Kapitel 5. Linnea
Ich kaute auf meiner Lippe herum und stand vor einem der vielen Kühlregale im Supermarkt.
Wie lange stand ich hier schon?
Ich hatte keine Ahnung.
Aber die Erinnerung der gestrigen Nacht ließ mich nicht los.
Azael ganz nahe vor mir, viel zu nahe. Dann seine Wunden, die schlimm aussahen. Das ganze Blut. Und dann.....
Ich schluckte schwer, als auch diese Erinnerung wieder hochstieg.
Azael, wie er sich stumm herumdrehte und in sein Zimmer ging. Und ich, die auf seinen Rücken starrte. Da war eindeutig ein Loch gewesen. Ich war mir komplett sicher, dass da ein blutiges Loch gewesen war.
Doch.....
Als ich ihn heute Mittag gesehen hatte, war nichts mehr von einem blutigen Loch zu sehen. Er wirkte ganz normal, als wäre nie etwas passiert.
Wie war das denn möglich?
Diesmal konnte ich mir unmöglich einreden, ich hätte mir alles nur eingebildet.
Aber, wenn es keine Einbildung war, was war es dann?
Ich musste es einfach wissen.
»Entschuldigen sie? Sie stehen hier schon eine.....Gütiger Gott, sie sind doch das Model, Linnea Matei, oder?« fragte eine junge Frau.
Ich blinzelte mehrfach, weil sie mich so abrupt aus meinen Gedanken gezogen hatte.
»Ja, genau. Stand ich ihnen im Weg? Entschuldigen sie, ich war in Gedanken.« erklärte ich lächelnd.
Sie dagegen schüttelte den Kopf und begann in ihrer Tasche rumzuwühlen. »Ach, bitte, dafür benötige ich doch keine Entschuldigung.« sie zog ihr Handy heraus. »Dürfte ich denn ein Foto mit ihnen machen?«
Lächelnd nickte ich. »Klar.« sie stellte sich glücklich neben mich und hob den Arm, um ein Selfie zu machen. Ich lächelte in die Kamera und war erleichtert, dass es doch noch weibliche Fans gab.
Wir machten das Foto, quatschten noch kurz und dann ging ich weiter. Ich kaufte noch zu Ende ein und lief vom Supermarkt nachhause.
Als ich unsere WG betrat, sah ich sofort zu Azaels Tür. Ich wartete einen Moment, bevor ich meine Hand auf die Türklinke legte und versuchte diese zu öffnen.
»Natürlich nicht.« murmelte ich frustriert.
Selbstverständlich hatte er seine Tür wieder abgeschlossen. Was mag sich wohl dahinter verbergen? Was verheimlichte er vor mir?
Ich hatte viele Fragen.
Seufzend, ging ich mit den Tüten in die Küche.
Während ich alles auspackte, sah ich mich immer wieder um.
Ich wohnte nun schon mehrere Tage hier, fast über eine Woche und es war bereits so viel Seltsames passiert, dass ich einfach nicht wusste wohin mit meinen ganzen Fragen.
Meine Augen gingen zu der Tür. Sollte ich diese einfach versuchen aufzubrechen? Immerhin hatte ich einige Krimis gesehen. Ich müsste es hinbekommen.
Nach einiger Überlegung, nickte ich und stieß mich von dem Küchentresen ab. Ich suchte mir eine große Heftklammer und einen Dietrich. Ich kniete mich vor seiner Tür und begann mit meinem ausgesuchten Werkzeug die Tür zu bearbeiten.
Nach 15 Minuten wusste ich, dass es in Filmen immer viel einfacher dargestellt wurde. Nach 30 Minuten stand ich kurz davor aufzugeben, aber als es dann knackte und mir damit symbolisierte, dass ich es geschafft hatte, lächelte ich breit.
Ich bin echt gut!
Sofort erhob ich mich, griff die Türklinke und drückte sie runter, doch bevor ich eintreten konnte, ging die Haustür auf und zu meinem Leiden stand Azael da und wir starrten uns an. Er, der nachhause kam. Ich, die gerade dabei war in sein Zimmer einzutreten.
Scheiße!
