Kapitel 14. Azael

»Du hast was?«

Ich schnaubte. »Ihre Dessous verbrannt.«

Cahir lachte und zog an der Zigarette. »Mann, du hast ja Nerven.«

Als wäre mir das nicht selbst klar. Ich wusste, dass ich kein Recht dazu hatte, ihr auch nur einen Scheiß vorzuschreiben. Selbst Ratschläge waren nicht in meinem Hoheitsgebiet. Herrgott, ich wusste nicht, warum ich so reagierte. Aber der Gedanke, dass jeder der einen Euro für eine Zeitschrift ausgab, oder im Netz surfte, sie in diesen verteufelt heißen Sachen sah, war zum Kotzen.

»Du hast sie nicht darin gesehen.«

»Leider.«

Ich knurrte meinen Freund böse an und spürte das Rot aufblitzen. Er hob beschwichtigend die Hände und reichte mir die Reste der Zigarette. »Halt den Ball flach, Bruder. Also würde ich sie anrühren, nachdem wir rausgefunden haben, das ... Na ja, du weißt schon.«

Ja, ich wusste.

Ich rieb mir die Augen. Das Pfefferspray war lästig gewesen, aber nicht schlimm. »Können wir jetzt das Thema wechseln, hm?«

Meine Aufmerksamkeit schweifte umher und ich suchte die Umgebung ab. Die Parkbank, auf der wir saßen, lag im Schatten und wir beobachteten alles.

Die Viper hatte einen Tipp bekommen, dass Dämonenjäger kommen würden, um die Sache mit dem Spinnen-Löwen-Menschen zu untersuchen und Cahir und mich dann herbeordert. Wir würden nicht kämpfen, wenn es nicht sein musste, doch die Identität herauszufinden, war notwendig und der erste Schritt.

Wobei ein Kampf sicher meine Anspannung etwas abmildern würde, und ein Jäger war ein passabler Gegner. Selbst für mich.
Ich zog mein Handy und tippte meine erste Nachricht an Lin.

ICH: ›Wo bist du?‹

»Du solltest dich entschuldigen, Az.«

Ich sah verwirrt zu Cahir auf. »Für zum Teufel was?«

Er grinste und schob die Sonnenbrille auf seiner Nase zurecht, während er Kaugummi kaute. Ekelhaftes, nach Asche schmeckendes Zeug.
»Du weißt doch, wie Frauen sind. Lin wollte sich in dem Zeug sicher nur hübsch fühlen.«

Was? Sie war hübsch. In weiten, lockeren Klamotten, ungeschminkt und natürlich würde ich vor ihr auf die Knie fallen.

»Seit wann bist du so ein Frauenversteher?«

Er schnaubte. »Schon immer. Aber diesen Fakt weiß ich, weil ich mit ihr, normale Unterhaltungen führe.«

Ich brummte. »Seit wann?«

»Seit du deinen Arsch in den Flieger gesetzt hast. Wir texten ab und an.«

Ich fluchte im Geiste und rückte ebenfalls meine Sonnenbrille zurecht. »Schön für euch. Ich entschuldige mich für gar nichts.«

Die Arme vor der in ein schlichtes Shirt gepackten Brust verschränkt, sah ich in den Park.

LIN: ›geht dich gar nichts an.‹

Ich verbiss mir ein Knurren. Nervig. Mit Maha war es ...

»Du weißt«, setzte Cahir an, als hätte er meine Gedanken erahnt, während er mit seiner Magie ein fettes Eichhörnchen mit Schweinenase dazu brachte, einem Menschenkind hinterherzuhetzen und es zu Tode zu erschrecken, »das du es wesentlich leichter hättest, wenn du sie nicht mit Maha vergleichen würdest, oder?«

Ja. Aber ihr Blut ...
»Ich vergleiche sie nicht.«

ICH: ›wenn du mir nichts sagst, was du treibst, nehm' ich Witterung auf und such dich eben so.‹

Sie schickte ein Foto, auf dem sie nur ein knappes schwarzes Spitzen Top trug und einen kurzen, verdammt engen schwarzen Lederrock. Dazu schwarze hohe Lackstiefel. Lins Augen waren mit einem schwarzen Kajalstift umrandet und ihren Lippen rot bemalt. Ihre Haare waren nach hinten gegelt und fielen ihr offen über den Rücken. Das Foto wurde offensichtlich von jemand anderen gemacht, und sie posiert sexy.

Shit, sie war wirklich alles, was ich an einer Frau nicht wollte. Aber selbst der Mittelfinger, den sie in die Kamera hielt, turnte mich an.

