20 Azael
Ich schnitt dem recht jungen Dämonenjäger den Kopf an. Es war kein schöner gezielter Schlag mit einem Schwert, sondern unschönes Massakrieren, mit einem Dolch aus dem 17. Jahrhundert. Blutig. Brutal. Unmenschlich.
Die Schweinerei, die diese Art des Tötens verursachte, war bestialisch. Alles an mir war mit Blut getränkt. Dämonischen, wie dem Menschlichen des Jägers, der mir in die Quere gekommen war, kurz nachdem ich die zwei wildgewordenen Monster abgeschlachtet hatte. Und gerade heute war Cahir von der Viper zu einem eigenen Auftrag geschickt worden.
Ich holte mein Handy raus, knipste ein Foto von dem Kopf, sendete es der Viper und warf das Ding dann weg. Während der Kopf auf den Boden rollte und in der nachtdunklen Gasse verschwand, überlegte ich kurz, ob ich mir einen Snack genehmigen sollte. Doch das Blut eines Dämonenjägers zu trinken, war gegen jede meiner Prinzipien.
Ich wandte mich gerade ab, als ich bereits den zweiten Jäger spürte, der mich entsetzt anstarrte.
Mein Blick blieb unbewegt, als ich Lins Mutter betrachtete, die ein Obsidian Messer in der einen und eine Waffe, sicher mit Munition aus eben jenem, für Dämonen tödlichen Stein, in der anderen hielt.
Scheiße.
»Ich hatte mich schon gefragt, wo die Nummer zwei steckt«, meinte ich ruhig, ließ jedoch schon meine Flammen um die Finger tanzen. »Immerhin kommt ein Jäger selten alleine.«
Ihre Augen wanderten kurz zu dem Kopf ihres Kollegen, bevor sie wieder mich ansah. Der Finger an der Waffe zuckte. »Dreckiger Abschaum eines Dämons!«
Ich legte den Kopf schief und mein blutverschmiertes Haar fiel in Strähnen in meine Stirn. Sie erkannte mich nicht? Sie war dabei, als ich ihren Mann abgeschlachtet hatte.
»Mhm«, machte ich gelangweilt. »Zu meiner Verteidigung, er hat angefangen. Es wäre sehr viel leichter gewesen, die Dämonen zu töten, wenn der kleine Bengel mir nicht zwischen den Füßen herumgetänzelt wäre.«
Es war klar, dass sie mir nicht glaubte. Jäger dachten, wie Dämonen wären alle gleich und würden uns und Menschen nur aus Spaß abschlachten. Dass wir menschlich wirkenden Dämonen jedoch im Prinzip dasselbe taten, wie die Jäger, hörten sie nicht gerne. Gottesfürchtige Idioten, die glaubten, wir waren Geschöpfe aus der Hölle.
Ich schmunzelte dezent.
Es war vergebene Mühe, es den Jägern begreiflich zu machen. Immerhin hatten sie schon Jahrhunderte darin investiert, uns auszurotten. Vergeblich, wie wir alle wussten.
Sie biss die Zähne zusammen, griff die Waffen fester und begann zu zittern. »Rede nicht mit mir, als würdest du ein normaler Dämon sein!« Linneas Mutter zuckte ein Schritt nach vorne, doch ging auch gleichzeitig wieder einen nach hinten. »Ich werde dich töten! So wie du Rafael getötet hast! Du elender Teufel.«
Sie wurde lauter und emotionaler. Ihre Unterlippe zitterte.
»Ah«, gab ich leise von mir. »Du erinnerst dich also an mich?«
Wie kam ich aus dieser Sache raus?
Ich ging alle Szenarien durch und bewertete sie in Windeseile, während ich weiter so tat, als wäre ich unbeteiligt.
Offensichtlich könnte ich sie töten. Linneas Mutter war keine geborene Jägerin und nicht von Kindheitstagen an dazu ausgebildet, uns zu töten. Ja, in zehn Jahren kann man viel lernen, aber nicht, einen Dämon im Alleingang abzuschlachten. SO gut war sie nicht.
Alles an ihrer Haltung verriet mir das. Das Zittern, die Unentschlossenheit, die emotionale Befangenheit. Ich hätte leichtes Spiel, sie zu töten. Doch Lin war nun ... mehr für mich und ich hatte schon ihren Vater getötet. Wenn ihre Mutter nun starb und aus welchen Gründen auch immer herauskam, dass ich sie zur Waise gemacht hatte ...
Nein.
Flucht? Möglich. Nur wie sollte ich das erklären, wenn es rauskam?
Ein kleiner Showkampf? Vielleicht? Nur wäre es unwahrscheinlich, dass ein Jäger gegen mich davonkommen würde.