Er kniff sofort die Augen zusammen, als Cahir hinter ihm auftauchte und laut pfiff, bevor er lachend sagte: »Oh, ich denke, das ist mein Zeichen, dass ich mich verpisse. Den Streit möchte ich nicht mitbekommen«
Ein nicht ganz menschliches Knurren entkam Azael und er stellte den Kasten Bier einfach am Rand der Eingangstür ab. »Du solltest beleiben, denn wenn sie in drei Sekunden nicht die Finger von der Türklinke MEINES Zimmers genommen hat, müssen wir eine Leiche beseitigen. Oder-« Er starrte mich in Grund und Boden, »-sie nennt mir einen wirklich wichtigen Grund, warum sie in mein Zimmer wollen würde. Denn ich war mir sicher, dass ich sehr deutlich war, und sagte, dass der Raum für sie Tabu ist.«
Cahir betrat mit ihm die Wohnung und grinste, während die beiden die Arme vor der Brust verschränkten.
Ich sah beide abwechselnd an. Behielt jedoch meine Hand auf der Türklinke.
»Ich habe mehr als nur einen guten Grund hierfür!« sagte ich aufgebracht und mein Griff wurde fester. »1. Das Loch in deinem Rücken, das heute ganz plötzlich verschwunden ist. 2. Das ganze Blut und wie du nachhause kamst. 3. Diese Frau, die aus deinem Zimmer kam, dann ins Badezimmer ging, aber als ihr weg wart, war sie nicht mehr da und deine Tür verschlossen. Also, ich bin auf deine Erklärungen gespannt.«
»Ich sagte dir«, setzte der Blauäugige Penner an und starrte mich weiter in Grund und Boden, »dass ich dir nichts beweisen muss. Und schon gar nicht«, knurrte er drohend, »was auch immer du denkst, gesehen zu haben.«
Cahir schmunzelte: »Erklär es ihr doch einfach Az.«
Er ließ sein Augenmerk kurz zu Cahir huschen, bevor er seinen Blick wieder auf mich richtete. »Erstens: Ich hatte nie ein Loch im Bauch. Das musst du dir eingebildet haben.« Das Shirt hebend, zeigte er mir seinen unverletzten, durchtrainierten Bauch. »Zweitens: Woher das Blut kam? Ich arbeite als Schlachter.« Cahir lachte los, doch er ignorierte es. »Drittens: Die Tussi aus meinem Zimmer, ist wahrscheinlich aus dem Badezimmerfenster geklettert, weil sie gehört hat, dass ich abgehauen bin. Und weil ich in Spendierlaune bin-«, fügte er hinzu und lief zu mir. Dicht bei mir, griff er den Türknauf über meine Hand, »Gebe ich dir eine weitere Erklärung. Viertens: NICHTS davon geht dich auch nur einen Scheiß an, Liebes. Was in meinem Zimmer ist, würde dich wohl nur zu Tode erschrecken, also tu dir und mir den Gefallen, und halte dich fern. Von ALLEM, was mir gehört und ebenso von mir selbst.«
Cahir öffnete sich ein Bier und trank. »Von mir müsstest du dich nicht fernhalten, Lin. Nur so als Info. Mein Angebot für das Dinner steht noch.«
Azaels Blick zuckte kurz zu seinem Freund, bevor er wieder auf mich hinabsah.
Ich sah von Cahir zurück zu Azael. Seine Hand auf meiner war warm, aber auch rau. Ich beließ meine Hand dort, nur aus irgendeinem Grund nicht mehr, um in das Zimmer zu kommen, sondern, um seine Wärme weiter zu spüren. Dabei behielt ich Blickkontakt. »Du lügst.« stellte ich fest und sah zu Cahir. »Ihr beide seid Lügner und verheimlicht etwas.« Ich musterte Azael wieder. »Ich werde noch herausfinden was hier los ist, denn-« begann ich und ließ endlich die Türklinke los. »-ich weiß, was ich gesehen habe. Mich kannst du nicht mehr verarschen.« mein Blick wurde böse.
Dann sah ich zu Cahir. »Ich danke dir für dein Angebot, zumindest machst du mir eines, statt mich auf der Straße zu belästigen. Aber so lange ich nicht die Wahrheit erfahre, werde ich nirgends mit dir hingehen.«
Mein Mitbewohner sah mich an. Einfach nur an, bis ich seinen Blick wieder erwiderte.
Doch Cahir räusperte sich, als wir einander zu lange anstarrten. »Az und ich sind mehrere tausend Jahre alte Dämonen, die Dämonen jagen, die ... weniger menschlich sind, als wir.« Azael sah Cahir nicht an und schnaubte abfällig, während er die Augen verdrehte. »Ich kann Illusionen hervorrufen und der hübsche Az hier, der kann schwarze Flammen heraufbeschwören und sie beherrschen. Schwarze Flammen sind eine der seltensten Gaben unter Dämonen. Ihr Menschen nennt es Höllenfeuer, glaube ich.« Cahirs Augenbrauen hüpften einmal auf und ab. »So, da hast du deine Wahrheit. Können wir jetzt ausgehen?«
Azaels Kiefer mahlte und er legte den Kopf schief.
