Ich sprang zurück. Sah hinter mich, nach rechts, sah nach links, sah nach oben, sah zu den anderen Katzen im Heim - dann wieder auf das Fensterbrett. Atmete erleichtert aus. Die Uralte hatte die Augen geschlossen und den Kopf in Richtung Draußen gereckt.
Noch immer ein wenig verwirrt - so etwas passiert mir sonst nie - stolperte ich aus dem Loch in den Garten und ließ mich auf das Gras fallen. Mein Fell hatte sich gesträubt, vermutlich sah ich aus wie ein riesiger Staubwedel.
Blaues Auge. Diese Katze, die nie irgendetwas tat, immer wirkte, als wäre sie meilenweit weg - sie war schon früh zu den Uralten geschickt worden. Schon vor langer Zeit, als sie noch jung gewesen war, lange vor meiner Geburt.
Niemand hatte je wieder ein Wort über sie verloren. Ich wusste nicht einmal, aus welchem Clan sie stammte - So etwas spielt keine Rolle mehr, wenn man bei den Uralten lebt.
"Na, du siehst aber fertig aus."
Ich sah auf. Vor mir saß eine grau gestreifte - und sehr hübsche - Katze und sah mich schief an. Ihre Augen glänzten graublau, wie meine eigenen. Ich blinzelte. Entweder, überlegte ich, entweder war das nur ein Traum - oder jemand hatte mich angesprochen. Eine Katze, die offensichtlich weder eine Tierheim-Katze noch ein Streuner war. Und auch nicht eine von uns, eine Clan-Katze.
Ich hatte sie noch nie irgendwo gesehen, da war ich mir sicher.
"Da ist aber jemand überrascht." Sie legte den Kopf schief. Ihr Grinsen entblößte strahlend weiße Zähne. "Oder habe ich etwas im Gesicht?"
Ich schüttelte den Kopf und stand auf. Mein Pelz hinterließ kleine Staubmäuse im Gras.
"Ah, ich verstehe, du redest nicht gern." Sie grinste noch breiter. "Oder verschlägt dir irgendetwas die Sprache? Du siehst ja richtig bemitleidenswert aus."
"Ähm, ich ..."
"Faulpelz, richtig?" Sie blinzelte mich an. "Das ist doch dein Name, habe ich recht?"
Ich kniff die Augen zusammen. Sie musste eine von uns sein - niemand sonst kennt unsere Namen. Fragt ein Streuner danach, antworten wir immer etwas anderes, ähnlich verrücktes. "Sammy" beispielsweise. Oder "Grinsekatze". Letzteres wäre übrigens ein sehr treffender Name für diese Katze vor mir, fiel mir auf.
Wieso sollte mich jemand kennen, den ich nicht kannte, nicht einmal gesehen hatte?
"Wo ... woher ...?", fragte ich verdutzt. Sie winkte ab.
"Ich weiß so einiges", sagte sie und grinste weiterhin. "Ziemlich staubiges Fell, hm? Lange nicht gewaschen, stimmt's?"
"Ich ... ähm ... ich bin ... ich bin ..." Ich bemerkte, dass ich auf ihre Zähne starrte. "Ich meine, ich bin die Putzfee."
"Die Putzfee", wiederholte sie, ohne mit diesem Grinsen aufzuhören. Im Gegenteil, es wurde noch breiter. Wie auch immer sie das schaffte. "Du kommst öfter vorbei", stellte sie fest und umkreiste mich neugierig, "Natürlich kenne ich deinen Namen."
Natürlich - wie sie das sagte! Als hätte Komische Nudel mich jemals "Faulpelz" genannt.
"Die alte Katze - deine Mutter, nehme ich an? - dir hängt etwas an ihr, habe ich recht?", fragte sie weiter und blieb direkt vor mir stehen. Ihre Nase war nicht eine Schnurrhaarbreite von meiner entfernt. "Du bringst sie immer wieder brav zurück, auch wenn sie immer und immer wieder weggeht."
Sie blinzelte. Offenbar erwartete sie eine Antwort.
"Ja, ähm ... ja, sie... das ist... mein Job, ich... ich muss sie zurückbringen, weil... weil..."
"... weil deine Leute alte Katzen nicht durchfüttern wollen, ich weiß." Sie verdrehte die Augen. "Das war nicht meine Frage. Meine Frage war: wieso machst du das?"
Völlig verdutzt sah ich sie an. Es war meine Mutter - natürlich machte ich diesen Job.
Aber das stimmte nicht.
Ich hatte es schon davor getan.
"Ähm, ich ..."
"Du bist zu gutherzig, Kleiner", unterbrach mich die graue Katze und sprang auf den Wald zu. Als ich nicht folgte, sah sie zurück. "Na komm schon, glaubst du etwa, ich warte auf dich?"
Sie war schnell. Und damit meine ich sehr schnell. Ich kam kaum hinter ihr her, musste springen - und dabei sprintete sie noch nicht einmal.
"Woher - kennst - du - meinen - Namen?", japste ich und versuchte, mit ihr Schritt zu halten.
"Ich weiß vieles", war die Antwort. Auch im Laufen grinste sie, unglaublich. "Du bist ganz schön außer Form, hm? Dabei ist doch Frühling, da müsstest du deine Wintermuskeln haben."
Ich blieb keuchend stehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie den ganzen Weg über vorn gerannt war - und wir beinahe bei unserem Lager angekommen waren.
"Woher kennst du ... den Weg?", keuchte ich atemlos und ließ mich auf den Boden fallen.
"Vielleicht hast du mich noch nicht gesehen", sagte sie und sah mich an, "aber das heißt nicht, dass ich nicht da war."
Ich stand auf und erwiderte ihren Blick.
"Seit wann bist du da?"
Sie rannte weiter.
"Komm schon, es ist nicht mehr weit."
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