Aber ich wäre am Arsch und schneller in Ketten unter dem Berg, als ich blinzeln konnte, wenn die Viper mitbekam, dass ich einen Jäger hätte laufen lassen.
Was also tun?
»Natürlich, du Teufel! Wie könnte ich vergessen...« Ihre Stimme brach ab und Tränen sammelten sich in ihren Augen. Sie rang offensichtlich um Fassung. »Zehn Jahre habe ich dich gesucht. ZEHN verfluchte Jahre! Ich habe selbst meine Tochter ... scheiße!«, stieß sie zittrig aus. Sie wollte sichtlich ruhig bleiben, aber die Emotionen gingen mit ihr durch und sie hob die Waffe und schoss.
Der Knall war laut und das Geschoss verfehlte meinen Kopf nur um Haaresbreite. Die, wie ich richtig geschätzt hatte, Kugel aus Obsidian streifte meine Wange und hinterließ einen brennenden Schmerz, der meine verletzte Haut in kleinen Aschefetzen aufsteigen ließ.
Ich knurrte böse und war bei ihr, ehe sie blinzeln konnte. Direkt vor ihr blinzelte ich auf sie hinab und packte sie an der Kehle. »Daneben.«
Sie ließ die Waffen reflexartig fallen und griff meine Hand. »Na los ... töte mich doch«, stieß sie tonlos aus und starrte mich wütend und gleichzeitig ängstlich an.
Ich sollte.
Wirklich, ich sollte es tun.
»Zehn Jahre Training und das ist alles, was ihr Jäger bieten könnt?« Wieder legte ich den Kopf schief und sah in dieselben Augen wie Lins. »Ich habe deinen Dämonen von Geliebten umgebracht und das vor deinen Augen und ein Schuss ist alles, was du mir entgegensetzten kannst?«
Die Tränen rollten nun und wurden von meiner Hand an ihrer Kehle aufgefangen. Sie schluchzte. »Er hat sich entschieden, ein neues Leben mit mir und seiner Tochter anzufangen. Mit seiner Familie! Und ihr hattet kein Erbarmen für seine früheren Taten. Dafür hasse ich euch.«
Sie ließ eine Hand unter meinem aufmerksamen Blick in ihrer Hose verschwinden und packte ein Messer. Die Jägerin stach damit in meinen Oberarm und ich zuckte zusammen, nur, um die dann fester zu packen und den Schmerz zu ignorieren. Ich hätte sie leicht aufhalten können, doch mir war klar, dass sie nicht wirklich versuchte, mich umzubringen. Ich wusste es, weil ich, wenn ich sie wäre, Rache wollen würde.
Wenn meine Mutter nicht so stark wäre, hätte ich sie an dem Tag angegriffen, als sie Maha das Genick gebrochen hatte.
»Versuch es noch mal, Jägerin. Oder hat dich der Anblick deines geköpften Kollegen zurückversetzt, zu dem Tag, als ich Rafael enthauptet habe? Hat es dir den Kampfgeist genommen?«, wollte ich wissen und missachtete die Fetzen meines glühenden Fleisches. Stattdessen hob ich die Hand und vergrub meine Finger bis zum ersten Gelenk in dem Bauch der Jägerin.
Lins Mutter. Verdammt!
»Ein Obsidianmesser im Arm? Was versuchst du? Mich zu kitzeln?« Meine Flammen züngelten über die Finger an ihrem Hals und verbrannten sie. Ich ließ sie los und warf sie weg, als wöge sie nur ein paar Kilo.
Sie schrie auf und ging zu Boden, als zeitgleich mein Handy piepte.
Ich ignorierte es und sah die Dämonenjägerin an, die sich den Hals wie den Bauch hielt, in dem eben noch meine Finger steckten.
»Verschwinde, Mensch.« Ich sah sie arrogant von oben herab an. »Schlag dir deine Rache aus dem Kopf. Dein Liebhaber hat die Regeln gebrochen und dafür den Preis bezahlt, den die Viper verlangte. Ich war nur der Henker in deiner Geschichte. Aber ich rate dir, dich nicht mit dem Richter messen zu wollen. Denn die Viper wird keine Gnade zeigen, so wie ich.«
Um sie noch etwas zu verängstigen, hüllte ich mich komplett in mein Feuer und ließ eine Welle zu ihr über den Boden branden, die sich vor ihr in einer Feuersäule aufbaute, bevor die Flamme verschwand.
Sie schreckte zurück und atmete hektisch. »Nein! Jetzt wo ich dich gefunden habe-« Lins Mutter verzog das Gesicht vor Schmerzen und drückte auf die Wunde an ihrem Bauch. »Ich werde nicht verschwinden!«
Mein Handy piepte wieder und ich seufzte.
Fein, dachte ich und zog das Ding raus. Mit blutverschmierten Händen entsperrte ich das Ding und las.