LIN: ›Versuchs doch.‹

Ich grinste, drehte die Kamera, schoss ein Bild, auf dem ich ihr ebenfalls den Mittelfinger zeigte, und sendete es.

ICH: ›forderte mich lieber nicht raus. Wenn ich es wollen würde, wäre ich in 10 Minuten, wo auch immer du deinen Arsch hin geschwungen hast.‹


Sie schrieb nicht sofort zurück, sondern sendete zwei Fotos. Eine von vorn und eines von hinten und auf beiden trug sie nur aufreizende Unterwäsche.

LIN: ›Wenn du es in 10 Minuten schaffst, kannst du gleich bezahlen, als Entschädigung für dein Vandalismus.‹

Ich holte tief Luft und steckte da Handy weg.

»Alles okay?«

»Ja«, brummte ich genervt, doch als eine Frau in einem Hosenanzug auftauchte, wurde alles still. Ich, meine Gedanken, mein Herzschlag, mein ganzes Sein.

Eine Jägerin, offensichtlich. In Begleitung drei weiterer Jäger.

Woher ich und Cahir, der nun ebenfalls sehr aufmerksam wurde, wussten? Wir rochen die Waffen aus Obsidian, die einen Dämon töten könnten. Rochen das Pulver aus demselben Stein, dass sie nutzten, um uns zu betäuben oder stark zu schwächen.

Aber das war nicht das, was mich so schockierte. Es war der Fakt, dass ich die Frau kannte. Doch als ich sie das Letzte mal gesehen hatte, war sie definitiv keine Jägerin.

Als ich sie das letzte Mal sah, war sie nur die Geliebte eines Dämons, die den Leichnam dessen in den Armen hielt, nachdem ich ihm den Kopf angeschlagen hatte.

Und bis eben, bis jetzt, wo ich sie sah, war mich dank der Millionen Gesichter in meinem Kopf, die ich in meiner Zeit auf Erden schon gesehen hatte, nicht klar geworden, wem sie ähnelte.
»Scheiße«, fluchte ich und Cahir sah mich fragend an. Aber als ich weitersprach, redete ich mehr mit mir selbst als mit meinem Kumpel. »Ich habe Linneas Vater getötet.«

»Was?!«

***

Ich saß am Esstisch und starrte auf die vier Tüten von Dior, Armani, Celine und Viktoria Secret, sowie das Essen von Japaner, das aus der Tüte dampfte, und die Flasche Wein stand kühl daneben. Auch als die Tür auf und wieder zu ging, blieb ich reglos.

Meine Nachforschungen, nachdem Cahir und ich aus dem Park verschwunden waren, waren klar gewesen. Ja, ich hatte scheinbar Lins Vater geköpft, weil er früher einmal ein Dämon war, der die ein oder andere Regel zu viel gebrochen hatte.

Scheiße.

Ich nippte an dem ›Bier‹ und rieb mir den Nasenrücken.

»Hast mich wohl doch nicht gefunden, anscheinend ist deine Nase nicht so toll, wie du denkst«, merkte Lin an und blieb neben mir stehen. Ihre Aufmerksamkeit auf die Tüten gerichtet, stemmte sie eine Hand in die Hüfte. »Was ist das?«, fragte sie neugierig und ein bisschen verwundert.

Ich leckte mir das Blut von den Zähnen. »Eine kleine Entschuldigung schätze ich. Aber wenn du noch so einen Spruch raushaust, schenke ich sie deiner Freundin. Wie hieß sie noch gleich? Paulina?«, fragte ich, obwohl ich es wusste. Denn ganz im Gegenteil zu Linneas Vermutung, ich hätte sie nicht gefunden, hatte ich es doch.
Ich war ihrem Geruch durch die ganze Stadt gefolgt und hatte sie letztlich ein Eis zusammen essen sehen. Doch statt sie anzuschnauzen, oder ihr zu beweisen, dass ich sie überall finden würde, hatte ich mich damit begnügt, die Paparazzi zu verjagen, die es vereinzelt auf sie abgesehen hatten, bevor ich in die Läden bin, um die Ersatzteile des Aschenhaufens zu kaufen.

Sie sah mich an. »Woher weißt du, wie meine Freundin heißt?«, fragte Linnea und zog die Stiefel aus. Sie stellte sie in den Flur und legte ihre Tasche auf einen der Stühle. Dann schaute sie in die Tüten und ein Lächeln legte sich auf meine Lippen.