Mit offenem Mund und großen Augen starrte ich Cahir an.
Was?
Ahhh.....
Ein Scherz...
Sie verarschen mich.
Mein geschocktes Gesicht regte sich und langsam sah ich die beiden wütend an. »Sehr witzig. Ihr denkt auch, ich bin total bescheuert, nicht wahr?! Aber nicht mit mir.« zickte ich diese beiden durchgeknallten Typen an.
Was lief den bei den beiden schief im Kopf?
Dämonen?
Mehrere Tausend Jahre alt?
Krank!
Ja, das waren die beiden.
Mit einem letzten Zittern seiner Nasenflügel und einem abschätzigen Blick, wandte Azael sich ab und ging auf Cahir zu, der ihm schon eine Flasche hinhielt. »Ja, Cahir ist ein echter Scherzkeks. Bestimmt kann er dir eine Menge erzählen, über unser Dämonendasein, wenn ihr essen geht. Nicht wahr? Vielleicht schwadroniert er ja auch über die Entstehung der modernen Menschheit, die wir miterleben durften.« Mein Mitbewohner trank und leckte sich dann über die Lippen. »Und wenn ihr aus seinem, oder deinem Bett krabbelt, worauf er sehr offensichtlich aus ist, kann er dir auch gleich erklären, warum wir Blut trinken müssen und was es mit den Jägern auf sich hat, die uns dermaßen auf die Pelle rücken, seit die Menschheit zum Glauben gefunden hat.«
Sein Kumpel lachte schnaubend. »Gut, jetzt hast du alle Spannung rausgenommen und den Wow-Effekt ruiniert.«
Sein Blick huschte von mir zu Cahir. »Ich denke, Linnea wird dich trotzdem rann lassen. Immerhin kann man deutlich sehen, dass sie uns attraktiv findet. Was übrigens auch eine nette Eigenschaft der Dämonen ist.«
Ich blinzelte und sah von Azael zurück zu Cahir.
Wie bitte?
Die meinten es wirklich ernst. Das war doch verrückt!
Das konnte doch niemals stimmen!
Und arrogant waren die beiden auch noch.
Ja, ich fand beide sehr attraktiv, Azael war sogar mein Typ Mann, aber ich würde mich doch nie mit einem von den beiden einlassen, wenn ich sie nicht kannte. Und schon gar nicht auf solche Idioten.
Aber.......
»Warte Mal, ihr meint das wirklich ernst? Ihr seid....was? Dämonen?« mein Blick huschte zwischen den beiden hin und her. »Und ihr müsst Blut trinken?« fragte ich und sah auf das Bier in seiner Hand. »Und was ist dann hier drinnen?« schon bevor ich diese Frage zu Ende gestellt hatte, griff ich nach der Flasche und setzte diese an meine Lippen an. Ich trank einen Schluck, verzog das Gesicht und starrte Azael an.
Ich schluckte es herunter, wischte mir mit einem Finger über meine Unterlippe und sah mir die rote Verfärbung an.
Blut.
Mit halb offenem Mund, drehte ich mich herum und sah auf die anderen Flaschen, dann blickte ich hinauf zu Cahir und auf seine Flasche. Meine Augen weiteten sich und ich drehte mich wieder zu Azael. »Das ist Blut.« stellte ich fest, stolperte zurück und ließ dabei die Flasche fallen. Sie landete auf dem Boden und zerbrach in mehrere Teile. Ich blickte hinunter und starrte das Blut an, dass sich zwischen den Glasscheiben auf dem Boden ausbreitete.
Sie sahen mich unbeteiligt an. Nun, er zumindest. Cahir begann zu lachen und das so sehr, dass er sich eine Hand auf den Bauch legte.
Ich sah von dem Blut zu Cahir hoch.
»Blut? Was redest du denn da, Lin?«, sagte er und nutzte den Spitznamen, den er wohl für mich auserkoren hatte. »Komm schon, du glaubst mir das doch nicht, oder? Dämonen? Ich bitte dich.«
Meine Brauen zogen sich zusammen.
