Kapitel 45. Linnea

Mit großen Augen starrte ich Azael an. Selbst als seine Mutter auf mich zu ging, behielt ich Blickkontakt. Nur er zählte für mich und ich spürte, dass er Angst hatte. Nicht Angst zu sterben, obwohl er schon seit mehreren Minuten keine Luft mehr bekam. Nein. Er hatte Angst, dass seine Mutter mich töten würde.

Aber .....während ich ihn ansah, sah, wie er litt und wie unterlegen er im Gegensatz zu Viper war, spürte ich die Verzweiflung. Doch, neben dieser Verzweiflung, spürte ich noch etwas anderes.
Was war das?

Ich blinzelte zwei Mal und sah dabei weiter Azael an, meinen Verbundenen.

Erst, als die Viper direkt vor mir stand und grinste, wechselte ich die Blickrichtung und sah sie direkt an. Alles geschah wie in Zeitlupe. Sie grinste, dann hob sie eine Braue, dann runzelte sie die Stirn und dann verzog sie die Lippen, bevor sie bitterböse fauchte.

In diesem Augenblick spürte ich es. Die Angst, Azael zu verlieren, die schreckliche Panik, meinen Verbundenen nie wiederzusehen, hatte meine Magie hervorgerufen.

»Ein Schutzschild.« murmelte ich, weil ich es begriff und fühlte. Blinzelnd blickte ich meine Hände an, dann sah ich Cahir an, der mein Blick erwiderte und anscheinend ebenso begriff, bevor ich an der Viper vorbeisah. Mit aller Kraft konzentrierte ich mich und als ich es schaffte einen ebenso starken Schutzschild um Azael zu spannen, sah ich ihn erleichtert an. Ein Lächeln bereitete sich auf meinen Lippen aus und ich war noch nie so glücklich, dass ich kein normalo war. Ich besaß Magie und ich besaß eine Macht. »Azael.« sagte ich leise, doch so, dass er es hörte. Ich nutzte die paar Sekunden aus, in denen die Viper noch versuchte zu verstehen.

Mein Verbundener stand auf, rannte auf seine Mutter zu, packte von hinten ihre Kehle und stieß seine brennende Hand in ihren Rücken, sodass sie an ihrem Bauch wieder herauskam. Blut spritzte in mein Gesicht, doch ehe er ihr das Herz herausreißen konnte, stand plötzlich Cahir vor der Viper und drehte ihr den Hals so schnell herum, dass Azael nicht reagieren konnte.
Er blinzelte das verwirrte, erschrockene und jetzt leblose Gesicht der 10.000 Jahre alten Dämonin an.

Seine Mutter war tot.
Und Cahir, der sie getötet hatte ... somit das neue Oberhaupt der Dämonen dieser Stadt.

Mit dem Blut der Viper im Gesicht, starrte ich auf ihre Leiche. Alles....ging auf einmal so schnell. Sie war anscheinend so überrascht, dass gerade ich Magie besaß, dass sie mit dem Angriff nicht mehr rechtzeitig gerechnet hatte. Ich wischte mir übers Gesicht und sah Azael an. Bevor irgendjemand etwas sagen konnte, sprang ich in seine Arme und drückte ihn so hart wie nur möglich an meinen Körper. »Ich liebe dich.« waren die ersten Worte, die ich schaffte zu sagen.

Er zog seine Hand aus der Brust seiner Mutter und hielt mich fest. »Ich ...« Sein Blick huschte zu dem schmerzverzerrten Gesicht Cahirs. »Warum hast du das getan?«

Er sah uns an und sackte dann zusammen. Auf dem Hintern landend, hielt er sich den noch immer gebrochenen Arm.

»Weil du nicht mit Lin zusammen sein kannst, wenn du der Anführer wirst. Ich jedoch kann euch entkommen lassen, ohne den Befehl zu geben, euch zu jagen.«

Azael blinzelte und zog mich enger an sich.

»Was?« fragte ich sichtlich irritiert. Azael hätte nicht mehr mit mir zusammen sein können, wenn er der Anführer geworden wäre? Davon wusste ich gar nichts. Ich sah von Azael zu Cahir. »Danke, dass du das für uns getan hast.« sagte ich ehrlich und hielt mich so stark an Azael fest, als würde er verschwinden, wenn ich ihn nur eine Sekunde loslassen würde.

