11 Linnea
Angst.
Ich hatte große Angst vor dem, was sich da gerade vor mir abspielte. Plötzlich hatte mich die Frau angegriffen, mich gegen die Wand gedrückt und mir eine Wunde an der Wange zugefügt, um mein Blut zu schmecken.
»So ist das also, Azael. Nun, das ist interessant.« sprach die Frau, die aussah wie eine teuflische Göttin. Sie war so schön, dass ich es nicht in Worte beschreiben konnte. War sie....womöglich Azaels Ex oder sowas in der Art? Griff sie mich deswegen an? Aber wenn das der Fall sein sollte, wie könnte ich bei so einer Schönheit mithalten? Ich war nur ein Mensch.....
»Ich....verrate....nichts...versprochen...« stieß ich tonlos aus.
»Mutter«, setzte Azael ruhig an. »Lass sie los. Das Mädchen ist meine Mitbewohnerin und hat mir ihr Blut angeboten.«
Mutter?!
Seine Mutter zischte ihn an. »Warum weiß sie, was du bist?«
»Ich habe nicht aufgepasst und mich verraten. Sie hat mich gesehen und ich es ihr erklärt. Der Handel ist, dass sie mir ihr Blut gibt, schweigt und dafür leben darf«, log er, ohne mit der Wimper zu zucken
Handel?!
Ängstlich sah ich Azael an.
Hatte ich mich in ihm geirrt? Wollte er doch nur mein Blut und mich dann töten, wenn er genug von mir hatte?
Ich dachte....
Nein....er war eben ein Monster.
Meine Augen huschten zu seiner Mutter.
Und seine Mutter ebenfalls.
Das waren Monster, keine Menschen.
Die Luft wurde immer knapper und langsam schloss ich meine Augen.
Ich wollte nicht sterben.
Nicht so.
»Du hattest seit Jahrtausenden keinen Menschen mehr, der dir Blut gibt, Azael. Warum jetzt?« hörte ich seine Mutter fragen und öffnete wieder meine Augen.
Azael spannte sich an. »Du hast ihr Blut selbst probiert, Mutter.«
Sie nickte. »Und eben deswegen«, säuselte sie und ließ mich endlich los, »wundert es mich.«
Seine Mutter sah mich an, die ein Stück größer war als ich und strich mir über die Wange, bevor sie seufzte und zu ihm lief. »Maha.«
Als sie den Namen sagte, verspannte sein gesamter Körper, bevor er seine Mutter anknurrte. Doch die Frau lächelte nur. »Sie schmeckt fast genauso.«
Ich hustete und sog die Luft gierig in meine Lungen, während ich meine Hand an meinen Hals legte und beide schockiert ansah.
Was redeten die da bitte?
Wer war Maha?
Tief einatmend, blieb ich da wo ich war und traute mich nicht mich zu bewegen. Eine falsche Bewegung und sie würden mich töten. So fühlte es sich zumindest an.
»Du....willst nur mein Blut.« flüsterte ich noch mit gebrochener Stimme und sah direkt Azael an.
Er wollte nicht mich, sondern nur mein Blut. Nun....wieso war ich denn darüber so schockiert. Er hatte es doch selbst am Anfang gesagt. Er will nur mein Blut. Ich war nichts weiter als ein Mensch für ihn.
Sein Blick traf meinen, während seine Mutter uns beobachtete. Genaustens. »Natürlich. So war es abgemacht, oder?«
Ich sah von ihm zu seiner Mutter, die ich Doppel so unheimlich fand, und wieder zurück. Dann nickte ich zögerlich und antwortete: »Ja.« aber es hieß nicht, dass es mir gefiel oder ich damit zufrieden war.
Azael nickte und seine Mutter seufzte.