»Denkst du nicht, über 9500 Jahren lernt man den ein oder anderen Trick?« Ich schnaubte. »Und bevor du dich aufregst, es ist auch alles deine Größe, was also heißt«, ich sah zu ihr auf, »das ich auch hierfür ein gutes Auge und meine Methoden habe.«

Mit demselben Lächeln sah sie mich an. »Sag doch einfach, dass du gerne stalkst.« Lin kicherte und ich schnaubte. »Keine Sorge, du bist nicht der Einzige. Ich habe einige Stalker«, meinte sie locker und holte einen spitzen BH aus der Tüte. Sie hielt ihn sich vor die Nase. »Die Sachen sind wunderschön. Also, wenn das deine Entschuldigung ist + dem Essen, dann verzeihe ich dir. Ich bring die Tüten kurz in mein Zimmer«, informierte sie mich und konnte scheinbar gar nicht aufhören zu lächeln.

Lin verschwand kurz und kam zurück, dann nahm sie das Essen und setzte sich mir gegenüber hin. »Was hast du heute so gemacht?«, fragte sie und öffnete den Deckel und begann zu essen.

Mein Mundwinkel zuckte, ich nahm meine Glasflasche und hob sie. »Guten Appetit, Liebes.«
Oh, wie viel lieber, würde ich von ihr nehmen. Ich sah auf den kleinen Schnitt an ihrem Hals, den sie immer mit Make-up abdeckte, wie auf ihren Unterarm.

»Nicht viel. Dämonenkram«, beschrieb ich wage. »Und natürlich das Stalking nicht zu vergessen.« Mein Mundwinkel zuckte höher, als ich fortfuhr. »Ich würde dich ja fragen, was du so gemacht hast, aber das weiß ich ja bereits alles.«
Als mir der Duft des Essens entgegenwehte, schnupperte ich. Ich zog eine Nudel aus der Packung und aß sie, nur um dann das Gesicht zu verziehen und herunterzuschlucken.

Es war widerlich. Es roch so verdammt gut und schmeckte so bestialisch nach Scheiße, die man in Dreck gewälzt hatte.

»Danke schön, dir ... auch ... guten Appetit, wenn man das so sagen kann bei euch«, meinte sie etwas unsicher. Dann jedoch grinste sie, wegen meines Scherzes. »Wenigstens gibst du es zu.« Sie aß weiter und beobachtete meine Reaktion auf das Essen. »Schmeckt euch Menschen essen nicht?«, fragte sie mit vollem Mund und hob eine Hand vor ihr Lippen.

Ich lehnte mich zurück und fuhr mir durch die Haare, während ich den Kopf schief legte. »Stell dir vor, jemand zerreibt Kohle, mischt es mit verwesendem Fisch und schüttet Benzin drüber.« Ich nickte auf ihr Essen. »Ungefähr so schmeckt euer Essen für einen Dämon. Und der Fakt, dass es gut riecht und so schmeckt, macht die Sache noch widerlicher. Als würden meine Nase und mein Mund sich prügeln.«

Linnea musterte mich, nickte verstehend und schmunzelte dann. »Du legst immer den Kopf schief, wenn du nachdenkst.« Mit einem Ellbogen stürzte sie den Kopf auf dem Tisch ab und lächelte mich an. »Das find ich wirklich niedlich.«

Ich runzelte die Stirn, grinste aber zurück. »Niedlich? Oh, Liebes. Meistens versuche ich, nur rauszufinden, ob es den Ärger wert ist, dich einfach umzubringen.«

Ich trank das Blut leer und stand auf, um die Falsche auszuspülen und in den Kasten zu stellen, der schon wieder leer war. So alt, und doch lernte ich gewisse Dinge einfach nicht. Mich rumdrehend, sah ich zu ihr und tat etwas, das ich eigentlich nicht sollte. Nämlich, sie besser kennenlernen.

»Erzähl mir von dir. Deine Mum wer ist sie? Was macht sie so? Dein Dad? Wie ist er so.«

Heuchler, dachte ich. Ihre Mum war, wie ich herausgefunden hatte, nach dem Tod des Vaters zur Jägerin geworden und ihr Dad ... nun. Doch es interessiert mich, was sie wusste, was sie bereit war, mir zu sagen, und wie sich ihre Wahrheit von meiner unterschied.

Sie kniff die Augen zusammen und sah mich sauer an. »Du bist echt so ein Idiot. Ich glaub dir kein Wort«, motzte Lin und sah auf das Essen, in dem sie herumstocherte. Es dauerte einen Moment, bis die Kleine antwortete. »Mein Dad ist tot. Er ... lebt nicht mehr, seitdem ich 14 bin«, sagte sie und sah nun traurig auf das Essen.