Cahir nickte schwach. »Er kann ja schlecht Anführer sein, wenn er gegen eine verdammt wichtige Regel verstößt, oder? Wer würde Az dann folgen?«, erklärte er und winkte ab. »Ich habe das für mich gemacht«, log er. »A: ist sterben Scheiße und B: will ich ja nicht mit ansehen, wie ihr beide euch nacheinander verzehrt und leidet, weil ich nicht dieses beschissene Happy End habt. Das würde echt nerven.«

Er stöhnte vor Schmerz. »Du brauchst Blut.«
Azael ließ mit einer Hand von mir ab und hielt sie seinem Freund hin. »Sehen wir zu, dass wir nach Hause kommen.«

Ich musterte Cahir. Das er sich wirklich aufopfern würde. Mein Blick huschte zu Azael. Ob er das getan hatte, weil er wusste, wie mein verbundener wieder leiden würde? Vermutlich. Aber....gott, auch, wenn ich hoffte, Cahir würde diese Entscheidung nicht bereuen, spürte ich regelrecht, wie der ganze Druck von meinen Schultern fiel. Wir waren endlich frei. Ich konnte weiter Model sein. Konnte weiter mit Azael zusammenbleiben und....wir würden die Ewigkeit miteinander verbringen. Niemand war mehr da, der uns gefährlich werden konnte. »Ich finde dafür hat Cahir verdient von uns verwöhnt zu werden, meinst du nicht auch?« sagte ich und lächelte.

Es war vorbei.
Endlich.

»Wir wollen ja nicht übertreiben«, scherzte Azael, sah seinen Freund aber dankbar an. »Fürs Erste, organisieren wir frisches Blut. Dann sehen wir, wie weit die Dankbarkeit reicht. Aber«, setzte er an und sah zu der Leiche der Viper, »Wir können sie nicht hier liegen lassen. Einer muss sie unter den Berg schaffen und den Dämonen erklären, was vorgefallen ist. Wir brauchen Libro, damit er die Wahrheit der Aussage prüfen und damit dein Recht als neuer Herrscher anerkannt werden kann.«

Cahir nickte. »Dann holen wir uns auf dem Weg unter den Berg Blut. Ich denke, wir alle können es gebrauchen.«

Azael nickte und sah dann zu Trixxis Kopf und dem Körper, bevor er das Gesicht verzog, seufzte und sie zu Asche verbrannte. Azeal ließ mich los, küsste mich auf den Kopf und hob seine Mutter hoch. »Dann los. Vorher bringen wir aber Lin in die WG. Sie kann nicht mit unter den Berg.«

Als mich Azael losließ, ging ich zu Cahir und wollte ihm wieder helfen. Dabei sah ich erst zu der Asche, die vorher noch seine Ex Freundin war und dann zu Az. »Und wieso kann ich nicht mitkommen? Ich...Ich muss doch bei dir bleiben.« fragte ich und man sah mir an, dass mir das gar nicht gefiel.

Mein Verbundener wandte sich mir zu, woraufhin der Kopf der Viper knackte und sich weiter verbog. »Und dann was? Sehen diejenigen, die dich als Mensch kannten, dass du jetzt ein Dämon bist und verlangen direkt von Cahir, dass er dich umbringt? Ich denke nicht, Liebes.«
Cahir legte einen Arm um meine Schulter und ließ sich helfen. »Er hat recht, Lin. Du kannst nicht mit.«

Ich sah zwischen den beiden hin und her. »Oh....okay. Heißt das dann etwa auch, dass wir nicht mehr hierbleiben können? Ich ...nicht mehr bei meiner Familie und Freunde bleiben kann?« fragte ich und musste es wissen. Mussten wir denn wirklich von hier verschwinden?

Azael sah mich mitleidig an und nickte. »Wir werden bald gehen müssen. Außerdem ... deine Familie sind Jäger, Liebes. Deine Mutter wird keine ganze Organisation überreden können, dich am Leben zu lassen. Und deine Arbeit ... Wie willst du erklären, dass du dich so verändert hast, Lin. Du bist jetzt mehr als Perfekt. Hättest du vor, sie alle glauben zu machen, du hättest dich operieren lassen? Was war dein Plan?«, beantwortete er zum ersten Mal meine Frage, ob ich je wieder Model werden könnte. Obwohl seine Worte harsch klangen, musste ich spüren, wie sehr ihm all das Leid tat. »Dein Leben hier, in dieser Stadt, UNSER Leben hier, ist vorbei.«

Ich starrte Azael an.
Unser Leben war hier vorbei?
Aber....
Meine Mutter.
Meine Freunde.
Mein Job.
Wie könnte ich das alles hinter mir lassen?
Einfach so.
Von heute auf morgen.
Ich...