»Azael, ich muss dir nicht sagen, dass du ... keinen Fehler machen solltest, hm?«
Sein Blick huschte von mir zu ihr. »Glaub mir, Viper, wenn ich dir sage, dass du mich hast diese Lektion auf dem härtesten der Wege hast lernen lassen.« Sein Kiefer mahlte. »Nichts davon wird wieder passieren.«
Sie kniff die Augen leicht zusammen. »Gut, gut. Ich wollte nur sicher sein, dass du 2000 Jahre später nicht vergessen hast, wie es sich anfühlt, mich zu verraten. Und jetzt, verschwinde ich«, sagte sie und klatschte in die Hände. »Ich erwarte dich morgen früh bei mir.« Sie gab ihrem Sohn einen Wangenkuss, den er zähneknirschend hinnahm und wandte sich an mich. »Mach es gut, kleiner Mensch. Wir sehen uns.« Seine Mutter lief zu Tür, doch bevor sie sie öffnet und ging, drehte sie sich wieder herum und blieb stehen. »Bevor ich es vergesse, Azael, mein Sohn ...« Sie sah mich und dann ihn an. »Nimm dir bitte ihr Blut.«
Ich folgte mit meinen Augen seiner Mutter.
>Nimm dir bitte ihr Blut?< Langsam bewegte ich meinen Kopf zu Azael, immer noch an der Wand gedrückte, sah ich ihn an.
Ich verstand die Hälfte der Worte nicht, die sie austauschten.
Was für Fehler hatte er denn begannen? Wieso hatte er sie verraten? Und was ist bitte vor 2000 Jahren passiert. Herrgott! Ich wusste doch erst seit knapp einer Woche, dass Dämonen existierten. Und in dieser Woche hatte ich mich öfter gefragt, ob ich mich nicht einfach einweisen lassen sollte, doch nun stand ich hier und es wurde über mich gesprochen, als wäre ich ein Gegenstand.
Azael starrte seine Mutter bewegungslos an. Lange und unwillig, bevor er zu mir sah und plötzlich auf mich zuging. Bei mir angekommen, veränderten sich seine Augen wie seine Finger, mit denen er mich nun am Arm packte. Spitze dunkle Nägel fuhren aus, als er mich fragte: »Von wo kann ich dir Blut nehmen ohne dass man es auf den Fotos sieht?«
Seine Mutter lachte. »Oh, wie fürsorglich, mein Sohn.«
»Bist du bescheuert? Ich bin Bikini Model! Kannste dir selbst denken, wo die Bereiche sind, die man nicht sieht und es sind wirklich wenige.« motzte ich ihn nun an.
Fürsorge?
Am Arsch!
Der wollte mein Blut trinken! Obwohl er sagte, er würde das nie tun.
Lügner.
Und sein Griff am Arm tat weh.
Azael funkelte mich an. Böse. »Fein, wie du willst.« Ruppig zog er mich an sich, hob dabei meinen Arm, drückte seine Nägel in meine Haut, bis sie riss. Ehe auch nur ein Laut über meine Lippen kam, lagen seine über den Wunden und er eckte und saugte an ihrem Unterarm. Er verspannte sofort und sah noch, wie seine Mutter grinsend verschwand.
Wie in Stein gemeißelt stand ich da und starrte Azael an. Es tat weh und.....ein anderes Gefühl machte sich in mir breit. Ein Gefühl, dass mir vertraut vorkam. Als hätte ich genau so etwas schon einmal erlebt.
Dennoch....
»Hör auf...« flüsterte ich.
»Hör auf....hör auf!« wurde ich lauter und fing an zu zittern.
Der Dämon sah mir in die Augen, erschauerte, zitterte und saugte fester, um mehr Blut zu bekommen, während seine andere Hand mich enger an sich presste.
Ich erwiderte seinen Blick. Starrte ihn an, während er weiter mein Blut trank und ein Gefühlschaos in mir herrschte. Erst tat es weh. Dann fühlte es sich komisch vertraut an und auf einmal, so mehr er trank, stieg die Lust. »Gott, was .....tust du da?« stöhnte ich überfordert.
Die Tür zur Wohnung war bereits geschlossen. Seine Mutter weg und dennoch nahm er sich mein Blut. Ihm entkam ein heißeres Stöhnen, als er den Blickkontakt erwiderte. Er war angespannt wie eine Bogensehne, die jeden Moment reisen konnte.