LIN: ›hey, wann kommst du nach Hause? Es ist schon spät.‹
LIN: !!Halloooo Azael? Antwortest du mal?‹
Ich sah zu der Jägerin, die mich weiterhin anstarrte. »Er hat seinen Fehler eingesehen und ihn bereut! Wieso konntet ihr keine Gnade walten lassen?«
Piep.
LIN: ›ich vermisse dich. Wirklich ganz doll.‹
›also, schreib endlich zurück, du Arsch!‹
Ein Husten ließ mich wieder aufsehen und sie zischte: »Ich werde dich töten. Ich schwöre es bei allem, was mir heilig ist ... Ich werde dich töten!«
Die Jägerin schrie verzweifelt und mein Handy klingelte. Ich drückte weg und steckte das Ding ein. Dann lief ich zu ihr und ging in die Hocke.
»Schwöre auf deinen Gott, wenn es dich glücklich macht, doch meinen tot wirst du nicht erleben. Geschweige denn, wirst du diejenige sein, die mich erledigt.« Die Adern in meinem Gesicht pochten und meine Augen flammten auf. »Du sagtest, du hast eine Tochter. Denk an sie, bevor du dein Leben wegwirfst. Verlasse die Jäger und finde dich mit seinem tot ab. Dein Dämon kommt nicht wieder und deine Rache wird dich nur zerfressen und verbittern.« Ich nickte auf den kopflosen Leichnam hinter mir. »Melde es deinem Vorgesetzten und sei froh, dass ich einen guten Grund habe, dich leben zu lassen.«
»Lass meine Tochter außen vor, wenn du mit mir sprichst, Dämon!«, zischte sie und sah mich dann verwirrt an, als sie begriff, was ich gesagt hatte. »Wie? Du ... lässt mich am Leben? Wieso?«
Wieder klingelte mein Handy und wieder ließ ich es. Mein Blick bohrte sich in ihren und ich öffnete den Mund, doch als die erste Silbe herausbrachte, erstarb jedes Wort und ich sah auf die mit Widerhaken versehene Kralle, die aus meiner Brust ragte. Dann schaute ich auf das, nun von meinem Blut besudelte Gesicht, der Jägerin.
Ich grinste und Blut quoll meinen Mundwinkel hinab.
Automatisch griff ich hinter mich und zerrte das Wesen von mir, das auf meinem Rücken saß und mit den ledernen Flügeln flatternd und kreischte. Dieser schrille Laut, mischte sich mit meinem schmerzverzerrten Brüllen, als die Pfote des Wesens aus meinem Körper glitt und Fleisch und Blut aus meinem Rücken sprudelte.
»Fuck«, keuchte ich, als das Ding sich befreite und gluckernd lachend auf die Jägerin losgehen wollte.
Nein. Ich hatte mich nicht dazu entscheiden, Linneas Mutter leben zu lassen, nur damit sie dann von einem anderen Wesen zerfetzt wurde.
Meine Flamme schoss etwas gedämpfter vor, und verbrannte den dritten Dämon, der nicht gemeldet war, zu Asche. Ich hielt mir die Stelle und kniff die Augen zusammen, als die sinkende Asche glimmend zwischen und hinab segelet.
Ich hustete und spuckte Blut.
Oh, nicht gut.
Ich sah die Jägerin an und biss die Zähne zusammen. Es war das zweite Mal in kürzester Zeit, dass mich ein Dämon erwischte. Was nur los mit mir. So unkonzentriert kannte ich mich nicht.
Die Hände der Jägerin zitternd, schwebte über ihrem Mund und sie starrte auf das Vieh, das sie fast getötet hätte. Dann wanderten ihre Augen zurück zu. »Wieso hast du ihn aufgehalten?«
»Ich sagte dir-«, knurrte ich und wankte etwas, »-das ich Gründe habe, dich am Leben zu lassen. Und jetzt ... Gehe ich.« Ich stand auf und verzog schwer atmend die Lippen. »Kann ich mich für eine Sekunde darauf verlassen, dass du mir nicht in den Hinterkopf schießt?«
Linneas Mutter starrte mich an, mein Blut auf dem Gesicht, tropfte zu Boden und sie schaffte es nur, auf seine Frage hin, zu nicken.
Mein Smartphone piepste wieder, doch ich wandte mich ab und sprang mit aller Kraft ab. Auf dem Dach landend, zischte ich und drückte mir auf die Brust. Noch ein Sprung und ich landete auf dem nächsten Dach. Sprung, Dach. Sprung, Dach.
Das ging eine Weile so, ehe ich zusammensackte und auf die Knie fiel.
