Kapitel 22
Wie lange er geschlafen hatte und wann er eingeschlafen war, konnte er nicht sagen. Als er leise flüsternde Stimmen in seiner Nähe vernahm, war er sofort hellwach, trotzdem ließ er die Augen geschlossen und lauschte. Hizashi klang wütend und nicht sonderlich zufrieden, während er mit Nemuri sprach, von der ein Seufzen zu hören war. Schritte kamen näher auf ihn zu. Kurz darauf spürte er eine Hand sanft über seine Wange streichen. „Shota, es gibt Essen." Sanft rüttelte Midnight an seiner Schulter und lächelte ihn leicht an, als er die Augen aufschlug und zu ihr aufsah. Sie wirkte nicht glücklich, versuchte es jedoch so gut es ging hinter einem Lächeln zu verbergen. Aus Höflichkeit, und weil er nicht zugeben wollte, dass er versucht hatte zu lauschen, spielte er bei ihrer Fassade mit und gähnte, ehe er sich erhob und ihr zum Esszimmer folgte.
Draußen dämmerte es längst und er könnte schwören, dass auch die Stimmung am Esstisch nicht sonderlich sonnig war. Als er jedoch in die einzelnen Gesichter blickte, hellten sich die Mienen jener Schüler auf, die merkten, dass er sie ansah. Dieses Verhalten war ihm mehr als suspekt, vor allem aber fand er es unangebracht, dass sie wegen ihm so ein schlechtes Schauspiel aufführten. Er sagte jedoch nichts, sondern ließ sich wortlos nieder, um ein paar Bissen zu essen und dann schnell wieder verschwinden zu können.
Heute schien niemand so richtig Hunger zu haben. Jeder stocherte lustlos in seinen Nudeln herum, ehe sich die meisten relativ bald erhoben und zu Bett gingen. Die ausgelassene Stimmung, die noch zu Beginn es Trips geherrscht hatte, war längst verflogen. Daran bist nur du schuld, säuselte die Stimme gehässig in seinen Gedanken und ließ auch seinen kaum vorhandenen Appetit verfliegen. Also erhob auch er sich und kehrte zum Sofa zurück.
An Schlaf war jedoch nicht mehr zu denken. Stattdessen lag er wach, und starrte starr an die Decke. Wieso lag er eigentlich hier und nicht in dem Bett, das ihm zugewiesen war? Weil er Angst hatte, dort drin mit sich allein zu sein? War er so feige? Vielleicht waren die anderen aber auch froh, wenn er sichtbar für alle hier war, damit sie ihn kontrollieren konnten, weil er beaufsichtigt werden musste wie ein kleiner Junge, der alleine nicht zurecht kam.
Dabei hättest du nicht einmal den Mumm dazu, es zu beenden. Schwachsinn. Über solche Dinge wollte er nicht nachdenken. Doch diese innere Stimme ließ sich schwer ignorieren. Merkst du denn nicht, dass du ihnen die Lust an dem Ausflug nimmst und alles wegen dir stockt? Du störst. Solange sie dich an der Backe haben, werden sie nur aufgehalten, weil du ein Klotz am Bein bist.
Shota wälzte sich auf dem Sofa umher, versuchte nicht zuzuhören, doch es klappte nicht. Immer wieder hallten die Worte in seinen Gedanken wider. Du störst. Schlussendlich erhob er sich, und war auf dem Weg zur Küche, um sich ein Glas Wasser zu holen und den fahlen Geschmack aus seinem Mund runter zu spülen, den diese Worte bei ihm hinterließen. Natürlich störte er. Ein Verletzter hatte nichts auf einem Trainingscamp verloren. Er verstand selbst nicht, wieso man ihn nicht zurück zur Schule geschickt hatte, damit er hier nicht weiter eine Last war. Zur Schule zurück zu kehren, das wäre die einzige logische Lösung für das Problem. Es gibt eine andere ...
Verwundert über diesen Gedanken hielt er inne, als er die Tür zur Küche aufstoßen wollte. Doch nicht nur die Worte dieser dämlichen Stimme ließen ihn erstarren. Jemand außer ihm war noch wach und war in der Küche am Plaudern. Auch wenn alles in ihm schrie, dass man nicht lauschte, presste er sein Ohr gegen den Spalt der leicht geöffneten Tür. „Mic, ich bitte dich. Es gibt immer noch Hoffnung. Vielleicht kann Recovery Girl ihn heilen, oder es gibt eine andere Möglichkeit, aber du darfst die Hoffnung nicht aufgeben!", flehte Toshinori seinen Kollegen an.
Gläser klirrten. „All Might hat recht. Die Hoffnung stirbt zuletzt", seufzte Nemuri und nahm einen Schluck, „der Typ wollte dich nur verunsichern." Yamada seufzte. „Ihr wart nicht dabei. Das war keine Show, sondern sein voller Ernst", erklärte er, „und ich habe mit den beiden Schülern nachgeforscht, es stimmt. Jeder, der Spuren dieser Macke aufwies, starb nach mindestens 2 bis 3 Tagen! Je nachdem, was sie in der Vergangenheit erlebt hatten, scheint es die Wirkung zu beschleunigen. Vor allem starke Traumata haben dafür gesorgt, dass die Opfer schnell starben."
„Aber Aizawa liegt doch da bereits drüber! Es muss also eine Möglichkeit geben, zu überleben", meinte Yagi, „irgendwann vergeht die Wirkung bestimmt. Wir dürfen einfach nicht die Hoffnung aufgeben. Außerdem sind sich die Ärzte doch sicher, dass die Tabletten helfen." Natürlich hatte Toshinori noch Hoffnung. Als Friedenssymbol blieb ihm auch gar nichts anderes über und da Aizawa noch lebte, während andere längst verstorben waren, war doch ein gutes Indiz dafür, dass es einen Lichtblick gab.
„Und wenn er seine Tabletten nur einmal nicht nimmt, weil er vergisst oder keine Lust dazu hat? Das macht mir Angst ...", gab Yamada traurig zu, „ich will ihn nicht verlieren, aber ich kenne seinen Sturkopf. Er wird das nie zulassen, dass wir ihm ständig nachlaufen und unter Beobachtung stellen, wenn die Wirkung nicht abklingt."
Ständige Beobachtung klang tatsächlich nicht nach etwas, was Shota gutheißen würde. Ebenso wenig wie die Tatsache, ständig Tabletten schlucken zu müssen, um diese Stimme im Zaum zu halten. Selbst mit der Medizin trieb sie ihn gerade langsam in den Wahnsinn. Doch egal, was sie gerade aushecken wollten, er würde ihnen zur Last fallen. Es tat ihm weh, dass Hizashi sich so viele Sorgen machte. Er wollte das nicht. Niemand sollte sich Sorgen um ihn machen oder seine Zeit verschwenden, um auf ihn aufpassen zu müssen. Weder Yamada noch Hitoshi noch sonst jemand. Das war er einfach nicht wert. Wenn er doch nur einfach gestorben wäre, dann hätten sie das Problem nicht
Langsam stolperte Aizawa zurück, weg von der Küchentür. Er wollte weg. Fliehen. Irgendwohin, wo er niemals jemanden mehr zur Last fiel. Doch wohin? Ihm war plötzlich furchtbar heiß. Er musste hier raus.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top