»Az-ael.« stöhnte ich wieder und meine Atmung wurde schneller. Ich wankte auf meinen Füßen. »Bitte....hör auf...Ich....habe Angst.« hauchte ich mit einem sinnlichen und gleichzeitig ängstlichen Unterton.
Wo er eben bereits verspannt war, zuckte er jetzt regelrecht zusammen. Azael riss sich von mir los und taumelte zurück. Dabei knallte ich gegen die Wand, an der ich zuvor gestanden hatte.
Mein Blut an seinen Lippen tropfte ihm über das Kinn und er sah mich entgeistert an. Sprachlos und mit geweiteten Augen schüttelte er langsam den Kopf und lief in die Küche. Ungläubig stützte er sich am Waschbecken ab und ... übergab sich. »Ich ...« Er sank auf die Knie, die Hände noch am Tresen. »Das ist ... Ich ... Es ...«
Ich fühlte mich durch den Blutverlust leicht geschwächt und sah von meiner Wunde zurück zu Azael. Dass die Stelle, die er ausgewählt hatte, nicht einmal ansatzweise gut zu verdecken war bei meinem Job, ließ ich so stehen und atmete erst einmal tief durch. Seine Reaktion auf sein tun beobachtend, stieß ich mich wieder von der Wand ab und lief zu ihm hin. Ich stützte mich ebenso am Tresen ab und sah auf ihn runter. »Dein Ernst?« fragte ich sauer.
Er atmete hektisch, starrte auf den Boden, schüttelte weiter den Kopf und flüsterte immer zu: »Ich ... es tut mir leid ... Ich ...«. Wieder würgte er. »Das ist unmöglich ...«
Ich zog meine Brauen zusammen.
»Was....ist los? Sollte nicht ich diejenige sein, die schockiert ist über das, was du getan hast?« fragte ich und war sichtlich überfordert von seiner Reaktion.
Ich sah ihn noch einen Moment lang an und weil er mir leidtat, ging ich kurz ins Badezimmer, holte dort einen kleinen Lappen und machte ihn nass. Als ich in die Küche zurückkehrte, kniete ich mich neben ihn auf den Boden und drehte sanft seinen Kopf zu mir.
Wieso tat ich das? Er war ein Monster, der mein Blut getrunken hatte. Ich sollte die Polizei rufen und verschwinden, stattdessen begann ich seinen Mund mit dem feuchten Lappen sauber zu machen.
Azael sah ins Leere. Sah mich an, aber fokussierte mich nicht, während ich ihn sauber machte. Doch dann, als hätte ihn der Blitz getroffen, wurde sein Blick klarer. Sein Kopf zuckte unter meiner Berührung zurück und er stand rasant auf, ohne ein Wort zu sagen. Azael taumelte in sein Zimmer und knallte mit einem »Halt dich bloß von mir fern« die Tür zu, sodass die Scharniere knarrten.
Ich ließ meinen Arm sinken und sah stumm auf den Boden.
Ich sollte mich von ihm fernhalten?
Das sollten eher meine Worte sein.
Ich zuckte zusammen, als die Tür auf ging und Cahir mit einem breiten Grinsen in unsere Wohnung eintrat. Doch es verschwand sofort wieder, als er die Nasenflügel blähte und sein Blick sofort auf mich fiel. Dann auf meinen blutenden Arm. »Was ist hier los? Wo ist Az? Und warum riecht es hier nach der Viper?«
Seufzend blickte ich meinen Arm an und dann Cahir. »Meinst du mit Viper, seine Mutter?« fragte ich und nickte Richtung Azaels Zimmer. »Wenn ja, die ist weg und Azael in seinem Zimmer.« erklärte ich und zog mich am Tresen zurück auf die Beine. Wieder wankte ich etwas, hielt mir den Kopf und gleichzeitig am Kühlschrank fest. »Ich glaube, bei Blutverlust hilft etwas Süßes. Zumindest wird das einem immer gesagt, wenn man Blut spenden geht.« meinte ich erschöpft, ging zu Couch und ließ mich zurückfallen. Ich war so müde. Wieso war Azael jetzt so? Was hatte ich denn bitte getan?