»Aber mein Vertrag läuft noch zwei Jahre. Wie soll ich aus diesen raus? Da müsste man mich schon für tot erklären.« sagte ich komplett überfordert.

Nie hatte Azael mir das gesagt. Nie haben wir über das hier gesprochen. Ich dachte, wenn er seine Mutter töten würde, dann könnten wir ein ruhiges Leben führen. Hier in dieser Stadt.
Die Frage, wie ich meiner Agentur das erklären wollte, ließ ich unbeantwortet. Ja, ich sah anders aus, aber perfekt war doch immer das, was sie wollten. Also wäre doch eine OP nichts Ungewöhnliches.

Azael seufzte. »Du denkst in menschlichen Dimensionen. Dieser Vertrag ist lediglich ein Stück Papier.«

Ich zog die brauen zusammen. »Natürlich tue ich das. Ich bin gerade mal ein Baby, wie Cahir immer sagt, also wie sollte ich bitte anders denken. Du hast....nie mit mir darüber gesprochen, dass wir verschwinden würden.« fuhr ich ihn wütend an.

Er betrachtete sie. »Ich wollte dich nicht überfordern, aber jetzt ist die Situation eine andere, Liebes. Wir können nicht bleiben.«

Ich öffnete meine Lippen, um wieder zu protestieren, ließ es aber bleiben und sah zu Cahir. »Komm wir gehen, du brauchst Blut.« meinte ich und man hörte auf meinem Ton, dass ich noch sichtlich genervt war. Aber ich wandte mich mit Cahir ab und stützte ihm beim Laufen. Was erwartete Azael bitte? Das ich einfach von jetzt auf gleich sage: Ja, super. Lass verschwinden. Nein natürlich nicht!

»Ja, danke. Ich wollte nur ungern eure Zukunftspläne auf später verschieben, aber ich würde jetzt gerne eine Minute ausruhen, bevor wir mich zum König krönen«, witzelt Cahir weiter. Doch seine Stimme klang etwas schwächlicher, als es normal war.

»Dann los«, murmelte Azael und wandte sich mit einem letzten Blick an mir ab, um loszulaufen.

Danach sagte ich gar nichts mehr. Zum Glück war es dunkel und niemand schenkte uns Beachtung, als wir zu einem Auto liefen, dass man durch eine App mieten konnte. Ich setzte Cahir hinten rein, die Viper wurde in den Kofferraum geschmissen und Azael ging ans Steuer. Ich setzte mich neben ihn und schnallte mich an, obwohl, wenn ich die beiden musterte, die sich nicht anschnallten, war das bei mir wohl auch noch menschliches Denken.

Seufzend sah ich aus dem Fenster, während wir aus der einen Stadt fuhren, über die Landstraße, kurz über eine Autobahn und dann bei unserer Stadt ankamen. Wir hielten vor unserem Wohnblock an, parkten das Auto, loggten das Fahrzeug per App aus und liefen mit einer Leiche und Cahir hoch in unsere WG. Ich setzte Cahir auf die Couch ab und brachte uns dreien ein Bier, das zum Glück noch genügen im Kühlschrank lagerte. »Reicht dir eine Flasche, oder brauchst du zwei?« fragte ich seinen besten Freund und beachtete Az nicht.

Dieser lehnte an der Tür und musterte uns beide.
Cahir sah von mir zu ihm und wieder zurück. »Gib mir einfach eine Falsche und lass mich kurz ins Bett. Eine Stunde sollte reichen, dann bin ich soweit auf dem Dampfer, dass ich mich unter den Berg schleppen kann.« Er stand auf und lief in Azaels Zimmer. »Ist wahrscheinlich ganz gut«, fügte er hinzu und sah uns nicht mehr an, »wenn ich nicht ganz geheilt bin. Immerhin soll es ja so aussehen, als hätte ich die Viper alleine umgebracht.«

Azael folgte ihm mit blicken und sah dann zu mir, als er die Tür schloss.

Ich lief zu Azael und reichte ihm das Bier. »Du solltest auch etwas essen.« meinte ich leise und konnte, egal wie sauer ich auf ihn war, niemals mir keine Sorgen machen.

Er nahm es, ohne etwas zu sagen. Doch er hielt meine Hand etwas länger, als er mir das Blut abnahm.

»Du bist sauer«, stellte er dann aber fest, lief an mir vorbei und setzte sich an den Esstisch.