Hustend fluchte ich. »Scheiße.«
Warum ausgerechnet ihre Mutter? Warum musste ich in diese Zwickmühle geraten? Lin wusste offensichtlich nicht, dass ihre Mutter eine Jägerin war.
Fuck, ich saß in der Scheiße.
Ich lehnte ich mich an einen Schornstein und fummelte wieder mein Handy aus der Hosentasche.
LIN: ›ich weiß, dass ihr Dämonen normalerweise keine Freundinnen habt. Aber ist dir klar, dass eine deiner Aufgaben als fester Freund ist, an dein verdammtes Telefon zu gehen, wenn ich dich anrufe?!‹
Ich wählte die Nummer und es klingelte. Als Lin abhob, ließ ich sie erst gar nichts sagen und fauchte: »Weißt du, dass es etwas kontraproduktiv ist, wenn ich bis zu den Knöcheln in einem Dämon stecke und du ständig schreibst und an ... Shit«, fauchte ich und hustete Blut. »Anrufst?!«
»Du hast mir nicht gesagt, wohin du gehst. Als ich nach Hause kam, war niemand da. Ich wollte dich nur hören oder zumindest wissen, wo du steckst«, erwiderte sie aufgebracht und ließ mich gar nicht antworten. »Bist du verletzt? Ich ... habe schon seit mehreren Minuten so ein komisches Gefühl.«
Ich erstarrte. Oh. Oh!
Scheiße nein. Sie ... war es die dämonische Seite, die spürte, was sich da langsam anbahnte?
»Mir ... ging es schon besser, Leibes«, erklärte ich vage. »Ist nur ein Kratzer.« Ich ließ die Hand los und mein Blut strömte in Massen aus meiner Brust. Ich keuchte. »K-kaum der Rede wert.«
Ich stellte auf Lautsprecher und wechselte, des Blutes an meinem Finger wegen, etwas umständlich in Cahirs Chat.
Ich schickte ihm meinen Standort und schrieb schlicht ein Wort dazu: ICH: ›Blut!‹
Den Kopf an den Schornstein legend, atmete ich flach.
»Wirklich? Du lügst mich nicht an, oder?«, fragte sie und ihre Stimme klang unsicher. »Wenn du Blut brauchst..... dann... dann sag es und ich komme zu dir. Du hast mal erwähnt, dass du schneller heilst, wenn du Blut trinkst, und mein Blut schmeckt dir doch auch.«
Mir blieb nur den Kopf zu schütteln. »Cahir kommt und bringt mir welches. Liebes, wenn ich dein Blut jetzt auch nur riechen würde ...«
Dann würde ich mich nicht bremsen können, fügte ich gedanklich hinzu.
Menschliche Naivität.
Sie atmete laut aus und lief hin und her, was ich am Knarren unseres Bodens hören konnte. »Du hörst dich ganz und gar nicht gut an. Und dieses Gefühl ... Es macht mich verrückt. Azael, ich komme jetzt zu dir, sag mir, wo du bist«, forderte sie verzweifelt.
Doch ehe ich nachgeben konnte, sprang mir Cahir vor die Füße und nahm mir das Handy ab.
»Deinem Loverboy gehts beschissen, Lin. Aber jetzt bin ja ich da.« Er starrte mich an und hob eine Braue. »Az, das ist ein verdammt großes Loch in deiner Brust. Was zum Teufel ist denn passiert.«
Ich schnaubte. »Wichser.«
»Was?!«, stieß Lin fassungslos aus. »Ein riesiges Loch? Oh Gott. Nein ... mein Gefühl hat mich also doch nicht getäuscht. Ich ziehe meine Schuhe an. Ist mir Scheiß egal, ob du da bist, Cahir.« Man hörte deutlich, wie aufgebracht sie war und dann, wie die Tür ins Schloss fiel.
Cahir schnaubte auch. »Bleib zu Hause, Linnea. Ich schaff ihn zu dir.« Mein Kumpel legte einfach auf, schaltete den Klingelton aus und steckte mein Handy ein. Dann zog er eine Blutkonserve heraus und reichte sie mir. Er riss den Verschluss auf und legte die das Ding an meine Lippen. Ich schloss die Augen und schluckte das Zeug runter. Sofort ging es mir besser, doch die Wunde würde ein paar Stunden brauchen. Selbst mit literweise Blut intus.
Mein Kumpel pfiff leise und war den Beutel einfach über den Rand des Daches. »Was ist passiert.«
»Zu viel«, brummte ich und schloss erschöpft von den Schmerzen die Augen. Doch Cahir legte seinen Arm um meine Schulter und hob mich rücksichtslos mit einem geflüsterten »Stell dich nicht so an« hoch.
Ich schrie auf, biss dann aber die Zähne zusammen, währende Cahir mich von einem Dach aufs andere beförderte, immer weiter in Richtung zu Hause.
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