Ich spürte, wie Cahir mich ansah und dann zu der Türsah, bevor er wieder zu mir blickte, dem einzigen Menschen in dieser Wohnung. »Warte kurz«, meinte er, lief an mir vorbei, betrat Az Zimmer und schloss die Tür ab.
Mehrere Minuten Vergingen, bis Cahir wieder das Zimmer verließ.
Als ich in sein Gesicht sah, war ihm alle Farbe aus dem Gesicht gewichen und er starrte mich an, bevor er an den Kühlschrank ging, sich ein Blutbier nahm und einen Smoothie. Er setzte sich zu mir auf die Couch und gab mir den Smoothie, ehe er das Blut in einem Zug austrank. Die Flasche in der Hand behaltend, starrte er an die Decke.
»Danke.« sagte ich leise und trank die Hälfte vom Smoothie.
Dann legte ich meinen Kopf in den Nacken und schloss die Augen. Ich hatte in meinem Leben auch schon Blut gespendet. Auf mich freuten sich die freiwilligen Helfer immer besonders. Es hieß immer, dass mein Blut viele Leben retten könnte, weil es so außergewöhnlich war, aber nie hatte sich eine Blutspende so angefühlt wie gerade. Erst der Schmerz, dann dieses Gefühl und danach diese Erregung.
Als Cahir nicht, wie sonst, sofort los quasselte, sah ich ihn verwundert an. »Ist alles okay? Du bist so blass.«
Azales Kumpel nickte, schüttelte dann aber den Kopf und rang sichtlich mit sich, ob er reden sollte, oder nicht.
Letztlich fing er aber an.
»Was ich dir jetzt sage, nimmst du wortlos hin und egal ob es zutrifft, oder nicht, du wirst es respektieren, verstanden? Denn wenn nicht«, er sah mich ernst an, »werde ich dich umbringen, verstanden?«
Ich schreckte zurück und sah ihn irritiert an. »Was?«
Sein Blick wurde ernst. »Willst du es hören, oder nicht?«
»Sag, was du zu sagen hast.« forderte ich nun und wurde ebenfalls ernst. Mein Herz begann schneller zu schlagen und ich schluckte schwer.
»Er verliebt sich nicht, Lin. In niemanden. Egal, was passiert, das wird nicht passieren. Az hat ... Ach Fuck! Okay, hör zu: Azael hat einmal jemanden geliebt. Und dieser Jemand ist ihm genommen worden. Ich ...« Cahir rieb sich durchs Haar. »Ich kann mich noch immer an die Nacht erinnern, als er sie fand. Er war so ... gebrochen. Müde. Ich erinnere mich, wie er vor lauter Schmerz keine Luft mehr bekam und wie er versuchte, die gequälten Laute und Schluchzer zu unterdrücken, die in erschüttert hatten. Und ich werde niemals vergessen, wie er ihre Leiche gehalten hatte, bis sie zu Staub wurde. Linnea, Az wird keine Gefühle zulassen. Er hat Angst. Angst, jemanden zu verlieren, wenn er es täte. Und du, Süße«, er tippte mit dem Finger an meine Stirn. »Sagen wir, du erinnerst ihn an diejenige.«
Azael wird sich niemals verlieben? Niemals?
Ich starrte Cahir an, bekam kein Wort mehr heraus und die letzten Worte zerstörten alles.
Ich erinnere ihn an diejenige.....»Heißt sie zufälligerweise......Maha?« fragte ich Cahir zögerlich und als sich daraufhin seine Augen weiteten, wusste ich, ich hatte recht.
Ich erinnerte ihn an diese Maha und ich schmeckte wie sie.
Maha also....die Frau die er einst geliebt hatte und die ihm genommen wurde.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top