Ich folgte ihm zurück und setzte mich ihm gegenüber. Ich nippte an dem Bier. »Ja.« antwortete ich und seufzte dann. »Nein. Ich....ich glaube, ich bin überfordert und...doch und sauer, doch, ja.« stimmte ich nun doch zu. Es fiel mir schwer meine Gefühle zu beschreiben. Weil, eigentlich sollte ich glücklich sein, die Viper war tot. Wir hatten eine Chance und ich würde nicht tot vor ihm liegen, wie es Maha getan hatte.

Azael betrachtete mich mit schief gelegtem Kopf. Dann stand er auf, lief zu mir, zog mich hoch, setzte sich auf meinen Platz und platzierte mich auf seinem Schoß. Das Gesicht an meinem Hals vergraben, raunte er: »Genau davor wollte ich dich schützen, Linnea.«

Auch ich genoss seine Nähe und legte meine Arme um ihn herum, nachdem ich die Bierflasche auf den Holztisch gestellt hatte. »Nun, das war aber einer der Punkte, die du bei deiner Aufzählung nicht erwähnt hattest.« merkte ich an und spürte wieder einmal wie stark unser Band war.

Azael atmete tief ein und drückte mir kleine Küsse auf die Haut. »Indirekt wohl schon. Hast du denn wirklich gedacht, du kannst in jeder Stadt als Model arbeiten? In jeder Zeit? Wie lange, bis es auffallen würde?«

Ich genoss seine Lippen auf meiner Haut und schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich dachte, ich könnte zumindest diese zwei Jahre noch durchziehen und....ach ich weiß auch nicht. Vielleicht etwas Eigenes aufbauen.« antwortete ich und ja, so meinte ich das auch. Ich wollte doch so gerne noch etwas ändern. Die Leute kannten mich nur als Bikini und Dessous Model. Doch diese Änderung würde mir wohl verwehrt bleiben.

Mein Verbundener küsste sich einen Weg zu meinen Mundwinkeln. »Lin, du bist jetzt, mehr oder weniger dazu in der Lage, ewig zu leben. Du wirst andere Wege finden, etwas aufzubauen. Bessere als dich halb nackt vor eine Kamera zu stellen. Und um ehrlich zu sein, habe ich die Intention dahinter nie verstanden.«

Ich sah auf Azael hinunter und küsste seine Mund, bevor er es tun konnte und erzählte dann: »Nun, als ich das Angebot der Agentur bekam, unter Vertrag zu kommen, habe ich auch gleichzeitig unterschrieben, dass sie entscheiden dürfen, für was ich Model.« Ich verdrehte die Augen. »Und weil ich ziemlich jung und naive zu der Zeit war, hatte ich den Vertrag unterschrieben und mich nur gefreut, überhaupt gesehen zu werden. Das am Ende so etwas herauskommen würde, damit hatte ich damals auch nicht gerechnet. Aber ich habe mich damit abgefunden und nun ist es so.« Ich lächelte Azael an. »Und wenn du ehrlich bist, magst du mich in solchen knappen Dessous und Bikinis ziemlich gerne. Dein Problem ist nur, dass mich andere Männer auch so sehen können.«

Ein kleines Lächeln zupfte an seiner Lippe. »Möglich. Nur hat es für mich keinen Sinn ergeben, wie du ein Vorbild für Frauen sein wolltest, wenn alles an dir, was nicht ohnehin schon perfekt war, perfekt gemacht wurde. Ich als Frau«, erklärte er, »hätte nur wieder jemanden gesehen, der nicht das widerspiegelt, was die Wahrheit ist. Nämlich dass das Perfekte an einem, die Fehler sind. Nimm mir das nicht übel, Liebes, aber du warst ein Model wie jedes andere auch. Zurechtgemacht und aufgehübscht und nur dazu da, anderen ihre Fehler aufzuzeigen.«

Ich verzog das Gesicht, dann hob ich meine Hand und schlug ihm auf den Kopf. »Denkst du mir war das nicht bewusst? Ich habe dir nur gesagt, was ich mir gewünscht habe und nicht, dass ich es erreicht hätte. Naja-« begann ich und packte mit beiden Händen seine Wangen und zog an ihnen. »-jetzt hast du ja genug Zeit, um mich kennenzulernen.« Ich lachte, als ich ihn so vor mir sitzen sah. Ich ließ seine Wangen los, beugte mich vor und küsste ihn.

»Ich liebe dich, Azael und freue mich sehr auf unsere gemeinsame Zukunft.«

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