Scheiße.

Linnea atmete tief ein und fasste sich wieder. »Und meine Mum arbeitet bei der Staatsanwaltschaft. Sie ist ... Sie war mal liebevoll, aber seitdem Dad tot ist, hatte sie sich nur noch in die Arbeit gestürzt und mich komplett ignoriert«, erzählte sie geknickt und sah mich an. »Und wie sind deine Eltern? Deine Mutter durfte ich ja schon kennenlernen, aber was ist mit deinem Vater?«

Sie zeigte mit der Gabel auf mich und ich schob meine Hände in die Taschen. »Die Viper ist eine der ältesten lebenden Dämonen. Mit ihr gibt es nur drei, die seit Anbeginn auf der Erde weilen. Mutter ist brutal. Gefühlskalt und-« Ich lachte auf. »Die Braut des Teufels, wenn es noch Euren Geschichten geht. Lilith.« Kopfschüttelnd wurde ich ernster. »Mein Vater war gutmütiger. Letztlich aber auch nur ein Dämon und blutgierig. Die Viper hat ihn, getötet und gefressen.«

Ich erschauerte, als die Erinnerung zurückkam.

Sie starrte mich an, legte die Gabel weg und räusperte sich dann. »Mir ist der Appetit vergangen«, erklärte sie und erhob sich. Das Essen wegstellend, sah sie mir wieder entgegen. Das Mitleid war in ihren Augen deutlich zu lesen. »Deine Geschichte hört sich schrecklich an. Tut mir leid für dich.«

Ich zuckte mit der Schulter. »Bei uns Dämonen ist das mit der Familie nicht so intim wie bei euch. Die einzige Person, die und wichtig ist, ist der Partner – so gibt es ihn denn. DAS ist es, was uns etwas bedeutet.«

Und das ist es, was Maha für mich war. Die Welt. Mein alles.

»Würde man die Viper jetzt vor meinen Augen töten, wäre ich nicht traurig. Müsste ich aber noch einmal sehen, wie ...« Ich stockte und sah Lin an. »Es ist anders.«

Sie nickte, wirkte etwas befangen und ihr Blick wanderte durch die Wohnung, bis er beim Fernseher ankam. »Wollen wir irgendetwas gucken? Ich finde es nämlich gerade trotz dieser Themen ganz angenehm mit dir.«

Ich schmunzelte. »Ich bin an sich«, mich vom Tresen abstoßend, lief ich an ihr vorbei, »eine recht gute Gesellschaft, Liebes.«

Auf ihrer Höhe blieb ich stehen und sog ungewollt zu bestimmt ihren Geruch ein. Meinen Pupillen weiteten sich und meine Nasenflügel zuckten, während ich mich dezent die Lippe befeuchtete.

Mein Kopf zuckte zur Seite und ich sah auf ihre Lippen. »Was schwebt dir vor?«

»Ein Liebesfilm?«, scherzte sie hoffentlich und grinste mich an. Doch als sie bemerkte, dass ich weiter auf die Lippen sah, presste sie diese zusammen und lief zur Couch.

Ich folgte ihr und setzte mich mit etwas Abstand neben sie. Mit wenigen Klicks schaltete ich ›Constantin‹ an und fragte gar nicht erst, ob sie den etwas älteren Film mit Keanu Reeves sehen wollte oder nicht. Wir sahen uns still den Streifen an und obwohl ich ihn sicher schon 100 Mal gesehen hatte, langweilte mich das Gesehene nicht.

Gelegentlich sah ich zu Lin, der ich eine dünne Sommerdecke gegeben hatte, und füllte in der Mitte des Films noch eine Schale Chips für sie. Als der Abspann dann lief, war es weiterhin still und so auch, als ich den TV ausschaltete und weiter das schwarze Bild des Flatscreens ansah.
Sie starrte ebenfalls den Fernseher an und wandte sich dann aber mir zu.

»Ich...« langsam erhob Linnea sich und schmunzelte. »...bin kurz mal auf der Toilette. Bin gleich wieder da«, sagte sie und bevor ich reagieren konnte, eilte sie in ihr Zimmer und dann auf die Toilette. Es dauerte nur 10 Minuten, bis die Tür wieder aufging.

»Azael«, sagte sie nur, und als ich mich zu ihr drehte ...

Linnea lächelte kurz, bevor sie diesen Foto-Schlafzimmer-Blick aufsetzte und wie ein Model elegant und doch sexy auf mich zu lief, und vor mir eine Drehung machte.

Ich blinzelte nicht, sah sie mir sehr genau an und fluchte dann. »Shit.«

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top