Ich hatte nie gesagt, dass ich ihnen glaubte. Aber die Tatsache, dass Azarl den Kühlschrank nur mit Bierflaschen füllte, war schon ziemlich auffällig. Auch, wenn er sagte, er würde immer außerhalb essen, fand ich es schon merkwürdig. Immerhin hatte ich ihn noch nie essen sehen.
Meine Aufmerksamkeit wieder auf Cahir, sah ich, wie er seine Arme verschränkte und seine
in das enge Shirt gepackten Brustmuskeln auf und ab hüpfen ließ.
»Es ist Bier in der Flasche und Az und ich sind keine Monster mit Superkräften. Oder-«, er nickte auf den Glashaufen. Mein Kopf folgte und ich sah ebenfalls hinunter. Meine Augen weiteten sich, als der Glashaufen in klarem schäumenden Bier schwamm. Plötzlich schmeckte ich auch das Bier in meinem Mund. »sieht das aus, wie Blut und wir wie Dämonen?«
Azael verdrehte die Augen, als er in die Küche ging und den Kehrbesen wie einen Lappen holte. Er sammelte die Scherben auf und wischte das Zeug rasch weg.
Meine Augen lagen weiter auf den Scherben. Das kann nicht sein? Ich hatte mir das doch nicht eingebildet. Während ich versuchte zu begreifen, beobachtete ich Azael dabei, wie er den Boden säuberte. Ich war mir ganz sicher, dass ich Blut geschmeckt hatte und dass die Flüssigkeit rot war. Doch jetzt auf einmal war sah die Flüssigkeit aus wie normales Bier.
Ich hob den Kopf, als mich Cahir wieder ansprach.
»So, Lin«, setzte er an, »heute Abend, sind ich und Az auf eine Party eingeladen. Wie sieht es aus? Kommst du mit? Als meine Begleitung? Und bevor du nein sagst und mir erklären willst, dass Partys als Model unangenehm werden können, diese wird es nicht. Es ist eine Art ... Maskenball. Niemand weiß, wer wer ist und es ist verboten, die Masken abzunehmen, solange man auf der Party ist.«
»Nun ich...« begann ich verunsichert und sah runter zu Azael.
»Das ist keine gute Idee, Bruder. Es werden genug _Leute_ da sein, mit denen du dir _die Zeit_ vertreiben kannst.« Cahir sah zu mir auf, als Azael den letzten Rest wegwischte. In seinen Augen glitzerte ein Funken Neugier, trotz seiner Worte.
»Ich....komme mit.« antwortete ich, während ich seinen Blick intensiv erwiderte. Die beiden konnten unmöglich irgendwelche Dämonen sein, nie und nimmer. So etwas gab es nicht und wäre viel zu lächerlich.
Mein Mitbewohner schnaubte, löste kopfschüttelnd den Blickkontakt und stand auf. Mit einem Lappen in der einen und den Scherben in der anderen Hand, lief er in die Küche. »Fein, Cahir. Dein Date, deine Verantwortung.«
Dieser lachte und zwinkerte mir zu. »Abgemacht. Aber sei so gut und erklär ihr alles, was sie wissen muss, ich muss noch etwas erledigen, bevor wir loskönnen. Wir treffen uns dann am ›Hells Gate‹.«
»Hey«, brummte Azael, doch da war er schon durch die Tür geschlüpft und verschwunden. Er knurrte. »Blöder Wichser.«
Ich sah Cahir nach und dann zurück zu Azael. Kurz blickte ich auch nochmal zu dem Bierkasten. Die Erinnerung an den Geschmack von Blut war in meinem Kopf gespeichert. Dennoch kämpfte ich gegen den Glauben an, ich hätte mir alles nur eingebildet. Irgendetwas stimmte nicht und ich würde es noch herausfinden. Vielleicht hatten die beiden einen Job, einen illegalen Job.
Das Azael Schlachter sein sollte, glaubte ich ihm nicht. Dafür hatte Cahir zu laut gelacht. Wie ich es hasste, wenn man mich verarschte.
Ich lief ebenfalls in die Küche und Stütze mich am Tresen ab. »Dann Klär mich auf, was muss ich wissen?« fragte ich und nahm einen sarkastischen Ton an, als ich weitersprach: »Werden da etwa auch Dämonen sein? Oder nein, vielleicht Vampire oder Werwölfe? Vielleicht auch Feen und Kobolde?« Ich lachte ihn ganz deutlich aus.
Mich könnt ihr nicht verarschen.
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