügte, würde jeder rennen so weit er nur konnte.

Sollte ich?

Ich legte den Kopf wieder schief, während ich überlegte.

So wäre ich sie immerhin los und hätte meine Ruhe. Aber wer sagte mir schon, dass nach ihr nicht jemand kam, der noch nerviger wäre?

Meine Lippe zuckte etwas, als ich das Handtuch fester an mich drückte. Die Wunde kribbelte, tat weh und juckte, was die beginnende Heilung ankündigte.

»Ich verstehe nicht. Heißt das, dass du noch öfter so nach Hause kommen wirst?«, hakte sie überfordert nach und sah auf das Handtuch. Sie hob die Hand und wollte es berühren, doch kurz davor stoppte sie und biss sich auf die Lippe. Ihre Aufmerksamkeit wanderte wieder zu meinem Gesicht und sie musterte mich. »Wenn du schon so stur bist, kann ich dir dann anders helfen?«, erkundigte sie sich ruhig und kam mir näher. Ihr Blick intensiv und weiterhin besorgt.

Ja, ich komme sicher noch öfter verwundet zurück. Und ja, du kannst helfen. Gibt mir Blut. Dein Blut, fremdes Blut, Hauptsache menschlich! Wenn ich es trinke, heile ich schneller und kann diesen Fehler mit dem Spinnen-Löwen-Mensch-Monster vergessen.

»Ich wusste nicht, wie du helfen könntest.« Meine Züge wurden minimal weicher und ich suchte nach dem roten Schatten in ihren Augen, während ich ihr entgegensah.

Sie erwiderte meinen Blick und schien ebenfalls etwas in meinen Zügen zu suchen. Linnea sah mich lange an und seufzte dann frustriert. »Du willst es also nicht anders, gut. Ich werde nicht noch einmal fragen. Dann rufe ich jetzt den Krankenwagen«, meinte sie provokant und wollte sich abwenden.

Ich packte sie mit der Dämonenblut verschmierten Hand an Arm, zog sie zurück und knurrte am Ende meiner Nerven: »Ich brauche keinen verdammten Krankenwagen, denn ich bin nicht verletzt.« Der Abstand zwischen uns war nun kaum noch nennenswert. »Misch dich nicht ein.«

Sie starrte auf meine Hand und verzog das Gesicht.

»Du stinkst«, stellte sie fest und hob den Blick, dann trat sie wieder näher und sah mich direkt an. »Dann Beweis es mir! Mach das Handtuch weg.«

»Ich muss dir«, ich zog sie noch näher und beugte mich hinab, sodass unsere Gesichter sich immer näher kamen, »einen Scheiß beweisen.«

Ich stieß sie weg und kniff die Augen zusammen.

Linnea stolperte zurück und landete an der Wand. Sie sah mich an und ein Funken Wut stieg hoch. »Weißt du was, du kannst mich mal! Dann stirb doch!«, brüllte sie und stieß sich von der Wand ab. Als sie das tat, verzog sie dann aber das Gesicht und griff hinter sich. Linnea betastete eine Stelle an ihrer Schulter und sah dann auf ihre Finger. Ich sah Blut daran kleben und erkannte, dass ich ihre Augen weiteten.

Ich schnaubte, spürte jedoch, wie meine Pupillen sich weiteten, als das Aroma ihres Blutes mich erreichte.

Sie musste ja den einen Nagel an der Wand erwischen, den ich seit Wochen eigentlich rausziehen wollte.

»Dreh dich rum, zieh das Shirt aus. Lass mich das ansehen«, forderte ich und trat einen Schritt auf sie zu.

Dieser Geruch ... Fuck!

Ach Shit! Beschissenes Halbblut! Ich hielt die Luft an und drehte sie wortlos um, bevor die reagieren konnte. Das Nachthemd hatte einen kleinen roten Fleck, was mir schon sagte, dass es nichts Wildes sein konnte. Dennoch. Ich verletzte keine Frauen. Niemals. Zumindest nicht mehr und schon gar nichts, wenn sie mir nichts taten.

Sie wollte sich wieder zu mir umdrehen, doch ich hielt sie mit meiner freien Hand auf.

Dennoch motzte sie: »Mir geht es gut! Ich brauch deine Hilfe nicht.« Sie begann, mich nachzuäffen, als sie weitersprach: »Menschlichkeit. Ich bin vieles, aber sicher nicht das, Lie-bes.«

Ich verzog das Gesicht und blies genervt Luft aus, während sie mich sauer über die Schulter hinweg anstarrte. »Das ist nur ein Kratzer, kümmere dich um dein eigenes Problem.«

Linnea nickte auf das dunkelrotgefärbte Handtuch auf meinem Bauch, aber ich schenkte dem keine Beachtung. Ich schob das Nachthemd beiseite und sah auf den kleinen Kratzer, der wie gedacht kaum der Rede wert war. Es war gerade so tief, dass ein winziges bisschen hellrotes Blut hervorquoll. Trotzdem mahlte mein Kiefer, als ich darauf sah und ich atmete weiterhin nicht.

Trink es!

Nur einen Schluck, Az.

Du willst es. Du willst sie.

Man könnte meinen, dass ich überreagierte, aber es war nun mal so, das verletzte Dämonen auf den Geruch von Blut deutlich stärker reagierten als sonst. Es war eine körperliche Reaktion, die wir nicht immer unter Kontrolle hatten. Eine Art Überlebensinstinkt. Und auch wenn ich wusste, dass das faustgroße Loch in meinem Bauch mich nicht umbrächte, reagierte ich automatisch.

Vor allem auf den Duft eines Mischlings. Nein, auf ihren Eigenen, der mich anzog wie eine Motte das Licht.

Es hatte wohl doch seine Berechtigung, dass der Mythos der Vampire entstanden, wenn ich es rational betrachtete.

Mir lief schon das Wasser im Mund zusammen und ich wollte nichts lieber, als sie für immer bei mir behalten.

»Es ist-«, sagte ich und starrte auf den Kratzer an ihrer Schulter, bevor ich den Stoff wieder zurückschob. Das hieß, ich wollte es, doch meine Hand ballte sich zur Faust und packte das Nachthemd fester. »Nur ein Kratzer. Mach es sauber und in ein oder zwei Tagen, sieht man nichts mehr.«

Lass los, Az!

Ich kann einfach meinen Lippen darauf legen. Das Blut ablecken. Es würde wie flüssiges Gold schmecken, Az.

Sie ist ein Halbblut.

Köstlich.

Reif. Aromatisch. Voll. Satt an Aromen. Es heilt mich schneller.

Meine Zähne in ihre Haut zu graben, ist genau das, was ich will.

Immerhin will sie mir doch so unbedingt helfen. Was hält mich also auf?

Nein.

Nein!

Nein ich bin ein, über 9500 Jahre alter Dämon, verdammt!

Kontrolle ist ein Markenzeichen von dir, Azael.

Kontrolle!

Aber sie riecht verdammt gut. Ihr Blut riecht gerade verflixt verführerisch. Nur ein kleiner Schluck. Die Zungenspitze über ihre Haut gleiten lassen.

Nur ...

NEIN!!!

Ich trat gezwungen einen Schritt zurück. Dann noch einen, als meine Augen begannen, sich zu färben.

Nein.

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, wandte ich mich ab, lief aus dem Bad und verschwand in meinem Zimmer.

Kontrolle, Az! Kontrolle!

Du heilst auch ohne ihr verdammtes Blut. Es dauert nur einen Moment länger.

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